Überdenke dein Leben, erklärt der geheimnisvolle und entfernt reptilienhafte Bruder Javier, als er meine Klosterzelle, ohne sich anzukündigen, betritt, und mit ihm erscheint das schwach zischende Rascheln von Hülsen auf Stein. Schau auf dein Leben zurück, gestehe die Sünden deiner Vergangenheit, mach dich zur Beichte bereit. Recht so, schreit Ned, der verderbte Chorknabe! Recht so, Bruder Javier, kichert der gefallene Katholik! Das ist ganz im Sinn seiner wohlgeschmierten Vorstellungsstraßen. Das Ritual der Beichte ist ganz genau etwas, das er erfassen kann: In seinen Genen liegt es als Kode, auf seinen Knochen und Eiern steht es aufgedruckt, es ist eine zutiefst natürliche Sache für ihn. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Wohingegen das Kabinett der Wahrheit den anderen fremd ist: dem gestandenen Israeliten und den beiden protestantischen Ochsen. Oh, nun, ich vermute, auch bei den Anglikanern gibt es wahrscheinlich den Beichtbrauch, heimliche Römisch-Katholische, die sie sind, aber sie erzählen ihren Priestern nur Lügen. Ich kann das Wort meiner Mutter zum Zeugen berufen, die immer meinte, das Fleisch eines Anglikaners tauge noch nicht einmal, um an Schweine verfüttert zu werden. Aber Mutter, sage ich, Schweine fressen doch überhaupt kein Fleisch. Wenn sie es täten, sagte sie, würden sie einen Anglikaner nicht anrühren! Sie brechen jedes Gebot und belügen ihre Priester, sagte sie und bekreuzigte sich: vier wilde Stöße, om mani padme hum!
Ned ist gehorsam. Ned ist ein lieber kleiner Junge. Bruder Javier gibt ihm den Befehl, und Ned beginnt unverzüglich damit, sein vergeudetes Leben Revue passieren zu lassen, so daß er alles aus sich für die richtige Gelegenheit herausströmen lassen kann. Welche Sünden habe ich begangen? Wo habe ich gefehlt? Sag’s mir, Neddy-Junge, hast du andere Götter neben Ihm gehabt? Nein, Sir, es ist die Wahrheit, wenn ich sage, daß ich das nicht hatte. Hast du dir selbst Götzenbilder gemacht? Nun, ich gebe zu, daß ich hin und wieder gedankenlos etwas vor mich hingekritzelt habe, aber dieses Gebot legen wir doch sowieso nicht so streng aus, oder, Sir? Wir sind doch keine verdammten Moslems, was, Sir? Danke schön, Sir. Weiter: Hast du den Namen des Herrn versucht? Gott steh mir bei, Bruder, so etwas würde ich doch nie tun! Sehr schön, Ned, hast du dich auch an den Tag des Herrn gehalten und ihn geehrt? Ganz außer Fassung antwortet der aufrichtige Junge, daß er sich gelegentlich der Mißachtung des Tags des Herrn schuldig gemacht habe. Gelegentlich? Verdammt, er hat mehr geheiligte Tage besudelt als ein Heide! Jedoch ist das eine läßliche Sünde, eine verzeihliche Sünde. Ego te absolvo, mein Kind. Und hast du deinen Vater und deine Mutter geehrt? Ganz sicher, Sir, geehrt habe ich sie auf meine Weise. Hast du getötet? Ich habe nicht getötet. Hast du Ehebruch begangen? Nach meinem besten Wissen und Gewissen, Vater, das habe ich nicht. Hast du gestohlen? Ich habe nicht gestohlen, zumindest nichts Besonderes, Sir. Noch habe ich falsches Zeugnis gegen meinen Nachbarn abgelegt. Und hast du begehrt deines Nachbarn Heim, deines Nachbarn Weib oder deines Nachbarn Knecht oder seine Magd oder seinen Ochsen oder seinen Arsch oder sonst etwas, das deinem Nachbarn gehört? Nun, Sir, das ist so eine Sache mit meines Nachbarn Arsch; ich gebe zu, ich bewege mich da auf trügerischem Grund, aber andererseits — aber andererseits — ich tue mein Bestes, Sir, wohl wissend, daß ich nicht ohne Makel in diese Welt hineingeboren worden bin, wohl wissend, daß wir von Anfang an als Sünder dastehen, und habe nie vergessen, daß wir durch Adams Verfehlung alle zu Sündern geworden sind, davon abgesehen, sehe ich mich als rein und gut an. Natürlich bin ich nicht perfekt. Ach was, mein Kind, was hast du zu beichten? Nun, Vater confiteor, confiteor, die Faust schlägt mit bewundernswertem Eifer auf des Knaben Brust: bumm, bumm, bumm, bumm, Oh! Mani! Padme! Hum! —, meine Schuld, meine übergroße Schuld — nun, eines Sonntags bin ich nach der Messe mit Sandy Dolan losgezogen, um heimlich seine Schwester beim Umziehen zu beobachten. Und ich habe ihre nackten Brüste gesehen. Vater, sie waren klein und rund, mit kleinen, rosafarbenen Zipfeln. Und am Ende ihres Unterleibs, Vater, da hatte sie so einen behaarten, schwarzen Hügel, etwas, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Und dann hat sie sich mit dem Rücken zum Fenster gedreht, und ich habe ihren Arsch gesehen, Vater, die beiden wunderbarsten, süßesten, drallen, weißen Backen, die ich je gesehen habe, mit diesen hübschen, tiefen Grübchen unmittelbar an ihrer Spitze. Und mehr in Richtung Zentrum dieser köstlichen, schattigen Spalte war diese — was soll’s, Vater? Kann ich nicht von etwas anderem erzählen? Also gut, ich bekenne, daß ich Sandy gewissermaßen vom rechten Weg abgeführt habe, daß ich mich mit seinem Körper in Sünde vereint habe, versündigt gegen Gott und die Natur, daß, als wir elf Jahre alt waren und die Nacht im selben Bett verbrachten, seine Mutter im Wochenbett lag und bei ihm zu Hause niemand war, um auf ihn aufzupassen, ich unter dem Bett eine Dose Vaseline hervorholte, ihr eine gehörige Portion entnahm, diese wollüstig auf sein sexuelles Organ verteilte und ihm erklärte, daß er sich nicht ängstigen solle, da Gott uns nicht sehen könne, hier in der Dunkelheit und unter der Bettdecke. Und dann habe ich … und dann hat er … und dann haben wir … und dann haben wir …
Und so habe ich auf Geheiß von Bruder Javier meine degenerierte Vergangenheit ausgelotet und das Ganze mit vielen schmutzigen Details gewürzt, damit es bei den Beichtsitzungen, die vermutlich bald abgehalten werden, stärker zum Vorschein kommt. Aber die Brüder denken nicht so geradlinig. Unsere tägliche Routine erfuhr eine Veränderung, aber sie betraf weder Bruder Javier noch die Sache mit der Beichte. Das liegt wohl noch etwas weiter in der Zukunft. Der neue Ritus ist ein sexueller, Buddha steh mir bei, ein heterosexueller. Diese Brüder, so begreife ich jetzt, sind irgendwo unter ihrer trügerischen kaukasischen Haut Chinesen, denn jetzt lehren sie uns nicht mehr und nicht weniger als das Tao des Sex.
Sie nennen es nicht so. Sie reden auch nicht von Yin und Yang. Aber ich kenne mich mit der fernöstlichen Religion aus, und ich kenne die antiken, geistigen Bedeutungen solcher sexuellen Übungen, die den verschiedenen gymnastischen und kontemplativen Übungen sehr verwandt sind, die wir bereits gemacht haben. Nichts als Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle über jede körperliche Funktion, so heißt hier das Ziel.
Die dunkelhaarigen Frauen in den kurzen weißen Umhängen, die wir im Schädelhaus gesehen haben, sind in Wahrheit Sex-Priesterinnen, heilige Mösen, die den Bedürfnissen der Priester dienen und die uns jetzt, indem sie die Rolle eines Fruchtbodens für den Fruchtboden übernehmen, die heiligen, vaginalen Geheimnisse lehren. Was vorher die Ruheperiode nach der Nachmittagsarbeit war, wird jetzt zur Stunde der transzendentalen Kopulation. Man hat uns vorher nicht gewarnt. Am Tag, da alles begann, war ich gerade von den Feldern zurückgekehrt, hatte mein Bad genommen, und ich lag ausgestreckt auf dem Bett, als in der üblichen Art, ohne vorher anzuklopfen, Bruder Leon, der Arztbruder, mein Zimmer betrat, gefolgt von drei Mädchen in Weiß. Ich war nackt, aber ich merkte, daß ich keine Verpflichtung damit einging, meine lebenden Organe vor denen zu verbergen, die gerade deswegen hergekommen waren, und bald danach wurde mir klar, daß ich sowieso keine Gelegenheit erhielt, mich zu bedecken.
Die Frauen stellten sich an eine Wand. Dies war das erste Mal, daß ich Gelegenheit erhielt, sie aus der Nähe zu betrachten. Sie hätten Schwestern sein können: alle klein, schlank, hübsch — alles beieinander, dunkelhäutig, vorstehende Nasen, dunkle, wäßrige Augen, volle Lippen. Irgendwie erinnerten sie mich an die Mädchen auf minoischen Wandgemälden, obwohl sie genausogut Indianerinnen hätten sein können; auf jeden Fall sahen sie wirklich exotisch aus. Nachtschwarzes Haar, schwere Brüste. Irgendwo zwischen zwanzig und vierzig Jahren alt. Sie wirkten wie Statuen. Bruder Leon hielt eine kurze Ansprache. Es ist außerordentlich wichtig, sagte er, daß die Kandidaten lernen, ihre sexuelle Leidenschaft zu beherrschen. Die Samenflüssigkeit unbedacht auszugeben heißt, ein Stückchen zu sterben. Recht so, Bruder Leon! Die alte elisabethanische Regel: Orgasmus = Tod. Wir sollen allerdings nicht, fuhr er fort, den sexuellen Trieb unterdrücken, sondern wir sollen ihn beherrschen und ihn in unsere Dienste stellen. So gesehen, ist der Beischlaf zu begrüßen, die Ejakulation jedoch zu bedauern. Ich erinnerte mich daran, diesem Gerede vorher schon einmal begegnet zu sein, und schließlich wußte ich auch wo: Das war der pure Taoismus, ganz klar. Die Vereinigung von Yin und Yang, von Schwanz und Möse, ist Harmonie und notwendig für das Wohlergehen des Universums, aber die Vergeudung von Ching, dem Samen, ist selbstzerstörerisch. Man muß danach streben, den Ching zu behalten. Seltsam, Bruder Leon, du siehst gar nicht chinesisch aus! Wer, so frage ich mich, hat hier eigentlich von wem geklaut? Oder haben die Taoisten und die Bruderschaft unabhängig voneinander die gleichen Prinzipien aufgestellt?
Bruder Leon beendete seinen kurzen Prolog und sagte irgend etwas zu den Mädchen in einer Sprache, die ich nicht verstand. (Ich dachte später gemeinsam mit Eli darüber nach, aber er konnte sie auch nicht identifizieren. Aztekisch oder die Maya-Sprache, vermutete er.) Wenig später wurden die weißen Umhänge ausgezogen, und drei splitterfasernackte Yin-Hügel standen zu meiner Verfügung. Obwohl ich ein heuchlerischer Schwuler bin, war ich doch in der Lage, ein ästhetisches Urteil abzugeben: Es waren schon beeindruckende Mädchen. Schwere Brüste, an denen kaum ein Absacken zu bemerken war, flache Bäuche, feste Oberkörper, außergewöhnliche Oberschenkel. Keine Blinddarm- und keine Schwangerschaftsnarben. Bruder Leon bellte schnell einen unidentifizierbaren Befehl, und die Priesterin, die der Tür am nächsten stand, breitete sich auf dem kalten Steinboden aus, zog die Knie an und spreizte sanft die Beine. An mich gewandt, gestattete sich der Bruder ein leichtes Lächeln und machte mit den Fingerspitzen einer Hand Zeichen. Geh hin, Kerl, schien er mir sagen zu wollen. Der engelhafte Ned wurde verlegen. Er keuchte und suchte nach Worten. Hallo, was soll das denn? Du verstehst nicht, Bruder Leon, die bittere Wahrheit lautet: ich bin das, was man einen Warmen, einen Homo, einen Analficker, andersherum, einen vom anderen Ufer, einen Schwulen nennt. Eine Möse interessiert mich eigentlich weniger. Meine Vorlieben, das muß ich hier gestehen, gehören eigentlich der Unzucht. Aber ich sagte nichts dergleichen, und Bruder Leon gab mir erneut ein Zeichen, diesmal weniger herzlich. Ach, scheiß drauf, in Wahrheit bin ich immer bisexuell gewesen, wenn auch mit starkem Hang zum Schwulsein, und gelegentlich habe ich ja auch den Willen, das von der Kirche genehmigte Loch zu füllen. Und wenn das ewige Leben darauf zu bestehen scheint, will ich mich auch dieser Anordnung unterwerfen. Ich bewegte mich auf die gespreizten Schenkel zu. Heuchlerisch die Geilheit eines Heteros vorweisend, stieß ich mein Schwert in die wartende Dirne. Und was jetzt? Behalte deinen Ching, sagte ich mir, bewahre deinen Ching.
Ich bewegte mich mit langsamen, stetigen Stößen, während Bruder Leon mich von außerhalb trainierte, mir die Anweisung gab, der Rhythmus des Universums verlange, daß ich meine Partnerin zum Orgasmus bringe und gleichzeitig ich selbst mich zu hüten habe, dieses Stadium zu erreichen. Nun gut. Während ich jedes Stück meiner eigenen Vorstellung bewunderte, brachte ich meine Partnerin zu den gewünschten Zuckungen und Stöhnern: Ich selbst blieb neutral, nahm gar nicht daran teil, war völlig abgetrennt von den Abenteuern meines Werkzeugs. Als der göttliche Moment vorüber war, entzog sich mir meine befriedigte Partnerin mit einer geschickten und erfahrenen Bewegung ihres Beckens, und ich entdeckte, daß die Priesterin Nummer zwei sich auf dem Boden ausstreckte und sich in die richtige Position brachte. Okay, der Chefzuchtbulle wird zu Diensten stehen. Rein. Raus. Rein, Raus. Keuchen. Stöhnen. Wimmern. Mit der Präzision eines Chirurgen stach ich sie zur Ekstase. Bruder Leon gab von irgendwo hinter meiner linken Schulter einen lobenden Kommentar ab. Wieder ruckte das Becken, wieder wurde der Partner gewechselt. Eine weitere dunkle, weit aufstehende Yoni erwartete meine schimmernde, wilde Rute. Gott helfe mir. Ich kam mir langsam wie ein Rabbi vor, dem der Arzt erklärt hat, daß er auf der Stelle tot umfalle, wenn er nicht täglich ein Pfund Schweinefleisch esse. Aber Ned, mit seiner Was-kümmert’s-den-Teufel-Haltung, rammte auch diesmal den Bolzen in die richtige Stelle. Nun dürfe ich, sagte Bruder Leon, mir selbst die Befriedigung eines Orgasmus verschaffen. Mittlerweile stand ich ohnehin kurz vor der Grenze, und es geschah nicht ohne Erleichterung, als ich meine eiserne Selbstbeherrschung lockerte.
Somit bewegte sich unsere Prüfung in eine neue, abgeschmacktere Phase. Die Priesterinnen besuchen uns jeden Nachmittag. Wahrscheinlich halten die beiden Zuchtbullen Timothy und Oliver das Ganze für eine unerwartete Wohltat, eine reine Freude; vielleicht aber auch nicht; was man hier nämlich angeboten bekommt, ist nicht so angenehm wie die Art des guten, unverfälschten Bumsens, die ihnen so gefällt, sondern eher anstrengend, und es wird viel Wert darauf gelegt, sich in äußerster Selbstenthaltung zu üben, und das mag ihnen den ganzen Spaß daran verderben. Aber das ist ihr Problem. Meines liegt ganz anders. Armer alter Ned, du hattest in dieser Woche mehr Heterosex als in den letzten fünf Jahren. Doch dafür hat er Kredit verdient: Er tut alles, was sie von ihm verlangen, und beklagt sich nie darüber. Mutter Gottes, in meinen irrwitzigsten Träumen habe ich mir nie vorgestellt, daß der Weg zur Unsterblichkeit mich durch so viele weibliche Unterleiber führen wird!