VI Schnell geschafft

Bolithos Augen brannten von dem Pulverqualm, den eine launische Bö über das Achterdeck geweht hatte. Er beobachtete, wie die Kanonen beim Abschuß zurückrollten und der wirbelnde Schneevorhang jedesmal wie von feurigen Zungen aufgerissen wurde. Seine Ohren waren durch den Lärm fast taub. Jetzt fielen auch die Sechspfünder auf dem Achterdeck mit ihren grelleren Tönen in das Konzert ein. Die Kugeln schlugen kurz vor oder hinter dem anderen Schiff ins Wasser, einige trafen sogar.

Sofort nach dem Schuß sprangen die Geschützbedienungen wie die Verrückten hinzu, wischten die Rohre aus, luden sie aufs neue mit Kartuschen und Kugeln und warfen dann ihr Körpergewicht in die Taljen, um die Lafetten wieder in Abschußstellung zu ziehen.

Und noch immer hatte der französische Kommandant nicht einen einzigen Schuß als Antwort gefeuert.

Immer wieder hoben sich die Fäuste der Geschützführer zur Klarmeldung, immer wieder brüllte der Erste Offizier:»Salve! Feuern!»

Bolitho hielt die Hand über die Augen und versuchte, den Pulverqualm zu durchdringen, der leewärts zum anderen Schiff hinübergetrieben wurde. Sie liefen jetzt aufeinander zu. Die etwas schwerere Ajax setzte auch noch ihre Bramsegel, um sich den Weg ins offene Wasser zu erkämpfen.

Ein Hurra erklang, als eine Salve der Styx durch die Marssegel der Ajax fegte und der Wind die Löcher, die die Kanonenkugeln geschlagen hatten, weiter aufriß. Auch das Großsegel war getroffen und zerriß wie ein alter Sack.

Dann antwortete der Feind. Auf eine Entfernung von etwas einer Kabellänge {185 Meter} kam die Breitseite schlecht gezielt heraus, aber Bolitho fühlte, wie die Eisenkugeln in die hölzernen Planken der Styx einschlugen. Ein verirrtes Geschoß traf sogar etwas weiter achtern unterhalb seines Standorts. Das Deck federte wie nach einem heftigen Hammerschlag zurück, aber Neales Geschützbedienungen schienen es gar nicht zu bemerken.»Stopft die Zündlöcher! Wischt die Rohre aus! Laden!«Die täglichen Übungen, der harte Drill, die vielen Flüche — jetzt zahlten sie sich aus.

«Kanonen ausrennen!»

Der Pulverqualm lag mit immer wieder rot und orange aufleuchtendem Kern zwischen den beiden Schiffen, als ob er ein eigenes Leben besäße. Dann schlugen abermals Kugeln in die Bordwand der Styx ein, gerade als sie selber eine Breitseite abfeuern wollte.

Bolitho sah, daß eine Kanone umgestürzt war, daß ihre Bedienung sich auf dem Deck wälzte und scharlachrote Spuren als Zeichen ihres Todeskampfes hinterließ. Auch in den Segeln der Styx erschienen jetzt Löcher, und Bolitho hörte eine Kugel über das Achterdeck fegen, nur wenige Fußbreit von dem Platz entfernt, an dem er stand.

Neale eilte hierhin und dorthin, beobachtete das Steuer, die Segel, die Geschützbedienungen, alles.

«Feuern!»

Mit wildem Kampfgeschrei warfen sich die Männer wieder an ihre Kanonen und schenkten sich vor dem Nachladen kaum einen Atemzug Zeit, um nachzuschauen, wo ihr Schuß eingeschlagen war.

Bolitho ging nach achtern und schlidderte dabei über Schneematsch, als er das Teleskop hob, um nachzuschauen, was das andere fremde Kriegsschiff machte. Es lag noch vor Anker. Seine Decks waren gedrängt voller Matrosen, jedoch wurden keine Segel losgemacht oder Kanonen ausgerannt. Als er sein Glas weiter nach achtern schwenkte, sah er die weiß-blaue Flagge Rußlands. Mochte der Zar sich auch sehnlichst wünschen, ein anerkannter Freund und Verbündeter Napoleons zu werden, sein Kapitän dachte darüber offenbar anders. Vielleicht hatte auch die Verblüffung über den kühnen Angriff der Styx dazu beigetragen.

Eine Kugel schlug durch die Finknetze hinter Bolitho. Er hörte einen vielstimmigen Aufschrei. Die Reihe der Marinesoldaten, die ihre geladenen Musketen auf dem Wall der Hängematten aufgelegt hatten und den Befehl zum Feuern erwartete, war in ein blutiges Durcheinander verwandelt. Männer taumelten und krochen durch den Qualm, zwei von ihnen lagen zu einer blutigen Masse zerschmettert auf der anderen Seite.

Ihr Sergeant brüllte:»Auf eure Plätze, Soldaten! Ziel aufgefaßt!»

Der Leutnant der Seesoldaten saß, sein Gesicht in den Händen, mit dem Rücken ans Schanzkleid gelehnt; seine Finger hatten die gleiche rote Farbe wie sein Uniformrock.

Neale rief:»Der Franzmann hat sich vom ersten Schrecken erholt, Sir. Er wird jetzt sicher mit Kettenkugeln schießen.»

Bolitho warf einen schnellen Blick in die Runde. Es waren erst zehn Minuten vergangen, aber ihm schien es wie eine Ewigkeit. Die Gruppe der britischen Frachter lag wie zuvor, doch konnte man kleine Gestalten erkennen, die auf den Rahen oder dem Oberdeck ihrem Kampf zusahen, ihnen zujubelten oder um Hilfe riefen — es ließ sich nicht ausmachen.

Neale folgte seinem Blick und schlug vor:»Ich werde ein Boot hinüberschicken, Sir. Die armen Teufel haben vielleicht keine Offiziere, die sie anleiten und ihnen beim Entkommen helfen.»

Bolitho nickte, und als Matrosen nach achtern eilten, um das Boot auszusetzen, sagte er zu Browne:»Fahren Sie mit?«Er klopfte ihm auf die Schulter und rechnete damit, daß sie so entspannt wäre, wie der ganze Mann wirkte. Doch die Schulter war gespannt wie eine Wagenfeder, darum setzte er beruhigend hinzu:»Kapitän Neale hat zu viel anderes um die Ohren.»

Browne biß sich auf die Unterlippe und zuckte zusammen, als weitere feindliche Geschosse in die Bordwand krachten, wobei sie schreckliche Splitter abschlugen. Einer drang einem Mann in den Arm und warf ihn zu Boden.

Dann sagte er:»Jawohl, Sir. «Er zwang sich zu einem Lächeln.»Ich werde einen wunderbaren Ausblick haben.»

Augenblicke später pullte das Boot mit kräftigen Schlägen den Handelsschiffen entgegen. Irgend jemand hatte sogar noch die Ge i-stesgegenwart gehabt, eine britische Flagge am Heck zu setzen.

Die Ajax kam näher, und ihre Stückpforten spien in regelmäßigen Abständen Feuer. Aber da der Wind das Schiff auf die andere Seite drückte, zischten viele Kugeln über Deck und Laufbrücken der Styx hinweg, holten dabei jedoch allerlei Tauwerk herunter und schnitten Blöcke ab wie faule Früchte.

Bolitho blickte das Batteriedeck entlang und entdeckte — wenn auch nur undeutlich im Gemisch von Pulverqualm und Schnee — die weißen Kniehosen von Pascoe, der die vorderen Geschütze kommandierte.

Die Breitseiten fielen jetzt unregelmäßiger. Die Männer waren vom Getöse der Schlacht zu benommen, um noch das ursprüngliche Tempo einhalten zu können.

Einige lagen tot oder schwer verwundet, andere versuchten, sie aus dem Bereich die zurückrollenden Kanonen wegzuziehen. In ihren Gesichtern mischten sich Entschlossenheit und Entsetzen.

Vom Vorschiff hörte man einen wilden Jubelschrei. Bolitho sah den Fockmast des Franzosen wie eine abgeschlagene Kautabakrolle zusammenklappen, wobei die oberen Rahen und Stengen mit sämtlichem Tauwerk und der wild flatternden Leinwand, dazu auch mit einigen Leuten, aufs Vorschiff stürzten. Es klang selbst durch den Schlachtenlärm, als stürze ein abgelöster Felsbrocken ins Meer. Die Wirkung trat augenblicklich ein: Da der größte Teil des Mastes über die Bordwand fiel und dabei Wanten und sonstiges Tauwerk wie schwarzen Seetang hinter sich herzog, drehte die Fregatte in den Wind, wobei das außenbord hängende Zeug als großer Treibanker wirkte.

Neale formte mit den Händen ein Sprachrohr, so daß sein Säbel am Handgelenk herunterbaumelte, und schrie:»Eine volle Breitseite, Mr. Pickthorn! Mit doppelter Kartätschenladung! Gebt's ihm!»

Hilflos hin- und herschwankend, während ihre Matrosen die übergegangenen Trümmer abzuschlagen versuchten, trieb die Ajax — Bug voran — direkt auf Neales Batterie zu. Jetzt gab es keine Bedenken mehr, daß eine doppelte Ladung die kalten Rohre sprengen könnte, dachte Bolitho. Die Kanonen waren inzwischen so heiß, daß sie die nächststehenden Leute wie offenes Herdfeuer wärmten.

Er beobachtete, wie ein älterer Geschützführer eine Kugel liebevoll in den Armen wiegte, bevor er zuließ, daß sie in das Rohr gesteckt wurde. Das mußte ein Treffer werden.

Neale kletterte in die Lee-Wanten, griff sich das Sprachrohr seines Ersten Offiziers und rief:»Streicht die Flagge! Ergebt euch!«Es klang fast flehentlich. Doch die einzige Antwort war eine Salve Musketenschüsse, von denen eine Kugel Neales Säbel traf und einen Ton wie Glockenschlag hervorrief.

Neale kletterte zurück an Deck. Seine Augen blickten traurig, als er die erhobenen Fäuste seiner Geschützführer sah.

«So sei es denn!«Er schaute seinen Ersten Offizier an und nickte ihm zu.

Der Erfolg der Breitseite, die — Kanone für Kanone — vom Bug bis zum Heck hinausdonnerte, war schrecklich anzusehen. Drüben flogen Trümmer hoch in die Luft, und der Großmast stürzte mit gewaltigem Krach über die Bordwand, dorthin, wo schon die anderen Mastteile trieben. Bolitho schien es, als wolle das Vorschiff des Gegners unter der gewaltigen Last abbrechen. Er sah einen Midshipman, der sich vor

Entsetzen in den Rockärmel biß, als er lange Rinnsale Blut aus den Speigatten der Ajax fließen sah, als stürbe sie und nicht ihre Besatzung.

Ein Steuermannsmaat rief:»Die Handelsschiffe gehen Anker auf, Sir!«Es hörte sich ungläubig an.

Bolitho nickte und beobachtete weiter die übel zugerichtete Fregatte. Sie war besiegt, aber ihr Flagge wehte immer noch, und er wußte aus bitterer Erfahrung, daß sie weiterkämpfen würde, so lange noch Leben in ihr war.

Er nahm an, daß Neale und viele seiner Leute die Ajax gern geentert und als Prise nach Hause gebracht hätten. Aber es reichte, und sie hatten bereits mehr geleistet, als er zu hoffen gewagt hatte. Jetzt noch weiterzukämpfen, hieß, die Autorität des schwedischen Festungskommandanten wie auch die extravagante Neutralitätsauffassung des russischen Kriegsschiffes allzusehr auf die Probe zu stellen.

Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit statt dessen auf die Frachter. Es waren sechs im ganzen, und ihre Matrosen waren eifrig dabei, mehr Segel zu setzen und Zusammenstöße untereinander zu vermeiden, als sie alle zur gleichen Zeit auf die Styx zuhielten, die — deutlich sichtbar — vier Flaggen führte.

Neale wischte sich das rußverschmierte Gesicht und sagte:»Ihr Flaggleutnant wird nicht mehr derselbe sein wie bisher, schätze ich, Sir. «Er seufzte, als ein Verwundeter an ihm vorbeigetragen wurde.»Wir anderen auch nicht, was das anbelangt.»

Er drehte sich um und beobachtete einen der Frachter, der nahe an ihnen vorbeisegelte. Auf seiner Backbord-Laufbrücke wimmelte es von Männern, die ihnen freudig zuwinkten.

Trocken fügte er hinzu:»Wir haben erledigt, wofür wir gekommen sind. Ich hielt es für angemessen, wenn wir ein paar der besseren Seeleute bei ihnen ausliehen. Auf diese Weise könnten sie ihre Dankbarkeit beweisen.»

Pascoe kam nach achtern und tippte an seinen Hut. Er wartete, bis Neale wegging, um sich der zahllosen Probleme anzunehmen, die nach dem Kampf seiner harrten. Dann sagte er:»Das war schnell geschafft, Sir!»

Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter.»In knapp zwanzig Minuten. Ich kann es kaum glauben. Neale ist ein großartiger Seemann. «Pascoe sah ihn nicht an, aber um seinen Mund zuckte ein Lächeln.

«Ich glaube, er hat eine Menge auf seinem früheren Schiff gelernt, Onkel.»

Mr. Charles Inskip ging im Saal auf und ab, als wäre er nicht groß genug für ihn. Selbst die Perücke, die er aufgesetzt hatte, um sich mit Würde zu wappnen, war durch seine Erregung verrutscht.

«Verdammt, Bolitho, was soll ich bloß mit Ihnen machen?«Er wartete die Antwort nicht ab.»Sie mißbrauchen die dänische Neutralität, indem Sie sich bei Nacht davonschleichen, und nun kommen Sie mit einer Räuberpistole von >Befreiungsaktion< zurück nach Kopenhagen! Sie haben offenbar keinen Sinn dafür, daß Sie besser weggeblieben wären!»

Bolitho wartete, daß der Sturm sich legte. Er hatte Mitgefühl für Inskips schwierige Rolle, bedauerte aber keinen Augenblick, daß er die Schiffe befreit hatte. In diesem Augenblick mußten sie gerade um Skagen in die Nordsee hinaussegeln. Unausdenkbar, was geschehen wäre, wenn er sie in den Händen des Zaren gelassen und der sie den Franzosen als Geschenk oder zur Bestechung ausgeliefert hätte. Noch grausamer wäre es gewesen, ihm die unglücklichen Besatzungen zu überlassen. Die Männer wären in irgendeinem Gefangenenlager verfault oder im feindlichen Klima umgekommen.

Er sagte leidenschaftslos:»Es war das mindeste, was ich tun konnte, Sir. Die Handelsschiffe brauchen keinen Angriff von seiten der Dänen zu befürchten. Sie waren rechtswidrig beschlagnahmt worden, zumindest ebenso rechtswidrig wie die dänischen Schiffe Anfang des Jahres durch uns. Aber wenn ich hier nicht wieder geankert, sondern mich an den Kanonen des Öre-Sunds vorbeigeschlichen hätte, wäre eine Katastrophe heraufbeschworen worden.»

Er mußte plötzlich an ihre Rückfahrt denken. Obwohl niemand sie überholt hatte, waren ihnen die Gerüchte vorweggeeilt. Als sie in Kopenhagen ankamen, war das Ufer trotz der Kälte vollbesetzt mit schweigend dastehenden Menschen, und später, als der Hafenadmiral erlaubt hatte, daß sie ihr Schiff ausbesserten und ihre Toten zur Beisetzung an Land brachten, war etwas wie ein großer Seufzer von den Zuschauern aufgestiegen.

Inskip schien Bolitho nicht zu hören.»Ich hätte derartiges Handeln von einem Ihrer Kommandanten in Kauf genommen, aber nicht vom

Befehlshaber des Geschwaders, gewiß nicht. Allein schon durch Ihre Gegenwart repräsentieren Sie König und Parlament.»

«Sie wollen damit sagen, ein einfacher Kapitän könnte entlassen oder vor ein Kriegsgericht gestellt werden, wenn die Dinge sich gegen ihn wenden, Sir?»

Inskip unterbrach sein erregtes Auf- und Abgehen.»Schön. Sie kennen also das Risiko eines selbständigen Entschlusses ebenso wie seinen möglichen Lohn.»

Bolitho wußte, daß sie auf diese Weise nicht weiterkamen. Er sagte:»Wie dem auch sei, ich würde meinem Flaggkapitän gern eine Nachricht schicken, wenn das möglich ist. Ich habe ihm angekündigt, höchstens eine Woche auszubleiben. Die ist jetzt um.»

Inskip starrte ihn an.»Verdammt, Bolitho! Ich habe ja nicht gesagt, daß Sie nicht erreichen, was Sie sich vorgenommen haben. Es sind Ihre Methoden, gegen die ich Bedenken habe. «Er zeigte ein schwaches Lächeln.»Ich habe Ihrem Geschwader schon Nachricht zukommen lassen. «Dann schüttelte er den Kopf.»Ich weiß nicht, was Sie im Parlament oder hier im Schloß erzählen werden, aber ich hätte eine Menge darum gegeben, zusehen zu können, wie Sie unsere Handelsschiffe befreiten! Mein Adjutant hat schon mit Ihrem Captain Neale gesprochen. Dieser junge Mann erzählte ihm, daß die Styx den Feind in weniger als zwanzig Minuten besiegt hatte.»

Bolitho erinnerte sich an Herricks Bemerkung: >Männer, nicht Schiffe gewinnen Schlachten!< Er sagte:»Das ist wahr, Sir. Es war das schnellste Gefecht einer Fregatte, dem ich je als Zeuge beiwohnte.»

Inskip sah ihn ruhig an.»Ich nehme an, Sie waren nicht nur >als Zeuge< dabei. «Er ging ans Fenster und schaute auf den Platz hinunter.»Das Schneetreiben hat aufgehört. «Wie nebenbei fügte er hinzu:»Sie müssen sich für ein Treffen mit dem Generaladjutanten bereithalten. Vielleicht schon heute abend. Bis dahin we rden Sie mein Gast sein.»

«Und das Schiff, Sir?»

«Man hat mir versichert, daß es den Hafen verlassen kann, wenn die Reparaturen ausgeführt sind, aber…«Das Wort hing in der Luft, als er sich umdrehte und Bolitho direkt ins Gesicht schaute.»Sie werden sich wohl auf einen längeren Aufenthalt einrichten müssen, falls die Dänen mich auffordern, Sie ihnen auszuliefern. «Er rieb sich die Hände, als ein elegant gekleideter Lakai mit einem Tablett hereinkam, und sagte:»Aber im Augenblick wollen wir lieber erst einmal auf Ihren, äh, Sieg anstoßen!»

Später, als Leutnant Browne hinzugekommen war, diktierte Bolitho einen ausführlichen Bericht über seine Entdeckung und seine Unternehmung gegen die französische Fregatte. Er überließ es höheren Stellen, die Schlußfolgerungen über Recht oder Unrecht seiner Handlung zu ziehen.

Sollte man es gestatten, daß ein französisches Schiff in schwedischen Gewässern und in Anwesenheit eines russischen Kriegsschiffes von diesem beschlagnahmte britische Handelsschiffe kaperte? Dieser völkerrechtliche Knoten ließ sich nicht so leicht lösen, dachte er.

Er lehnte sich zurück und beobachtete Brownes Miene.»Habe ich irgend etwas vergessen?»

Browne sah ihn einige Sekunden lang an.»Ich glaube, Sir, je weniger Sie darüber zu Papier bringen, desto besser. Ich hatte an Bord des Frachters Zeit zum Nachdenken. Da befand ich mich in der Lage, selber handeln zu müssen, anstatt nur Ratschläge zu geben. Sie haben ein Gefecht gewonnen, nichts Gewaltiges, was das Antlitz der Erde verändern wird, aber es ist genau das, was unseren Leuten zu Hause Auftrieb geben kann. Sie hassen es, wenn einfache Leute wie sie von einer fremden Macht brüskiert und gedemütigt werden. Aber es gibt sicher auch Leute, die nicht so freundlich über Sie denken.»

Bolitho lächelte nachdenklich.»Weiter, Browne, ich bin ganz Ohr.»

Browne sagte:»Admiral Sir Samuel Damerum zum Beispiel, Sir, wird nicht begeistert sein. Er könnte dadurch in den Augen anderer als Narr erscheinen, als Mann, dem es an Mut fehlt, sich für kleine Dinge — wie auch für große — einzusetzen. «Browne lachte etwas verlegen, als ob er zu weit gegangen wäre.»Wie ich sagte, Sir, ich hatte Gelegenheit, meine Einstellung zu den Mächtigen zu ändern, während ich weg war. Ehrlich gesagt: Ich bin froh, Leutnant zu sein, und dazu ein solch bevorzugter.»

Bolitho rieb sich das Kinn und streifte seinen Ehrensäbel auf dem Stuhl mit einem Blick. Auch dieses Omen war falsch gewesen. Er hatte recht getan zu handeln, und obwohl Neale zehn Tote dabei zu beklagen hatte, war es den Einsatz wert gewesen. Keine weltverändernde Schlacht, wie Browne es ausgedrückt hatte, doch sie würde ihr Selbstbewußtsein stärken und der Welt zeigen, daß England — auch wenn es allein stand — nicht zögerte, sich für seine Landsleute einzusetzen, wenn es darauf ankam.

Eine Stunde später befand er sich mit Inskip in einem Wagen auf dem Weg zum Schloß.

Es war schon spät und die Straße fast leer. Die Szenerie ähnelte mehr einem Mordkomplott als einer einfachen Befragung, dachte er. Allday hatte mitkommen wollen, aber Inskip war hart geblieben.

«Nur Sie, Bolitho. Das ist ein Befehl!»

Der Wagen fuhr durch einige Tore und hielt dann vor einem schmalen Seiteneingang.

Nachdem sie den Schnee von den Füßen getrampelt hatten, wurden sie durch mehrere Türen in eine andere Welt geleitet, in ein Märchenland von glitzernden Kronleuchtern und großen Gemälden. Man hörte von irgendwoher Musik und weibliche Stimmen und spürte Macht und höchsten Komfort.

Aber weiter drangen sie nicht vor. Man wies sie in einen kleinen, aber sehr schön ausgestatteten Raum mit bücherbedeckten Wänden und prasselndem Kaminfeuer.

Ein Mann erwartete sie. In seiner blauen Samtrobe wirkte er elegant wie der ganze Raum. Seine schweren, goldbestickten Ärmelaufschläge reichten bis an die Ellenbogen. Er machte den Eindruck, als würde er nie übereilt und ohne Würde handeln.

Er musterte Bolitho nachdenklich, wobei sein Gesicht im Schatten blieb.»Der Generaladjutant konnte nicht kommen. Er mußte aufs Festland hinüber. «Er sprach ohne Akzent und in einem Ton, der den warmen Raum zu streicheln schien.

Dann fuhr er fort:»Ich werde mich mit dieser Sache befassen, Konteradmiral Bolitho. Als sein Gehilfe bin ich mit der ganzen Angelegenheit sowieso gut vertraut.»

Inskip begann zu sprechen.»Tatsache ist, Sir, daß…»

Eine Hand wurde gehoben wie von einem Priester, der den Segen erteilen will, und Inskip verstummte.

«Lassen Sie mich zunächst dies sagen: Sie haben die sechs englischen Schiffe durch Ihre Aktion gerettet. Sie Ihrerseits retteten sich dadurch, daß Sie Kopenhagen anliefen. Hätten Sie ein französisches Schiff, gleichgültig, unter welchem Vorwand, in dänischen Gewässern angegriffen, dann hätten weder Sie noch Ihr Schiff jemals wieder England erreicht, seien Sie dessen sicher. Sie haben Krieg mit Frankreich, nicht mit uns. Aber wir müssen in einer Welt bestehen, die von

London und Paris auf den Kopf gestellt ist, und wir werden keinen Augenblick zögern, unser Schwert zu ziehen, um das zu schützen, was uns heilig ist. «Seine Stimme wurde weicher.»Das heißt nicht, daß ich Sie nicht verstehe, Admiral. Ich tue es, besser vielleicht, als Sie glauben.»

Bolitho sagte:»Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis, Sir. Wir sind ein Inselvolk. Seit tausend Jahren müssen wir uns gegen Angreifer zur Wehr setzen. Menschen im Krieg vergessen zu leicht die übrige Welt, und dafür bitte ich um Entschuldigung, Sir.»

Der Mann wandte sich zum Fenster und sagte ruhig:»Soviel ich weiß, sind meine Landsleute in der Vergangenheit einige Male in Ihr Land eingefallen?»

Bolitho lächelte.»Aye, Sir. Es heißt heute noch, daß die Mädchen an der Nordostküste Englands ihre blonden Haare den Wikingern verdanken.»

Inskip räusperte sich nervös.»Darf ich also Admiral Bolitho wieder mitnehmen, Sir?»

«Bitte sehr. «Er bot ihnen nicht die Hand.»Ich wollte Sie gern kennenlernen, wollte sehen, was für ein Mann Sie sind. «Er nickte kurz.»Ich hoffe, wenn wir uns einmal wiedersehen, wird es unter glücklicheren Umständen sein als jetzt.»

Bolitho folgte Inskip und zwei Lakaien denselben Weg zurück, wobei ihm noch immer der Kopf schwindelte.

Er sagte:»Ich glaube, bei seinem Vorgesetzten wäre ich schlechter weggekommen. Dieser wollte mich wohl möglichst schnell außer Landes haben.»

Inskip nahm seinen Mantel von einem Diener in Empfang und sog die frische Luft ein, die durch die offene Tür drang.

«Möglich, Bolitho. «Er warf ihm einen Seitenblick zu.»Es war der Kronprinz selber!«Er schüttelte den Kopf und marschierte auf den Wagen zu.»Wirklich, Bolitho, Sie müssen noch eine Menge lernen.»

Seinen Hut unter den Arm geklemmt, betrat Kapitän Neale die Kajüte.

«Es wird Sie interessieren, daß wir aus dem Sund raus sind und nun im Kattegatt stehen, Sir. «Er sah müde, aber gleichzeitig froh aus, als er hinzufügte:»Unsere ungebetenen Begleiter haben abgedreht und sind verschwunden.»

Bolitho stand auf und ging an die Heckfenster. Das Schneetreiben hatte aufgehört, aber das Wasser sah grau und unfreundlich aus. Die Dänen hatten es nicht darauf ankommen lassen. Zwei Fregatten waren der Styx vorn Augenblick des Ankerlichtens an gefolgt, und als Bo-litho zum Landungssteg hinuntergefahren war, hatte er Soldaten beobachtet, die an die Geschütze der Hafenbatterie eilten. Nicht als Drohung, aber vielleicht zur Warnung.»Vielen Dank.»

Bolitho horchte auf das traurige Quietschen der Pumpen, auf den dumpfen Klang der Hämmer und Sägen, die bewiesen, daß die Besatzung noch alle Hände voll zu tun hatte, die Schäden ihrer kurzen, aber heftigen Auseinandersetzung zu beseitigen.

Man würde die Styx heim nach England schicken müssen, wo sie fachmännisch und gründlich überholt werden konnte. Sie hatte es verdient, ebenso ihre Besatzung.

Er sagte:»Ich werde mir auf meinem Flaggschiff ganz verloren vorkommen. Wie ein Pferd in einem größeren Stall. «Er wurde wieder ernst.»Ich habe einen ausführlichen Bericht geschrieben, den Sie nach England bringen sollen. Was darin Sie betrifft, wird die richtige Stelle erreichen.»

Neale lächelte.»Danke, Sir.»

«Und wenn Sie mich so schnell wie möglich zu meinem Geschwader bringen, werde ich Sie künftig in Ruhe Ihre Entscheidungen selbst treffen lassen.»

Neale wollte schon gehen, sagte dann aber noch:»Mein Erster Offizier ist sehr begeistert über die Neuen, die er von den Handelsschiffen geholt hat. Alles prima Seeleute, obwohl sie noch nicht genau wissen, wie ihnen geschah, und ob sie nur eine Hölle mit einer anderen vertauscht haben.»

Am nächsten Morgen, als Bolitho sein Frühstück verzehrte, das nach Ozzards Meinung besser zu einem Kriegsgefangenen gepaßt hätte, kam Neale herunter und meldete, daß seine Ausguckleute ein Segel gesichtet hätten. Gleich darauf sei es als der Fregatte Relentless gehörig erkannt worden.

Fast noch unter dem Horizont hatte die Relentless Signale gesetzt, die von der Lookout erkannt und für das übrige Geschwader wiederholt wurden.

Bolitho konnte sich in ihre Empfindungen hineinversetzen. Herricks Aufklärer mußte die befreiten Handelsschiffe getroffen haben, und was er von ihnen nicht erfahren hatte, konnte er sich selber zusammenreimen.

Die erste Bewährung des neuen Geschwaders. Etwas, dessen man sich rühmen konnte, wenn das Wetter einen entmutigte oder das Essen zu schlecht war, um es überhaupt noch zu diskutieren.

Als Bolitho später an Deck ging, bemerkte er, daß Allday ihm mit seiner Seekiste schon zuvorgekommen war. Auch er schien mehr als erpicht darauf, wieder auf die Benbow zurückzukehren.

Er sah Pascoe und den kleinen Midshipman Penels auf der Backbord-Laufbrücke stehen und zu den Schiffen hinüberschauen. Als das vor Anker liegende Geschwader höher herauskam, sah er Pascoe sich umdrehen und mit fragendem Ausdruck nach achtern schauen.

Neale sagte:»Gebt mir mal ein Glas!» Er schaute an der anderen Fregatte vorbei, die elegant wendete und zum Geschwader zurücksteuerte.»Captain Herrick ist klar zum Ankeraufgehen, scheint es. «Er übergab Bolitho das Glas und beobachtete seine Reaktion.

Bolitho richtete das Glas auf den feucht schimmernden Rumpf der Benbow, die vor kurzgeholter Ankertrosse dümpelte. Die Segel waren lose aufgeholt und nicht so sauber festgezurrt, wie man erwartet hätte. Die Ankertrosse zeigte fast auf und nieder, genau wie bei den anderen Zweideckern. Er fühlte sich plötzlich unbehaglich, sagte aber so ruhig er konnte:»Wir müssen noch etwas Geduld haben.»

Neale schüttelte bedenklich den Kopf. Dann rief er:»Setzen Sie die Bramsegel, Mr. Pickthorn! Wir haben es eilig!»

Der Signalfähnrich der Benbow ließ sein Teleskop sinken und meldete:»Das Geschwader ist Anker auf, Sir!»

Bolitho griff in die Hängemattsnetze und beobachtete erst eines, dann das nächste Schiff, dessen Segel sich füllten oder wieder killten, und das sich dann durch den Winddruck auf die Seite legte, bis sie ihr Manöver beendet hatten. Wolfe, der Erste Offizier, führte das Kommando auf dem Achterdeck, aber offenbar nicht ganz im Sinne Herricks, was dessen Nervosität erklärte.

Es war erst knapp fünfzehn Minuten her, seit Bolitho durch die Einlaßpforte geklettert war, fünfzehn Minuten, die mit vielerlei Tätigkeiten und scheinbarem Durcheinander erfüllt gewesen waren. Die Seeleute hatten unmittelbar nach seinem Anbordkommen auf den Rahen ausgelegt oder an Fallen und Brassen geholt, als hätten sie es wie ein

Startsignal erwartet.

Zwischen den vielerlei Dingen, die Herrick erledigen mußte, hatte er berichtet:»Ein Kurierschiff ist von Sheerness gekommen, Sir. Der Kommandant hatte Depeschen für Admiral Damerum, aber dessen Geschwader war inzwischen schon mit verschiedenen Zielen fortgesegelt. «Einige Sorgenfalten auf seinem Gesicht hatten sich bereits geglättet, als er dankbar hinzusetzte:»Bei Gott, es ist gut, daß Sie zurück sind, Sir. Ich wußte wirklich nicht, was ich tun sollte.»

In den kurzen Pausen zwischen Kommandos, die Herrick für Kursänderungen oder Segelkommandos gab, und während sich das Geschwader zur Kiellinie formierte, erfuhr Bolitho stückweise, was geschehen war. Er unterbrach oder drängte Herrick kein einziges Mal, denn er wollte es in dessen eigenen Worten hören und nicht in sorgsam für seine Ohren präparierter Rede.

Die wichtigsten Tatsachen: Ein französisches Geschwader war aus Brest ausgebrochen und in der Weite des Meeres verschwunden. Es wurde von Vizeadmiral Alfred Ropars befehligt, einem erfahrenen und wagemutigen Offizier. Er hatte das schreckliche Wetter ausgenutzt, aber mehr noch: zwei seiner Fregatten hatten im Schutz der Dunkelheit das britische Vorpostenschiff nahe an der Küste überfallen und erobert. Bolitho mußte an Inskips Ansichten über Autorität und Verantwortung eines Kommandanten denken. Der Kommandant der gekaperten Fregatte würde alles verlieren. Seine früheren Verdienste, seine ganze makellose Karriere würden nicht ausreichen, diese Panne ungeschehen zu machen.

Aber Bolitho wußte auch, wie leicht so etwas passieren konnte. Hin und her, auf und ab, bei jedem Wetter und jedem Seegang, da wurden die windzerzausten Schiffe des Blockadegeschwaders oft zu sicher, zu überzeugt davon, daß die Franzosen vernünftig genug sein würden, im Hafen zu bleiben, statt einen Kampf zu riskieren.

Ropars mußte den richtigen Zeitpunkt gewählt haben. Nachdem er das Patrouillenschiff aufgebracht hatte, waren seine schweren Schiffe im Morgengrauen ausgelaufen und verschwunden.

Die Information des Kurierschiffes war dürftig bis auf einen Punkt: Ropars war nach Norden gesegelt. Nicht nach Westen, Richtung Karibische See, oder nach Süden, zum Mittelmeer, sondern nach Norden.

Herrick sagte verzweifelt:»Ich war hin- und hergerissen. Wir mit unserem kleinen Geschwader hier anstelle von Admiral Damerum und

Sie — wie ich vermutete — in Kopenhagen. Die Admiralität nimmt an, daß Ropars eine Landung mit gleichzeitiger Volkserhebung in Irland unterstützen will. Da unsere Flotte so weit verstreut ist, scheint der Augenblick für einen derartigen Versuch gut gewählt.»

Bolitho nickte, sein Geist arbeitete.»Vor fünf Jahren, als ich Flaggkapitän von Sir Charles Thellwall auf der Euryalus war, habe ich in Irland viel Elend gesehen. Die Franzosen haben es schon damals versucht. Gut möglich, daß sie einen neuen Versuch unternehmen, Thomas.»

Herrick beschattete seine Augen, um nach den Bramrahen hinaufzuschauen, wo einige Matrosen sich mit Händen und Füßen festklammerten, als der Wind voll in die Segel einfiel.

Er sagte:»Ich entschied, daß ich nichts erreichen würde, wenn ich nach Irland segelte, Sir. Wir haben zu wenig Schiffe. «Er schaute Bolitho gerade in die Augen.»Und außerdem, Sir, sind Sie mein Befehlshaber.»

Bolitho lächelte. Es mußte eine schwere Entscheidung für Herrick gewesen sein. Wenn er das Falsche getan hätte, währe — Treue hin, Treue her — sein Kopf zusammen mit dem seines Admirals gefallen.

Doch er sprach mit Wärme:»Das haben Sie gut gesagt, Thomas. Ich sehe Sie schon bald Ihren eigenen Kommandostander führen, denken Sie an meine Worte!»

Herrick zog eine Grimasse.»Dafür würde ich mich nicht einmal bedanken, Sir.»

Er kam aufs Thema zurück.»Der französische Admiral hat nur ein Geschwader, nicht mehr. Das wissen wir genau. Und ich wette, jedes Schiff unserer Kanalflotte paßt jetzt höllisch vor den feindlichen Häfen auf, falls irgendein Schiff versuchen sollte, Ropars Geschwader zu verstärken.»

Bolitho löste seinen Griff von den Netzen. Es dauerte nicht lange, bis man sich an die anderen Schiffsbewegungen gewöhnt hatte: nach dem heftigen Schlingern einer Fregatte nun das schwerfällige Überholen eines Linienschiffes.

«Nun, Thomas? Weiter.»

Herrick biß sich auf die Lippen, als wünschte er, er hätte geschwiegen.

«Ich habe von Ihren Taten in der Ostsee gehört. Der Kapitän eines der Handelsschiffe, die Sie befreit haben, hat es mir berichtet. Es war saubere Arbeit, Sir, und das allein mit der Styx

Bolitho schaute auf die graue See ringsum, bereit, Herrick weiterreden zu lassen, ohne seinen Gedankenfluß zu unterbrechen.

«Es sieht den Franzmännern nicht ähnlich, lediglich eine einzige Fregatte für solch eine Aufgabe zu entsenden, Sir. Sie wissen ganz bestimmt, daß Ihr Geschwader jeden Versuch, die Handelsschiffe nach Frankreich zu entführen, verhindern würde. «Er streckte seine Hände aus.»Um alles in der Welt: Ich kann aber keinen anderen Grund für ihre Unternehmung entdecken.»

Bolitho starrte ihn an.»Es paßt alles zu gut zusammen, Thomas. Ist es das?«Herrick nickte.»Ja, Sir. Ich glaube, daß die Franzosen beabsichtigen, unser Geschwader nach Westen zu locken, damit es die Kanalflotte verstärkt und Ropars' Rückzugslinie von Irland bedroht, wenn er dort keinen Erfolg hat.»

Bolitho packte ihn am Arm.»Aber in Wirklichkeit segelt Ropars weiter nach Norden, möglicherweise um Schottland herum und dann an der norwegischen Küste herunter — nehmen Sie das an?»

Herrick leckte sich die Lippen.»Nun ja, Sir. Sie werden von Norden kommen. «Er blickte auf die verschwommene Linie der dänischen Küste.»Hierher.»

«Wo sie hoffen, daß die Tür zur Ostsee für sie offensteht, nicht wahr?«Es wäre zu schön, um wahr zu sein.

Bolitho sagte:»Signalisieren Sie dem Verband: >Kurs WestRelentless und Lookout so weit vorgesetzt wie möglich, ohne aus Sichtweite zu kommen. Wenn der Befehl ausgeführt ist, kommen Sie nach achtern, und bringen Sie den Master mit. Wir werden die Karte studieren und unsere Gedanken austauschen.»

Herrick schaute ihn — jetzt weniger sicher — an.

«Ich mag mit meiner Annahme völlig falsch liegen, Sir. Ist es das Risiko wert?»

«Wenn wir hier kämpfen müssen, liegen wir auf Legerwall. {Legerwall = eine Küste, auf die der Wind steht, was für Segelschiffe gefährlich ist} Nein, wir wollen auf freier See mit ihnen zusammentreffen, wenn überhaupt. Wir wollen ein paar von ihnen zusammenschießen und den Rest in die Flucht schlagen. Ich habe von Admiral Ropars gehört, Thomas. Was wir vermuten, ist genau das, was er versuchen wird.»

Herrick sagte betreten:»Er ähnelt Ihnen wohl ein bißchen, Sir.»

«Nicht ganz, hoffe ich. Sonst würde er unseren Plan durchkreuzen.»

Bolitho ging nach achtern in seine Räume, vorbei am steif dastehenden Posten der Seesoldaten, und zog am Schott so automatisch den Kopf ein, als wäre er noch auf der Fregatte.

Einige Zeit ging er ruhelos in der Kajüte auf und ab und überdachte noch einmal, was sich in so kurzer Zeit ereignet hatte: den seltenen Glücksfall, als Lookout die französische Brigg Echo aufgebracht hatte. Ihre Ankunft in Kopenhagen. Den Angriff im Schneesturm. An die Männer, die sterben mußten, und die anderen, die ihm zugejubelt hatten.

Auch jetzt hörte er Jubelrufe, als wären seine Gedanken laut geworden, aber als er durch das Heckfenster schaute, sah er die Fregatte Styx unter der vollen Pyramide ihrer dichtgeholten Segel stolz hinter den langsameren Zweideckern vorbeigleiten. Das Geschwader jubelte diesmal einem Kameraden zu, dem narbenbedeckten Sieger, der zur Ausbesserung und vielleicht zu einem glorreichen Empfang nach Hause fuhr.

Allday kam in die Kajüte und hängte den Ehrensäbel wieder in seine Halterung unter dem anderen. Er sagte:»Ich war doch etwas in Sorgen neulich, Sir. Einen Augenblick jedenfalls.»

Bolitho zuckte die Achseln.»Mit dem Aberglauben ist das so eine Sache.»

Allday grinste erleichtert.»Die Leute in Falmouth wären ganz schön entsetzt gewesen, wenn Sie ihn zerbrochen hätten. Darauf können Sie sich verlassen, Sir.»

Bolitho setzte sich, er fühlte sich plötzlich müde.»Holen Sie mir was zu trinken, bitte. «Dann lächelte er.»Und wir wollen aufhören, uns gegenseitig etwas vorzumachen.»

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