Bolitho hob die Hand, die Matrosen machten halt.»Zehn Minuten Rast. Nach hinten durchsagen.»
Er wartete, bis alles wieder still war, und sagte dann zu Leutnant Okes:»Wir gehen noch ein Stück weiter und werfen einen Blick auf die Brücke. Sich hier den Kopf zu zerbrechen, hilft Rennies Seesoldaten auch nicht. Es ist bereits fast zwei Uhr. Ehe die Dämmerung heraufkommt, gibt es noch viel zu tun.»
Bolitho stieg den steilen Weg hinauf, ohne Okes' Erwiderung abzuwarten. Die lockeren Steine knirschten unter seinen Sohlen. Ihm war sonderbar zumute. Alles war so gut gegangen, daß die Anspannung sich um so stärker bemerkbar machte. Das Glück konnte doch unmöglich andauern.
Vor kaum einer Stunde hatte der Lugger am Pier angelegt. Nachdem die beiden Posten niedergemacht worden waren, hatten Rennies Seesoldaten das kleine Wachhaus am Anfang der Küstenstraße erobert. Die schlafenden Soldaten, alle zehn, waren durch Keulenschläge betäubt worden, und den wachhabenden Unteroffizier hatte man ergriffen und wie ein Paket zusammengeschnürt.
Bolitho war dann losmarschiert, während Rennie seine Leute entlang der Straße verteilte und das Gelände oberhalb der Ortschaft besetzte. Hier mußten sie eigentlich allem standhalten können, bis das Angriffskommando seine Arbeit vollendet hatte.
Bolitho kniete sich hin und versuchte, die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Verschwommen sah er die dünnen Umrisse einer hohen Holzbrücke und dahinter das abgetrennte Gebiet, wo die schlafende Bedienung der Batterie lag und noch nichts von dem ahnte, was vorging. Eine ziemlich solide Brücke, dachte Bolitho. Breit und tragfähig genug für den Transport von Geschützen und Vorräten, von Geschossen und allen Materialien zum Bau von Brustwehren und Schießscharten. War sie erst einmal in die Luft gesprengt, würde es lange dauern, sie wieder zu ersetzen.
Ein Stiefel knirschte neben ihm. Sergeant Garwood sah zu ihm hinunter.»Eine Empfehlung von Hauptmann Rennie, Sir. Die Seesoldaten haben die befohlenen Positionen bezogen. Wir haben den Lugger am Kopf des Pier festgemacht, so daß unser Rückzug durch die Drehbasse gedeckt ist. «Er starrte zur Brücke.»Da würde ich gern mitmachen, Sir«, sagte er voller
Neid.
«Gehen Sie zurück zu Hauptmann Rennie und sagen Sie ihm, er soll die Straße halten, bis wir uns zurückziehen. «Bolitho lächelte.»Keine Angst, Sergeant, Sie werden schon noch in den Kampf kommen, ehe die Nacht um ist.»
Als Garwood in der Finsternis verschwunden war, sagte er scharf:»Führen Sie die Abteilung herauf, Mr. Okes, und achten Sie darauf, daß alles leise vor sich geht. «Er wandte sich wieder der Brücke zu. Wahrscheinlich wurde sie am einen Ende bewacht, wenn nicht gar an beiden. Es mußte alles sehr schnell gehen.
Okes tauchte schwer atmend wieder auf.»Alle zur Stelle,
Sir.»
Farquhar folgte Okes auf dem Fuße, sein Gesicht schimmerte blaß im schwachen Mondlicht.»Ich habe Glover für die Aufgabe ausgewählt, Sir«, sagte er.
Bolitho nickte. Glover war der Matrose, der den ersten Wachtposten so geräuschlos erdrosselt hatte.»Gut, schicken Sie ihn los.»
Der Mann glitt über die Böschung aus Steinen und Büschen und tauchte in den tiefen Schatten vor der Brücke.
«Denkt daran, Leute, wenn Glover den Posten nicht stillmachen kann und Alarm gegeben wird, müssen wir stürmen.»
Er zog seinen Degen und sah das tödliche Blitzen der Entermesser, als er sich umblickte.
«Mr. Farquhar übernimmt mit fünf Mann die Kanonen und das Magazin«, flüsterte er Okes zu.»Und McIntosh soll eine Ladung anbringen, um die Brücke in die Luft zu sprengen, sobald wir uns zurückgezogen haben. Verstanden?»
Okes nickte.»Ich — ich denke schon, Sir.»
«Sie müssen sich über alles restlos klar sein, Mr. Okes. «Bolitho sah ihn durchdringend an. Plötzlich wünschte er, er hätte Herrick an seiner Seite. Sollte er fallen, ehe die Attacke abgeschlossen war, wie würde Okes dann zurechtkommen? Er fuhr fort:»Nach den Angaben unseres Spaniers führt ein Weg von der Batterie zum Ufer vor der Reede. Sobald die Batterie genommen ist, werde ich hinuntergehen, um festzustellen, wie den Schiffen im Hafen beizukommen ist. Ich will versuchen, eins oder mehrere in Brand zu setzen, und die Phalarope kann sich mit jenen befassen, die ausbrechen. «Er wandte sich um, als Stockdale, der den wimmernden Spanier hinter sich her zog, durch die Büsche herankam.
«Sir, Glover hat Signal gegeben. Er hat den Posten niedergemacht. »
Bolitho erhob sich. Wenn ich doch tausend Mann hätte statt sechzig, ging es ihm durch den Kopf. Dann könnte ich die Insel nehmen und halten, bis Verstärkung eintrifft. Er zog den Hut in die Stirn und ließ seinen Blick über die Leute schweifen. Gut, daß er jeden persönlich ausgewählt hatte.
«Los, Leute. Schnell und ohne jeden Lärm. «Er schwang den Degen.»Mir nach!»
Die Matrosen trotteten in zwei Reihen auf die Brücke zu. Bolitho ging einen Schritt voraus, die Augen auf die leere Brücke gerichtet, die ihm mit einem Mal sehr weit entfernt und gefährlich vorkam.
Die Schritte beschleunigten sich, und Bolitho wußte, ohne sich umzudrehen, daß der Vormarsch bereits in den Angriff überging. Dann hallten seine Schuhe hohl auf den Bohlen. Zwischen den steilen Wänden der Schlucht hörte er das Donnern der Flut, und aus dem Augenwinkel sah er die weißen Kämme der Brandung. Er stürzte beinahe über die Leiche des uniformierten Postens. Glover grüßte ihn, das erbeutete Gewehr in der Hand.
Ohne stehenzubleiben, sagte Bolitho:»Gut gemacht, Glover. Und nun weiter.»
Eine halbkreisförmige Brustwehr mit viereckigen Stückpforten lief rund um die andere Seite der Landspitze, und während Bolitho auf den Ginsterstoppeln und dem trockenen Gras ausrutschte, zählte er sieben oder acht schwere, auf die See gerichtete Kanonen. Hinter ihnen ragte ein hoher Erdwall auf, und Bolitho nahm an, daß man ihn aufgeschüttet hatte, um das Magazin zu schützen.
Im Schatten unterhalb des Walls gellte ein bestürzter Schrei auf, und vor Bolithos Füßen schien ein Soldat aus dem Boden zu wachsen. Er sah die entblößten Zähne und hörte das hastige Einatmen des Mannes, der vorsprang und mit dem Bajonett einen Ausfall machte.
Glover, der dicht hinter Bolitho war, stieß einen furchtbaren Schrei aus. Die Klinge hatte ihn aufgespießt. Bolitho holte aus; der Soldat sackte zusammen. Die Wucht des Säbelhiebs hatte ihm den Arm fast vom Körper getrennt. Er war verloren und vergessen, als die Matrosen ungestüm über ihn hinweg auf das Plateau wogten und wie Wilde nach weiteren Opfern Ausschau hielten.
Sie stießen auf sechs Franzosen, die in einer kleinen Hütte neben einem großen Schmelzofen schliefen, der feindselig glühte und ein unheimliches Licht über die Ketten glänzender runder Kugeln und die Entermesser der triumphierenden Seeleute warf. Ein Franzose richtete sich so verblüfft auf, als traue er seinen Augen nicht. Ein Entermesser machte ihn stumm, ehe er einen Ton von sich geben konnte, und zwei andere, die aufbrüllten, wurden niedergestochen, als sie nach ihren Waffen greifen wollten.
Bolitho achtete nicht auf die grauenvollen Geräusche, die aus der Hütte drangen. Er beugte sich über die Brustwehr und spähte zum schimmernden Spiegel der Reede hinunter. In der Mitte lagen zwei große Schiffe vor Anker, und zwei kleinere lagen dicht unter den Klippen. Die Ankerlaternen blinkten auf dem stillen Wasser wie Glühwürmchen. Kein Alarm. Nichts störte die ruhige Nachtwache. Bolitho stand kalter Schweiß auf der Stirn, und er merkte, daß er zitterte.
Farquhar klomm zu ihm hinauf. Sein Dolch hob sich schwach glänzend gegen die dunkle Uniform ab.»Die Batterie ist genommen, Sir«, meldete er aufgeregter als sonst, und Bolitho wußte, daß auch ihn die wahnsinnige Wildheit gepackt hielt.
«Acht Kanonen«, fuhr Farquhar in ruhigerem Ton fort.»Zwei davon Zweiunddreißigpfünder. «Es klang beeindruckt.»Wenn die Froschfresser die Kugeln im Ofen zum Glühen bringen, können sie leicht jeden Angreifer versenken. Solche Kugeln setzen ein Schiff im Handumdrehen in Brand.»
Bolitho nickte und deutete auf die vor Anker liegenden Schiffe.»Ich würde sie gern an ihnen ausprobieren, aber der Lärm würde uns die ganze Insel auf den Hals ziehen. «Er wies auf die beiden großen Schiffe.»Es sind Truppentransporter. Aber die Soldaten schlafen sicher irgendwo an Land in Zelten. Im Laderaum zusammengepferchte Soldaten, die zu seekrank sind, um zu marschieren, wenn es soweit ist, würden den Franzosen nichts nützen.»
Okes eilte herbei, den Säbel wie ein Schild vor der Brust.»Was nun, Sir?»
Bolitho sah nach den Sternen.»In zwei Stunden wird es hell. Bis dahin muß jede Kanone entweder unbrauchbar gemacht oder über den Rand der Klippe gestoßen sein. Zum Schluß muß das Magazin gesprengt werden.»
Farquhar nickte.»Meine Leute sind bereits mit Handspaken an der Arbeit. Ich denke, wir können alle Kanonen hinunterstoßen, Sir.»
«Sehr gut. «Bolitho sah Okes an, der heftig atmete.»Sie übernehmen die Brücke. Halten Sie jeden auf. Allerdings muß einer schon sehr geschickt sein, denke ich, um an Rennies Feldwache vorbeizukommen. »
«Ich habe den Abstieg über die Klippen gefunden, Sir«, meldete Belsey.»Er führt direkt zum Wasser hinunter. Unten liegen zwei große Beiboote vertäut. «Er wartete.»Soll ich weitermachen, Sir? Meine Männer sind bereit.»
Bolitho nickte und sah dem Davongehenden nach. Belsey hatte bereits bewiesen, daß er in der Lage war, mit seinem Teil der Aufgabe fertig zu werden. Er ging zur Hütte zurück und sagte scharf:»Raus mit den Leuten. Es gibt noch viel zu tun. «Die Schärfe sollte seinen Abscheu überdecken, denn er hatte bemerkt, daß drei seiner Matrosen die Leichen plünderten.»Bereiten Sie alles vor, Mr. Okes, aber ziehen Sie sich erst zurück, wenn ich das Signal gebe. Falle ich, übernehmen Sie das Kommando und handeln nach Ihrem Ermessen. «Er stieß mit dem Degen auf die Erde.»Aber die Kanonen müssen zerstört und das Magazin muß gesprengt werden, ganz gleich, was sonst passiert. Lassen Sie eine ausreichende Sprengladung an der Brücke anbringen, prüfen Sie die Zündschnur, und überzeugen Sie sich, daß jeder seine Sache richtig macht. «Er schlug Okes auf die Schulter, der Zweite ging beinahe in die
Knie.»Unser Besuch hier hat sich gelohnt, Mr. Okes. Schon allein diese zwei Truppentransporter können, wenn es sein muß, genug Soldaten transportieren, um Antigua zu stürmen.»
Bolitho ging schnell zum Klippenrand, wo Stockdale, auf das Entermesser gestützt, auf ihn wartete. Er hielt inne und schaute zurück. Stolz erfüllte ihn über den bisherigen Gang der Dinge. Die Männer arbeiteten eifrig in der Dunkelheit, und eine der Riesenkanonen war bereits aus der Lafette gelöst. Farquhar und McIntosh beugten sich, völlig von ihrem Zerstörungswerk in Anspruch genommen, über die Luntenkiste, und andere Männer luden ihre Gewehre und beobachteten die eroberte Brücke.
Er machte kehrt und folgte Stockdale die steilen, grob ausgehauenen Stufen hinunter. Könnte ich doch mein Gefühl, daß wir hier eine Aufgabe haben, auf die übrige Mannschaft der Phalarope übertragen! dachte er. Es konnte vollbracht werden. Er hatte diesen Leuten gezeigt, wie man es machte.
Es war finster und sehr kalt am Fuß der Stufen, und er bemerkte, daß die kleine Gruppe bewaffneter Matrosen schon in einem der Beiboote hockte. Er sagte zu Belsey:»Sehen Sie, wie das uns am nächsten liegende Schiff vor Anker schwoit!«Er zeigte auf die kleine Korvette, die kaum zwei Kabellängen von ihnen entfernt vor der behelfsmäßigen Mole lag. Ihr Heck zeigte zur Mitte der Reede, ihr Bugspriet auf die schmale Durchfahrt zwischen den Vorgebirgen.
Belsey nickte und rieb sich das Kinn.»Aye, Sir. Die Flut kommt rein. «Er kniete sich hin, tauchte den Arm ins Wasser und tastete über die Stufen.»Kein Tang zu fühlen, Sir. Sie muß schon ziemlich hoch sein.»
«Stimmt. «Bolitho überlegte angestrengt, seine Augen verengten sich.»Wir machen uns an die Korvette. Man wird nicht groß Wache halten. Unter der Batterie glauben sie sich in Sicherheit. Ich würde das wenigstens tun.»
Belsey nickte.»Und dann, Sir?«Es klang, als wäre er jetzt mit allem einverstanden.
«Wir stecken sie in Brand und lassen sie auf den nächstliegenden Truppentransporter zutreiben. Sie wird in Flammen aufgehen wie trockenes Gras.»
Der Steuermannsmaat bleckte die Zähne.»Das löst aber bestimmt Alarm aus, Sir.»
Bolitho lachte kurz auf.»Man kann nicht alles haben, ohne zu zahlen. «Er kletterte über seine Leute zur achteren Ducht.»Umwickelt die Riemen, und zwar gut. Nehmt eure Hemden, alles, was zur Hand ist. «Er sah flüchtig zu den Sternen hinauf. Bildete er es sich nur ein, oder schimmerten sie blasser als vorher?» Ablegen!«kommandierte er ungeduldig.»Und pullt vorsichtig.»
Die Riemen hoben und senkten sich, und die Männer hielten den Atem an, als das Beiboot von den Klippen freikam. Das Wasser gurgelte ungeduldig und drückte den Rumpf heftig in die Hauptströmung.
Bolitho legte Stockdale die Hand auf den Arm.»Laß das Boot laufen. Heute nacht ist die Flut unser Verbündeter.«Über den Bug des Beibootes hinweg sah er deutlich die Korvette. Ihr schlanker Bugspriet zeigte direkt über seinen Kopf.»Vorsichtig, Jungs, vorsichtig!«Achtern an der Heckreling glomm eine Laterne, und eine zweite schimmerte schwach neben dem Fockmast. Dort war wahrscheinlich der Niedergang zum Mannschaftslogis, der wegen der Wärme offen stand.
«Riemen ein!«Er knirschte mit den Zähnen, als die schweren Riemen sorgfältig über die Duchten gelegt wurden. Jeder Laut klang wie ein Donnerschlag.»Steuere mit dem Strom, Stockdale. «Er beugte sich vor.»Bugsgast, den Enterhaken klar!«Für sich setzte er hinzu: Der Lärm macht nichts, sobald wir erst einmal an Bord sind.
«Sir!«Der Schlagmann gestikulierte wild.»Sehen Sie, Sir. Ein Wachboot.»
Bolitho verfluchte sich wegen seiner übergroßen Zuversicht. Er blickte in die angegebene Richtung, sah den weißen Schaum von Riemen und hörte kaum zwanzig Yard entfernt das Kreischen von Ruderklampen.
Einige seiner Männer schnauften überrascht, doch er sagte barsch:»Vorwärts, Bugsgast. Den Enterhaken!»
Das Beiboot schwang schwerfällig um den Steven der Korvette, als der Enterhaken hinaufflog und sich im Schanzkleid verbiß. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Vom Wachboot her ertönten Rufe, denen eine unregelmäßige Gewehrsalve folgte. Der Schlagmann neben Bolitho schrie auf und stürzte verkrümmt über das Dollbord, seine Arme schlugen wie Dreschflegel, als er im dunklen Wasser verschwand. Kugeln hämmerten in das Beiboot und in die Planken der
Korvette.
Die Männer zauderten, als über dem Schanzkleid ein Gesicht auftauchte und das wütende Aufblitzen einer Pistole das Beiboot kurz erhellte. Belsey duckte sich, fluchte wüst, und ein anderer Mann sank wimmernd zusammen. Blut schoß aus seiner Schulter.
Bolitho turnte in dem Boot, das sich um seine eigene Achse drehte, nach vorn und sprang zur Reling der Korvette hoch. Einen Augenblick strampelten seine Füße über dem Wasser, doch dann war er oben und über dem Schanzkleid. Der Atem wurde ihm aus den Lungen gepreßt, als ein Matrose, der sich nach ihm über die Reling schwang, auf ihn fiel. Er kämpfte sich auf die Füße, während sich der Rest seiner Mannschaft hinaufschwang. Der einzige Verteidiger der Korvette lag in einer Blutlache, und ein Mann, der plötzlich nackt im offenen Niedergang auftauchte, stieß einen Schreckensschrei aus, floh zurück unter Deck und schlug die Luke hinter sich zu.
Bolitho steckte den Säbel in die Scheide und sagte gelassen:»Das spart uns die Mühe, sie aufzuspüren!«Und dann, als eine weitere Salve vom Wachboot herüberpfiff:»Sie kennen Ihre Aufgabe, Belsey. Die Ankerkette kappen und dann ans Ruder.»
Seine Leute brüllten wie Verrückte, als sie über das Deck hasteten, als wäre alles eine alltägliche Angelegenheit. Bolitho stellte sich die Panik und das Durcheinander vor, als die schlaftrunkenen Mannschaften aus den Hängematten torkelten, um dem Ruf zu den Waffen zu folgen.
«Kette gekappt, Sir«, ertönte es von der Back.
«Sehr gut. Die Strömung wird sie mitnehmen. «Bolitho rannte an die Reling und spähte durch die Dunkelheit zum nächstgelegenen Transporter. Er bemerkte jetzt mehr Laternen und glaubte zu sehen, daß sich die Stückpforten des Oberdecks öffneten. Ihre Wut wird gleich der Besonnenheit weichen, dachte er.
«Legt Feuer im Schiff!«Er deutete auf den Fockmast.»Hier anfangen, Belsey.»
Fasziniert beobachtete er Belseys Matrosen, die das Ankerlicht an eine Mischung aus Öl, Werg und Leinen hielten. Das Resultat ließ nicht lange auf sich warten und war furchtbar. Mit wildem Donnern züngelten die Flammen die Wanten hinauf und ergriffen im Handumdrehen den ganzen vorderen Teil des
Decks. Große Feuerzungen beleuchteten die gesamte Reede, so daß die anderen Schiffe sich in dem Inferno nackt und bloß abzeichneten. Takelage und Tauwerk flammten und knisterten, als das Feuer durch die geteerten Stagen züngelte und nach den zusammengerollten Segeln griff. Spieren und Planken, von der Sonne ausgetrocknet, brannten wie Zunder. Die knatternden Flammen fraßen sich immer weiter, während sich Bolithos Leute, halb betäubt von dem Ausmaß ihres Zerstörungswerkes, zurückzogen.
Bolitho kämpfte sich durch den beißenden Rauch und die sengende Hitze. Er war froh, daß Belsey die Luke zum Logis geöffnet hatte, und bemerkte, daß die Matrosen schon zum größten Teil über Bord gesprungen waren und entweder schwammen oder ertranken, indes ihre Welt über ihnen verbrannte.
Er lehnte hustend an der Reling und sah zu dem großen Truppentransporter hinüber. Nichts mehr von Wut oder Kampfbereitschaft. Das Deck war voll hastender Gestalten. Offiziere und Männer eilten auf ihre Stationen, wobei sie aufeinander prallten, weil sie schreckerfüllt immer wieder auf den herantreibenden Brander starrten.
Der zweite Transporter holte seine Ankerkette durch die Klüse ein, doch der erste hatte keine Chance mehr. Ein Teil der Besatzung mußte erkannt haben, daß die Kollision unvermeidlich war, denn Bolitho sah, wie neben dem Rumpf das Wasser hochspritzte, wo die Männer über Bord sprangen. Er hörte Pistolenschüsse und nahm an, daß die französischen Offiziere doch noch Ruhe und Ordnung herstellen wollten.
Belsey führte seine würgenden, keuchenden Leute zum Heck und brüllte:»Höchste Zeit, abzuziehen, Sir. «Er grinste, obwohl ihm vor Qualm die Augen tränten.
Bolitho deutete hinab.»Das Boot ist an der Gilling vertäut. Schnell hinunter, Jungs. Das Magazin wird gleich in die Luft fliegen.»
Ein Matrose nach dem anderen glitt in das kleine Boot hinunter. Bolitho, der vor Hitze kaum atmen konnte und den die vorrückenden Flammen fast blendeten, verließ die Korvette als letzter.
«Riemen bei!«bellte Stockdale.»Ruder an!»
Das Boot kam klar. Die grausame Glut ließ das Weiße in den
Augen der Männer aufglimmen, als die brennende Korvette vorbeitrieb. In der Nähe schwammen mehrere Franzosen. Einer versuchte, sich in das bereits überfüllte Boot zu ziehen, doch Stockdale stieß ihn zurück, und seine jammervollen Schreie verklangen achtern.
«Bei Gott, jetzt sind sie zusammengestoßen«, rief ein Matrose.
Die Korvette hatte den Transporter erreicht, und die Flammen züngelten bereits seine hohen Masten hinauf. Die halb herabgelassenen Segel fingen Feuer und verwehten wie Asche im Wind.
«Pullt, Jungs, pullt!«Bolitho drehte sich um, um den Erfolg seiner Attacke zu beobachten, der ihn halb mit Befriedigung, halb mit Abscheu erfüllte.
Das Magazin der Korvette explodierte. Das Schiff, vor einer halben Stunde noch still vor Anker, brach mittschiffs auseinander und versank sprühend und zischend. Die Arbeit war getan. Der Transporter stand vom Steven bis zum Heck in Flammen, Fock- und Großmast waren vor Rauch schon nicht mehr zu sehen. Der Qualm verbarg den anderen Transporter, doch Bolitho wußte, daß es nur zwei Möglichkeiten für das Schiff gab. Entweder versuchte es auszubrechen, wobei es riskierte, das Schicksal seines Schwesternschiffs zu erleiden, oder es ließ sich auf den Strand treiben, wo es nach Einsetzen der Ebbe als nutzloses Wrack liegen bleiben würde.
«Lichter am Ende der Bucht, Sir«, meldete Belsey.»Dort liegen wahrscheinlich die Truppen.»
Bolitho fuhr sich über das rauchgeschwärzte Gesicht und nickte.»Wir haben in ein Hornissennest gestochen. Gleich werden sie über uns herfallen. «Daß ihre Schiffe zerstört und ihre Batterien kampfunfähig gemacht waren, mußte die französischen Soldaten nach Rache dürsten lassen. Immerhin, es war vollbracht. Und viel besser, als er gehofft hatte. Daran würden die Leute künftig denken, wenn sie den Namen Phalarope aussprachen.
Leutnant Matthew Okes starrte von der Batterie hinunter, erschreckt und benommen durch die rasende Feuersglut und die hallenden Explosionen. Auf seinem schweißnassen Gesicht spürte er den glühenden Hauch des brennenden Schiffs, und sein ganzes Wesen wehrte sich gegen die Schrecken, die er sah, und gegen die, die er nur ahnen konnte.
«Höchste Zeit, die Kanonen hinunterzustoßen«, sagte Farquhar scharf.
Okes nickte stumm, seine Augen hafteten noch immer auf dem flammenden Transporterschiff, das sich langsam auf die Seite legte. Männer schwammen oder trieben zwischen den Trümmern und dem verkohlten Treibgut. Unaufhörlich regneten Wrackstücke, von gedämpften Explosionen innerhalb des geborstenen Rumpfes hochgeschleudert, in das glitzernde Wasser. Obwohl der Rauch die Sicht behinderte, sah er, daß der zweite Transporter gleich auflaufen würde. Seine Masten neigten sich schon gefährlich.
Hinter ihm rumpelte es, und ein abgerissenes Hurra erklang, als die Matrosen die erste Kanone über den Klippenrand stießen. Eine zweite, eine dritte Kanone folgte und stürzte krachend auf die Felsen. Er hörte, wie McIntosh seine Leute anfeuerte, ihnen die anderen nachzuschicken.
Okes spürte, daß ihm die Knie weich wurden. Am liebsten hätte er sich davongemacht und der höllischen Szene mit ihrem von Funken gesprenkelten Rauch und den Flammen, die die ganze Reede erhellten, den Rücken gekehrt. Es war die reine Verrücktheit, etwas, das niemand von ihnen unter Kontrolle halten konnte.
Von Bolitho war nichts zu sehen. Selbst wenn es ihm gelungen sein sollte, den Brander zu verlassen, würde es sehr lange dauern, wieder zum Vorgebirge zurückzukommen.
«Dort, Sir«, sagte Farquhar.»Sehen Sie. Truppen schwärmen über den Kamm.»
Gerade als Okes seine Augen von der Schreckensszene losriß, legte sich der Transporter auf die Seite und versank in den Fluten. Damit erlosch das grelle Licht wie eine Kerze, und der Ankergrund sank wieder in tiefen Schatten zurück. Okes blinzelte durch den Rauch. Es wurde bereits heller, über dem Kamm jenseits der Reede lag schon ein schwaches Grau. Die Feuersglut der Schiffe hatte das Nahen der Morgendämmerung verborgen. Er blickte in die von Farquhar gewiesene Richtung und nahm mit steigender Panik das schwache Aufglänzen von Bajonetten wahr. Eine Formation schob sich wie eine riesige Raupe über den Rand des nächstgelegenen Hügels.
Seine Augen glitten von den heranmarschierenden Truppen zur Brücke und von seiner Position auf dem Batteriegelände zum Ende der Küstenstraße. Mit einer Stimme, die er kaum erkannte, befahl er:»Bereiten Sie alles zur Sprengung des Magazins vor, Mr. Farquhar. «Er starrte um sich wie ein in der Falle sitzendes Tier.»Ich muß sofort zu Rennie. Machen Sie hier weiter.»
Er eilte davon und ignorierte die verwunderten Blicke der Matrosen und die in Farquhars Augen aufblitzende Verachtung. Seine Gedanken rasten, und plötzlich raste auch er mit keuchendem Atem. Er stolperte über Stechginster und glitt auf Steinen aus. Dann rannte er blind über die Brücke und an den bewaffneten Matrosen auf der Talseite vorbei. Weiter, nur weiter! Da und dort bemerkte er zwischen dem Farnkraut des Abhangs die roten Röcke der Seesoldaten, und mit Entsetzen wurde ihm klar, daß das Ufer und die zusammengewürfelten Häuser vor dem Pier bereits zu erkennen waren. Das wachsende Tageslicht steigerte sein Gefühl, der Gefahr nackt und bloß ausgesetzt zu sein, und im Geiste hörte er den Tritt französischer Soldaten, die vorrückten, um ihm die Flucht zur See abzuschneiden.
Okes folgte der Wegbiegung und wäre beinahe über Hauptmann Rennie gestürzt. Rennie hatte es sich auf einem niedrigen, grasbewachsenen Wall bequem gemacht. Sein Dreispitz und sein Degen lagen neben ihm. Auf den Knien hielt er eine halb verzehrte Pastete. Als Okes taumelnd vor ihm stehenblieb, blickte er auf und wischte sich gelassen den Mund mit seinem Taschentuch.
«Köstlich«, sagte er und sah forschend an dem Zweiten vorbei.»Hört sich an, als wären sie ziemlich lebhaft dahinten.»
Okes blickte wild umher. Das war fast zuviel. Er hätte am liebsten gebrüllt und Rennie durchgeschüttelt, damit er das Ausmaß der Gefahr begriff. Doch Rennie kniff die Augen zusammen und sagte:»Auch ein Stück Hühnerpastete? Ich hatte schon fast vergessen, wie sowas schmeckt. «Er deutete über die Schulter, ohne Okes' verzerrtes Gesicht aus den Augen zu lassen.»Haben mir während der Nacht irgendwelche Holländer aus dem Dorf gebracht, verdammt nette Leute. Schade, daß wir im Krieg sind, nicht?«Er stand auf und wickelte den Rest der Pastete sorgfältig in sein Taschentuch. Dann sagte er gelassen:
«Nun, erzählen Sie. Wie stehen die Dinge?»
Okes gab sich alle Mühe, ruhig zu sprechen.»Die Franzosen kommen. Von dort, hinter dem Berg.»
«Ich weiß. Meine Leute haben sie bereits entdeckt. «Rennie musterte ihn unbewegt.»Was haben Sie sonst erwartet?»
Rennies offensichtliche Gleichmütigkeit schenkte Okes den kleinen Schuß zusätzlicher Entschlußkraft, den er noch benötigte.»Fangen Sie an, sich zurückzuziehen. Ich habe befohlen, das Magazin zi sprengen. «Er sah zu Boden.»Ich sprenge die Brücke, sobald McIntosh fertig ist.»
Rennie starrte ihn an.»Aber der Kapitän! Wie, in Teufels Namen, soll er ohne Brücke zurückkommen?«Er stülpte den Dreispitz auf und griff nach dem Säbel.»Ich werde mir die Lage lieber mal selber ansehen.»
Okes verstellte ihm den Weg. Seine Augen funkelten.»Sie kennen die Order. Ich habe das Kommando, wenn dem Kapitän etwas zustößt. Ihre Pflicht ist es, den Rückzug zu decken.»
Sergeant Garwood kam um die Wegbiegung, sein Halbspieß glänzte im heller werdenden Licht.»Sir!«Er ignorierte Okes.»Die Froschfresser kommen. Ziehen sich etwa in Kompaniestärke an unsere Flanke herab. Die anderen werden sicher versuchen, uns zu umgehen und von hinten anzugreifen.»
Rennie nickte. Er wirkte plötzlich ernst.»Gut. Ich komme sofort. Sie werden doch noch etwas warten, wie?«sagte er dann langsam zu Okes.»Es dauert seine Zeit, zum Vorgebirge zurückzupullen.»
Okes schnellte herum, als das Echo einer Gewehrsalve über die Hügel hallte.»Gehen Sie zu Ihren Leuten, Hauptmann Rennie. Ich kenne meine Pflicht.»
Rennie zuckte mit den Schultern und entfernte sich schnell in Richtung auf das Gewehrfeuer. Als er sich umsah, bemerkte er, daß der Rauch von der Reede wie eine Wand über das Vorgebirge trieb, und er versuchte, sich die Verwüstung auszumalen. Gegen den Abhang und das glitzernde Wasser unterhalb der Klippen zeichnete sich Okes' Gestalt ab, gebrechlich, verloren.»Ich hoffe, Sie kennen sie wirklich, Mr. Okes!«sagte er zu dem leeren Abhang. Dann machte er kehrt und lief auf die vorbereitete Stellung und auf seine Leute zu.
McIntosh hockte auf der Brücke und verrenkte sich den Hals, um zu einer der massiven Holzstreben hinunterzublicken.
«Wie weit sind Sie?«Okes mußte an sich halten, um nicht zu brüllen.»Sind Sie fertig?»
«Aye, aye, Sir«, nickte McIntosh.»Zündschnur für zwei Minuten. Und die fürs Magazin vier Minuten. «Er rieb sich die Hände.»Mr. Farquhar wartet bei der Batterie, um die Lunte anzuzünden, sowie der Kapitän zurück ist.»
Okes schwankte hin und her, dann fing er sich.»Warten Sie hier. «Er rannte los. Als er das Vorgelände der Batterie erreichte, ließ er die Pfeife ertönen und rief:»Vorgebirge räumen! Alle Mann zurück!»
Die Matrosen griffen verblüfft nach ihren Waffen und eilten auf die Brücke zu. Die meisten hatten die nahenden Franzosen gesehen und brauchten keinen zweiten Befehl. Ein Maat, das Gesicht von Rauch und Schmutz verschmiert, trat auf den keuchenden Leutnant zu.»Entschuldigen Sie, Sir, aber der Kapitän ist noch nicht da.»
«Ja, ja, ich weiß. «Okes starrte ihn mit glasigen Augen an.»Zu den anderen mit Ihnen, bringen Sie sie über die Brücke. Warten Sie dort auf mich. Halten Sie sich bereit zum Aufbruch. «Er spähte durch den Rauch.»Wo ist Mr. Farquhar?»
«Ein Stück die Stufen hinunter, Sir, um besser sehen zu können.»
Okes lehnte sich an die Brustwehr. Ohne die Matrosen und ohne die Kanonen vor den Schießscharten wirkte der Platz sonderbar tot. Er ging zu dem in den Felsen gehauenen Weg und sah hinab. Kein Farquhar zu sehen, von keinem Menschen eine Spur. Schüsse bellten, dazwischen wildes Hurrarufen. Die Glieder zitterten ihm, als hätte er keine Kontrolle mehr über sie. Er ging zur offenen Tür des Magazins und blickte einige Sekunden auf die Lunte. Seine Schuld war es nicht, redete er sich ein. Es blieb ihm einfach keine andere Wahl. Er kniete sich hin. Während sein Blick auf der Lunte ruhte, sah er vor seinem geistigen Auge das Bild Bolithos, wie er die Stufen hinuntereilte.
Verdammt sollten sie sein. Alle! Er zitterte s o, daß er die eine Hand mit der anderen festhalten mußte, als er die Lunte ansteckte.
Übelkeit würgte ihn. Er taumelte hoch und rannte auf die Brücke zu. McIntosh blickte ihm verständnislos entgegen.»Stecken Sie die Zündschnur an, Sie Idiot. «Okes war bereits halb über die Brücke hinüber.»Oder wollen Sie hierbleiben und mit dem Magazin in die Luft fliegen?»
McIntosh setzte die Lunte in Brand und rannte los. An der Wegbiegung holte er Okes ein und keuchte:»Aber wo ist Mr. Farquhar, Sir? Und was ist mit dem Kapitän?»
Okes fauchte:»Zurück zum Ufer! Alle!«Und zu McIntosh gewandt, setzte er hinzu:»Alle tot. Und das werden auch Sie gleich sein, wenn die Franzosen Sie schnappen.»
Eine donnernde Explosion und gleich darauf eine zweite, stärkere. Die Detonationen übertönten das Musketenfeuer und die fernen Schreie. Die Kraft der Explosion schien die ganze Insel betäubt zu haben. Das grollende Donnern hallte nach, und Okes hörte ein splitterndes Krachen. Die zu Kleinholz zerfetzte Brücke stürzte in die Schlucht.
Sonderbar, aber er merkte, daß er jetzt wieder gehen konnte. Beinahe fest und sicher setzte er einen Fuß vor den anderen, als er seinen Leuten zum Pier und in die Sicherheit folgte. Er hatte das einzig Richtige getan. Er hielt seine Augen auf den Pier gerichtet. Das einzig Richtige. Die anderen würden das ebenfalls bald erkennen. Er stellte sich das Gesicht seiner Frau vor, wenn sie die Nachricht in der Gazette las:
«Leutnant Matthew Okes, der nach dem Tode des kommandierenden Offiziers die Hauptlast der Verantwortung für diesen wagemutigen Angriff trug, ist zu der Kühnheit und dem Geschick zu beglückwünschen, mit dem er die Attacke gegen eine große Übermacht zum erfolgreichen Ende führte.»
Okes blieb stehen, als Seesoldaten aus dem Ginster brachen und auf dem Weg in Stellung gingen. Einer von ihnen rief:»Da kommen sie, Jungs.»
Von der anderen Seite der Kuppe her erscholl Sergeant Garwoods Stimme.»Anlegen! Achtung, Feuer!»
Das letzte Kommando ertönte, als eine Kette blau uniformierter Soldaten über der Kammlinie auftauchte und sich anschickte, zum Ufer hinunterzurennen. Nachdem der Pulverqualm verweht war, sah Okes, daß die Soldaten sich zurückgezogen hatten, ohne sich um ihre Gefallenen zu kümmern.
«Nachladen. Laßt euch Zeit«, rief Garwood gelassen.»Und tiefhalten, Jungs. «Noch eine Salve, doch diesmal rückten die Soldaten trotz der
Verluste in größerer Zahl und mit größerer Entschlossenheit vor. Hier und da fiel auch ein Seesoldat, und einige erlitten Verwundungen, so daß sie ihren Kameraden nur langsam den Abhang hinunter folgen konnten.
Okes sah, daß Rennie gelassen auf einem kleinen Hügel stand und die Scharfschützen ignorierte, während er die dünne Linie seiner zurückgehenden Männer beobachtete. Er spürte, daß sein Neid in Haß umschlug. Rennie hätte nie so gehandelt wie er. Er hätte auf Bolitho gewartet und alle für nichts und wieder nichts geopfert.
Okes brüllte:»Zum Lugger, schnell!»
Die Matrosen rannten zum Pier. Sie trugen ihre verwundeten Kameraden und riefen den Seesoldaten ermutigende Worte zu. Es kam Okes vor, als dauerte es eine Ewigkeit, bis sich die letzten Seesoldaten über den Pier zurückzogen. Eine frische Morgenbrise wehte und füllte die Segel, und als der letzte Seesoldat keuchend über das Schanzkleid kletterte, legte der Lugger ab.
Unter irrem Lärm brachen die Franzosen aus der Deckung und stürmten zum Pier. Die einzelnen Uniformen schlossen sich zu einer festen Masse, und als sie zum Pier drängten, flossen sie zu einem einzigen Feind zusammen.
McIntosh hockte im Bug und richtete die Drehbasse aus. Er achtete nicht auf das sporadische Gewehrfeuer und wartete, bis die Soldaten eine brüllende, gedrängte Front bildeten, ehe er abzog.»So, meine Lieben!«Der Lugger stampfte wild, als der Kartätschenschuß die schreienden Soldaten wie eine Sense niedermähte. McIntosh stand auf und brüllte:»Das war für den Kapitän und die anderen!»
Ehe die zweite Welle bis zu den Hingemetzelten vorgedrungen war, hatte der Lugger abgedreht und segelte bereits auf das offene Meer hinaus. Jetzt herrschte Schweigen an Bord, und selbst als die nach hinten geneigten Masten der Phalarope das Vorgebirge umrundeten und wie schützende Eltern über dem kleinen Boot aufragten, brachten die erschöpften Männer kein Hurra zustande.
Okes blickte zur Insel zurück, zum Rauch, zu dem undeutlichen Umriß der Batteriestellung. Es war vorüber.
Nach dem Angriff würde man den Lugger aufgeben. Okes ließ ihn längsseits kommen. Von der Phalarope streckten sich den Verwundeten und den schweigenden Siegern viele Hände entgegen. Hauptmann Rennie trat beiseite, um Okes zuerst hinaufklettern zu lassen.»Nach Ihnen, Mr. Okes«, sagte er.»Ich möchte Ihren Auftritt nicht verderben.»
Okes sah ihn an und wollte etwas erwidern. Als er die kalte Feindseligkeit in Rennies Augen bemerkte, unterließ er es aber. Mit Eifersucht muß ich rechnen, sagte er sich. Darauf muß ich gefaßt sein.
Er langte nach der Kette und schwang sich über das Schanzkleid der Fregatte. Eine Sekunde lang blickte er über das vertraute Deck. Er hatte überlebt.