Während der folgenden Monate hielt Ross die Roboterscharen in Trab. Die meisten Reinigungs- und Reparaturroboter räumten die erste Etappe auf, auch die anderen fanden zweckdienliche Verwendung. Ross erfand immer neue Arbeiten, die von den Robotern viel zu rasch erledigt wurden. Schließlich gab es kaum noch eine Arbeit, die er diesen dienstbaren Geistern nennen konnte. Ross war vollauf damit beschäftigt, sich immer wieder eine neue Tätigkeit auszudenken. Kaum hatte er einen Auftrag erteilt, kam schon die Vollzugsmeldung und gleichzeitig die Frage nach weiteren Tätigkeiten. Ross hatte kaum Zeit, an sich selbst zu denken, und das wollte er damit auch erreichen.
Die Roboter überbrachten ihm auch die gewünschten Informationen.
Schließlich stand alles auf dem alten Platz und das Hospital war, mechanisch gesehen, wieder voll betriebsfähig. Doch die Blutbank und die medizinischen Vorräte waren nicht mehr brauchbar. Das Kraftstromnetz wurde mittels Atomkraft gespeist, ein nahezu unbegrenzter Vorrat an Energie. Es gab auch noch in jeder Etappe Lebensmittelvorräte, und obwohl die Wasservorräte im Augenblick nicht groß waren, konnte neues Trinkwasser aus dem Ozean gewonnen werden, der seine Radioaktivität verloren hatte. Die Erdkruste war verharscht, doch unter dieser Aschendecke war der Boden normal und hätte Feldfrüchte tragen können. Leider gab es keine Saat.
Ein in der ersten Etappe gefundenes Tagebuch gab Ross die Erklärung:
Der Krieg war mit schweren nuklearen Waffen geführt worden. Einen Monat nach Kriegsausbruch war alles Leben auf der Erde erloschen. Zuerst starben die Tiere, dann die Insektenwelt und schließlich die Pflanzen. Die ungeheure Anzahl der Bomben und die Regelmäßigkeit, mit der sie explodierten, bewies, daß auch noch während des Krieges weitere Bomben und Abschußrampen gebaut wurden. Roboter hatten die menschliche Arbeitskraft nicht nur ersetzt, sondern auch die Plätze der Menschen eingenommen. Sie waren unempfindlich gegen Strahlungen und konnten nur vernichtet werden, wenn sie in ein Hitzefeld gerieten und schmolzen. So wurde die Welt systematisch vernichtet, und das zu einer Zeit, in der die Menschen selbst schon so gut wie ausgestorben waren. Was die Explosionen nicht getötet hatten, holte die Luftverseuchung nach.
Es gab zuerst noch vereinzelte Grasflächen und Bäume, aber ihre Halme und Blätter hatten eine spätherbstliche Farbe, obwohl es erst Mitte April war. Die unter Wasser erfolgten nuklearen Explosionen hatten das Wasser schwarz gefärbt, denn viele Abschußbasen befanden sich unter der Meeresoberfläche. Unglaubliche Mengen toter Fische wurden angeschwemmt. Doch infolge der Radioaktivität verwesten sie nicht, trockneten zu Staub, wurden vom Wind verweht oder vom Meer weggespült.
Das Meer lag noch im Sterben, die Erde war schon tot, und nachts glühte die Luft wie ein Wetterleuchten, das nicht erlosch. Die Welt war eine einzige riesige Feuersbrunst, die in den ausgedörrten Bäumen, Sträuchern und Gräsern immer neue Nahrung fand. Ein Wolkenbruch hätte das Feuer nicht ersticken, sondern bestenfalls hinauszögern können. Die Inseln hielten sich am längsten, aber dann griff der Feuersturm des Festlandes auch auf sie über. Nur in der südlichen Hemisphäre kam das Feuer vorübergehend zum Stillstand. Dort lag Schnee, der in der Gluthitze zwar rasch schmolz, aber den Boden für eine gewisse Zeit feucht hielt. Doch dann zeichnete sich auch hier das Ende ab, und die Flammen stürzten sich gierig auf jeden Grashalm. Im Sterben, dachte Ross, hat sich die Erde in ein Krematorium verwandelt.
Ross fühlte sich nach der Lektüre des Tagebuchs nicht so entmutigt, wie er befürchtet hatte. Er hatte die Erdoberfläche schon gesehen und somit den größten Schock hinter sich. Er wußte auch ungefähr, wie alles weitergehen würde. Nach und nach würde der Regen die ungeheure Aschenmenge aus der Luft waschen und Morast verursachen, der dann trocknete und wieder in die Luft gewirbelt wurde. Trieb ihn der Wind ins Meer, so würde er dort bleiben. Vielleicht dauerte dieser Kreislauf Jahrhunderte, doch eines Tages würde die Luft wieder klar und sauber sein. Ross kam letzten Endes zu dem Schluß, daß er sich in erster Linie um seine unmittelbare Umwelt kümmern mußte, denn das Leben, als Ganzes betrachtet, hatte ihm nicht viel zu bieten.
Er registrierte dreihundertzweiundsiebzig Roboter, drei große Reparaturwerkstätten und eine beachtliche Anzahl kleinerer Räume. Dennoch reichten sie für die von Ross geplanten Vorhaben nicht aus. Er sagte das der Robotschwester und erklärte alles so einfach und logisch wie möglich.
„Ich bin nur ein menschliches Wesen, das in einem Hospital zurückgeblieben ist, in dem die Roboter für die Behandlung von Tausenden von Patienten geschult sind. Weil diese Patienten nicht mehr existieren, gibt es — auf rein medizinischem Gebiet — keine Arbeit mehr für euch. Ihr seid geschaffen, um dem Menschen zu dienen und fühlt euch glücklich dabei. Aber wenn ihr nichts zu tun habt, seid ihr unglücklich. Ich habe neue Aufgaben für euch. Ihr müßt euch weiterbilden und zusätzliche Erkenntnisse sammeln, die ihr vielleicht einmal verwerten könnt. Bevor ich Einzelheiten bekanntgebe, frage ich: Sind meine Vorschläge praktisch durchführbar?“
Der Roboter schwieg drei Sekunden und sagte dann: „Ich habe Ihre Frage dem Senior-Roboter übermittelt, Sir. Strukturelle Veränderungen sind kein Problem, doch die Fähigkeit, neue Erkenntnisse aufzunehmen, ist von der Kapazität unseres Gedächtnisses abhängig. Eine genaue Antwort können wir ihnen nur geben, wenn wir Art und Umfang der von Ihnen gestellten Aufgaben wissen.“
„Ausgezeichnet“, sagte Ross. „Der Senior-Roboter, wie du ihn nennst, soll zu mir kommen. Ich weiß natürlich, daß du dich auch aus weiter Entfernung mit ihm unterhalten kannst, aber ich würde mich freuen, ihn in meiner Nähe zu haben. Ich habe einige Skizzen und Zeichnungen, die ihr beide sehen sollt.“
Ross ging zum Schreibtisch und öffnete das große Hauptbuch, das seit Monaten seinen Platzt Zwischen einem Diarium und einem Notizbuch hatte. Er nahm Platz. Die Robotschwester nahm hinter ihm Aufstellung, und kurz danach quetschte sich der Senior-Roboter durch die Tür. Seine massige Form schien den ganzen Raum auszufüllen.
„Mein Plan ist folgender“, begann Ross ohne lange Vorrede. „Die Räder der Instandhaltungs- und Aufwarteroboter sind zu entfernen und durch Beine mit schaufelartigen Baggern zu versehen. Weiter soll eine Vorrichtung gebaut werden, die es den Robotern ermöglicht, auch bei schlechtem Wetter an der Erdoberfläche zu arbeiten. Er braucht einen Schutz gegen Regen und Flugasche. Ich weiß, daß alle Roboter infrarot gesteuerte Augenlinsen haben und auch nachts oder bei schlechter Sicht arbeiten können. Die Roboter werden mir Mineralproben bringen, die ich untersuchen werde. Diese Skizzen zeigen euch, was ich plane. Aber das ist nur der erste Schritt. Sollten die Mineralproben eisenhaltig sein, werde ich eine Möglichkeit finden, neue Roboter bauen zu lassen. Für meine Pläne benötige ich Tausende von Robotern, die hart und beständig arbeiten. Der Schrott in den Ruinen der Städte reicht nicht aus. Vielleicht werden wir einen Stollen bauen, um das Erz zu fördern und weiter zu bearbeiten. Doch bevor dieses Stadium erreicht ist, brauche ich Roboter, die das Ozeanbett untersuchen. Diese Untersuchung wird über Länder und Kontinente fortgesetzt werden. Wir müssen Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge haben!“
Ross redete sich immer mehr in Begeisterung, blätterte in den Büchern und tippte mit dem Zeigefinger auf die entsprechenden Skizzen. Einen derartigen Optimismus hatte er sich früher nie zugetraut. Er sprach von Unterseebooten, Hubschraubern und Düsenflugzeugen. Die Roboter konnten seinen Ausführungen nicht mehr folgen, aber er redete wie besessen und konnte einfach nicht mehr aufhören. Wichtig war, daß er ein Ziel hatte, eine Sache, für die er sich einsetzen konnte. Dann würde er auch nicht so leicht überschnappen. Plötzlich konnte er seine geheimen Träume, vielleicht doch noch Leben anzutreffen, nicht mehr verbergen.
„Ich will, daß dieser ganze verdammte Planet gründlich durchsucht wird!“ Er schrie es beinahe. „Jeder Quadratmeter der Erdoberfläche! Irgendwo müssen noch andere Hospitäler sein, die unserem nicht unähnlich sind. Vielleicht ruhen noch irgendwo Tiefschlaf-Patienten, oder es gibt noch Unterwasserstützpunkte, die den Krieg überstanden haben. Dieses Hospital ist so gut wie unversehrt, warum sollte es nicht noch mehrere geben? Darum müssen die Forschungsroboter ihr medizinisches Wissen erweitern. Sollte es noch überlebende Patienten geben, wird ihr Gesundheitszustand alles andere als gut sein. Und wenn ihr einen trefft, dann möchte ich bei der Wiederbelebung zugegen sein.“
Beide Roboter tickten; ein sicheres Zeichen, daß sie restlos verwirrt waren. Ross unterbrach seinen Redeschwall und stellte den Robotern mit gedämpfter Stimme Fragen. Es handelte sich um das Problem, aus den nur die Arbeit im Hospital gewohnten Robotern Schwerarbeiter zu machen.
Und es gab viele Probleme. Eine der Hauptschwierigkeiten lag in der begrenzten Kapazität der Elektronengehirne. Sie mußten neue Kenntnisse und Direktiven aufspeichern. Zwar waren noch Zellen frei, aber sie reichten für ein neues Spezialgebiet nicht aus. Schlimmstenfalls hätten neue Wissenszweige in ihren Hirnen ein heilloses Durcheinander angerichtet und aus ihnen eine Kreuzung von Krankenschwestern und hoffnungslos blöden Bergarbeitern gemacht. Die einzige Möglichkeit war, ihre medizinische Intelligenz zu verringern, doch Ross konnte sich nicht dazu entschließen, denn diese Kenntnisse waren für ihn auch wertvoll.
Ein weiteres Problem war die Schwierigkeit, ihnen die Striche und Kreise auf dem Papier zu erklären. Sie sahen diese Zeichen wohl, wußten aber nichts mit ihnen anzufangen. Ross mußte ihnen die Bedeutung jeder einzelnen Linie genau erklären und selbst dann wußte er noch nicht, ob sie wirklich alles begriffen hatten. Deutete er auf einen Kreis, so begriffen sie nur, daß es ein Kreis war, aber nicht dessen tieferen Sinn. Ross war der Verzweiflung nahe und griff im Geiste nach dem zwei Fuß langen Schraubenschlüssel, um ihnen auf diese Weise das neue Wissen einzutrichtern. Schließlich riß ihm endgültig der Geduldsfaden, und er schrie empört: „Verschwindet! Ich will euch nicht mehr sehen!“
Mit seiner ruhigen und gerade deshalb nerventötenden Stimme fragte der Roboter: „Wohin sollen wir verschwinden, Sir?“
„Geht von mir aus zum Teufel!“
Der Roboter tickte ihn an; er kannte den Ausdruck,Teufel’ nicht.
Ross sah keinen Grund, ihm den Sinn des Wortes zu schildern. Er knallte das Buch zu, tippte sich an die Stirn und seufzte: „Warum stellst du dich so dumm an? Du bist doch hier der Senior-Roboter, aber die Robotschwester scheint alles bedeutend besser zu kapieren!“
„Das ist eine Sache der Konstruktion“, sagte die Robotschwester mit sanfter Stimme. „Instandhaltungsroboter haben weniger Ahnung von Röntgenstrahlen, weil ihre Gedächtniskapazität auf anderen Gebieten…“
„Wenn ein Kreis dreieckig ist…“ begann der Instandhaltungsroboter.
„Treibe mich nur nicht zum Wahnsinn!“ schrie Ross. „Ich möchte nur wissen, wie es kommt, daß einer von euch mehr Intelligenz besitzt als der andere?“
Das hatte zwei Gründe, und als die Robotschwester sie aufführte, wurde Ross klar, daß er einen bereits kannte. Schwester 5 B war die letzte und größte Konstruktion des berühmten Kybernetikers Courtland, den Doktor Pellew in seinem Tagebuch lobend erwähnt hatte. Gewiß, Roboter konnten nicht schöpferisch denken, doch Ross mußte einsehen, daß Schwester 5 B dieses Kunststück irgendwie zustande gebracht hatte. Sie hatte bei der Wiederbelebung von Patienten Erfahrungen gesammelt und sie in seinem Fall erstmals ausprobiert. Der zweite Grund lag, wie erwähnt, in der begrenzten Kapazität des Elektronengehirns, das sich in einer Kiste des Fahrgestells befand.
Ross kam zu der Erkenntnis, daß er entweder Kombinationen von Schwestern- und Bergbaurobotern oder Schwestern-, Bergbau- und Instandhaltungsrobotern erzielen konnte, wenn er sie mit neuem Wissen belastete. Um ganz sicherzugehen, unterbreitete er diese Vermutung dem Senior-Roboter und erhielt die Antwort, daß die Gefahr einer Verwirrung nicht bestünde, da in den Elektronengehirnen noch genügend Platz sei.
„Warum denn dieses Gerede?“ wollte Ross ärgerlich wissen. „Warum sagst du mir nicht, daß es nur eine Sache der…“
„Der normale Typ eines Roboters“, unterbrach die Schwester, „ist nicht in der Lage, die Informationen von sich aus aufzunehmen.“
Ross hörte der Robotschwester interessiert zu und sagte: „Dann wird es Zeit, Roboter mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten zu bauen. Ich habe Courtlands Notizen gelesen, die den Robotertyp,Mark fünf betrafen. Ich verstehe nicht viel davon, aber eins ist mir klar: dieser Typ kann ein Problem lösen und einen kleinen Prozentsatz schöpferischer Kräfte entwickeln. Oder nein… Courtland behauptet, daß er nur eine Auswahl von Antworten hat für jedes Problem. Macht er einen Fehler, so wird er ihn nicht wiederholen. Wie dem auch sei — ist es möglich, das im Robotertyp,fünf B’ aufgespeicherte Wissen auch auf andere Roboter zu übertragen?“
Die Antwort lautete ja, vorausgesetzt, man gestattete dem Senior-Roboter, den Mechanismus vom 5 B auseinanderzunehmen. Er merkte, daß Ross bezüglich dieser,Operation’ Bedenken hatte. Kein Wunder, denn die Robotschwester war ihm in den vergangenen Wochen fast so etwas wie eine gute Freundin geworden. Und sie war der beste Roboter. Ob sie, bei Licht besehen, eine seelenlose Maschine war, das spielte hierbei keine Rolle.
Ross hatte einige Schwierigkeiten, seine nächsten Fragen verständlich zu formulieren, doch die Robotschwester fand die Antworten.
„Die für eine Operation erforderlichen Maßnahmen unterscheiden sich nur wenig von denen, die bei Menschen zu berücksichtigen sind“, sagte die Robotschwester. „Meine mechanischen Funktionen und mein Gedächtnis dürfen nicht beschädigt werden.“
„Gut“, sagte Ross, „dann hört mir jetzt genau zu. Alle Roboter, das heißt die bereits existierenden und jene, die noch gebaut werden, müssen sich das Wissen von drei Spezialgebieten aneignen. Weiter müssen alle Roboter so konstruiert werden, daß sie jederzeit weitere Daten verarbeiten können — auch das gesprochene Wort, Radio, Photographie, Berechnungen, Tabellierungen, graphische Darstellungen, Kartenlesen, astronomische Beobachtungen, Wetterkunde, Luft- und Seenavigationen. Sie sollen lernen, soviel sie können. Hast du meine Instruktion verstanden?“
„Ja, Sir“, sagte der Senior-Roboter.
„Vielleicht ist dieser Typ so groß, daß er nicht in diese Räume hineinpaßt“, gab die Schwester zu bedenken.
Daran hatte Ross nicht gedacht, fand es aber auch nicht weiter wichtig. „Wir können sie auf der Erdoberfläche unterbringen“, meinte er.
„Ihr vorgeschlagenes Programm ist durchführbar, Sir“, sagte der Roboter. „Ich brauche nur genaue Direktiven und eine Anweisung, wie Ihr Plan schematisch durchzuführen ist.“
Ross fluchte insgeheim, denn die Pläne hatte er selber noch nicht fertig.
Ein paar Stunden später war Ross Zeuge, wie der Senior-Roboter und ein Gehilfe die Einzelteile der Robotschwester auf dem Fußboden verstreuten. Ross war nicht empfindlich, aber Schwester 5 B redete auch in diesem Zustand weiter. Das war doch etwas anderes als eine an einem menschlichen Körper durchgeführte Operation. In einer unglaublich kurzen Zeit hatte der Senior seinen Gehilfen in die neue Tätigkeit eingeweiht, und es dauerte nicht lange, da hatten sie die Robotschwester wieder vollständig zusammengebaut. Das Werk war unheimlich in seiner Präzision. Jeder Handgriff saß perfekt. Courtland, der Erfinder dieser technischen Wunderwerke, mußte wirklich ein Genie gewesen sein.
Ross hatte nun drei Roboter zur Verfügung, die überdurchschnittliche Fähigkeiten besaßen. Innerhalb von drei Wochen würden auch die anderen Roboter diese Fähigkeiten besitzen. Ein großer Augenblick für Ross, doch irgendwie war es ihm unheimlich. Obwohl er sich mit kybernetischen Werken befaßt hatte, hatte er so gut wie gar nichts verstanden und konnte nicht sagen, ob das, was die Roboter vor seinen Augen geleistet hatten, richtig war.
Wenn er gründlich darüber nachdachte, kam er zu dem Schluß, daß er sich in seiner Eitelkeit verletzt fühlte, denn die Roboter waren klüger. Er wollte nicht zugeben, daß er in mancher Beziehung dümmer war als eine Maschine. Er mußte sich gewaltsam einreden, daß es mehr oder weniger nur tote Werkzeuge waren, die die Aufgabe hatten, für ihn zu arbeiten. Er hatte sich darüber zu freuen, daß sie ihm zur Verfügung standen. Sollte er wütend auf sie sein, weil ihr Gehirn besser arbeitete? Nein! Diese Fähigkeit verdankten sie ja letzten Endes dem Erfindergeist der Menschheit.
Nur kurz stellte sich Ross die Frage, ob er auch wußte, was er wirklich tat. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl, so, als säße er in einem Gefängnis, dessen Tür zwar noch offenstand, aber sich jeden Augenblick schließen konnte.
Als erste sichtbare Veränderung benötigte jeder Roboter einen Anhänger und ein elastisches Kabel, das den auf dem Anhänger befestigten Kasten mit dem Hauptkörper verband. In den Elektronenzellen des Kastens konnte zusätzliches Wissen aufgespeichert werden. Die Grundidee von Ross war, die durchschnittliche Intelligenz der Roboter zu erhöhen und sie aufnahmefähiger zu machen. Wäre es möglich gewesen, so hätte er am liebsten auch bei sich ein solches Gerät installiert. Die Roboter erledigten alle Aufgaben mit einer erstaunlichen Sicherheit und Zuverlässigkeit. Ross hätte auf jeden Fall länger dazu gebraucht. Er kam sich wie ein Lehrer vor, dessen Schüler bedeutend mehr wußten, was jedoch keineswegs bedeutete, daß er weniger zu tun hatte.
Auf der Erdoberfläche wurde zunächst ein kuppelartiger Zeltbau errichtet, unter dem der Schacht gebaut werden sollte. Fünfzig Roboter waren mit dem Bau beschäftigt. Höher in den Bergen wurde für Ross ein kleineres Zelt errichtet, in dem sich ein Stuhl und funktechnische Geräte befanden. Es bedeckte eine Fläche von etwa fünfundzwanzig Quadratmetern, die von Asche und Geröll befreit worden war. Wenn es regnete und der Wind günstig stand, konnte Ross das Meer sehen, doch gewöhnlich erblickte er einen schmutzigen, grauen Nebel und den trübe verschwommenen roten Kreis der Sonne.
Es war sehr warm an der Erdoberfläche, auch nachts wich die Hitze nicht. Das lag sicher an der staubverpesteten Atmosphäre, die die Erde umgab.
Obwohl er die Erde innerhalb des durchsichtigen Transparentzeltes ständig anfeuchten ließ, wurde nicht die Knospe eines Grases sichtbar. Es wuchs einfach nichts mehr.
In den Arbeitspausen füllte Ross die Elektronengehirne seiner Roboterscharen mit weiterem Wissen. Um ihnen zu demonstrieren, was ein Flugzeug sei, faltete er eine Papierschwalbe, die er gegen den Wind fliegen ließ und weihte sie dann in die entsprechenden wissenschaftlichen Werke ein. Schwieriger wurde es schon bei der Seefahrt. Weil seine Schiffsmodelle schwammen, hielten die Roboter das Wasser für einen soliden und kompakten Untergrund und versuchten gewissermaßen über die Wellen zu schreiten. Zum erstenmal nach langer Zeit brach Ross in ein befreiendes Gelächter aus.
Als sich der Minenstollen seiner Vollendung näherte, befahl Ross einem Roboterteam, ein Vielzweckfahrzeug zu entwerfen, nicht ganz so groß wie eine Lokomotive. Er gab ihnen die wenigen Bücher über Kybernetik und eine Reihe Notizen, die Courtland gemacht hatte.
Die Erfolgsmeldungen trafen nur spärlich ein und waren ziemlich enttäuschend. Schlimm war, daß Ross den Robotern nicht sagen konnte, wie sie es besser machen sollten. Er sagte lediglich: „Dann müßt ihr etwas falsch gemacht haben.“
„Was haben wir falsch gemacht, Sir?“
„Hm!… An irgend etwas muß es schließlich liegen.“
„Woran, Sir?“
„Wenn ich das wüßte, würde ich euch ja nicht fragen.“
So ließ Ross sie weiterarbeiten in der Hoffnung, daß sie die Fehlerquellen selbständig finden würden. Er hatte ihnen einen Auftrag gegeben, und sie waren gewohnt, Aufträge auszuführen.
Als Ross eines Tages die Mine inspizierte, stolperte er über einen Erdhaufen und stürzte. Als die Robotschwester ihn wiedersah, sprach sie ihn mit,Mister Ross’ an und steckte ihn ins Bett. Sie hielt ihm noch einen zehnminütigen Vortrag über die Dummheit menschlicher Wesen, die sich einbildeten, wie Roboter ohne Ruhepause arbeiten zu können. Er wäre vor lauter Schwäche gestürzt und müsse berücksichtigen, daß die inneren Organe eines menschlichen Körpers keineswegs auswechselbar seien. Er müsse sie funktionsfähig halten und das möglichst lange. Hierzu sei unbedingt eine strenge Bettruhe erforderlich. Und wenn die Robotschwester von einer,strengen Bettruhe’ sprach, dann meinte sie auch nichts anderes. Seitdem Schwester 5 B zusätzliche Elektronenzellen eingebaut bekommen hatte, nahm sie alles noch gründlicher. Diesmal bedeutete Bettruhe, daß er sich nicht einmal unerlaubt aufrichten durfte, Notizen machen oder wissenschaftliche Werke lesen konnte. Doch nach einigem Hin und Her gestattete sie ihm das Lesen von leichten Unterhaltungsromanen, die sie aus der Bibliothek des Hospitals holen ließ.
Es war beinahe schon ein Jahr her, seitdem man auf diese Weise seine Autorität untergrub. Manchmal kam Ross sich vor wie ein Herrscher, manchmal wie ein Sklave. Er wußte kaum noch, was er nun wirklich war. Gehorchte er den Robotern, oder gehorchten sie ihm? Diese verdammte Bettruhe! Abgesehen davon, hatte er noch eine Menge Arbeit vor sich; der Gedanke, untätig im Bett liegen zu müssen, brachte ihn dem Wahnsinn nahe. Und die Bücher konnten ihn auch nicht trösten, denn alles, was darin geschah, hatte nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun. Das würde es nie mehr geben, das war vorbei. Es gab keine sonnenüberfluteten Lagunen mehr, keine sich im Wind wiegenden Palmen, keinen frischen Grasgeruch, kein lustiges Vogelgezwitscher und überhaupt kein Leben.
Ross klappte diese Bücher bald wieder zu, nicht so sehr, weil sich alle beschriebenen Szenen vor seinen Augen in Schutt und Asche verwandelten, sondern weil von Menschen und deren Schicksalen die Rede war.
Merkwürdigerweise fühlte sich Ross tatsächlich nicht ganz wohl. Und er hatte noch sein ganzes Leben vor sich — warum sollte er sich da zu Tode arbeiten?
Gab es noch Überlebende, so befanden sie sich kaum in größerer Gefahr — solange sie im Tiefschlaf lagen. Die Wiederbelebung würde nicht einfach sein und wohl auch nicht in allen Fällen gelingen. Doch Ross hatte keinen anderen Wunsch, als mit einem Menschen zu sprechen, selbst wenn dessen Anblick noch so grauenerregend war. Was das anbetraf, so mußte sich Ross auf die fürchterlichsten Entstellungen gefaßt machen. Nicht alle hatten soviel Glück gehabt wie er.
Aber es war noch etwas anderes, das ihn sogar im Schlaf verfolgte.