X

In seinem Jedermann-Anzug saß Fred vor einer Batterie wirbelnder Holo-Schirme und beobachtete, wie Jim Barris in Bob Arctors Wohnzimmer ein Buch über Pilze las. Warum über Pilze? fragte sich Fred und spulte die Bänder im Schnellvorlauf eine Stunde weit vor. Barris saß auch jetzt noch da, las mit großer Konzentration und machte sich Notizen.

Kurz darauf legte Barris das Buch weg und ging aus dem Haus, wobei er den Erfassungsbereich der Kameras verließ. Als er zurückkam, trug er eine kleine Packpapier-Tüte bei sich, die er auf den Kaffeetisch stellte und öffnete. Er entnahm ihr einige getrocknete Pilze, die er sodann einen nach dem anderen mit den Farbfotos in dem Buch verglich. Mit einer für ihn ungewöhnlichen, übertrieben anmutenden Akribie überprüfte er jeden einzelnen Pilz. Schließlich schob er einen erbärmlich aussehenden Pilz beiseite und füllte die anderen wieder in die Tüte; aus der Hosentasche holte er eine Handvoll leerer Kapsein und fing an, den von ihm auserkorenen Pilz sorgfältig zu zerbröseln und die Bröckchen in die Kapseln zu füllen, die er dann verschloß.

Nachdem Barris damit fertig war, klemmte er sich ans Telefon. Da der Apparat angezapft war, wurden die Nummern, die er wählte, automatisch registriert.

»Hallo, hier ist Jim.«

»Und?«

»Ich hab’ was.«

»In echt?«

»Psilocybe mexicana. «

»Was ‘n das?«

»Ein seltener halluzinogener Pilz, der seit Tausenden von Jahren von südamerikanischen Geheimkulten verwendet wird. Du fliegst, du wirst unsichtbar, verstehst die Sprache der Tiere –«

»Nein danke.« Klick.

Erneutes Wählen. »Hallo, hier ist Jim.«

»Jim? Jim wer?«

»Der mit dem Bart … grüne Sonnenbrille, Lederhose. Wir haben uns mal auf ‘nem Happening bei Wanda –«

»Oh yeah. Jim. Yeah«

»Wärst du interessiert, organische Psychedelics zu kaufen?«

»Hm, ich weiß nicht so recht…« Unsicherheit. »Sag’ mal – spricht da wirklich Jim? Du klingst gar nicht wie Jim.«

»Ich hab’ da was Unglaubliches, einen seltenen organischen Pilz aus Südamerika, den indianische Geheimkulte seit Tausenden von Jahren benutzen. Du fliegst, wirst unsichtbar, dein Wagen verschwindet, du bist in der Lage, die Sprache der Tiere zu verstehen –«

»Mein Wagen verschwindet sowieso dauernd. Nämlich immer dann, wenn ich ihn im Parkverbot abstelle und die Bullen ihn abschleppen lassen. Haha.«

»Ich kann dir vielleicht sechs Kapseln mit diesem Psilocybe geben.«

»Wie teuer?«

»Fünf Dollar pro Kapsel.«

»Horrorshow! Ohne Witz? Hey, sollen wir uns nicht gleich nachher irgendwo treffen?« Dann Argwohn. »Hör’ mal, ich glaube, jetzt erinnere ich mich wieder an dich; du hast mich doch mal abgelinkt. Und woher hast du diese Pilz-Hits überhaupt? Woher weiß ich, daß das kein müdes Acid ist?«

»Sie sind im Innern eines tönernen Götzenbildes in die USA gebracht worden«, sagte Barris. »Als Teil einer sorgfältig bewachten Lieferung für ein Museum. Das Götzenbild mit den Pilzen war besonders gekennzeichnet. Die Zollschweine haben nicht den geringsten Verdacht geschöpft.« Barris fügte hinzu: »Wenn du davon nicht abhebst, dann kriegst du dein Geld wieder.«

»Da hab’ ich auch was von, wenn die Dinger mein Gehirn angefressen haben und ich mich von Baum zu Baum schwinge.«

»Ich hab’ selbst vor zwei Tagen einen eingepfiffen«, sagte Barris. »Um den Stoff anzutesten. War der beste Trip, den ich jemals gehabt hab’. Farben über Farben. Besser als Meskalin, echt. Ich will nicht, daß meine Kunden gelinkt werden. Ich teste mein Zeug immer selbst. Alles mit Garantie.«

Ein anderer Jedermann-Anzug war hinter Fred getreten und betrachtete jetzt auch den Holo-Schirm. »Womit geht er hausieren? Meskalin, hat er gesagt?«

»Er hat vorhin Pilze in Kapseln gefüllt«, sagte Fred. »Entweder er selbst oder jemand anderes muß sie hier in der Gegend gesammelt haben.«

»Manche Pilze sind hochgiftig«, sagte der Jedermann-Anzug hinter Fred.

Ein dritter Jedermann-Anzug löste sich von seinen Holo-Monitoren und gesellte sich zu ihnen. »Bestimmte Amanita-Pilze enthalten gleich vier verschiedene Gifte auf einen Schlag – alles Wirkstoffe, die die roten Blutkörperchen knacken. Es dauert zwei Wochen, bis man endlich stirbt, und es gibt kein Gegengift. Ein unvorstellbar schmerzhafter Tod. Nur ein Fachmann kann bei wildwachsenden Pilzen mit Bestimmtheit sagen, was er da eigentlich gesammelt hat.«

»Ich weiß«, sagte Fred und notierte sich die abteilungsinternen Kennziffern dieses Bandabschnitts.

Barris wählte schon wieder.

»Wegen was kann man ihn dafür eigentlich belangen?« sagte Fred.

»Wegen irreführender Werbung«, sagte einer der anderen Jedermann-Anzüge, und beide lachten und kehrten an ihre eigenen Schirme zurück. Fred beobachtete weiter.

Auf Holo-Monitor Vier öffnete sich die Vordertür des Hauses, und ein ziemlich entmutigt wirkender Bob Arctor trat ein. »Hi.«

»Howdy«, sagte Barris, sammelte rasch seine Kapseln ein und stopfte sie sich in die Tasche. »Na, bist du bei Donna weitergekommen?« kicherte er. »Vielleicht sogar an mehreren Angriffspunkten, eh?«

»Schnauze«, sagte Arctor und verschwand von Holo-Monitor Vier, nur um einen Moment später in seinem Schlafzimmer in den Erfassungsbereich von Kamera Fünf zu treten. Nachdem er die Tür mit einem Tritt hinter sich ins Schloß befördert hatte, holte Arctor eine Reihe von Plastikbeuteln hervor, die mit weißen Tabletten gefüllt waren; er blieb einen Augenblick lang unentschlossen mitten im Raum stehen und stopfte sie dann unter das Bettzeug, um sie vor neugierigen Blicken zu verbergen. Dann erst zog er sich den Mantel aus. Er wirkte müde und deprimiert; tiefe Linien hatten sich in sein Gesicht eingegraben.

Eine Weile saß Bob Arctor nun auf der Kante seines ungemachten Betts, ganz allein. Schließlich schüttelte er den Kopf, erhob sich, stand unentschlossen da … dann strich er sich das Haar glatt und verließ das Zimmer, um wieder zu Barris zu gehen, wodurch er erneut in den Bereich der zentralen Wohnzimmerkamera kam. Während dieser Zeit war Kamera Zwei Zeuge gewesen, wie Barris die braune Tüte mit den Pilzen unter den Polstern der Couch versteckt und das pilzkundliche Buch zurück in das Bücherregal gestellt hatte, wo es nicht auffallen würde.

»Was hast du heute gemacht?« fragte Arctor ihn.

Barris erklärte: »Nachforschungen angestellt.«

»Über was?«

»Über die besonderen Merkmale gewisser pilzartiger Daseinsformen mit recht heiklen Eigenschaften.« Barris kicherte. »Ist wohl nicht so gut gelaufen bei dem kleinen Fräulein mit den großen Titten, was?«

Arctor musterte ihn eingehend und ging dann in die Küche, um die Kaffeemaschine einzustöpseln.

Barris folgte ihm gemächlich. »Bob«, sagte er, »es tut mir leid, wenn ich irgendwas gesagt habe, was dich verletzt hat.« Während Arctor darauf wartete, daß der Kaffee heiß wurde, lungerte Barris bei ihm in der Küche herum und trommelte und summte ziellos vor sich hin.

»Wo ist Luckman?«

»Vermutlich irgendwo draußen unterwegs, um eine Telefonzelle zu knacken. Er hat deinen hydraulischen Wagenheber mitgenommen; für gewöhnlich heißt das, daß er vorhat, eine Telefonzelle auszunehmen, stimmt’s?«

»Mit meinem Wagenheber«, echote Arctor.

»Du weißt«, sagte Barris, »daß du jederzeit mit meiner professionellen Unterstützung rechnen kannst, wenn du weitere Versuche unternimmst, das kleine Fräulein anzumachen und –«

Fred ließ das Band im Schnellvorlauf vorwärtsschießen. Schließlich zeigte der Zähler einen Zwei-Stunden-Sprung an.

»– bezahl’ endlich deine gottverdammte Miete oder mach’ dich an die Arbeit am Cephskop, verflucht noch mal«, sagte Arctor hitzig zu Barris.

»Ich habe bereits Widerstände bestellt, die –«

Erneut spulte Fred das Band vorwärts. Weitere zwei Stunden verstrichen.

Jetzt zeigte Holo-Monitor Fünf, daß Arctor in seinem Schlafzimmer im Bett lag. Ein auf KNX eingestellter Radiowecker spielte leise und verschwommen Folk-Rock. Auf Monitor Zwei war Barris zu erkennen, der allein im Wohnzimmer saß und wieder in dem pilzkundlichen Buch las. Lange Zeit tat keiner der beiden Männer besonders viel. Einmal bewegte sich Arctor und streckte die Hand nach dem Radio aus, um den Lautstärkeregler höherzudrehen, weil gerade ein Song gespielt wurde, den er offenbar mochte. Im Wohnzimmer las Barris immer weiter; er rührte sich kaum. Arctor lag jetzt wieder reglos auf seinem Bett.

Das Telefon klingelte. Barris griff nach dem Hörer und hob ihn an sein Ohr. »Hallo?«

Aus dem Lautsprecher neben Fred drang die Stimme des Anrufers, eines Mannes: »Mister Arctor?«

»Ja, am Apparat«, sagte Barris.

Da brat’ mir doch einer einen Storch, sagte Fred zu sich selbst. Er griff nach dem Regler der Abhöranlage und drehte die Lautstärke höher.

»Mr. Arctor«, sagte der Anrufer, der seinen Namen immer noch nicht genannt hatte, langsam und mit leiser Stimme, »es tut mir leid, daß ich Sie so spät störe, aber es dreht sich um den Scheck, den Ihre Bank nicht annehmen –«

»Ah ja«, sagte Barris. »Ich hatte ohnehin vor, Sie deswegen anzurufen. Die Situation ist die, Sir. Ich habe einen schweren Anfall von Darmgrippe, verbunden mit einem starken Absinken der Körpertemperatur sowie Pförtner- und Unterleibskrämpfen … Mir geht’s im Moment zu beschissen, daß ich die Sache mit diesem mickrigen Zwanzig-Dollar-Scheck derzeit einfach nicht regeln kann, und offengestanden habe ich auch nicht die Absicht, sie überhaupt noch zu regeln.«

»Wie bitte?« sagte der Mann. Er wirkte nicht sonderlich überrascht; seine Stimme klang rauh. Und drohend.

»Ja, Sir«, sagte Barris nickend. »Sie haben mich schon richtig verstanden, Sir.«

»Mr. Arctor«, sagte der Anrufer, »besagter Scheck ist jetzt schon zweimal von der Bank retourniert worden, und diese Grippe-Symptome, die Sie da beschreiben –«

»Ich glaube, irgendwer hat mir was in den Kaffee getan«, sagte Barris mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

»Und ich glaube«, sagte der Mann, »daß Sie einer von diesen –« Er suchte nach dem richtigen Wort.

»Glauben Sie doch, was Sie wollen«, sagte Barris, immer noch grinsend.

»Mr. Arctor«, sagte der Mann und atmete vernehmlich ins Telefon, »ich werde mit dem Scheck zum Büro des Bezirks-Staatsanwalts gehen, und da ich Sie ohnehin gerade am Telefon habe, möchte ich Ihnen mal klipp und klar erzählen, was ich von Leuten halte, die –«

»Turn on, tune out und tschüß«, sagte Barris und legte auf. Die mit der Abhöranlage gekoppelte Fangschaltung hatte automatisch die Telefonnummer des Anrufers aufgezeichnet, indem sie auf elektronischem Wege die beim Wählen entstandenen Impulsketten von einem unhörbaren Signal aufnahm, das in dem Augenblick erzeugt wurde, da die Verbindung zustande kam. Fred las die Nummer ab, die jetzt auf einem Anzeigegerät sichtbar wurde. Dann stoppte er den Bandtransport aller Holos, griff zu seinem Polizeitelefon und fragte an, welcher Teilnehmer zu dieser Nummer gehörte.

»Schlosserei Englesohn, 1343 Harbor in Anaheim«, informierte ihn der diensttuende Beamte. »Lover Boy.«

»Schlosserei«, sagte Fred. »Okay.« Er hatte sich das notiert und legte jetzt wieder auf. Ein Schlosser … zwanzig Dollars, eine runde Summe: Das deutete auf einen Job außerhalb des Ladens hin – möglicherweise auf einen Außeneinsatz zur Herstellung eines Nachschlüssels, weil der Schlüssel des »Besitzers« verlorengegangen war.

Theorie. Barris hatte sich als Arctor ausgegeben und die Schlosserei Englesohn angerufen, um sich illegal einen »Zweit«-Schlüssel machen zu lassen, entweder für das Haus oder für den Wagen oder gar für beides. Wobei er Englesohn gegenüber vorgegeben hatte, seinen kompletten Schlüsselring verloren zu haben … aber dann hatte der Schlosser sozusagen als Rückversicherung plötzlich von Barris gefordert, zum Nachweis seiner Identität einen Scheck auszuschreiben. Barris war ins Haus zurückgegangen, hatte Arctors Scheckbuch geklaut, einen der Schecks ausgefüllt und ihn dem Schlosser gegeben. Der Scheck war nicht durchgegangen. Aber warum nicht? Arctor sorgte immer dafür, daß genug Geld auf seinem Konto war; ein Scheck über eine so geringe Summe würde auf jeden Fall gedeckt sein. Aber wenn der Scheck angenommen wurde, würde Arctor bei der Durchsicht der Kontoauszüge darauf stoßen und entdecken, daß nicht er, sondern Jim Barris den Scheck ausgeschrieben hatte. Also hatte Barris in Arctors Schränken herumgewühlt und – vielleicht schon zu einem früheren Zeitpunkt – ein altes Scheckbuch entdeckt, das zu einem längst aufgelösten Konto gehörte. Dieses Scheckbuch hatte er dann benutzt. Da das Konto nicht mehr bestand, war der Scheck retourniert worden. Und jetzt stand Barris das Wasser bis zum Halse.

Aber warum ging Barris nicht einfach hin und bezahlte die Rechnung in bar? So, wie die Dinge jetzt lagen, war der Gläubiger bereits sauer und rief dauernd an, und am Ende mochte er den Scheck vielleicht wirklich zum Bezirksstaatsanwalt bringen. Arctor würde alles herauskriegen, und eine ganze Wagenladung Scheiße würde auf Barris herniederprasseln. Aber die Art, in der Barris am Telefon mit dem ohnehin schon vor Wut kochenden Gläubiger umgesprungen war … er hatte ihn raffiniert zu noch größerer Feindseligkeit angestachelt, und nur der Himmel mochte wissen, was der Schlosser daraufhin alles unternehmen würde. Und was noch schlimmer war – Barris’ Beschreibung seiner »Grippe« war nichts anderes als eine Beschreibung der Symptome, die auftraten, wenn ein Heroinsüchtiger sich zu lange keine Fixe mehr gesetzt hatte, und jeder, der nicht ganz blöd war, mußte das erkennen. Und Barris hatte das Telefonat sogar mit einem weiteren ganz offenen Hinweis darauf beendet, daß er harte Drogen nahm und es ihm scheißegal war, wie andere darüber dachten. Und das alles in der Rolle Bob Arctors.

An diesem Punkt wußte der Schlosser, daß er einen Junkie-Schuldner hatte, der ihm einen faulen Scheck ausgeschrieben hatte und sich einen Scheiß darum kümmerte und gar nicht die Absicht hatte, seine Schulden zu begleichen. Und der Junkie verhielt sich so, weil der Drogenkonsum ihn offenbar so hatte ausklinken und durchdrehen lassen, daß das alles für sein zerstörtes Gehirn völlig bedeutungslos war. Und das war eine Beleidigung für Amerika. Ein Maul voll Spucke in das Gesicht von Gottes eigenem Land.

Tatsächlich hatte Barris mit seiner letzten Bemerkung sogar fast wörtlich Tim Learys berühmt-berüchtigte Herausforderung an das Establishment und alle Spießer zitiert. Und der Orange County war voll von rechtschaffenen Bürgern mit Gewehren und Revolvern, die nur darauf warteten, daß mal einer dieser bärtigen Doper das Maul zu weit aufriß.

Barris hatte Arctor eine Zielscheibe umgehängt und ihn zum Abschuß freigegeben. Wenn er Glück hatte, bekam er nur wegen des ungedeckten Schecks einen Schuß vor den Bug. Wenn er aber Pech hatte – nun, dann erwartete ihn vielleicht eine richtige Kugel. Und Arctor ahnte nicht einmal, was sich da über seinem Haupt zusammenbraute.

Warum? fragte sich Fred. Auf seinem Notizblock hielt er die Kennziffer dieser Bandsequenz fest; außerdem notierte er auch die Nummer des Tonbandes, auf dem das abgehörte Gespräch aufgezeichnet worden war. Was wollte Barris Arctor damit bloß heimzahlen? Was hatte Arctor ihm getan? Arctor muß ihn ziemlich übel abgelinkt haben, dachte Fred, wenn Barris so etwas tut. Das ist reine Bosheit. Billig, mies und gemein.

Dieser komische Barris, dachte er, ist ein Arschloch. Durch sein Verhalten wird er den Tod eines Menschen verursachen.

Einer der Jedermann-Anzüge, die bei Fred im Kontroll-Zentrum waren, riß ihn aus seinen Gedanken. »Kennst du diese Typen eigentlich persönlich?« Der Anzug deutete auf die jetzt leeren Holo-Schirme vor Fred. »Bist du in deiner Tarnidentität einer von denen?«

»Jau«, sagte Fred.

»Es wäre bestimmt keine schlechte Idee, sie in irgendeiner Form davor zu warnen, daß er sie mit den giftigen Pilzen, mit denen er hausieren geht, ganz schön in Gefahr bringt, dieser Clown mit der grünen Sonnenbrille. Kannst du ihnen das unterjubeln, ohne daß deine Tarnung dabei draufgeht?«

Der andere Jedermann-Anzug in Freds Nähe rief von seinem Drehstuhl aus herüber: »Wenn einer von ihnen auf einmal unter heftiger Übelkeit leiden sollte – das ist manchmal ein Anzeichen für Pilzvergiftung.«

»Ähnlich wie bei Strychnin?« sagte Fred. Es durchfuhr ihm eiskalt, als er vor seinem inneren Auge noch einmal den Kimberly Hawkins-Tag abspulte, den Hundescheiße-Tag, und er sich an die schlagartig einsetzende Übelkeit erinnerte, an seinen Zusammenbruch in seinem Wagen –

Seinen.

»Ich werd’s Arctor erzählen«, sagte er. »Ich kann’s ihm bestimmt verklickern, ohne daß er Verdacht schöpft. Er ist fügsam und gelehrig.«

»Und häßlich«, sagte einer der Jedermann-Anzüge. »Das war doch Arctor, dieses abgehalfterte Individuum, das mit hängenden Schultern zur Tür ‘reinkam?«

»Öh«, sagte Fred und drehte sich wieder den Schirmen zu. Oh verdammt, dachte er, der Tag, an dem Barris uns am Straßenrand die Tabletten gegeben hat –

Sein Geist versank in einem Malstrom, wirbelte durch zwei Trips zur gleichen Zeit und zerbrach dann in zwei Hälften. Das nächste, an das er sich erinnern konnte, war, daß er im Waschraum des Kontroll-Zentrums stand, in der Hand eine Blechtasse voll Wasser und sich den Mund ausspülte, allein an einem Ort, wo er nachdenken konnte. Wenn man es genau nimmt, bin ich Arctor, dachte er. Ich bin der Mann auf den Schirmen, der Verdächtige, den Barris durch sein hinterfotziges Telefongespräch mit dem Schlosser in Teufels Küche gebracht hat, und trotzdem habe ich mich gefragt, was Arctor wohl angestellt haben mag, daß Barris ihn unbedingt fertigmachen will! Ich bin bematscht; mein Gehirn ist bematscht. Das hier ist nicht wirklich – kann nicht wirklich sein. Das, was ich beobachte, bin ich – ist Fred. Das da auf den Schirmen war Fred ohne seinen Jedermann-Anzug; so sieht Fred ohne den Anzug aus!

Und Fred war es auch, so begriff er nun, der kürzlich fast mit giftigen Pilzstückchen erledigt worden wäre. Er hätte es fast nicht bis hierher in sein Kontroll-Zentrum geschafft, um diese Holobänder zu sichten. Aber jetzt hatte er sie gesichtet.

Jetzt hatte Fred eine Chance. Auch wenn sie nur hauchdünn war.

Wirklich ein total verrückter Job, den die mir da gegeben haben, dachte er. Ein Scheißjob. Aber wenn ich ihn nicht machen würde, dann würde ein anderer an meine Stelle treten, und sie könnten das alles ganz falsch verstehen. Sie würden ihn im Namen der Gerechtigkeit in den Knast stecken; sie würden ihn mit Dope spicken und ihn dann einfach einsammeln. Wenn also schon irgend jemand sein Haus beobachten muß, dachte er, dann ist es immer noch am besten, wenn ich dieser Jemand bin, trotz der damit verbundenen Nachteile; allein schon die Tatsache, daß ich auf diese Weise Barris unter Kontrolle halten und seine Umgebung vor diesem ausgeflippten Scheißkerl schützen kann, rechtfertigt das.

Und wenn irgendein anderer Polizist, der Barris’ Aktionen auf dem Monitor überwacht, das sieht, was ich wahrscheinlich noch alles sehen werde, dann werden sie zu dem Schluß kommen, daß Arctor der größte Drogen-Zwischenhändler im Westen der USA ist, und empfehlen, daß er – Herr im Himmel! – ohne Gerichtsverfahren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgeschaltet wird. Von unseren geheimen Kommandoeinheiten. Den Männern in Schwarz, die wir von der Ostküste anfordern und die meist auf Zehenspitzen durch die Gegend schleichen und mit weittragenden Winchester 803 ausgerüstet sind. Und mit den neuen Infrarot-Zielfernrohren für Heckenschützen und der Vollsynchronisation für EE-Schrap­nellgeschosse. Den Männern, die überhaupt nicht bezahlt werden, nicht einmal von einer Dr. Pepper-Maschine; sie dürfen nur eines Tages Pinnchen ziehen, und wer gewinnt, der ist der nächste Präsident der USA. Mein Gott, dachte er, diese Scheißkerle können ein vorüberfliegendes Flugzeug abschießen. Und das Ganze so aussehen lassen, als habe einer der Motoren einen Schwarm Vögel angesaugt. Diese EE-Schrapnellgeschosse – oh verdammt, Mann, dachte er; es würden sogar Federspuren in den Trümmern der Motoren zurückbleiben, wenn man die Geschosse entsprechend präparierte!

Das ist ungeheuerlich, dachte er, als er darüber nachsann. Arctor nicht bloß als Verdächtiger, sondern Arctor als … was auch immer. Zielscheibe. Ich werde ihn weiter beobachten; Fred wird weiter seine Fred-Nummer abziehen; dann wird sich alles zum Guten wenden. Ich kann edieren und interpretieren und auch sonst eine Menge tun, so auf die Tour »Wir warten doch besser noch ab, bis er schließlich …« Als er das begriff, warf er die Blechtasse weg und tauchte wieder aus dem Waschraum des Kontroll-Zentrums auf.

»Du siehst ja ziemlich angeschossen aus«, sagte einer der Jedermann-Anzüge zu ihm.

»Tja«, sagte Fred, »mir ist da was Komisches passiert auf dem Weg zum Grab.« Vor seinem inneren Auge sah er ein Bild des Ultraschall-Richtstrahlprojektors, der einen tödlichen Herzanfall bei einem neunundvierzigjährigen Bezirksstaatsanwalt ausgelöst hatte, gerade als dieser im Begriff war, die Untersuchungen im Fall eines schrecklichen und berühmt gewordenen politischen Meuchelmordes, der sich hier in Kalifornien ereignet hatte, erneut zu eröffnen. »Ich hätt’s fast erreicht«, sagte er laut.

»Fast ist fast«, sagte der Jedermann-Anzug. »Aber eben nicht ganz.«

»Oh«, sagte Fred. »Yeah. Richtig.«

»Setz’ dich«, sagte ein Jedermann-Anzug, »und mach’ dich wieder an die Arbeit, oder der nächste Zahltag ist dein letzter, und so hoch ist die Arbeitslosenunterstützung auch wieder nicht.«

»Kannst du dir vorstellen, diesen Job anzugeben, wenn sie dich nach deiner letzten Arbeitsstelle –« begann Fred, aber die beiden Jedermann-Anzüge waren nicht zu Scherzen aufgelegt und hörten nicht einmal zu. Darum setzte er sich wieder und zündete sich eine Zigarette an. Und ließ die Batterie der Holos erneut anlaufen.

Was ich tun sollte, entschied er, ist, die Straße hinaufzugehen zum Haus, jetzt sofort, da ich gerade darüber nachdenke, damit ich nicht wieder abgelenkt werde. Ich sollte geradewegs auf Barris zugehen und ihn erschießen.

In Ausübung meiner Dienstpflicht.

Ich werde sagen »Hey, Mann, mir geht’s echt dreckig Ich brauch’ dringend Stoff – haste nich’ ‘n Joint für mich über? Ich geb’ dir auch ‘n Dollar dafür.« Und er wird das tun, und dann werde ich ihn festnehmen, ihn zu meinem Wagen schleifen, ihn hineinverfrachten, hinaus auf den Freeway fahren und ihm dann eins mit der Pistole überziehen und ihn aus dem Wagen werfen, direkt vor einen Lastwagen. Und ich kann einfach behaupten, daß er sich befreien wollte und zu springen versuchte. Passiert ja immer wieder.

Denn wenn ich das nicht mache, dann kann ich nie mehr etwas essen oder trinken, was offen im Haus gestanden hat, und Luckman oder Donna oder Freck auch nicht, oder wir werden alle an Pilzvergiftung krepieren. Und Barris sagte hinterher aus, daß wir alle draußen im Wald herumgekraucht seien und wahllos Pilze gepflückt und gegessen hätten, obwohl er, Barris, versucht hätte, uns davon abzuraten, aber wir hätten nicht auf ihn hören wollen, weil wir nie auf’s College gegangen seien.

Selbst wenn die Gerichtspsychiater feststellen, daß er total ausgebrannt und verrückt ist, und ihn für immer in die Klapsmühle sperren, wird schon jemand tot sein. Zum Beispiel, dachte er, vielleicht Donna. Vielleicht wird sie hereinspaziert kommen, voll auf einem Hasch-Trip, weil sie mich und die Frühlingsblumen sucht, die ich ihr versprochen habe, und Barris wird ihr ein Stück Shitkuchen anbieten, den er nach geheimen Spezialrezepten selbst gebacken hat, und zehn Tage später wird sie sich mit Schaum vor dem Mund in Todesqualen winden, in einer Intensivstation, aber auch die Ärzte dort werden ihr nicht mehr helfen können.

Wenn das passiert, dachte er, werde ich ihn in Drano kochen, in der Badewanne, in heißem Drano, bis nur noch Knochen übrigbleiben, und dann die Knochen per Post verschicken, an seine Mutter oder seine Kinder oder was für Verwandte er auch immer haben mag, und wenn er keine hat, dann werde ich die Knochen eben herumstreunenden Hunden vorwerfen. Aber mein kleines Mädchen wird trotzdem längst seinem heimtückischen Anschlag zum Opfer gefallen sein.

Entschuldigt bitte, wandte er sich in einer Phantasie-Nummer, die er jetzt in seinem Kopf abspulte, an die beiden anderen Jedermann-Anzüge. Wo kann ich um diese Nachtzeit noch eine Hundert-Pfund-Dose Drano herbekommen?

Mir steht das alles bis oben hin, dachte er und schaltete die Holos ein, um bei den anderen Anzügen im Kontroll-Zentrum nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen.

Auf Monitor Zwei sprach Barris gerade mit Luckman, der zur Vordertür hereingetorkelt war, offensichtlich stockbesoffen. Wahrscheinlich hatte er wieder zuviel Ripple intus. »In den Vereinigten Staaten«, sagte Barris gerade zu Luckman, der versuchte, die Tür zu seinem Schlafzimmer zu finden, um sich dort hinzuhauen, und dem es entsetzlich dreckig ging, »gibt es mehr Alkoholsüchtige als sonstige Drogensüchtige. Die Zahl der Hirn- und Leberschäden, die vom Alkohol und den darin enthaltenen Verunreinigungen verursacht –«

Luckman verschwand, ohne überhaupt mitgekriegt zu haben, daß Barris da war. Ich wünsche ihm alles Gute, dachte Fred. Aber gute Wünsche werden nicht reichen, jedenfalls nicht mehr lange. Weil dieser Scheißkerl da ist.

Aber jetzt ist auch Fred da. Aber Fred hat im wahrsten Sinne des Wortes immer nur das Nach-Sehen. Außer, dachte er, außer vielleicht, wenn ich die Holo-Bänder rückwärts laufen lasse. Dann werde ich eher da sein, vor Barris. Was ich tue, würde dem vorausgehen, was Barris tut. Wenn er, da ich doch zuerst da bin, überhaupt noch dazu kommt, etwas zu tun.

Und dann tat sich die andere Seite seines Kopfes auf und sprach zu ihm, ganz ruhig, wie ein zweites Ich, das ihm eine Botschaft übermitteln wollte, wie man die ganze Sache viel einfacher handhaben konnte.

»Der richtige Weg, um die Geschichte mit dem Schlosser-Scheck ganz cool über die Bühne zu bringen«, sagte es ihm, »ist, zuerst einmal morgen in aller Herrgottsfrühe nach Harbor ‘rüberzufahren, die Rechnung zu begleichen und den Scheck zurückzukriegen. Tu das zuerst, bevor du irgendwas anderes tust. Erledige das auf der Stelle. Setz an diesem Ende an. Und danach, sobald das erledigt ist, nimm die anderen, ernsteren Probleme in Angriff. Richtig?« Richtig, dachte er. Auf diese Weise werde ich Boden gutmachen. Genau da muß ich ansetzen.

Er schaltete das Band auf Schnellvorlauf und ließ es so lange vorwärtsschießen, bis er aufgrund der Daten auf den Skalen vermuten konnte, daß es jetzt eine Nachtszene zeigen würde. Alle würden schlafen. Ein guter Vorwand, hier seinen Arbeitstag zu beschließen.

Alle Lichter im Haus waren gelöscht; die Kameras standen auf Infrarot. Luckman und Barris lagen in ihren Zimmern in den Betten. In Arctors Raum war außer Arctor noch eine Puppe; beide schliefen.

Wollen wir doch mal schauen, dachte Fred. Connie Irgendwas. Gespeichert in unseren Computern als abhängig von harten Drogen. Außerdem verdient sie sich das Geld für ihren Stoff durch Prostitution und dealt auch selbst. Ein geborener Verlierer.

»Wenigstens hast du nicht zusehen müssen, wie dein Objekt Geschlechtsverkehr hatte«, sagte einer der anderen Jedermann-Anzüge, der über Freds Schulter einen kurzen Blick auf die Schinne warf und dann weiterging.

»Immerhin ein Trost«, sagte Fred und betrachtete mit stoischer Ruhe die beiden schlafenden Gestalten auf dem Bett; in Gedanken war er bei dem Schlosser und dem, was er dort tun mußte. »Ich habe es schon immer gehaßt, bei –«

»Eine hübsche Sache, wenn man es selber macht«, pflichtete ihm der Jedermann-Anzug bei, »aber längst nicht so hübsch anzuschauen.«

Arctor schläft jetzt, dachte Fred. Mit seiner Fotze. Tja, dann kann ich wohl bald Schluß machen; bestimmt werden sie nach dem Wachwerden noch mal bumsen, aber mehr wird sich da wohl nicht tun.

Er konnte seine Blicke jedoch nicht abwenden. Der schlafende Bob Arctor … immer nur dieses eine Bild, dachte Fred, Stunde um Stunde. Und dann bemerkte er etwas, was er vorher nicht wahrgenommen hatte. Das sieht aber verdammt nach Donna Hawthorne aus! dachte er. Dort im Bett. Die Puppe, die mit Arctor in der Falle liegt.

Aber das paßt doch nicht zusammen, dachte er und schaltete die Holos mit einem Handgriff um. Er ließ das Band zurücklaufen, dann wieder vor. Bob Arctor und eine Puppe, aber nicht Donna! Es war die Junkiepuppe Connie! Er hatte recht gehabt.

Die beiden Individuen lagen Seite an Seite da, und beide schliefen.

Und dann, während Fred zuschaute, schmolzen und verblaßten Connies harte, kantige Gesichtszüge, wurden ganz weiß und verwandelten sich in Donna Hawthornes Gesicht.

Er schaltete das Band wieder aus. Saß verwirrt da. Ich kapier’s nicht, dachte er. Das ist ja wie eine – wie nennen die das doch gleich? Wie eine gottverdammte Überblendung! Ein filmisches Verfahren. Scheiße, was soll das bedeuten? Hat schon jemand das Material bearbeitet, um es im Fernsehen zu zeigen? Ein Regisseur, der spezielle visuelle Effekte verwendet?

Wieder spulte er das Band zurück und dann wieder vorwärts; genau in dem Augenblick, als die ersten Veränderungen in Connies Gesichtszügen eintraten, stoppte er dann den Bandvorlauf. Das Holoprogramm gefror zu einem Standbild.

Er drehte am Vergrößerer. Alle anderen Kuben verschwanden; ein großer Kubus formte sich aus den bisherigen acht. Eine einzige nächtliche Szene: Bob Arctor, reglos in seinem Bett, das Mädchen reglos neben ihm.

Aufrecht ging Fred in das Hologramm hinein, in die dreidimensionale Projektion, und stellte sich dicht neben das Bett, um das Gesicht des Mädchens genauer zu mustern.

Auf dem halben Wege dazwischen, entschied er. Immer noch halb Connie; aber zugleich auch schon halb Donna. Am besten übergebe ich das hier dem Labor, dachte er; da hat ein Experte dran rumgedreht. Man hat mir manipulierte Bänder untergeschoben. Aber wer? fragte er sich. Er trat aus dem Holo-Kubus, ließ ihn zusammenbrechen und veränderte die Einstellung, bis wieder acht kleine Kuben an seine Stelle getreten waren. Saß erneut da, fieberhaft nachdenkend.

Jemand hatte die Bänder frisiert, indem er Connies Bild mit dem Donnas überlagerte. Sorgfältig gefälschte Beweise dafür, daß Arctor die kleine Hawthorne bumste. Und? Ein guter Techniker konnte das schon immer bei Tonbändern oder auch bei Videobändern machen, und nun hielt er eben den Beweis in der Hand, daß so etwas auch bei Holo-Bändern möglich war. Sicherlich eine schwierige Aufgabe, aber …

Wenn unsere Abtastkameras nur in Intervallen arbeiten würden, dachte er, hätten wir jetzt eine Sequenz, die zeigt, wie Arctor mit einem Mädchen im Bett liegt, das er vielleicht nie ins Bett gekriegt hat und auch nie ins Bett kriegen wird. Aber auf dem Band ist genau das zu sehen.

Oder handelt es sich vielleicht nur um einen elektronischen Bildfehler oder Bildzusammenbruch? überlegte er. Was man bei Tonbändern Durchmagnetisierung nennt. Eine Art elektronische Durchmagnetisierung von einem Abschnitt des Bandes auf einen anderen. Wenn die Bildimpulse bei der Aufnahme zu hoch verstärkt waren und zwei Bandsektionen zu lange in Berührung miteinander kamen, dann mochten die Impulse sozusagen abfärben. Himmel, dachte er. Das Bild Donnas stammt aus einer vorangegangenen oder einer nachfolgenden Szene, vielleicht aus der im Wohnzimmer.

Wenn ich bloß mehr über die technische Seite des Überwachungsvorganges wüßte, dachte er. Ich verschaffe mir lieber mehr Hintergrundinformationen darüber, bevor ich die Sache an die große Glocke hänge. Manchmal gibt es ja auch beim Rundfunk Wellensalat; ein Sender überlagert einen – Überlagerungseffekte, entschied er. Zufällige Überlagerungseffekte.

Wie die Geisterbilder auf einem Fernsehbildschirm. Technisch bedingt, eine Fehlfunktion. Störimpulse eines anderen Senders. Wieder ließ er das Band vorwärts laufen. Der Schirm zeigte jetzt wieder nur Connie und würde auch weiterhin nur Connie zeigen. Und dann … wieder sah Fred, wie Donnas Gesicht sich in das Bild stahl, und diesmal wachte der schlafende Mann neben ihr im Bett – Bob Arctor – nach einem Augenblick auf und setzte sich mit einem Ruck hin, tastete dann nach der Lampe auf dem Nachttisch; die Lampe fiel zu Boden, und Arctor saß da und starrte unverwandt auf das schlafende Mädchen, auf die schlafende Donna.

Als Connies Gesicht ganz allmählich wieder Donnas Gesicht verdrängte, entspannte sich Arctor, und schließlich sank er wieder zurück und schlief weiter. Aber sein Schlaf war nicht mehr so ruhig wie zuvor.

Tja, das erledigt wohl die Theorie mit den technisch bedingten Fehlfunktionen, dachte Fred. Hat sich was mit elektronischem Abfärben oder Überlagerungseffekten. Arctor hat es auch gesehen. Ist aufgewacht, hat es gesehen, hingestarrt und dann aufgegeben.

Heiliger Himmel, dachte Fred und desaktivierte die ganze Anlage vor ihm vollständig. »Schätze, ich hab’ genug für heute«, erklärte er und erhob sich zittrig auf die Füße. »Mir reicht’s.«

»Wohl ein bißchen abartigen Sex gesehen, was?« fragte ein Jedermann-Anzug. »Na, du wirst dich schon an diesen Job gewöhnen.«

»Ich werde mich nie an diesen Job gewöhnen«, sagte Fred. »Darauf kannst du wetten.«


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