23

Ich lag in den Armen Clitus Vitellius’, meines Herrn, unter den hellen Sternen Gors, unter den bleichen Monden und dem schwarzen Himmel. Unter uns bewegte sich das riesige Holzfloß. Ringsum die Weite des Meeres.

Mein Kopf lag auf seinem harten Bauch, meine Arme wärmten ihn. Er lag auf dem Rücken.

»Glaub nicht, daß du meine gelie bte Sklavin bist«, sagte er. »Du bist eine Lügnerin, eine Verräterin, der ich es noch heimzahlen werde!«

»Ich weiß, Herr«, sagte ich und drückte meine Lippen auf die seinen.

»Ich an deiner Stelle hätte jetzt Angst.«

Ich küßte ihn.

»Du scheinst aber keine Angst zu haben«, stellte er fest.

»Ich habe dich stets gefürchtet, Herr«, antwortete ich. »Deine Launen, deine Kraft, deinen Willen. Aber zugleich liebe ich dich.«

»Du würdest jeden Mann lieben.«

»Ich bin ein Mädchen von der Erde. In den Armen eines Mannes von Gor kann ich nicht anders. Aber dich liebe ich am meisten, am wahrhaftigsten.«

»Lügnerin!«

»Ich verriet dich, Herr, weil ich dich so sehr liebte. Hätte ich dich nicht so sehr geliebt, wäre mein Haß nicht so stark gewesen. Lange hatte ich für den Augenblick gelebt, da ich mich an dir rächen konnte – und als es dann soweit war, beging ich den Verrat. Schon als man dich abführte, erfüllte mich ein Gefühl des Leids, das ich dir nicht beschreiben kann. Ich schluchzte vor Kummer. Ich hatte den Mann verraten, den ich liebte! Von diesem Moment an war das Leben nicht mehr le benswert für mich. Als ich von deiner Flucht erfuhr, war ich voller Freude. Es genügte mir zu wissen, daß du am Leben und in Freiheit warst.« Er starrte zum Himmel empor und antwortete nicht. »Wach auf, Sklavin«, sagte Clitus Vitellius und gab mir einen Tritt. Ich fuhr hoch.

Ein Schiff näherte sich, eine mittelgroße Galeere mit zwanzig Rudern auf jeder Seite. Das Lateinersegel hing schlaff herab. Clitus Vitellius stand abwartend auf unserem Floß.

Am Mast wehten zwei Flaggen, die Flagge Port Kars und die andere mit dem Boskkopf. Es war die Flagge Bosks aus Port Kar, der vor zwei Tagen der Juwel von Jad übel mitgespielt hatte.

Die Galeere schwang herum und näherte sich unserem Floß. An der Reling stand ein großer, breitschultriger Mann mit mächtigen Händen, einem breiten Gesicht, graublauen Augen und zerzaustem, rötlichem Haar. Ihn umgab eine animalische Aura, etwas Unberechenbares, Intelligentes, Grausames. Auf den ersten Blick war zu erkennen, daß dieser Mann der Kriegerkaste angehörte, obwohl er sich hier auf dem Deck eines Schiffes befand.

Clitus Vitellius hob die Hand zum Kriegergruß. Der Mann erwiderte die Geste.

»Ich bin Clitus Vitellius aus Ar«, sagte er. »Bin ich dein Gefangener?«

»Wir haben keinen Händel mit Ar«, sagte der Fremde. »Ihr besitzt nicht viele Schiffe.«

Clitus Vitellius lachte.

»Samos aus Kar, Angehöriger des Kapitänsrates von Port Kar, hat mir berichtet, daß ein gewisser Clitus Vitellius und seine Männer sich vorgestern gut geschla gen haben, auf der Seite des Juwels des Thassa!« sagte der Fremde.

Die Bürger Port Kars nennen ihre Stadt das Juwel des Thassa; andere halten sie eher für ein Piratennest. Die Stadt wird von einem Kapitänsrat regiert.

»Wir haben getan, was wir konnten«, antwortete Clitus Vitellius. »Wie du weißt, steht Cos im Krieg mit Ar. Aber was ist mit meinen Männern?«

»Ihnen geht es gut. Sie befinden sich auf Samos’ Thassa Ubara.«

»Sehr gut«, sagte Clitus Vitellius.

Der Mann grinste. »Dein Schiff scheint mir recht seetüchtig zu sein, läßt aber an Eleganz vermissen.«

»Ich erbitte Passage für zwei«, antwortete Clitus Vitellius.

»Einverstanden«, sagte der Mann auf dem Schiff lä chelnd.

Und schon wurde ich emporgehoben und einem Seemann zugereicht, der mich über die Reling zog. Gleich darauf sprang auch Clitus Vitellius an Bord.

»Wenden!« rief der Fremde zum Heck hinauf.

Der Rudergänger gab seine Befehle, und die Galeere begann gemächlich zu drehen. Der Mann, der uns an Bord willkommen geheißen hatte, musterte mich.

»Sie ist eine Verräterin«, sagte Clitus Vitellius.

»Du wirst sie sicher dafür strafen«, meinte der andere und griff nach meinem Schiffskragen. Mit dem Daumen entfernte er das Salz von der Plakette.

»Ich war unterwegs zu Lady Elicias aus Ar, meiner Herrin.«

»Du solltest einem Mann gehören«, sagte der Fremde.

»Ja, Herr.«

»Du scheinst dich für die Sklavin zu interessieren«, sagte Clitus Vitellius erstaunt.

»Du kommst von der Erde?« fragte mich der Fremde.

»Ja, Herr.«

»Du wurdest auf Cos in eine Pagataverne geschickt, die ›Chatka und Curla‹ heißt?«

»Ja, Herr.«

Ich spürte seine Hände auf meinen Armen. »Ausgezeichnet«, sagte er. Entsetzen erfüllte mich. »Ich werde dir nun eine einfache Frage stellen«, fuhr er fort, »und erwarte eine sofortige und wahrheitsgemäße Antwort – sonst stirbst du auf der Stelle.«

Zwei Seeleute packten Clitus Vitellius, der sich vergeblich wehrte, und hielten ihn fest.

»Kennst du einen Mann namens Belisarius?« fragte der Mann.

»Ja, Herr«, flüsterte ich. »Ich habe ihm eine Nachricht gebracht.«

»Was für eine Nachricht?«

»Das weiß ich nicht!«

»Diese Nachricht werden wir uns beschaffen.«

»Ich kenne sie nicht!« rief ich.

»Laßt mich los!« verlangte Clitus Vitellius.

»Thurnock«, sagte der Mann. »Bring die Sklavin nach unten. Kette sie im Laderaum an.«

Ein kräftiger, blonder Mann hob mich auf seine Schulter.

Der Mann aus Port Kar wandte sich an meinen Herrn.« Ich möchte auf dem Oberdeck mit dir sprechen, und zwar allein.«

»Ich verstehe nicht, was das alles soll«, sagte Clitus Vitellius.

»Laßt ihn los«, befahl der Fremde und machte kehrt. Der Laderaum war so niedrig, daß der Mann sich bücken und mich auf den Armen tragen mußte. Überall sah ich Vorräte und Waffen und Schätze. Offenbar war der Konvoi zersprengt worden. Viele Schiffe hatten den Angriff nicht überlebt. Wertvoll war die gewonnene Beute. Dieses Schiff allein, so schätzte ich, hatte Lösegeld für ein Dutzend Ubars an Bord. Der Mann setzte mich ab und kettete mich neben fünf Mädchen an, die im Schein einer winzigen Lampe hockten. Wortlos entfernte er sich.

»Die Männer«, sagte eine der Frauen, »wurden aus dem Boot geholt, in Ketten gelegt und an Bord eines Rundschiffes gebracht.«

»Welche Männer?« fragte ich verwirrt.

»Na, die Männer, die bei mir im Beiboot waren, auf der Luciana aus Telnus!« sagte sie.

»Ach, du bist die freie Frau!« rief ich.

Sie lachte sarkastisch und hob den Arm, von dem eine schwere Kette herabhing. Dann deutete sie auf die anderen Mädchen.« Wir waren alle frei«, sagte sie.

»Freut euch, daß die Männer Interesse an euch haben!«

Die Mädchen schauderten zusammen.

»Man wird uns nach Port Kar bringen und verkaufen«, sagte eine.

»Wie ist es denn so als Sklavin?« wollte eine andere wissen.

Ich betrachtete ihr hübsches Gesicht und lachte. »Das wirst du bald genug herausfinden.«

Sie wimmerte.

»Wie heißt dieses Schiff?« fragte ich.

»Dorna«, antwortete eines der Mädchen.

»Und wer ist Kapitän?«

»Bosk aus Port Kar.«

Der Mann machte mir Angst. Ich war in seiner Gewalt, und er hatte angekündigt, er wolle mir die Nachricht entlocken, die ich aber nicht mehr kannte. Ich wußte nicht, was er mit mir tun würde, wenn er merkte, daß ich ihm nicht helfen konnte.

Ich sah mich im Kreis der anderen Mädchen um. Wie sehr ich sie beneidete! Man würde ihnen ein Zeichen einbrennen – dann brauchten sie nur noch zu gehorchen.

Unter mir bewegten sich die rauhen Planken. Meine Ketten wogen schwer. Ich hatte scheußliche Angst.

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