12. Der Rat für Sternenschifffahrt

Ebenso wie das Zentralgehirn des Planeten, der Wirtschaftsrat, besaß auch der Rat für Sternenschifffahrt seit Langem ein eigenes Gebäude für die Abhaltung seiner wissenschaftlichen Sitzungen. Man war überzeugt, dass das speziell eingerichtete und ausgestattete Gebäude die Versammelten auf die Probleme des Kosmos einstimmte und es ihnen damit erleichterte, rascher von den irdischen auf die stellaren Angelegenheiten umzuschalten.

Tschara Nandi war vorher noch nie im Hauptsaal des Ratsgebäudes gewesen. In Begleitung von Ewda Nal betrat sie aufgeregt diesen merkwürdigen eiförmigen Saal mit seiner parabolisch gewölbten Decke und den ellipsenförmig angeordneten Sitzreihen. Der Saal war in rosigviolettes Licht getaucht, das von einem anderen Stern zu stammen schien. Alle Linien der Wände, der Decke und der Sitze liefen an einem Ende des Riesensaales zusammen und bildeten eine Art natürlichen Brennpunkt. Dort, auf einem Podium, befanden sich Vorführbildschirme, eine Tribüne und Plätze für die Mitglieder des Rates, die den Vorsitz bei den Sitzungen führten.

Die mattgoldene Täfelung an den Wänden wurde von einer Reihe von Reliefkarten unterbrochen. Über die rechte Seite zogen sich Karten der Planeten des Sonnensystems, auf der linken waren Planetenkarten der nächst liegenden, von Expeditionen des Rates erforschten Sterne zu sehen. In der zweiten Reihe unter der hellblauen Decke hingen, in leuchtenden Farben ausgeführt, die Schemata bewohnter Sternensysteme, die man von den Nachbarn im Großen Ring bekommen hatte.

Tscharas Aufmerksamkeit erregte ein uraltes, nachgedunkeltes und offensichtlich schon mehrmals restauriertes Bild über der Tribüne.

Ein schwarzvioletter Himmel nahm den gesamten oberen Teil des Riesengemäldes ein. Die kleine Sichel eines fremden Mondes warf fahlweißes, lebloses Licht auf das hilflos nach oben gerichtete Heck eines altmodischen Sternenschiffs, dessen Umrisse sich gegen das flammende Rot der untergehenden Sonne stark abhoben. Reihen hässlicher blauer Pflanzen, so trocken und hart, als wären sie aus Metall, waren zu sehen. Ein Mensch in einem leichten Raumanzug schleppte sich durch tiefen Sand. Er blickte sich zu dem zerstörten Schiff um und zu seinen aus dem Rumpf des Schiffes geborgenen toten Kameraden. Im Glas seiner Sauerstoffmaske spiegelten sich flammend rote Lichtflecke der untergehenden Sonne, aber durch einen äußerst raffinierten Kunsttrick war es dem Maler gelungen, in ihm die grenzenlose Verzweiflung über die Einsamkeit in einer fremden Welt darzustellen. Auf einem niedrigen Hügel zur Rechten kroch etwas Lebendiges, Formloses und Widerwärtiges durch den Sand. Die Bildunterschrift „Allein“ war ebenso kurz wie prägnant.

Von dem Bild gefesselt, bemerkte das Mädchen nicht sofort ein weiteres kunstvolles architektonisches Detail des Saales: Die Sitze waren fächerförmig und in Stufen angeordnet, sodass von den unter jeder Sitzreihe verlaufenden Galerien aus ein eigener Zugang zu jedem einzelnen Sitz existierte. Jede Reihe war von den benachbarten — der oberen und unteren — getrennt. Kaum hatten sie und Ewda sich gesetzt, als Tschara die altertümliche Verzierung an den Sesseln, Pulten und Barrieren auffiel, die aus echtem perlgrauem afrikanischen Holz gefertigt war. Heutzutage würde es niemandem einfallen, so viel Arbeit für etwas aufzuwenden, das in wenigen Minuten gegossen und poliert werden konnte. Vielleicht war es die Ehrfurcht vor dem Alten, die Tschara das Holz wärmer und lebendiger als Kunststoff erscheinen ließ. Sie strich zärtlich über die gewölbte Armlehne, während sie den Saal genau betrachtete.

Wie immer hatten sich viele Menschen versammelt, obgleich starke Sender die Bilder der Sitzung über den ganzen Planeten ausstrahlten. Zunächst verlas Mir Om, der Sekretär des Rates, wie üblich kurze Mitteilungen, die seit der letzten Sitzung eingetroffen waren. Unter den Hunderten von Menschen, die sich im Saal befanden, war kein einziges unkonzentriertes oder in sich gekehrtes Gesicht zu sehen. Taktvolle Aufmerksamkeit war einer der charakteristischsten Züge der Menschen der Ringepoche. Trotzdem überhörte Tschara die erste Mitteilung, denn sie war noch damit beschäftig, den Saal zu inspizieren und die Zitate berühmter Wissenschaftler unter den Planetenkarten zu lesen. Ganz besonders gefiel ihr der Aufruf unter dem Jupiter, eine Aufforderung, auf alle Erscheinungen in der Natur zu achten: „Seht, wie wir überall von unverständlichen Fakten umgeben sind, wie sie uns ins Auge stechen, ins Ohr dröhnen, wir aber sehen und hören nicht, welche großen Entdeckungen in ihren vagen Umrissen verborgen liegen.“ An einer anderen Stelle hieß es: „Es ist nicht einfach, den Vorhang des Unbekannten zu lüften — erst nach hartnäckiger Arbeit, Rückschritten und Abweichungen beginnen wir den wahren Sinn zu begreifen, und neue unermessliche Perspektiven tun sich vor uns auf. Weicht niemals dem aus, was euch anfangs als sinnlos und unverständlich erscheint.“

Auf der Tribüne entstand Bewegung, und im Saal ging das Licht aus. Die ansonsten ruhige, kräftige Stimme des Sekretärs des Rates zitterte vor Aufregung.

„Sie werden nun etwas sehen, was bis vor Kurzem völlig unmöglich schien: eine Aufnahme unserer Galaxis von der Seite. Vor mehr als hundertfünfzigtausend Jahren oder vor anderthalb galaktischen Minuten haben sich die Bewohner des Planetensystems…“ — es folgten einige Ziffern, die Tschara nichts sagten und die sie deshalb nicht behielt — „… im Sternbild des Centaurus an die Bewohner der Großen Magellanschen Wolke gewandt, des einzigen extragalaktischen Sternsystems in unserer Nähe, von dem wir wissen, dass es dort Himmelskörper mit denkenden Wesen gibt, die imstande sind, mit unserer Galaxis über den Ring in Verbindung zu treten. Wir können bisher den Standort dieses Magellan’schen Planetensystems noch nicht bestimmen, haben jedoch ebenfalls seine Sendung — eine Aufnahme von unserer Galaxis — empfangen. Da ist sie!“

Auf dem riesigen Bildschirm leuchtete als fernes, silbriges Licht ein großer, sich zu den Enden hin verjüngender Sternhaufen auf. Das tiefe Dunkel des Weltraums hüllte die Ränder des Bildschirms ein. Dieselbe schwarze Leere gähnte zwischen den Spiralarmen mit ihren ausgefransten Enden. Ein fahles Leuchten umgab einen Ring von Kugelsternhaufen, dieser ältesten Sternsysteme in unserem Universum. Flache Sternfelder wechselten mit Wolken und Streifen erkalteter schwarzer Materie. Das Bild war von einem ungünstigen Winkel aus aufgenommen worden — die Galaxis war in starker Schrägstellung und von oben zu sehen, sodass der zentrale Kern als gewölbte, glühende Masse in der Mitte einer schmalen Linse kaum hervorstach. Um eine richtige Vorstellung von unserem Sternensystem zu erhalten, hätte man offensichtlich bei weiter entfernten Galaxien anfragen müssen, die auf einer höheren galaktischen Breite lagen. Aber seit Bestehen des Großen Rings hatte noch keine einzige Galaxis Zeichen von intelligentem Leben von sich gegeben.

Die Menschen der Erde blickten wie gebannt auf den Bildschirm. Zum ersten Mal konnten sie ihre Sternenwelt von der Seite und aus ungeheurer Entfernung im Kosmos sehen.

Tschara schien es, als halte der gesamte Planet den Atem an, während er seine Galaxis auf Millionen von Bildschirmen auf allen sechs Kontinenten und allen Ozeanen, in denen es nur Inseln menschlichen Lebens gab, betrachtete.

„Mit diesen Bildern beenden wir die Nachrichten, die von unserem Observatorium über den Ring empfangen und noch nicht über das Weltinformationsnetz verbreitet wurden“, begann der Sekretär von Neuem. „Lassen Sie uns nun zu den Projekten kommen, die einer breiten Diskussion bedürfen.“

Juta Gai hatte vorgeschlagen, auf dem Mars eine künstliche, zur Atmung geeignete Atmosphäre zu schaffen, indem mithilfe von automatischen Anlagen leichte Gase aus Tiefengestein freigesetzt werden sollten. Sein Projekt wurde als vielversprechend angesehen, da es auf ernsthaften Berechnungen basierte. Die auf diese Weise erzeugte Luft würde den menschlichen Siedlungen zur Atmung und für die Wärmeisolation ausreichen, was bedeutete, dass diese endlich die Treibhäuser verlassen konnten. Nachdem man vor vielen Jahren Ozeane von Erdöl und ganze Berge von festen Kohlenwasserstoffen auf der Venus entdeckt hatte, waren automatische Anlagen zur Schaffung einer künstlichen Atmosphäre unter gigantischen Hauben aus durchsichtigem Kunststoff errichtet worden. Die Hauben hatten die Züchtung von Pflanzen und den Bau von Fabriken ermöglicht, wodurch die Menschheit mit kolossalen Mengen an beliebigen Nahrungsmitteln der organischen Chemie versorgt werden konnte.

Der Sekretär legte eine Metallfolie zur Seite und lächelte freundlich. Am Ende der Tribüne tauchte Mwen Maas auf und ging zu einer nahe gelegenen Sitzreihe. In seiner dunkelroten Kleidung erweckte er einen zugleich finsteren, feierlichen und gesammelten Eindruck. Zum Zeichen der Hochachtung vor der Versammlung hob er die gefalteten Hände über den Kopf, dann setzte er sich.

Der Sekretär stieg von der Tribüne herab und überließ seinen Platz einer jungen Frau mit goldfarbenem Haar und einem erstaunten Blick in ihren grünen Augen. Grom Orm, der Vorsitzende des Rates, stellte sich neben sie.

„Für gewöhnlich geben wir neue Vorschläge selbst bekannt. Aber in diesem Fall handelt es sich um eine Untersuchung, die schon fast vollständig abgeschlossen ist. Daher wird Ihnen die Verfasserin selbst, Iwa Dschan, das Material vorstellen, das unserer sorgfältigen Überlegung bedarf.“

Die grünäugige Frau begann schüchtern und mit gedämpfter Stimme zu sprechen. Iwa leitete ihre Ausführungen mit der bekannten Tatsache ein, dass sich die Pflanzenwelt der südlichen Kontinente durch eine blaue Farbe der Blätter auszeichne, wie sie für die archaischen Formen irdischer Pflanzen charakteristisch war. Die Untersuchung der Pflanzenwelt anderer Planeten habe gezeigt, dass blaues Blattwerk entweder bei einer durchsichtigeren als der irdischen Atmosphäre oder bei einer härteren ultravioletten Strahlung als der der Sonne vorkomme.

„Unsere Sonne, deren rote Strahlung stabil und deren blaue und ultraviolette instabil ist, hat vor ungefähr zwei Millionen Jahren eine starke, lang anhaltende Veränderung ihrer Strahlung erfahren.

Damals entstanden die bläulichen Pflanzen, die schwarze Färbung der Vögel und freilebenden Tiere sowie die schwarzen Eier der an schattenlosen Plätzen nistenden Vögel. Zu dieser Zeit verlor auch die Rotationsachse unseres Planeten infolge einer Veränderung der elektromagnetischen Verhältnisse des Sonnensystems ihre Stabilität. Lange Zeit gab es Projekte, um Meere in Festlandsenken zu leiten, um das Gleichgewicht zu stören und die Lage des Erdballs in Bezug auf seine Achse zu verändern. Das war zu einer Zeit, da sich die Astronomen bei ihren Berechnungen lediglich auf die elementare Mechanik der Gravitation bezogen, ohne das elektromagnetische Gleichgewicht des Systems zu beachten, das weitaus größeren Schwankungen als die Gravitation unterliegt. Dabei war es notwendig, gerade von dieser Seite an die Lösung dieser Frage heranzugehen, was für uns bedeutend einfacher, billiger und rascher war. Es galt sich zu erinnern, dass zu Beginn der Sternenschifffahrt der immense Energieaufwand für die Schaffung einer künstlichen Gravitation dieses Vorhaben praktisch undurchführbar machte. Heute, besser gesagt, seit der Entdeckung der durch den Mesonenzerfall freigesetzten Kräfte, sind die Raumschiffe mit einfachen und zuverlässigen Apparaturen zur Erzeugung künstlicher Gravitation ausgerüstet. Und auch das Experiment von Ren Boos weist auf einen zielführenden und raschen Weg der Veränderung der Erdrotation hin…“

Iwa Dschan verstummte. Eine Gruppe von sechs Leuten — die Helden der Pluto-Expedition —, die allesamt in der Mitte des Saales saßen, grüßten sie, indem sie ihr die gefalteten Hände entgegenstreckten. Die Wangen der jungen Frau röteten sich. Auf dem Bildschirm leuchteten die gespenstischen Umrisse stereometrischer Zeichnungen auf.

„Ich weiß, dass diese Frage auf vieles andere ausgeweitet werden könnte. Heute kann man bereits an eine Veränderung der Planetenumlaufbahn und insbesondere an die Annäherung des Pluto an die Sonne denken, um den einstmals besiedelten Planeten eines fremden Sterns zu neuem Leben zu erwecken. Aber zurzeit beschränkt sich mein Projekt auf die Verschiebung unserer Erdachse zur Verbesserung der klimatischen Verhältnisse auf der kontinentalen Hemisphäre.

Ren Boos’ Experiment hat gezeigt, dass die Inversion des Gravitationsfeldes in seinem zweiten Aspekt — des elektromagnetischen Felds mit anschließender vektorieller Polarisation in folgenden Richtungen möglich ist…“

Die geometrischen Figuren auf dem Bildschirm begannen sich in die Länge zu ziehen und zu drehen. Iwa Dschan sprach weiter.

„Damit verliert die Erdachse ihre Stabilität, und der Planet kann in die gewünschte Richtung gedreht werden, um eine günstigere und längere Sonnenbestrahlung zu gewährleisten.“

Über eine Glasfläche unterhalb des Bildschirms liefen Reihen maschinell errechneter Parameter, und jeder, der komplizierte Terme verstand, konnte sich davon überzeugen, dass Iwa Dschans Projekt jedenfalls nicht der realen Grundlage entbehrte.

Iwa Dschan stoppte die Bewegung der Ziffern und Symbole und ging gesenkten Hauptes von der Tribüne. Die Zuhörer wechselten Blicke und flüsterten lebhaft miteinander. Nachdem der junge Leiter der Pluto-Expedition sich mit Grom Orm durch eine unauffällige Geste verständigt hatte, betrat er die Tribüne.

„Zweifellos wird Ren Boos’ Experiment zu einer Kettenreaktion, zu einer ganzen Reihe wichtiger Entdeckungen führen. Meiner Meinung nach wird es der Wissenschaft ungeahnte Perspektiven eröffnen. So war es auch mit der Quantentheorie, dem ersten Schritt zum Verständnis des Repagulums, oder des wechselseitigen Übergangs, auf den die Entdeckung der Antiteilchen und Antifelder folgte. Danach kam die Repagularrechnung, die einen Sieg über das von Heisenberg entwickelte Prinzip der Unbestimmtheit darstellte. Und schließlich tat Ren Boos einen nächsten Schritt zur Analyse des Raum-Feld-Systems, womit er bei der Antigravitation und dem Antiraum oder nach dem Gesetz des Repagulums beim Nullraum angekommen war. Viele anfänglich nicht anerkannten Theorien sind letzten Endes zur Grundlage der Wissenschaft geworden!

Im Namen der Pluto-Expedition schlage ich vor, die Frage über das Weltinformationsnetz zur breiten Diskussion freizugeben. Die Verschiebung der Planetenachse verringert den Energieaufwand für die Erwärmung der Polargebiete, schwächt die Polarfronten noch weiter ab und verbessert den Wasserhaushalt der Kontinente.“

„Ist die Frage so weit klar, dass wir zur Abstimmung schreiten können?“, fragte Grom Orm.

Als Antwort flammte eine Unzahl grüner Lichter auf.

„Dann fangen wir also an!“, sagte der Vorsitzende und fuhr mit der Hand unter das Pult seines Sessels.

Dort befanden sich drei Signalknöpfe, die mit der Rechenmaschine verbunden waren. Der rechte bedeutete „Ja“, der mittlere „Nein“ und der linke „Stimmenthaltung“. Jedes Ratsmitglied stimmte, für die anderen unsichtbar, bei dieser Abstimmung mit ab. Auch Ewda Nal und Tschara drückten auf einen Knopf. Eine zweite Maschine registrierte zur Kontrolle der Richtigkeit des Ratsbeschlusses die Meinungen der Zuhörer.

Ein paar Sekunden später leuchteten auf den Vorführbildschirmen große Zeichen auf — die Frage war zur gesamtplanetarischen Diskussion freigegeben.

Nun betrat Grom Orm selbst die Tribüne.

„Aus Gründen, die zu verschweigen mir bis zum Abschluss des Falls erlaubt sei, muss nun die Handlungsweise des ehemaligen Leiters der Außenstationen des Rates, Mwen Maas, untersucht werden und erst dann die Frage über die achtunddreißigste Sternenexpedition entschieden werden. Vertraut der Rat auf die Stichhaltigkeit meiner Motive?“

Grüne Lichter waren die einstimmige Antwort.

„Sind die Vorfälle allen im Einzelnen bekannt?“

Wiederum folgte eine Flut von grünen Lichtern.

„Das beschleunigt die Sache. Ich bitte nun Mwen Maas, den ehemaligen Leiter der Außenstationen des Rates, die Motive für seine Handlungsweise mit fatalen Auswirkungen darzulegen. Der Physiker Ren Boos hat sich noch nicht von seinen Verletzungen erholt und wird deshalb von uns nicht als Zeuge vorgeladen. Er trägt keinerlei Verantwortung.“

Grom Orm bemerkte ein rotes Licht am Platz von Ewda Nal.

„Achtung! Ewda Nal möchte noch etwas hinzufügen.“

„Ich bitte, an seiner Stelle sprechen zu dürfen.“

„Aus welchen Motiven?“

„Ich liebe ihn!“

„Sie erhalten nach Mwen Maas das Wort.“

Ewda Nal löschte das rote Signal und setzte sich.

Auf der Tribüne erschien Mwen Maas. Ruhig und ohne sich selbst zu schonen, berichtete der Afrikaner von den Resultaten des Experiments und über die erstaunliche Erscheinung, die er gehabt habe, deren Realität er aber leider nicht beweisen könne. Wegen der gebotenen Eile bei der Durchführung des Experiments, die durch die Notwendigkeit der Geheimhaltung und die Illegalität des Vorgehens bedingt gewesen sei, hätten sie keine speziellen Geräte zur Aufzeichnung entwickeln können und sich auf die Gedächtnismaschinen verlassen müssen, deren Empfänger jedoch bereits in den ersten Augenblicken des Experiments zerstört worden waren. Ein weiterer Fehler sei die Durchführung des Experiments auf dem Satelliten gewesen. Man hätte an den Satelliten 57 ein altes Planetenschiff anhängen und versuchen sollen, auf diesem die Geräte für die Orientierung des Vektors unterzubringen. An all dem sei er, Mwen Maas, schuld. Ren Boos habe sich mit der Anlage befasst, die Durchführung des Experiments im Kosmos sei in der Kompetenz des Leiters der Außenstationen gelegen.

Tschara presste die Hände zusammen — Mwen Maas’ Selbstbeschuldigungen erschienen ihr als sehr schwerwiegend.

„Wussten die Beobachter des zerstörten Satelliten von einer möglichen Katastrophe?“, fragte Grom Orm.

„Ja. Sie wurden auf das Risiko aufmerksam gemacht und gaben ihre Zustimmung.“

„Es wundert mich nicht, dass sie zustimmten, da Tausende von jungen Menschen alljährlich an gefährlichen Experimenten auf unserem Planeten teilnehmen“, sagte Grom Orm finster. „Und es kommt auch vor, dass sie dabei umkommen… Trotzdem melden sich neue mit nicht geringerem Mut, um den Kampf mit dem Unbekannten aufzunehmen. Aber Sie befürchteten, da Sie die jungen Leute darauf aufmerksam machten, selbst die Möglichkeit eines solchen Ausgangs. Trotzdem haben Sie das riskante Experiment durchgeführt…“

Mwen Maas senkte schweigend den Kopf.

Tschara, die den Blick nicht von ihm ließ, unterdrückte einen tiefen Seufzer, als sie Ewda Nals Hand auf ihrer Schulter fühlte.

„Legen Sie die Gründe dar, die Sie dazu veranlasst haben“, sagte der Vorsitzende des Rates nach einer Pause.

Der Afrikaner ergriff erneut das Wort, dieses Mal mit leidenschaftlicher Erregung. Er erzählte, wie ihn von Jugend an die Millionen namenloser Gräber von Menschen, die von der unerbittlichen Zeit besiegt worden waren, vorwurfsvoll anriefen, wie er seinen brennenden Wunsch nicht unterdrücken konnte, erstmals in der gesamten Geschichte der Menschheit und vieler anderer Welten einen Schritt in Richtung der Bezwingung von Raum und Zeit zu tun, zum ersten Mal einen Meilenstein auf diesem großen Weg zu setzen, auf dem ihm Hunderttausende intelligentester Köpfe unmittelbar gefolgt wären. Er habe sich nicht berechtigt gefühlt, das Experiment vielleicht um ein Jahrhundert hinauszuschieben, nur um nicht einige Menschen dem Risiko und sich selbst der Gefahr auszusetzen.

Während Mwen Maas sprach, schlug Tscharas Herz immer heftiger aus Stolz auf ihren Geliebten. Die Schuld des Afrikaners schien ihr nun nicht mehr so schwer zu wiegen.

Mwen Maas kehrte auf seinen Platz zurück und wartete vor aller Augen auf die Entscheidung.

Ewda Nal überreichte eine elektronische Aufzeichnung einer Erklärung von Ren Boos. Seine schwache, erstickte Stimme dröhnte laut aus den Lautsprechern im ganzen Saal. Der Physiker rechtfertigte Mwen Maas’ Verhalten. Da dem Leiter der Außenstationen die ganze Tragweite des Experiments nicht bekannt gewesen sei, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich auf ihn, Ren Boos, zu verlassen, und er habe ihn von dem sicheren Erfolg zu überzeugen gewusst. Doch der Physiker hielt auch sich nicht für schuldig. „Jedes Jahr werden weit weniger wichtige Experimente durchgeführt, die nicht selten tragisch enden“, sagte er. „Die Wissenschaft — der Kampf um das Glück der Menschheit — verlangt genauso wie jeder andere Kampf Opfer. Feiglinge, die zu sehr auf ihre eigene Haut bedacht sind, werden nie die ganze Fülle und Freude des Lebens erfahren, und feige Wissenschaftler werden nie einen wirklich großen Schritt nach vorn machen…“

Ren Boos schloss mit einer kurzen Analyse des Experiments und seiner Fehler und äußerte sich überzeugt von einem Erfolg in der Zukunft. Dann war die Aufzeichnung zu Ende.

„Ren Boos hat nichts von Beobachtungen während des Experiments erwähnt“, sagte Grom Orm und sah Ewda Nal fragend an. „Sie wollten für ihn sprechen.“

„Ich habe die Frage vorausgesehen und deshalb um das Wort gebeten“, entgegnete Ewda. „Ren Boos verlor wenige Sekunden nach dem Einschalten der F-Stationen das Bewusstsein und konnte nichts mehr sehen. Kurz bevor er in den Zustand der Bewusstlosigkeit verfiel, blickte er auf die Geräte und prägte sich deren Werte ein, die auf einen Nullraum hinwiesen. Hier ist eine Aufzeichnung von dem, woran er sich erinnert.“

Auf dem Bildschirm erschienen einige Zahlen, welche die Mehrzahl der Anwesenden sofort abschrieb.

„Gestatten Sie mir, im Namen der Akademie des Leides und der Freude noch etwas hinzuzufügen“, begann Ewda von Neuem. „Eine nach der Katastrophe durchgeführte Meinungsumfrage hat Folgendes ergeben…“

Auf dem Bildschirm leuchteten Reihen achtstelliger Zahlen auf, die in mehrere Spalten unterteilt waren: Verurteilung, Rechtfertigung, Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Durchführung, Vorwürfe der Überstürztheit. Das Gesamtergebnis fiel jedoch klar zugunsten von Mwen Maas und Ren Boos aus, und die Gesichter der Anwesenden hellten sich auf.

Dann flammte auf der gegenüberliegenden Seite des Saales ein rotes Licht auf, und Grom Orm erteilte dem Astronomen der siebenunddreißigsten Sternenexpedition, Pur Hiss, das Wort. Dieser begann laut und temperamentvoll zu sprechen, wobei er mit seinen langen Armen linkische Gesten machte und sein großer Adamsapfel auf und ab hüpfte.

„Ich und eine Gruppe unserer Astronomen verurteilen Mwen Maas. Seine Vorgehensweise — die Durchführung des Experiments ohne Wissen des Rates — erweckt den Verdacht, dass Mwen Maas nicht so uneigennützig gehandelt hat, wie dies von den Rednern hier darzustellen versucht wurde!“

Tschara brannte vor Wut, und nur ein eiskalter Blick von Ewda Nal hielt sie an ihrem Platz.

Pur Hiss verstummte.

„Ihre Beschuldigungen sind sehr ernst, aber nicht exakt formuliert“, wandte Mwen Maas mit der Erlaubnis des Vorsitzenden ein. „Präzisieren Sie, was Sie unter Eigennutz verstehen.“

„Unsterblicher Ruhm im Fall eines Gelingens des Experiments — das war der eigennützige Beweggrund Ihres Handelns. Und Feigheit — da Sie befürchteten, man würde Ihnen das Experiment verbieten, haben Sie es in aller Eile und im Geheimen durchgeführt.“

Mwen Maas verzog den Mund zu einem breiten Lächeln, breitete wie ein Kind die Arme aus und setzte sich schweigend. Auf Pur Hiss’ Gesicht spiegelte sich einzig und allein triumphierender Hass wider.

Ewda Nal bat erneut um das Wort.

„Die Aussage von Pur Hiss ist übereilt und zu gehässig, als dass wir sie zur Lösung dieser ernsten Fragen heranziehen könnten. Seine Ansichten über verborgene Motive menschlicher Handlungen versetzen uns ins Mittelalter zurück. Nur Menschen der fernen Vergangenheit sprachen so über unsterblichen Ruhm. Da sie in ihrem Leben keine Freude und Erfüllung fanden, sich nicht als Teil der schöpferischen Menschheit fühlten, fürchteten sie sich vor dem unausweichlichen Tod und klammerten sich an jede Hoffnung auf Verewigung. Der Wissenschaftler und Astronom Pur Hiss begreift nicht, dass nur jene im Gedächtnis der Menschen weiterleben, deren Denken, Wollen und Errungenschaften fortwirken. Und selbst sie geraten bei Nachlassen dieser Wirkung allmählich in Vergessenheit. Häufig werden sie aus dem Nichtsein wiedererweckt, wie es bei vielen Wissenschaftlern und Künstlern der Antike der Fall ist, wenn ihre Werke von Neuem Bedeutung erlangen und ihr Wirken in der Gesellschaft wieder aufnehmen… vor allem in unserer heutigen, aus vielen Milliarden von Menschen bestehenden Gesellschaft! Seit Langem habe ich keine so primitive Auffassung von Unsterblichkeit und Ruhm mehr gehört und bin erstaunt, sie bei einem Weltraumfahrer anzutreffen.“

Ewda Nal richtete sich zu voller Größe auf und wandte sich zu Pur Hiss um, der sich, von einer Vielzahl von roten Lichtern beleuchtet, in seinem Sessel zusammenkauerte.

„Lassen wir uns nicht länger durch diesen Unsinn aufhalten und betrachten wir die Handlungsweise von Mwen Maas und Ren Boos vor allem unter dem Gesichtspunkt des Glücks der Menschheit. Früher waren die Menschen oft nicht imstande, den tatsächlichen Wert ihrer Handlungen abzuschätzen und ihn seinem negativen Gehalt, den jede Handlung, jede Maßnahme besitzt, gegenüberzustellen. Über dieses Stadium sind wir längst hinaus, wir sind in der Lage, nur über die tatsächliche Bedeutung von Handlungen zu sprechen.

Genau wie ehedem werden auch heute neue Wege von einzelnen Menschen beschritten, denn nur eine besondere Gesinnung kann nach langer Ausbildung einen verborgenen Weg in den widersprüchlichen Tatsachen aufspüren. Heute ist es so, dass sich, sobald ein neuer Weg entdeckt wird, Zehntausende an dessen Erforschung machen und damit eine ganze Lawine von neuen Entdeckungen ins Rollen gebracht wird. Ren Boos und Mwen Maas sind einen sehr schwierigen Weg gegangen. Ich verfüge zwar nicht über ausreichende Kenntnisse, aber selbst mir ist die Verfrühtheit ihres Experiments klar. Darin liegt die Schuld der beiden, deshalb tragen sie die Verantwortung für den riesigen materiellen Schaden und die vier Menschenleben. Nach den Gesetzen der Erde liegt ein Verbrechen vor, doch wurde es nicht aus persönlichem Eigennutz begangen und verdient deshalb auch nicht die härteste Bestrafung.“

Ewda Nal ging langsam auf ihren Platz zurück. Grom Orm fragte, ob noch jemand seine Meinung äußern wolle, aber es meldete sich niemand mehr. Die Mitglieder des Rates verlangten vom Vorsitzenden das abschließende Urteil. Die schlanke, sehnige Gestalt Grom Orms beugte sich nach vorn, und sein scharfer Blick bohrte sich in die Tiefe des Saales.

„Der Sachverhalt für das abschließende Urteil ist einfach. Ren Boos spreche ich überhaupt von jeder Verantwortung frei. Welcher Wissenschaftler würde nicht eine solche Gelegenheit ergreifen, insbesondere wenn er vom Erfolg überzeugt ist? Der vernichtende Misserfolg des Experiments wird jedem eine Lehre sein. Der Versuch hat jedoch zweifellos auch einen Nutzen gebracht. Er entschädigt uns teilweise für den materiellen Schaden, da das Experiment zur Lösung einer Vielzahl von Fragen beitragen wird, über die unsere Wissenschaftler an der Akademie der Grenzen des Wissens eben erst nachzudenken begonnen haben.

Seit wir die utilitaristischen Anpassungstendenzen des alten Wirtschaftssystems aufgegeben haben, lösen wir die Probleme der Nutzung unserer Produktivkräfte auf einer breiten Basis. Dennoch erkennen manche Leute auch heute manchmal noch nicht den richtigen Augenblick des Erfolges, weil sie vergessen, dass die Gesetze der Entwicklung unumstößlich sind. Sie glauben an einen endlosen Fortschritt. Die Klugheit eines Leiters besteht darin, rechtzeitig die für den jeweiligen Augenblick erreichbare Stufe zu erkennen, innezuhalten und abzuwarten oder einen anderen Weg einzuschlagen. Mwen Maas ist dazu auf seinem sehr verantwortungsvollen Posten nicht imstande gewesen. Die Wahl des Rates hat sich als falsch erwiesen. Der Rat trägt deshalb dieselbe Verantwortung wie der von ihm Erwählte. Und vor allem trage ich selbst Schuld, weil ich die Initiative zweier Ratsmitglieder zur Berufung von Mwen Maas unterstützt habe.

Ich schlage dem Rat vor, Mwen Maas von der Beschuldigung, nach persönlichen Motiven gehandelt zu haben, freizusprechen, ihm jedoch die Ausübung eines leitenden Amts in den Organisationen des Planeten zu verbieten. Auch ich sollte als Vorsitzender des Rates abgesetzt und zum Zweck der Beseitigung der Folgen meiner unvorsichtigen Wahl für den Bau des Satelliten verpflichtet werden.“

Grom Orm ließ seinen Blick durch den Saal schweifen und konnte auf vielen Gesichtern aufrichtiges Bedauern lesen. Doch die Menschen der Ring-Ära unterließen jeden Überredungsversuch, respektierten die Entscheidung des anderen und vertrauten auf deren Richtigkeit.

Mir Om beriet sich mit den Ratsmitgliedern, und die Rechenmaschine teilte das Abstimmungsergebnis mit. Der Beschluss von Grom Orm war einstimmig angenommen worden, jedoch mit der Bedingung, dass er die Sitzung bis zu ihrem Ende leite und erst dann von seinem Posten zurücktrete.

Er verneigte sich, ohne sich auch nur die geringste Gefühlsregung anmerken zu lassen.

„Ich bin Ihnen nun noch eine Erklärung für meine Bitte um Aufschub der Erörterung der Sternenexpedition schuldig“, fuhr der Vorsitzende gelassen fort. „Ich habe mit dem günstigen Ausgang des Verfahrens gerechnet und glaube, dass auch die Ehren- und Rechtskontrolle unserer Entscheidung zustimmen wird. Nun darf ich Mwen Maas bitten, seinen Platz im Rat einzunehmen. Seine Kenntnisse sind bei der Lösung der heute anstehenden, äußerst wichtigen Frage unersetzlich, zumal das Ratsmitglied Erg Noor nicht an den heutigen Beratungen teilnehmen kann.“

Mwen Maas ging zu den Sitzen der Ratsmitglieder. Grüne Lichter des Wohlwollens erfüllten den Saal und wiesen ihm den Weg.

Geräuschlos wurden die Planetenkarten zur Seite geschoben, und an ihre Stelle rückten düstere schwarze Tafeln mit bunten Sternlichtern, die durch blaue Fäden untereinander verbunden waren und Reiserouten von einer Dauer von Hunderten von Jahren markierten. Der Vorsitzende des Rates war plötzlich wie verwandelt. Seine kühle Gelassenheit war verschwunden, auf seine blassen Wangen trat leichte Röte, und die stahlgrauen Augen wurden ganz dunkel. Grom Orm betrat die Tribüne.

„Jede Sternenexpedition ist ein lang gehegter Wunsch, eine jahrelang geplante, sorgfältig durchdachte neue Hoffnung, eine neue Sprosse auf der Leiter des großen Aufstiegs. Andererseits stellt sie die Arbeit von Millionen dar, die nicht ohne Belohnung, nicht ohne einen großen wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Nutzeffekt bleiben darf, da ansonsten der Fortschritt und die weitere Bezwingung der Natur aufgehalten würden. Deshalb beraten, erwägen und rechnen wir so ausgiebig, bevor wir ein neues Schiff in die interplanetaren Weiten schicken.

Es war unsere Pflicht, die siebenunddreißigste Sternenexpedition für die Interessen des Großen Rings einzusetzen. Umso sorgfältiger haben wir die achtunddreißigste Expedition geplant. Doch im letzten Jahr sind einige Ereignisse eingetreten, die die Situation verändert haben und uns zwingen, die bislang geplanten, von Räten und Planetenbefragungen bestätigten Ziele und Aufgaben der nächsten Expedition neu zu überdenken. Die Entdeckung von Verfahren zur Herstellung von Legierungen unter hohem Druck und bei absoluter Nulltemperatur hat die Festigkeit des Rumpfes von Sternenschiffen erhöht. Die Perfektionierung der Anamesontriebwerke, die wirtschaftlicher geworden sind, ermöglichen es den einzelnen Schiffen, weitere Flüge zu unternehmen. Die für die achtunddreißigste Expedition vorgesehenen Sternenschiffe Aella und Tintaschel sind im Vergleich zu der eben erst fertiggestellten Lebed, einem Schiff des vertikalen Typs mit rundem Rumpf und vier Gleichgewichtskielen, veraltet. Wir sind in der Lage, weitere Flüge durchzuführen.

Erg Noor hat nach seiner Rückkehr von der siebenunddreißigsten Expedition mit der Tantra von der Entdeckung eines schwarzen Sterns der Klasse T berichtet, auf dessen Planeten ein Sternenschiff unbekannter Bauart gefunden wurde. Der Versuch, in das Schiffsinnere vorzudringen, hätte die Expeditionsteilnehmer beinahe das Leben gekostet; trotzdem ist es ihnen gelungen, ein Stück von dem Metall des Schiffsrumpfes mitzubringen. Es handelt sich dabei um einen bei uns unbekannten Stoff, der jedoch dem vierzehnten Isotop des Silbers ähnelt, das auf den Planeten eines äußerst heißen Sterns der Klasse 08 gefunden wurde, der seit Langem unter dem Namen Zeta Puppis bekannt ist.

Die Form des Sternenschiffs, eine bikonvexe Scheibe mit einer großen Spirale an der Oberfläche, ist bereits in der Akademie der Grenzen des Wissens besprochen worden.

Junius Antus hat sämtliche Aufzeichnungen mit Informationen des Rings aus den vierhundert Jahren seit unserem Beitritt zum Ring durchgesehen. Diese Art der Konstruktion von Sternenschiffen ist bei der Ausrichtung unserer Wissenschaft und bei dem Stand unseres Wissens undenkbar. Sie ist auch auf jenen Welten der Galaxis unbekannt, mit denen wir Informationen austauschen.

Ein Tellerschiff von so kolossalen Ausmaßen ist zweifellos ein Gast von unvorstellbar fernen Planeten, vielleicht sogar von extragalaktischen Welten. Es ist möglicherweise Millionen von Jahren durch den Raum geflogen, bis es auf dem Planeten des Eisensterns in einem öden Gebiet unserer Galaxis aufsetzte.

Wie wichtig die Erforschung des Schiffes durch eine speziell ausgerüstete Expedition zum T-Stern ist, brauche ich wohl nicht zu erklären.“

Grom Orm schaltete den Hemisphärenbildschirm ein, und der Saal verschwand. Vor den Zuschauern zogen langsam die Aufzeichnungen der Gedächtnismaschinen vorüber.

„Dies ist eine vor Kurzem eingegangene Botschaft vom Planeten ZR 519 — die genauen Koordinaten lasse ich der Kürze halber weg — über die Expedition zum Sternensystem Achernar…“

Die Stellung der Sterne schien seltsam, und sogar das geschulteste Auge hätte nicht die längst erforschten Gestirne erkennen können. Flecken eines matt leuchtenden Gases, dunkle Wolken und schließlich große, erkaltete Planeten, die das Licht eines ungeheuer grellen Sterns reflektierten.

Der Achernar, dessen Durchmesser nur dreieinhalbmal so groß wie die Sonne war, verfügte über eine Leuchtkraft von zweihundertachtzig Sonnen und war ein unbeschreiblich heller blauer Stern der Spektralklasse B5. Das Weltraumschiff war, nachdem es die Aufnahme gemacht hatte, seitlich davongeflogen. Wahrscheinlich lag eine Reise von Jahrzehnten dazwischen. Auf dem Bildschirm erschien ein weiterer Himmelskörper — ein heller grüner Stern der Klasse S. Er wurde immer größer, leuchtete heller und heller, je näher das Sternenschiff der fremden Welt an ihn herankam. Mwen Maas dachte gerade, dass die grüne Färbung seines Lichts durch die Atmosphäre noch viel schöner sein müsse, als auf dem Bildschirm — wie eine Reaktion auf seine Gedanken — die Oberfläche eines neuen Planeten auftauchte. Von diesem bekamen die Zuschauer nur Einzelaufnahmen zu sehen — nicht aber den Annäherungsvorgang an den Planeten. Plötzlich ragte eine Landschaft mit hohen Bergen auf, die in alle nur denkbaren Schattierungen grünen Lichts getaucht war. Schwarzgrüne Schatten tiefer Schluchten und steiler Abhänge, bläulichgrün und violettgrün beleuchtete Felsen und Täler, aquamarinfarbener Schnee auf Bergspitzen und Hochebenen, gelbgrüne, von dem heißen Himmelskörper versengte Landstriche. Malachitfarbene Bäche, die vermutlich zu unsichtbaren, hinter Bergkämmen verborgenen Seen und Meeren hinunterstürzten.

Als Nächstes erstreckte sich eine von runden Hügeln bedeckte Ebene bis an den Rand eines Meeres, das aus der Ferne wie ein grünes Eisenblech glitzerte. Blaue Bäume mit dichtem Blattwerk ragten in die Höhe, auf Waldwiesen schimmerten purpurrote Streifen und Flecken unbekannter Sträucher und Gräser. Und aus der Tiefe des amethystfarbenen Himmels ergoss sich ein mächtiger Strom goldgrüner Strahlen. Den Menschen der Erde stand das Herz still. Mwen Maas kramte in seinem enzyklopädischen Gedächtnis, um die Stellung des grünen Gestirns genau zu bestimmen.

Achernar, gleich Alpha Eridani, hoch am südlichen Himmel, unweit des Tukans. Entfernung einundzwanzig Parsec… Rückkehr des Sternenschiffes mit derselben Besatzung unmöglich, ging ihm blitzartig durch den Kopf.

Der Bildschirm erlosch, und der Anblick des begrenzten Saales, der für Diskussionen und Sitzungen von Erdenmenschen gemacht war, erschien ihm seltsam.

„Dieser grüne Stern ist reich an Zirkonium in den Spektrallinien und etwas größer als unsere Sonne“, ertönte von Neuem die Stimme des Vorsitzenden. Rasch nannte er die Koordinaten des Zirkoniumgestirns. „In seinem System“, fuhr er fort, „gibt es zwei Planeten, Zwillingsplaneten, die in einer solchen Entfernung vom Stern in entgegengesetzter Richtung zueinander kreisen, dass sie genauso viel Energie von ihm erhalten wie die Erde von der Sonne.

Die Dicke der Atmosphäre, ihre Zusammensetzung und die vorhandene Wassermenge stimmen mit den Bedingungen auf der Erde überein. So lauten die vorläufigen Angaben der Expedition, die vom Planeten ZR 519 aus gestartet ist. Im selben Bericht erfahren wir auch, dass es auf den Zwillingsplaneten keine höheren Lebensformen gibt. Höhere, vernunftbegabte Lebewesen hätten die Natur mit größter Wahrscheinlichkeit so stark verändert, dass selbst ein fliegendes Sternenschiff es hätte wahrnehmen können müssen. Es ist anzunehmen, dass sich eine höhere Form von Leben entweder zu keinem Zeitpunkt hat entwickeln können oder sich einfach noch nicht entwickelt hat. Bereits im zweiundsiebzigsten Jahr der Ring-Ära, also vor dreihundert Jahren, begann unser Planet die Frage der Besiedlung von Planeten mit höheren denkenden Lebewesen zu erörtern. Damals kam man zu der Überzeugung, dass jedes Eindringen auf ähnlichen Planeten — insbesondere wenn der Stand der Zivilisation dort noch nicht dem unseren entspricht — aufgrund der mangelhaften Verständigung unvermeidlich zu Gewalttaten führen würde.

Heute wissen wir, wie groß die Vielfalt der Welten in unserer Galaxis ist. Es gibt blaue, grüne, gelbe, weiße, rote, orangefarbene Sterne, die alle zu dem Wasserstoff-Helium-Typ gehören, wegen ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung aber Kohlenstoff-, Zyan-, Titan- und Zirkoniumsterne genannt werden und dabei einen unterschiedlichen Strahlungscharakter aufweisen, außerdem ganz verschiedene Temperaturen sowie eine unterschiedliche Zusammensetzung ihrer Atmosphäre und ihres Kerns. Es gibt Planeten, die sich ihrem Umfang, der Dichte, Zusammensetzung und Dicke ihrer Atmosphäre, Hydrosphäre, der Entfernung von ihrem Gestirn und den Rotationsbedingungen nach stark voneinander unterscheiden. Wir wissen aber auch, dass unser Planet mit seiner zu siebzig Prozent mit Wasser bedeckten Oberfläche und seiner Nähe zur Sonne, die ihn mit einem steten Strom gewaltiger Energie versorgt, einen extrem günstigen Nährboden für Lebensformen darstellt, wie er im Universum sehr selten anzutreffen ist. Unser Planet ist gleichermaßen reich an Biomasse wie an vielfältigen biologischen Prozessen.

Deshalb hat sich das Leben bei uns rascher entwickelt als in anderen Welten, wo es durch Mangel an Wasser und Sonnenenergie oder durch einen Mangel an Festland gehemmt war. Und auch rascher als auf Planeten mit zu viel Wasser. In einigen Sendungen des Rings konnten wir die Evolution von Leben auf stark überschwemmten Planeten beobachten. Dort kämpft sich das Leben in Form von Pflanzen aus den unendlichen Wassermassen heraus.

Auch auf unserem an Wasser reichen Planeten gibt es verhältnismäßig wenig Festland für die Absorption von Sonnenenergie durch Nahrungspflanzen, Bäume oder durch thermoelektrische Anlagen.

In den ältesten Perioden der Erdgeschichte entwickelte sich das Leben in den Sümpfen der niedrigen Kontinente des Paläozoikums langsamer als auf den hohen Kontinenten des Känozoikums, wo der Kampf nicht nur um Nahrung, sondern auch um Wasser ging.

Wir wissen, dass für die Entfaltung üppiger und starker Lebensformen ein bestimmtes Verhältnis von Wasser und Festland notwendig ist, und unser Planet kommt diesem optimalen Koeffizienten sehr nahe. Es gibt nicht sehr viele solcher Planeten im Kosmos, und jeder von ihnen ist für unsere Menschheit als neues Siedlungs- und Entwicklungsgebiet von unschätzbarer Bedeutung.

Längst fürchtet sich die Menschheit nicht mehr vor dem einstigen Schreckgespenst unserer fernen Vorfahren — einer verheerenden Überbevölkerung. Wir streben unaufhörlich in den Kosmos, dehnen das Siedlungsgebiet der Menschen immer mehr aus, denn auch das ist Fortschritt, auch das ist ein unabänderliches Gesetz der Evolution. Die Schwierigkeiten bei der Erschließung von Planeten mit von der Erde stark abweichenden physikalischen Bedingungen waren so groß, dass bereits schon vor langer Zeit Projekte entwickelt würden, um die Menschheit auf speziell errichteten, gigantischen Anlagen im Kosmos — ähnlich künstlichen Satelliten, jedoch um ein Vielfaches größer — anzusiedeln. Sie alle wissen, dass eine solche künstliche Weltraum-Insel am Vorabend der Ring-Ära gebaut wurde — ich spreche vom Nadir, der sich achtzehn Millionen Kilometer von der Erde entfernt befindet. Dort lebt auch heute noch eine kleine Kolonie von Menschen… Doch die Untauglichkeit solcher stark begrenzten Lebensräume lag so klar auf der Hand, dass wir uns trotz ihrer kühnen Baupläne über unsere Vorfahren nur wundern können.

Die Zwillingsplaneten des grünen Zirkoniumsterns sind unserem Planeten sehr ähnlich. Sie sind für ihre Entdecker, die fragilen Bewohner des Planeten ZR 519, ungeeignet oder nur schwer erschließbar, weshalb sie uns rasch diese Information zukommen ließen, wie auch wir ihnen von unseren Entdeckungen berichten.

Der grüne Stern ist so weit von uns entfernt, wie noch keines unserer Sternenschiffe geflogen ist. Wenn wir seinen Planeten erreichen, dann werden wir weit in den Kosmos vorgedrungen sein. Und zwar nicht zu der beengten Welt eines künstlichen Satelliten, sondern zu einer starken Basis großer Planeten, die Raum genug für die Entfaltung eines bequemen Lebens und einer starken Technik bieten.

Das ist der Grund, weshalb ich Ihre Aufmerksamkeit so lange für die Vorstellung der Planeten des grünen Sterns in Anspruch genommen habe — mir erscheint es äußerst wichtig, sie zu erforschen. Die Entfernung von siebzig Lichtjahren kann jetzt mit dem Sternenschiff vom Typ Lebed zurückgelegt werden, und vielleicht sollte man die achtunddreißigste Sternenexpedition zum Achernar entsenden!“

Grom Orm verstummte und ging, nachdem er einen kleinen Hebel auf dem Rednerpult betätigt hatte, zu seinem Platz hinüber.

Dort, wo eben noch der Vorsitzende des Rates gestanden hatte, erhob sich plötzlich vor den Augen der Zuschauer ein kleiner Bildschirm, auf dem bis zur Brust die bekannte, kräftige Gestalt Dar Weters erschien. Der ehemalige Leiter der Außenstationen lächelte, lautlos begrüßt von einer Vielzahl grüner Lichter.

„Dar Weter befindet sich zurzeit in der radioaktiven Wüste von Arizona, von wo aus eine Serie von Raketen für den Bau des Satelliten in eine Höhe von siebenundfünfzigtausend Kilometer geschossen wird“, erklärte Grom Orm. „Er möchte Ihnen seine Meinung als Mitglied des Rates darlegen.“

„Ich schlage vor, die einfachste Lösung in die Tat umzusetzen“, ertönte seine fröhliche, durch das tragbare Sprechgerät metallisch klingende Stimme. „Nämlich nicht eine, sondern drei Expeditionen zu entsenden!“

Die Ratsmitglieder und Zuschauer erstarrten vor Überraschung. Dar Weter war kein Redner und machte deshalb keine Pause, um die Wirkung seiner Aussage zu erhöhen.

„Der ursprüngliche Plan war, die beiden Sternenschiffe der achtunddreißigsten Expedition in das Dreifachsternsystem JE 7723 zu entsenden…“

Mwen Maas rief sich im selben Augenblick diesen Dreifachstern mit der alten Bezeichnung Omikron 2 Eridani in Erinnerung. Dieses weniger als fünf Parsec von der Sonne entfernte System aus einem gelben, einem blauen und einem roten Stern besaß zwei leblose Planeten. Das Interesse der Forscher galt dem blauen Stern in diesem System, der ein weißer Zwerg war, in etwa mit den Ausmaßen eines großen Planeten und einer Masse, die halb so groß war wie die der Sonne. Das mittlere spezifische Gewicht der Materie dieses Sterns betrug das Zweitausendfünfhundertfache der Dichte des schwersten irdischen Metalls, des Iridiums. Die sofortige Erforschung seiner Gravitation, seiner elektromagnetischen Felder, der Entstehungsprozesse schwerer chemischer Elemente auf dem Stern aus möglichst geringer Entfernung war von kolossalem Interesse und überaus großer Bedeutung, umso mehr, als die in alten Zeiten auf den Sirius entsandte zehnte Sternenexpedition umgekommen war, nachdem sie noch eine Botschaft senden und vor der Gefahr warnen konnte. Der nahe der Sonne gelegene blaue Doppelstern Sirius besaß ebenfalls einen weißen Zwerg von niedrigerer Temperatur und größeren Ausmaßen als Omikron 2 Eridani B sowie eine fünfundzwanzigtausendfach größere Dichte als die von Wasser. Die Erreichung dieses nahen Sternes hatte sich als unmöglich erwiesen, da sich dort schwere, aber weit verstreute Meteoritenströme kreuzten und den Stern mit einem undurchdringlichen Gürtel umgaben; es war aussichtslos, das Gebiet mit den Unheil bringenden Splittern genau zu bestimmen. Schon damals, vor dreihundert Jahren, hatte man an die Entsendung einer Expedition zu Omikron 2 Eridani gedacht.

„… und jetzt, nach dem von Mwen Maas und Ren Boos durchgeführten Experiment, hat der Plan eine solche Bedeutung erlangt, dass man ihn nicht aufgeben kann“, fuhr Dar Weter inzwischen fort. „Andererseits kann uns die Untersuchung des fremden, aus einer fernen Welt stammenden Sternenschiffs, das die siebenunddreißigste Expedition entdeckt hat, Erkenntnisse liefern, die vielleicht weit über die Erkenntnisse der ersten Untersuchung hinausgehen.

Wir können uns über die früheren Sicherheitsbestimmungen hinwegsetzen und es wagen, die Sternenschiffe aufzuteilen, das heißt, Aella zum Omikron Eridani und Tintaschel zum T-Stern entsenden. Wie bei der Tantra handelt es sich bei diesen Sternenschiffen um Schiffe erster Klasse, die in der Lage sind, mit ungeheuren Schwierigkeiten allein fertig zu werden.“

„Romantik!“, sagte Pur Hiss laut und verächtlich und kauerte sich, nachdem er die Ablehnung durch die Zuschauer bemerkt hatte, rasch zusammen.

„Ja, echte Romantik!“, rief Dar Weter fröhlich aus. „Romantik ist ein Luxus der Natur, aber in einer wohlgeordneten Gesellschaft unerlässlich! Bei einem Überfluss an körperlichen und seelischen Kräften entsteht im Menschen schneller der Drang nach Neuem, nach häufigen Veränderungen. Dies führt zu einer besonderen Einstellung zu den Erscheinungen des Lebens — zu einem Streben, mehr sehen zu wollen als nur den gleichmäßigen Trott des Alltags, vom Leben ein höheres Maß an Prüfungen und Eindrücken zu erwarten.“

Dar Weter hielt einen Moment inne, ehe er weitersprach. „Ich sehe, dass Ewda Nal im Saal sitzt. Sie kann uns bestätigen, dass Romantik nicht nur mit Psychologie, sondern auch mit Physiologie zu tun hat! Aber lassen Sie mich fortfahren: Das neue Sternenschiff Lebed muss zum Achernar, dem grünen Stern, entsandt werden, da unser Planet erst in hundertsiebzig Jahren das Ergebnis erfahren wird. Grom Orm hat völlig recht, wenn er sagt, dass die Erforschung ähnlicher Planeten und die Schaffung einer Basis für das weitere Vordringen in den Kosmos eine Pflicht gegenüber unseren Nachkommen darstellt.“

„Unser Anamesonvorrat reicht nur für zwei Schiffe“, wandte der Sekretär Mir Om ein. „Wir brauchen zehn Jahre, um ein weiteres Schiff startklar machen zu können, ohne der Wirtschaft einen Schaden zuzufügen. Ich möchte daran erinnern, dass der Wiederaufbau des Satelliten derzeit viele Produktivkräfte in Anspruch nimmt.“

„Diesen Einwand habe ich vorausgesehen“, antwortete Dar Weter. „Daher schlage ich vor, dass wir uns — sofern der Wirtschaftsrat nichts dagegen hat — an die Bevölkerung des Planeten wenden. Wenn alle einverstanden sind, könnte man die Vergnügungsreisen und Kreuzfahrten um ein Jahr verschieben, die Fernsehkameras unserer Aquarien in den Tiefen der Ozeane ausschalten, vorläufig keine Edelsteine und seltenen Pflanzen von Venus und Mars mehr holen sowie die Produktion in der Bekleidungs- und Schmuckindustrie vorübergehend drosseln. Der Wirtschaftsrat wird besser wissen als ich, welche Produktionsbereiche runtergefahren werden könnten, um Energie für die Herstellung von Anameson zu sparen. Wer von uns wäre nicht gerne bereit, seine Bedürfnisse für ein einziges Jahr einzuschränken, um dadurch unseren Kindern ein großartiges Geschenk zu machen — zwei neue Planeten unter den belebenden Strahlen einer grünen Sonne mit einem für unsere Augen angenehmen Licht!“

Dar Weter streckte die Arme aus und wandte sich somit an die gesamte Erde, da er wusste, dass Millionen von Augen ihm an den Fernsehschirmen folgten. Er nickte noch und verschwand. Ein leerer, blau flimmernder Bildschirm war alles, was von ihm übrig geblieben war. Dort, in der Wüste von Arizona, erbebte der Boden in regelmäßigen Abständen unter einem widerhallenden Getöse — jedes Mal, wenn eine weitere Rakete mit schwerer Ladung über die Grenzen des hellblauen Himmelsgewölbes hinausschoss. Hier, im Saal des Rates, standen alle Anwesenden auf und hoben die linke Hand zum Zeichen, dass sie die Meinung des Redners voll und ganz teilten.

Der Ratsvorsitzende wandte sich an Ewda Nal.

„Möchte unser Gast von der Akademie des Leides und der Freude seine Meinung vom Standpunkt des menschlichen Glücks äußern?“

Ewda betrat von Neuem die Tribüne.

„Die menschliche Psyche ist so beschaffen, dass sie auf lang anhaltende Reize und eine häufige Wiederholung von Reizeinwirkungen nicht mehr anspricht — es ist dies eine Schutzmaßnahme gegen einen raschen Verschleiß des Nervensystems. Unsere fernen Vorfahren brachten die Menschheit an den Rand des Ruins, indem sie keine Rücksicht darauf nahmen, dass der Mensch ein physiologisches Bedürfnis nach wiederholter Ruhe hat. Wir, die wir Angst davor hatten, denselben Fehler zu begehen, schonten anfangs die Psyche zu sehr, ohne zu begreifen, dass das beste Mittel, um abzuschalten und sich von Eindrücken zu erholen, in der Arbeit liegt. Nicht nur ein Wechsel der Beschäftigung ist notwendig, sondern auch eine regelmäßige Aufeinanderfolge von Arbeits- und Ruhezeiten. Je härter die Arbeit, desto länger muss die Ruhepause sein. Wenn wir diese Gesetzmäßigkeit berücksichtigen, werden wir erleben, dass der Mensch, je schwerer er arbeitet, umso mehr Freude erlebt, umso mehr in seiner Arbeit aufgeht.

Das Glück kann man als ständigen Wechsel von Arbeit und Erholung, von Schwierigkeiten und Freuden sehen. Die Langlebigkeit des Menschen hat die Grenzen seiner Welt ausgeweitet, und er hat den Drang, in den Kosmos vorzudringen, verspürt. Der Kampf um Neues — darin liegt das wahre Glück! Davon ausgehend, kann man sagen, dass die Entsendung eines Sternenschiffs zum Achernar der Menschheit mehr unmittelbare Freude bringen wird als die beiden anderen Expeditionen, da die Planeten der grünen Sonne unseren Gefühlen eine neue Welt eröffnen, während die Erforschung der physikalischen Erscheinungen des Kosmos, ungeachtet ihrer Bedeutung, bislang nur durch den Intellekt erfasst werden. In ihrem Bestreben, die Gesamtheit des menschlichen Glücks zu vermehren, würde die Akademie des Leides und der Freude wahrscheinlich die Expedition zum Achernar für lohnender ansehen. Sollten jedoch alle drei Expeditionen möglich werden, umso besser!“

Ewda Nal wurde von den begeisterten Zuschauern im Saal mit einer ganzen Lawine von grünen Lichtern belohnt.

Grom Orm erhob sich.

„Die Frage und die Entscheidung des Rates sind bereits klar, und so wird dies offensichtlich mein letzter Auftritt sein. Wir werden die Menschheit bitten, ihre Bedürfnisse für das vierhundertste Jahr der Ring-Ära einzuschränken. Dar Weter hat nicht erwähnt, dass Archäologen ein goldenes Pferd aus der Ära der Uneinigen Welt entdeckt haben. Diese Hunderte Tonnen schwere Statue aus reinem Gold könnte für die Produktion von Anameson verwendet werden, sodass der notwendige Treibstoff bald vorhanden sein wird. Erstmals in der Geschichte unserer Erde werden wir auf drei Sternensysteme gleichzeitig Expeditionen entsenden und damit erstmals versuchen, Welten zu erreichen, die in einer Entfernung von siebzig Lichtjahren liegen!“

Der Vorsitzende löste die Versammlung auf, bat aber die Mitglieder des Rates, noch zu bleiben, um eine dringend benötigte Liste von Fragen an den Wirtschaftsrat sowie an die Akademie für Stochastik und Vorhersage der Zukunft zusammenzustellen. Letztere würde man mit Risikoberechnungen für mögliche Zwischenfälle auf dem weiten Flug zum Achernar beauftragen müssen.

Müde trabte Tschara hinter Ewda her und wunderte sich, dass die blassen Wangen der berühmten Psychiaterin genauso frisch wie immer aussahen. Das Mädchen wollte so schnell wie möglich allein sein, um in aller Stille über die Entlastung von Mwen Maas nachzudenken. Es war ein wunderbarer Tag gewesen! Freilich, Mwen Maas war nicht als Held gefeiert worden, wie Tschara in ihren geheimsten Träumen gehofft hatte. Man hatte ihn für lange, wenn nicht für immer, von jeder großen und wichtigen Arbeit ausgeschlossen… Aber man hatte ihn nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen! Jetzt stand ihnen der gemeinsame breite und nicht leichte Weg der Forschung, Arbeit und Liebe offen!

Ewda Nal überredete das Mädchen, in das nächste Speisehaus mitzukommen. Tschara sah sich so lange die Speisekarte an, dass Ewda endlich beschloss, die Initiative zu ergreifen. Sie sprach die Codes der gewünschten Speisen und den Index des ausgewählten Tisches in den Bestelltrichter des Automaten. Kaum hatten sie an dem ovalen Tisch für zwei Platz genommen, als in der Mitte eine Klappe aufging und ein kleiner Behälter mit den bestellten Gerichten erschien. Ewda Nal reichte Tschara einen Becher mit dem opaleszierenden Erfrischungsgetränk Lio, sie selbst begnügte sich mit einem Glas kalten Wassers und einem Auflauf aus Kastanien, Nüssen und Bananen mit Schlagsahne. Tschara aß ein Gericht aus gehacktem Raptenfleisch — einer Geflügelart, die in neuester Zeit Huhn und Wild ersetzt hatte. Danach entließ Ewda die junge Frau und blickte ihr hinterher, als sie mit der ihr eigenen, für die Ringära so verblüffenden Grazie die Treppe zwischen Statuen aus schwarzem Metall und bizarr geformten Postamenten von Laternen hinuntereilte.

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