5. KAPITEL Erste Abbauversuche

Am frühen Morgen des folgenden Tages begaben sich die beiden Compagnons an die Arbeit. Ihr Claim lag nah am Rand der Kopje und mußte, wenn Cyprien Meres Theorie sich bestätigte, zu den reicheren gehören. Leider war dieser Claim schon stark abgebaut und reichte bis zur Tiefe von einigen 50 Metern in die Erde hinab.

In gewisser Hinsicht durfte das aber wieder als ein Vorzug gelten, weil infolge seiner alle Nachbarclaims übertreffenden Tieflage nach bestehendem Landesgesetz alle Erdmassen und folglich die etwa darin befindlichen Diamanten, die von der Umgebung her hineinfielen, seinen Inhabern gehörten.

Die Arbeit selbst war höchst einfach. Die beiden Teilhaber lösten zuerst mit Spitzhaue und Hacke einen Teil Erdreich regelrecht los. Darauf begab sich der eine nach der Mündung der Grube und zog an dem langen Drahtkabel die ihm von unten zugesendeten Ledereimer in die Höhe.

Das Erdreich wurde von hier aus mit einem Karren nach der Hütte von Thomas Steel geschafft. Nachdem es hier mit groben Holzscheiten zerkleinert und von wertlosen Kieselsteinen befreit war, gelangte es in ein Sieb mit Maschen von 15 Millimeter Weite, um davon die kleineren Steine zu trennen, die nun aufmerksam durchgesehen wurden, um die auf den ersten Blick wertlosen beiseite zu werfen. Endlich gelangte die Erde in ein feinmaschiges Sieb, durch das nur der Staub daraus entfernt wurde, und war nun in dem erwünschten Zustand, um einer ganz sorgfältigen Prüfung unterworfen zu werden.

Nachdem sie auf einen Tisch ausgeschüttet worden war, an dem die beiden Steinsucher Platz nahmen, ließen sie jene mit einer Art Schaber aus Weißblech mit größter Aufmerksamkeit eine Handvoll nach der anderen Revue passieren und warfen sie schließlich unter den Tisch, von wo aus sie später hinausgeschafft und an beliebiger Stelle aufgehäuft wurde.

All diese Maßnahmen liefen darauf hinaus, darin, wenn sie einen enthielt, einen Diamanten zu finden, wär' er auch nicht größer als eine halbe Linse gewesen. Wie glücklich schätzten sich dann die Geschäftsteilhaber, wenn ein Tag nicht ohne Entdeckung eines solchen verlief! Sie wandten sich ihrer Aufgabe mit wahrem Feuereifer zu und untersuchten das Erdreich ihres Claims mit peinlichster Genauigkeit; alles in allem gestalteten sich jedoch während der ersten Tage die Ergebnisse ihrer Mühen fast ganz negativ.

Besonders Cyprien schien das Glück nicht günstig. Wenn sich ein kleiner Diamant fand, so war es fast stets Thomas Steel, der ihn entdeckte. Der erste, den er das Glück hatte zu finden, wog, selbst die anhaftende Gangart mitgerechnet, kaum x/6 Karat.

Der Karat ist ein Gewicht von 4 Gran und entspricht nahezu einem Fünftel Gramm.[3] Ein Diamant erster Güte, der vollständig rein, durchsichtig und farblos ist, und 1 Karat wiegt, ist in geschnittenem Zustand etwa 200 Mark wert. Wenn die weniger wiegenden Steine einen verhältnismäßig nur sehr geringen Preis bedingen, so steigt dieser dafür sehr schnell bei den größeren und schwereren. Im allgemeinen rechnet man den Handelswert eines Steins vom reinsten Wasser gleich dem Quadrat seines in Karaten ausgedrückten Gewichts, multipliziert mit obigem Karatpreis. Schätzt man demnach den Wert eines Karats fehlerlosen Diamants auf 200 Reichsmark, so würde ein Stein von derselben Güte und 10 Karat Gewicht hundertmal so viel oder 20.000 Reichsmark kosten.

Kristalle von 10 Karat, ja selbst solche von nur 1 Karat, sind aber verhältnismäßig selten und nur deshalb bedingen sie einen so hohen Kaufpreis. Hierbei ist noch zu bemerken, daß die Diamanten aus dem Griqualand meist einen gelblichen Schein haben; ein Umstand, der ihren Handelswert nicht unbeträchtlich herabmindert.

Die Auffindung eines Steinchens von V6 Karat nach 7- oder 8tägiger Arbeit bildete gewiß eine sehr dürftige Entschädigung für die darauf verwendete Mühe und Arbeit.

Bei einem solchen Lohn wäre es einträglicher gewesen, das Feld zu bestellen, Herden zu hüten, oder auf den Landstraßen Steine zu klopfen. Dieser Gedanke kam auch Cyprien wiederholt in den Sinn. Indes hielt die Hoffnung, einmal einen schönen Diamanten zu finden, der mit einem Schlag die Arbeit mehrerer Wochen, selbst mehrerer Monate aufwiegen könnte, ihn ebenso aufrecht wie andere, und selbst die am wenigsten vertrauensseligen Diamantengräber. Thomas Steel machte sich, wenigstens dem äußeren Anschein nach, über so etwas gar keine Gedanken und arbeitete mit der einmal angenommenen Geschwindigkeit mehr maschinenmäßig weiter.

Die beiden Geschäftsgenossen frühstückten meist zusammen, wobei sie sich mit Sandwichbrötchen und Bier begnügten, was an einem Buffet unter freiem Himmel verkauft wurde, zu Mittag aßen sie dagegen an einer der gemeinsamen Tafeln, an die sich die Insassen des ganzen Lagers verteilten. Am Abend, wenn sie sich trennten, um jeder seines Weges zu gehen, begab sich Thomas Steel gewöhnlich nach einer Billardstube, während Cyprien für 1 oder 2 Stunden die Farm aufsuchte.

Hier hatte der junge Ingenieur öfter das Mißvergnügen, seinen Rivalen, James Hilton, zu treffen, einen großen Burschen mit rötlichem Haar, sehr weißem Teint, dessen Gesicht mit den kleinen Fleckchen übersät war, die man Epheliden (das heißt Sommersprossen) nennt. Daß dieser Wettbewerber offenbar große Fortschritte in der Gunst John Watkins' machte, indem er noch tapferer Gin trank und noch mehr Hamburger Knaster rauchte als jener, lag ihm deutlich genug auf der Hand.

Alice schien freilich die bäurischen Artigkeiten und die sehr platten Reden des jungen Hilton nur mit großem Widerwillen entgegenzunehmen. Seine Gegenwart wurde Cy-prien darum jedoch nicht minder unerträglich. Wenn's ihm dann zuweilen zu arg wurde und er fürchten mußte, sich nicht genügend beherrschen zu können, sagte er der Gesellschaft schnell gute Nacht und lief aus der Farm davon.

»Der Franzose ist nicht bei guter Laune«, meinte dann John Watkins, seinem Trinkgenossen mit den Augen zublinzelnd. »Es scheint, als ob die Diamanten nicht von allein unter seine Hacke kämen.«

James Hilton schlug darüber ein rohes, lärmendes Gelächter auf.

An solchen Abenden verbrachte dann Cyprien gewöhnlich die noch übrige Zeit bei einem alten, grundehrlichen Buren namens Jacobus Vandergaart, der ganz in der Nähe des Lagers wohnte.

Eben von seinem Namen rührte die Bezeichnung der Kopje her, deren Grund und Boden er zur ersten Zeit der Konzessionen besessen hatte. Man durfte wohl seiner Behauptung glauben, daß er nur durch Verweigerung der Rechtspflege zugunsten John Watkins' um sein Eigentum gekommen war. Jetzt so gut wie ruiniert, lebte er in einer alten Lehmhütte und betrieb sein Geschäft als Diamantenschneider wie früher in Amsterdam, seiner Vaterstadt, von neuem.

Es kam nämlich ziemlich häufig vor, daß die Minengräber, begierig, das wirkliche Gewicht ihrer Steine nach dem Schnitt zu erfahren, sie ihm brachten, entweder, um sie nur zu spalten, oder sie auch noch feinerer Bearbeitung zu unterziehen. Solche Arbeiten verlangen aber eine sichere Hand und ein scharfes Auge, und der alte Jacobus Vander-gaart, früher ein ausgezeichneter Diamantenschneider und -schleifer, hatte jetzt oft große Mühe, den an ihn gestellten Anforderungen zu entsprechen.

Cyprien, der ihm seinen ersten Diamanten zur Fassung in einen Ring übergeben hatte, empfand bald eine herzliche Zuneigung zu dem Alten. Er saß gern in der bescheidenen Werkstatt, um ein Stündchen zu verplaudern, oder allein, um dem Insassen Gesellschaft zu leisten, während dieser an seinem Steinschneidertisch tätig blieb. Mit seinem weißen Bart, der kahlen Stirn, auf der ein schwarzes Samtkäppchen thronte, mit der langen Nase und der großen rundglasigen Brille darauf bot Jacobus Vandergaart ganz den Anblick eines Alchemisten des 15. Jahrhunderts mitten unter seinen wunderlichen Werkzeugen und geheimnisvollen Flaschen.

In einer nah beim Fenster angebrachten Mulde befanden sich die rohen Diamanten, die Jacobus Vandergaart anvertraut worden waren, und die zuweilen einen sehr beträchtlichen Wert darstellten. Wollte er einen spalten, dessen Kristallisation seiner Ansicht nach zu wünschen übrig ließ, so begann er damit, mit Hilfe eines Vergrößerungsglases die Spaltflächen aufzusuchen, die alle Kristalle in Lamellen mit parallelen Seiten teilen; dann machte er mit der Schneide eines schon gespaltenen Diamanten in der gewünschten Richtung einen Ritz, setzte eine feine Stahlklinge in diesen ein und führte einen kurzen Schlag darauf.

Damit war der Diamant an einer Fläche gespalten, und dieses Verfahren wurde nachher bezüglich der anderen wiederholt.

Wollte Jacobus Vandergaart dagegen den Stein schneiden oder, um es deutlicher auszudrücken, nach bestimmter Form schleifen, so zeichnete er zunächst dessen Gestalt auf die umgebende Gangart und deutete darauf die beabsichtigten Facetten an. Dann brachte er jeden dieser Steine in Berührung mit einem zweiten Diamanten und setzte einen gegen den anderen einer langen Reibung aus. Die beiden Steine schliffen sich dabei gegenseitig ab und nach und nach trat die eigentliche Facette zutage.

Auf diese Weise gab Jacobus Vandergaart dem Edelstein eine der jetzt durch langen Gebrauch eingeführten Formen, die alle unter die folgenden Abteilungen fallen: Der »Brillant von doppeltem Gut«, der »Brillant von einfachem Gut« und die »Rosette«.

Der doppelte Brillant besteht aus 64 Facetten, einer Tafel und der Culasse.

Der Brillant von einfachem Gut bildet oben nur die Hälfte des vorigen. Die Rosette hat nur einen flachen Unterteil und einen kuppelartig von Facetten unterbrochenen Oberteil.

Ausnahmsweise hatte Jacobus Vandergaart wohl auch eine »Briolette«, das heißt einen Diamant zu schneiden, der ohne eigentliches Ober- und Unterteil mehr die Gestalt einer Birne hat. In Indien versieht man die Brioletten mit einem Loch in der Nähe des dünneren Endes, um eine Schnur hindurchzuziehen.

»Pendeloques« dagegen, die der alte Steinschneider weit häufiger unter die Hände bekam, bilden nur Halbbirnen mit Tafel und Culasse, die an der Vorderseite Facetten tragen.

Wenn der Diamant geschnitten ist, muß er, um vollkommen zu sein, noch poliert werden. Das geschieht mittelst einer Art Schleifscheibe aus hartem Stahl von etwa 28 Zentimeter Durchmesser, die parallel mit der Tischplatte läuft und sich, getrieben von einem großen Schwungrad mit Handgriff, 2- bis 3000 Mal in der Minute dreht. Gegen diese eingeölte und mit von früheren Schliffen herrührendem Diamantstaub überpuderte Scheibe drückte Jacobus Vandergaart eine nach der anderen die Seiten seines Steins, bis sie eine hinreichende Politur angenommen hatten. Das Schwungrad wurde bald von einem kleinen Hottentotten in Bewegung gesetzt, den er tageweise mietete, bald von einem Freund wie Cyprien, der sich nicht nehmen ließ, ihm diesen Dienst gelegentlich aus Gefälligkeit zu erweisen.

Während der Arbeit wurde dann munter geplaudert. Oft schob Jacobus Vandergaart die Brille auf die Stirn und hielt kurze Zeit inne, um irgendeine Geschichte aus vergangener Zeit zu erzählen.

Von Südafrika, das er seit 40 Jahren bewohnte, wußte er sehr viel zu berichten. Daß seine Unterhaltung einen eigenen Reiz hatte, lag darin, daß sie die Überlieferungen des

Landes widerspiegelte, die noch heute frisch im Andenken sind.

Vor allem wurde der alte Steinschneider niemals müde, seinen patriotischen und persönlichen Kummer zu schildern. Die Engländer waren in seinen Augen die abscheulichsten Diebe, die die Erde je gesehen. Die Verantwortung für seine wohl etwas übertriebenen Anschauungen muß auf ihm ruhen bleiben, doch kann man sie ihm wohl einigermaßen verzeihen.

»Das ist nicht zu verwundern«, wiederholte er gern, »daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika sich für unabhängig erklärt haben, ebenso wie Indien und Australien bald dasselbe tun dürften. Welches Volk möchte eine solche Tyrannei ertragen? ... Oh, Monsieur Mere, wenn der Welt all die Ungerechtigkeiten bekannt wären, welche diese auf ihre Geldsäcke und ihre Macht zur See so stolzen Engländer verübt haben, dann hätte die menschliche Sprache nicht harte Ausdrücke genug, sie ihnen ins Gesicht zu schleudern. Soll ich Ihnen erzählen, was sie mir, der ich mit Ihnen spreche, angetan haben?« fuhr Jacobus Vandergaart fort. »Hören Sie mich an und dann werden Sie ja urteilen können, ob man darüber zweierlei Meinung sein kann.«

Da Cyprien ihm versicherte, daß ihm das große Freude machen werde, fuhr das Männchen fort wie folgt:

»Ich bin in Amsterdam im Jahr 1806 auf einer Reise, die meine Eltern dahin gemacht hatten, geboren. Später kam ich dahin zurück, um mein Geschäft zu erlernen; meine ganze Kindheit verlebte ich dagegen am Kap, wohin meine

Familie schon vor 50 Jahren ausgewandert war. Wir waren Holländer und stolz darauf, es zu sein, als Großbritannien sich plötzlich der Kolonie - provisorisch, wie es hieß - bemächtigte. John Bull läßt aber nicht wieder los, was er einmal gepackt, und 1815 wurden wir durch das auf einem Kongreß versammelte Europa feierlich für Untertanen des Vereinigten Königreichs erklärt.

Ich frage Sie, was hatte Europa sich in die Angelegenheiten unserer afrikanischen Provinzen einzumischen?

Ja, für englische Untertanen, aber wir wollten das nicht sein, Monsieur Mere! In der Überzeugung, daß Afrika groß genug sei, uns ein Vaterland zu geben, das uns, uns allein gehörte, verließen wir die Kapkolonie und wanderten nach den noch wilden Ländereien aus, die jenes Land im Norden begrenzen. Man nannte uns >Buren<, das heißt Bauern oder auch >Voortreckers<, das heißt etwa Pioniere oder Vorzügler.

Kaum hatten wir das neue Land gepflügt, kaum uns durch schwere Arbeit eine unabhängige Existenz geschaffen, da kam die britische Regierung und nahm uns als die ihrigen in Anspruch - immer unter dem Vorwand, daß wir englische Untertanen seien!

Das gab Anlaß zu unserem großen Auszug im Jahr 1833. Aufs neue verließen wir das Land in Masse. Nachdem wir auf die mit Ochsen bespannten Wagen unsere Hausgeräte, Werkzeuge und die Getreidevorräte verladen hatten, drangen wir noch weiter in die Wüstenei ein.

Zu jener Zeit war das Gebiet von Natal fast ganz entvöl-kert. Ein blutdürstiger Eroberer namens Tchaka, ein wirklicher Neger-Attila aus dem Zuluvolk, hatte hier von 1812 bis 1828 fast 1 Million Menschen hingeschlachtet. Auch sein Nachfolger Dingaan herrschte dort noch durch Schrecken. Dieser wilde König war es jedoch, der uns gestattete, in dem Land Niederlassungen zu gründen, da, wo sich heute die Städte Durban und Port Natal erheben.

Der schurkische Dingaan hatte dabei jedoch stets den Hintergedanken gehabt, uns zu überfallen, wenn unsere Gemeinde einigermaßen gediehen wäre. Deshalb bewaffnete sich jeder, um Widerstand zu leisten, und es war nur unter unerhörten Anstrengungen und, ich darf wohl sagen, durch wahre Wunder von Tapferkeit möglich, daß wir in über hundert Gefechten, in denen unsere Frauen und Kinder an unserer Seite kämpften, im Besitz des Landes bleiben konnten, das wir mit unserem Schweiß, mit unserem Blut gedüngt hatten.

Kaum war jedoch der schwarze Despot überwunden und seine Macht zertrümmert, als der Gouverneur des Kaps britische Truppen sandte mit dem Auftrag, das Gebiet von Natal im Namen Ihrer Majestät der Königin von England zu besetzen! . . . Sie sehen, wir waren noch immer englische Untertanen! Das geschah im Jahr 1842.

Andere ausgewanderte Landsleute hatten inzwischen den Transvaal erobert und auf dem Oranjeflusse die Macht des Tyrannen Moselikatse gebrochen. Auch sie mußten sich gefallen lassen, durch einfachen Tagesbefehl das neue Va-terland konfisziert zu sehen, das sie mit so viel Leid und Ungemach erworben hatten.

Ich übergehe alle Einzelheiten. Der Kampf währte 20 Jahre lang. Wir zogen immer weiter, und immer streckte Großbritannien seine gierige Hand nach uns aus, wie über ebensoviele Leibeigene, die noch immer der Scholle angehörten, selbst wenn sie diese verlassen hatten.

Endlich, nach unendlicher Mühe und blutigen Kämpfen, gelang es, die Anerkennung unserer Unabhängigkeit im Oranje-Freistaat durchzusetzen. Eine von der Königin Victoria unterzeichnete und vom 8. April 1854 datierte Proklamation sicherte uns den freien Besitz des Landes und das Recht beliebiger Selbstregierung zu. Wir bildeten uns endgültig zur Republik um, und niemand könnte behaupten, daß unser auf peinliche Beobachtung der Gesetze begründeter Staat, in dem jedes individuelle Vermögen sich nach Gutdünken entwickeln kann und wo allen Klassen ein möglichst gründlicher Unterricht zugänglich gemacht ist, nicht vielen anderen Nationen, die sich vielleicht für weit zivilisierter halten als unser kleiner Staat in Südafrika, als Muster dienen könnte.

Das Griqualand war ein Teil davon. Hier hatte ich mich niedergelassen, und zwar in demselben Häuschen, in dem wir uns augenblicklich befinden, hier wohnte ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Meinen Kraal oder das Gehege errichtete ich an der Stelle der Mine, wo Sie jetzt arbeiten. 10 Jahre später kam John Watkins ins Land und erbaute hier seine erste Hütte. Damals wußte man noch nicht, daß diese Terrains Diamanten enthielten, und was mich angeht, hatte ich seit mehr als 20 Jahren so wenig Gelegenheit gehabt, mein altes Gewerbe zu betreiben, daß ich mich kaum des Vorhandenseins jener kostbaren Steine entsann.

Plötzlich, gegen 1867, verbreitete sich das Gerücht, daß unser Gebiet Diamanten enthalte. Ein Bure von den Ufern des Haart hatte Diamanten selbst im Kot von Straußen und sogar in den Lehmmauern seiner Farm gefunden.[4]

Treu ihrem Raubsystem und alle Verträge und Rechte mißachtend, erklärte die englische Regierung gleich darauf, daß das Griqualand ihr gehöre.

Vergeblich erhob unsere Republik Einspruch. Vergeblich erbot sie sich, die Meinungsverschiedenheiten dem Schiedsspruch eines europäischen Fürsten zu unterbreiten ... England wies eine solche Entscheidung zurück und besetzte einfach unser Gebiet.

Nun hätte man wenigstens noch erwarten sollen, daß von unseren ungerechten Herren die Rechte der Privatpersonen geachtet werden würden! Ich, der ich Witwer geworden war und bei der furchtbaren Epidemie des Jahres 1870 meine Kinder verloren hatte, fühlte nicht mehr den Mut, noch einmal eine neue Heimat zu suchen und mir noch einmal einen Herd zu gründen, den sechsten oder siebten während meiner langen Lebensbahn. Ich blieb also im Gri-qualand.

Fast den einzigen hier, ließ mich das Diamantenfieber, das alle Welt befiel, ganz unberührt, und nach wie vor baute ich meinen Gemüsegarten, als ob die Fundstätte des Du Toits Pan, einen Büchsenschuß von meinem Haus, gar nicht entdeckt worden wäre.

Wie groß aber war eines Tages mein Erstaunen, als ich die nach Landessitte aus trockenen Steinen errichtete Mauer meines Kraals während einer Nacht zerstört und 300 Meter weiter nach der Ebene zu fortgeschafft sah. Anstelle der meinigen hatte John Watkins mit Hilfe von hundert Kaffern eine andere errichtet, die sich direkt an die seinige anschloß und seinem Grund und Boden das Stück sandige, rötliche Land hinzufügte, das bis zur Stunde mein unbestrittenes Eigentum gewesen war.

Ich beklagte mich gegen diesen Räuber . . . er lachte nur darüber. Ich drohte ihm, eine gerichtliche Klage anhängig zu machen . . . Er meinte, ich solle es nur tun!

3 Tage später erhielt ich die Erklärung dieses Rätsels. Die mir gehörende Bodenausbuchtung war eine Diamantenmine. Nachdem John Watkins diese Überzeugung gewonnen, hatte er sich beeilt, meine Mauer zu rücken. Dann war er nach Kimberley gegangen, um offiziell die Mine auf seinen Namen anzumelden.

Ich erhob Klage . . . Möchten Sie nie erfahren, Monsieur Mere, was es in englischem Land kostet, eine Klage zu führen ! Nach und nach verlor ich darüber meine Ochsen, meine Pferde, meine Schafe! Ich verkaufte das ganze Hausgerät, bis auf die Kleidermotten, um diese menschlichen Blutegel, die man Solicitors, Attorneys, Sheriffs und Gerichtsdiener nennt, zu mästen . . . Kurz, nach einem Jahr voller Winkelzüge, voller Erwartung, immer getäuschter Hoffnung, voll Angst und innerlicher Empörung wurde schließlich die Frage meines Eigentumsrechts endgültig geregelt, ohne daß ich dagegen Einspruch erheben oder die Entscheidung kassieren lassen konnte.

Ich verlor meinen Prozeß und zugrunde gerichtet war ich obendrein! Ein Urteil in aller Form erklärte meine Ansprüche als unbegründet, wies meine Klage ab und erklärte, daß es dem Gerichtshof unmöglich sei, die anteiligen Rechte der Parteien zu erkennen, daß es sich dagegen empfehle, für die Zukunft eine bestimmte Grenze festzustellen. So bestimmte man den 25. Grad östlicher Länge von Green-wich als die Linie, die beide Besitzungen trennen sollte. Das westlich von diesem Meridian gelegene Terrain sollte John Watkins verbleiben, das östlich davon befindliche Jacobus

Vandergaart gehören. Diese auf den ersten Blick eigentümliche Entscheidung war den Richtern durch den Umstand nahegelegt, daß jener 25. Grad über das Gebiet des Bezirks und quer durch den Grund und Boden verläuft, auf dem sich früher mein Kraal befunden hatte.

Die Mine lag aber leider mehr nach Westen. Sie ging damit natürlich in das Eigentum John Watkins' über.

Trotzdem, und wie um die Ansicht des Landes durch einen unauslöschlichen Flecken zu verewigen, wird sie im Gegensatz zu dem richterlichen Ausspruch noch heute die Vandergaart-Kopje genannt!

Nun sagen Sie, Monsieur Mere, hab' ich nicht das volle Recht zu sagen, daß die Engländer Spitzbuben sind?« fragte der alte Bure, als er seine nur zu wahrheitsgetreue Erzählung beendete.

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