Kurzer Lehrgang im Profiringen

Nicht zuletzt dank dem Fernsehen wird der Sport immer po­pulärer. Es müssen nicht unbedingt 22 Fußballspieler sein, von denen 22000 Sportfanatiker angelockt und in höchste Erre­gung versetzt werden - manchmal genügen schon zwei Schwergewichtsringer, die ihr Geschäft verstehen. Damit will ich nicht gesagt haben, daß es im Sport nur ums Geschäft geht. Es geht auch darum, daß die Idealisten nichts davon merken.

Etwa so:

»Also paß gut auf, Weißberger. Du steigst nicht in den Ring wie jeder andere, sondern du springst mit einem Panthersatz über die Seile.«

»Warum?«

»Weil du der >Schrecken von Tanger< bist, Weißberger. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Weiter. Die Zuschauer werden dich natürlich auspfeifen. Daraufhin machst du eine obszöne Geste ins Publikum und trittst einem Herrn mit Brille, der dicht am Ring sitzt, auf die Nase. Und zwar so stark, daß er blutet.«

»Muß das sein?«

»Frag nicht so dumm. Dafür wird er ja bezahlt. Als der Row­dy, der du bist, packst du auch noch den Schiedsrichter und wirfst ihn aus dem Ring.«

»Armer Kerl.«

»Arm? Er bekommt drei Prozent von den Bruttoeinnahmen. Wenn er wieder im Ring ist, wird er dich verwarnen, aber du lachst ihm nur ins Gesicht und schüttelst die Fäuste. Da be­kommst du von einem empörten Zuschauer eine Bierflasche an den Kopf geworfen.«

»Oiweh.«

»Keine Angst, Weißberger. Er verfehlt dich. Es ist nicht das erste Mal, daß er für mich wirft. Und die Polizisten werden ihn sofort abführen.«

»Kann man sich auf sie verlassen?«

»Wir haben die Szene gestern zweimal mit der Polizei ge­probt. Das ist in Ordnung. Und jetzt sprechen wir über unsern brutalen Kampf. Du darfst von Anfang an keinen Zweifel dar­an lassen, daß die Regeln der Fairneß für dich nicht existie­ren.«

»Warum?«

»Weißberger - es ist zum Verzweifeln mit dir. Willst du ein echter Profiringer werden oder willst du ewig ein Bettler blei­ben? Also. Du reißt mir die Ohren aus, schleuderst mich zu Boden, trampelst auf mir herum und verfluchst mich auf ara­bisch.«

»Jiddisch wäre mir lieber.«

»Geht nicht. Du vergißt, Weißberger, daß du der >Schrecken von Tanger< bist. Wenn du mich lang genug mißhandelt hast, wird eine Frau in der zweiten Reihe aufspringen und schreien: >Ich kann das nicht länger mitansehen! Pfui! Ringrichter hin­aus! Der Schrecken von Tanger hat den Ringrichter besto­chen!<«

»Sie lügt!«

»Sei nicht albern. Sie ist die Frau des Ringrichters. Man muß das alles im voraus organisieren. Der Ringrichter wird versu­chen, uns zu trennen, aber du drückst seinen Kopf zwischen die Seile, und wenn er nur noch röchelt, ziehst du ihm die Ho­sen herunter. Er wird vor Scham ohnmächtig. Der anwesende Arzt stellt eine Herzattacke fest.«

»Großer Gott!«

»Hör schon endlich auf zu jammern, Weißberger. Auch der Arzt ist organisiert. Während ein neuer Ringrichter herbeige­schafft wird, bricht von allen Seiten ein Pfeifkonzert über dich herein. Du machst wieder eine obszöne Gebärde und streckst die Zunge heraus.«

»Ist das notwendig?«

»Es ist üblich. Mittlerweile hat die Polizei Verstärkung be­kommen und umstellt den Ring.«

»Ist auch die Polizei -?«

»Selbstverständlich. Unser Kampf geht weiter und wird be­stialisch. Du steckst die Finger in meine Augenhöhlen und drückst mir die Augenbälle heraus.« »Mir ist übel... Könnte nicht ein anderer...«

»Weißberger, sei ein Mann. Catch-as-catch-can ist hart. Ar­beitslosigkeit ist härter.«

»Aber ich bin kein brutaler Mensch. Ich bin nur dick.«

»Wie kannst du hoffen, ohne Brutalität zu gewinnen?«

»Heißt das, daß ich den Kampf gewinne?«

»Ich sagte >hoffen<. Von Gewinnen ist keine Rede.

Samson ben Porat, der Stolz des Negev, kann gegen den >Schrecken von Tanger« unmöglich verlieren, das muß dir doch klar sein. Ja, schön, du wirst eine Weile auf mir sitzen und meinen Fuß so fürchterlich verdrehen, daß ich mich vor Schmerz krümme. Plötzlich liege ich auf beiden Schultern. Der Ringrichter beginnt mich auszuzählen. Aber gerade wenn er bei Neun hält, trete ich dir mit dem anderen Fuß so wuchtig in den Bauch, daß du —«

»Nein! Nein!!«

»Der Tritt ist vorgesehen, Weißberger. Er schleudert dich ungefähr drei Meter weit, du taumelst gegen die Seile, ich springe dich an, reiße dich nieder und mache dich unter dem begeisterten Jubel der Zuschauer fertig. Während mich der Ringrichter zum Sieger erklärt, schleuderst du einen Stuhl nach ihm.«

»Einen Stuhl?«

»Ja. Er steht eigens zu diesem Zweck in der Ecke. Du triffst aber nicht den Ringrichter, sondern einen alten Herrn in der dritten Reihe, der wimmernd zu Boden sinkt. Die erboste Menge stürmt in den Ring und will dich lynchen.«

»Um Himmels willen!«

»Es wird dir nichts geschehen, Weißberger, das verspreche ich dir. Hast du noch immer nicht kapiert? Auch die Zuschauer sind eingeweiht. Sie wissen, daß sie dich lynchen sollen, wenn der alte Herr zusammensinkt.«

»Ja, aber... vielleicht könnte dann jemand entdecken, daß al­ les geschoben ist...«

»Was heißt hier >vielleicht

»Eine einzige. Wenn die Leute ohnehin wissen, daß sie be­trogen werden - warum kommen sie dann überhaupt?«

»Weil sie Sportliebhaber sind, Weißberger. Lauter Sportlieb­haber.«

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