Die Bombe für alle

Schulz hielt mich an der Ecke Arlosoroffstraße an:

»Nehmen Sie mich mit?« fragte er, »ich muß dringend zur Post...«

Ich ließ ihn einsteigen. Schulz war sehr aufgeregt. Ich fragte ihn, was los sei.

»Fragen Sie mich nicht! Mein Schwager hat mir aus Deutsch­land eine Atombombe geschickt.«

»Was?«

»Ja, entsetzlich, nicht war? Ich habe zwar in einer Zeitschrift gelesen, daß es in Deutschland ein Verfahren gibt, das es je­dermann möglich macht, Atomwaffen einfach und billig her­zustellen. Aber so etwas verschickt man doch nicht per Post!«

»Sehr merkwürdig, muß ich sagen.«

»Neuerdings sieht es so aus, daß sich tatsächlich der kleine Mann die Bombe leisten kann. Sehen Sie, was mein Schwager schreibt: >P. S.<, schreibt Friedrich da, >Ich habe auch eine kleine Überraschung für Dich. Per Luftpost geht heute eine Atombombe an Dich ab. Alles Gute!«

»Er übertreibt.«

»Friedrich war schon immer großzügig«, sagte Schulz, »aber was soll ich mit der Bombe anfangen?«

»Weiß ich auch nicht. Ich habe noch nie eine gehabt.«

»Josepha macht mich ganz verrückt. >Ich will keine Atom­bomben im Haus<, schrie sie mir nach, als ich das Haus ver­ließ, >ich habe genug Ärger mit dem Kleinen!< Weiß Gott, sie hat recht. Ich sehe es selbst nicht gern, wenn Danny mit einer Atombombe spielt. Da könnte ich für nichts garantieren. Er nimmt nämlich alles auseinander, was ihm in die Finger kommt. - Und außerdem: Wo soll ich die Bombe aufbewah­ren? Im Kühlschrank vielleicht?«

»Ist sie groß, Ihre Bombe?«

»Keine Ahnung. Ich bin schließlich kein Fachmann. Ich wer­ de die Gebrauchsanweisung lesen. Jedenfalls hoffe ich, daß er nicht das größte Modell gekauft hat. Unser Kühlschrank ist nämlich sehr klein. Aber Josepha will sowieso einen neuen. Eines können Sie mir glauben, wenn Friedrich nicht so emp­findlich wäre, würde ich ihm die Bombe sofort zurückschik­ken. Wer braucht schon eine Atombombe? Glauben Sie, ich darf sie ausprobieren?«

»Wenn Sie die richtigen Beziehungen haben...«

»Ich weiß nur, daß ich noch eine Menge Ärger kriegen wer­de. Sie wissen ja, wie unsere Nachbarn sind, die halten uns jetzt schon für eingebildet. Deshalb kann ich es Josepha nicht übelnehmen, wenn sie die Bombe loswerden will, >Verkauf sie doch<, sagte sie. Wären Sie vielleicht interessiert?«

»Nicht direkt.«

»Schon gut. Josepha meint, die Regierung würde sie uns gern abkaufen. Aber ich antwortete ihr: >Das wäre ein schönes Geschäft. Und soll ich meinem Schwager erzählen, wenn er uns besucht und fragt: Wo ist die Bombe, die ich euch ge­schickt habe? - Die habe ich verkauft, Friedrich.

»Dann verkaufen Sie sie eben nicht.«

»So einfach ist das auch nicht. Es ist eine große Verant­wortung dabei und viel Schererei. Zunächst einmal die Teil­nahme an all diesen Abrüstungskonferenzen. Das ist doch absurd. Wer hat schon Zeit für solchen Unsinn?«

»Amerika, China, England, Frankreich«, begann ich in al­phabetischer Reihenfolge, »die Sowjetunion und Schulz.«

»Nein, ich fahre nicht hin.«

»Warum nicht?«

»Ich bin zu schüchtern. Und ich kann keine Reden halten. Davon abgesehen habe ich nur eine einzige Bombe. Was wer­den sie also von mir verlangen? Daß ich meine Bombe ver­nichten soll. Ich weiß doch, wie die sind. Aber ich mache nichts kaputt. Wer sagt mir, daß die Chinesen ihren Bomben­vorrat auch vernichten, stimmt's?«

»Stimmt.«

»Glauben Sie mir, diese deutsche Erfindung stellt die ganze

Welt auf den Kopf. Ein normaler Mensch kann die Kosten gar nicht aufbringen.«

»Was für Kosten?«

»Denken Sie nur an die Versicherung. Ich kann unmöglich das Risiko einer Explosion der Bombe in meinem Haus auf mich nehmen. Und wenn die Bombe kaputtgeht? Wer soll sie reparieren? Unser Klempner vielleicht?«

»Warum sollte sie kaputtgehen? Sie ist doch brandneu?«

»Ich nehme an, sie hat ein Jahr Garantie. Aber in der Regel gelten solche Garantien nicht bei Naturkatastrophen oder Krieg. Es ist einfach lächerlich - denn wann benutzt man schließlich eine Atombombe? Im Krieg!«

»Wollen Sie sie denn wirklich benutzen?«

»Was denn sonst?«

»Wie stellen Sie sich die Beförderung vor?«

»Per Post.«

Schulz bekam sich wieder in den Griff.

»In Wirklichkeit ist es mir egal«, sagte er. »Dann habe ich eben eine Bombe im Haus. Die Großmächte benutzen sie ja auch nicht. Ich werde sie aufheben - für alle Fälle.

Wenn Sie's genau wissen wollen, ist der Gedanke, eine Bom­be im Haus zu haben, ein schönes Gefühl.«

»Warum?«

»Ich weiß es selber nicht. Ich fühle mich wohl dabei. Es ver­schafft einem eine Menge Selbstbewußtsein. Vorausgesetzt, Danny findet sie nicht...«

Wir waren am Paketschalter angekommen. Schulz bezahlte 46 NIS Zoll und 26 NIS Luxussteuer.

»Vorsicht«, warnte er die Beamten, »da drin ist eine Bom­be.«

Das Paket war klein. Zwei Polizisten halfen uns beim Öffnen. Mit angehaltenem Atem holten wir eine in allen Farben schil­lernde Geschenkpackung hervor, auf der zu lesen stand:

»Lang lebe das Atom! Eine perfekte Nachbildung der Atom­bombe inklusive Blitz und Knall... Ein Spaß für Kinder und Erwachsene!«

»Friedrich ist verrückt«, schnaubte Schulz, »das ist für Dan­ny zum Geburtstag.« Dann fügte er mit träumerischem Blick hinzu:

»Und ich hatte mich schon so an den Gedanken gewöhnt. «

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