24. Kapitel Timothy

Es wird immer schauerlicher. Diese kilometerlangen Gänge. Diese Schädel, wohin man sieht, die mexikanisch aussehenden Totenmasken. Köpfe, denen man die Haut heruntergerissen hat und die immer noch grinsen können, Gesichter, denen man einen Spieß durch Wange und Zunge gestoßen hat, Körper mit Fleisch bis zum Hals und einem Totenkopf obendrauf. Reizend. Und dieser unheimliche alte Mann, der zu uns mit einer Stimme spricht, die aus einer Maschine stammen könnte. Ich bin fast geneigt anzunehmen, er ist ein Roboter. Er kann ja gar nicht echt sein, mit seiner glatten, festen Haut, diesem kahlen Schädel, der aussieht, als hätte er nie Haare getragen, diesen eigentümlichen, glänzenden Augen -.

Zumindest das Bad war gut. Obwohl sie meine Kleider weggenommen haben. Meine Brieftasche, meine Kreditkarten, alles.

Diese Wendung behagt mir weniger, aber ich glaube nicht, daß sie hier mit meinen Sachen allzuviel anstellen können. Vielleicht wollen sie sie auch nur waschen. Mir macht es nichts aus, als Ersatz diese Shorts zu tragen. Eine Spur zu eng um den Arsch herum — vermutlich bin ich größer als die Gäste, die sie hier sonst bekommen —, aber in dieser Hitze ist es gerade richtig, so wenig wie möglich anzuhaben.

Was mich aufbringt ist, daß ich in meinem Zimmer eingeschlossen bin. Diese Sache erinnert mich an zu viele Horrorfilme im Fernsehen. Gleich öffnet sich eine geheime Stelle im Boden, und die heilige Kobra kommt hochgekrochen, zischt und spuckt. Oder Giftgas strömt durch ein verstecktes Ventil herein. Nun, ich glaube natürlich nicht wirklich daran. Ich glaube, daß uns überhaupt kein Leid zugefügt werden wird. Trotzdem ist es empörend, eingesperrt zu sein, wenn man Gast ist. Findet zur Stunde ein besonderes Gebet statt, bei dem wir nicht stören dürfen? Vielleicht. Ich werde eine Stunde warten und dann versuchen, die Tür aufzubrechen. Die Tür sieht verflucht solide aus, ein großes, festes Stück Holz.

Kein Fernseher in diesem Motel. Auch zu lesen nicht besonders viel, außer diesem Büchlein, das sie auf dem Boden neben meinem Kinderbett liegen lassen haben. Und was darin steht, habe ich bereits vorher gelesen. Das Buch der Schädel, ohne Zweifel. Maschinegeschrieben, in drei Sprachen: Latein, Spanisch, Englisch. Eine geschmackvolle Covergestaltung: Schädel und gekreuzte Knochen. He, ho, Siebzehn Mann auf des toten Manns Kiste! Aber amüsieren tut mich das nicht. Und im Buch selbst steht all das Zeugs, das Eli uns vorgelesen hat, diese melodramatische Scheiße über die achtzehn Mysterien. Der Text liest sich anders als Elis Übersetzung, aber der Sinn ist der gleiche. Viel Geschwafel um das ewige Leben, aber auch viel Gerede um den Tod. Zuviel.

Ich würde gern von diesem Ort verschwinden, falls sie jemals die Tür öffnen. Ein Witz ist einmal gut, auch zweimal, und vielleicht war es wirklich ganz spaßig, im letzten Monat auf Grund von Elis Gerede auf dem Arsch über den Teer nach Westen zu fahren, aber jetzt, wo ich einmal hier bin, kann ich nicht mehr verstehen, was mich dazu bewogen hat mitzumachen. Falls das wirklich alles wahr sein sollte, was ich noch immer bezweifle, möchte ich nicht Teil von ihnen werden, selbst wenn sie bloß ein Haufen von rituellen Fanatikern sein sollten, was mir wahrscheinlicher scheinen will, selbst dann möchte ich nicht bei ihnen mitmachen. Ich sitze jetzt zwei Stunden hier drin, und für meinen Geschmack reicht das. Diese ganzen Totenschädel gehen mir auf den Nerv. Die Nummer mit der verschlossenen Tür auch. Und dieser unheimliche alte Mann. Okay, Jungs, jetzt reicht’s. Timothy will jetzt wieder nach Hause.

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