Kapitel 21

Tyler unterzeichnete die Formulare, die die Einlieferung Margo Posners in die psychiatrische Abteilung des Reed-Hospitals besiegelten. Sie mußten zwar noch von drei Psychiatern bestätigt werden, aber das ließ sich, wie Tyler wußte, ohne größere Probleme arrangieren.

Er überprüfte die Angelegenheit von Anfang an noch einmal kritisch und kam zu dem Ergebnis, daß sein Plan keinerlei Schwachstellen aufwies: Dmitri war in Australien von der Bildfläche verschwunden, Margo Posner war aus dem Wege geräumt. Blieb nur noch Hal Baker, aber der war kein Problem. Einen wunden Punkt hat jeder, und bei Baker war es dessen Familie. Nein, Baker würde nie reden, weil er den Gedanken, sein Leben im Gefängnis und von seiner lieben Frau und den Kindern getrennt verbringen zu müssen, einfach nicht ertragen könnte.

Es lief alles ganz nach Plan.

Sobald das Nachlaßgericht das Testament meines Vaters für unbedenklich erklärt hat, werde ich nach Chicago zurückkehren und Lee abholen, und vielleicht werden wir uns in St-Tropez sogar ein Haus kaufen, und wir werden eine Weltreise machen auf meiner Jacht. Ich habe schon immer nach Venedig reisen wollen… und Positano… und Capri. In Kenia werden wir auf Safari gehen und in Indien im Mondschein das Taj Mahal bestaunen. Und wem habe ich das alles zu verdanken? Meinem Daddy, dem guten alten Daddy.»Du bist schwul, Tyler, und wirst schwul bleiben. Ich werde nie begreifen, daß einer wie du die Frucht meiner Lenden sein kann… «

Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten — und wer lacht hier wohl zuletzt, Vater?

Tyler ging nach unten, um seinen Geschwistern beim Mittagessen Gesellschaft zu leisten. Er hatte seinen Appetit wiedergefunden.

«Es ist wirklich ein Jammer, daß Julia so früh abreisen mußte«, sagte Kendall.»Ich hätte sie gern ein wenig besser kennengelernt.«

«Sie wird bestimmt bald wieder hierherkommen wollen«, meinte Marc tröstend.

Das ist zweifellos wahr, dachte Tyler, nur werde ich schon dafür sorgen, daß sie nie mehr frei herumläuft.

Dann sprachen sie über aktuelle Fragen.

«Woody wird sich eine Gruppe Polopferde kaufen«, warf Peggy schüchtern ein.

«Doch keine >Gruppe<, das heißt >Stall

«Tut mir leid, Liebling. Ich wollte nur…«

«Ist ja egal.«

«Und welche Pläne hast du?«wollte Tyler von Kendall wissen.

«… rechnen wir weiterhin mit Ihrer Unterstützung. In diesem Sinne würden wir es gutheißen, wenn Sie innerhalb der nächsten zehn Tage eine Million Dollar auf unserem Nummernkonto deponieren könnten

«Kendall?«

«Ach ja. Ich werde… ich werde geschäftlich expandieren und in London und Paris eine Filiale eröffnen.«

«Das klingt schrecklich aufregend«, meinte Peggy.

«In zwei Wochen habe ich in New York eine Modenschau und muß bald abreisen, damit ich alle nötigen Vorbereitungen treffen kann.«

Kendall warf einen Blick hinüber zu Tyler.»Was wirst du eigentlich mit deinem Erbteil anfangen?«

«Ich werde das Geld hauptsächlich für karitative Zwecke einsetzen«, erwiderte Tyler scheinheilig.»Es gibt da ja so viele Organisationen, die finanzieller Unterstützung bedürfen.«

Er hörte den Gesprächen nur noch mit halbem Ohr zu, und sein Blick wanderte geistesabwesend über seine Geschwister. Wenn es mich nicht gegeben hätte, wärt ihr leer ausgegangen. Ohne mich hättet ihr zwei nicht mal einen Pfennig geerbt.

Er ließ seine Augen auf Woody ruhen. Drogensüchtig war sein Bruder geworden und hatte sein Leben verplempert. Dem wird das viele Geld überhaupt nicht guttun, schoß es Tyler durch den Kopf, damit kann er sich nur noch mehr Drogen kaufen.

Dagegen war seine Schwester, so fand Tyler, eine kluge, erfolgreiche Frau, die was aus sich gemacht und ihre Talente genutzt hatte.

Marc, der auf dem Stuhl neben ihr saß, erzählte Peggy gerade eine lustige Anekdote. Ein gutaussehender, charmanter Kerl, dachte Tyler, welch ein Jammer, daß er verheiratet ist.

Und dann gab es noch Peggy, die arme Peggy, wie er sie insgeheim nannte. Warum sie es mit Woody aushielt, war ihm schleierhaft. Sie muß sehr in ihn verliebt sein, denn diese Ehe bringt ihr doch rein gar nichts.

Was würden sie wohl für Gesichter machen, wenn er jetzt aufstünde und ihnen erklärte: »Ich besitze die Aktienmehrheit beim Stanford-Konzern. Ich habe unseren Vater ermorden lassen, und ich bin's auch gewesen, der seine Leiche ausgraben und verschwinden ließ. Und ich habe eine Frau angeheuert, die sich als unsere Halbschwester ausgegeben hat.« Bei diesem Gedanken konnte er ein Grinsen nicht unterdrücken und hatte Mühe, sein delikates Geheimnis für sich zu behalten.

Nach dem Mittagessen zog Tyler sich auf sein Zimmer zurück, um noch einmal Lee anzurufen, aber er war nicht da. Er ist mit jemandem ausgegangen, überlegte Tyler verzweifelt. Er glaubt mir das mit der Jacht nicht. Aber ich werde es ihm beweisen! Wann gibt das verdammte Nachlaßgericht endlich das Testament frei? Ich werde Fitzgerald noch einmal anrufen müssen oder diesen jungen Anwalt Steve Sloane.

Ein Klopfen an der Tür. Tyler öffnete, und draußen stand Clark.»Verzeihung, Richter Stanford, für Sie ist ein Brief angekommen.«

Wahrscheinlich von Keith Perry, um mir zu gratulieren.

«Vielen Dank, Clark. «Er nahm den Umschlag entgegen, der in Kansas City aufgegeben worden war. Er schaute noch einmal irritiert hin, öffnete den Brief und las:

Sehr geehrter Richter Stanford,

Sie sollten, so meine ich, doch wissen, daß Sie eine Halbschwester namens Julia haben. Sie ist die Tochter von Rosemary Nelson und Ihrem Vater und lebt hier in Kansas City, und zwar unter der Adresse 1425 Metcalf Avenue, Apartment 36, Kansas City, Kansas. Ich bin sicher, daß Julia sich sehr freuen würde, von Ihnen zu hören.

Mit freundlichen Grüßen, eine Freundin.

Tyler betrachtete den Brief mit ungläubiger Miene, und es lief ihm kalt den Rücken herunter.»Nein!«rief er laut. Das werde ich nicht zulassen, wahrscheinlich ist sie eine Hochstaplerin. Doch er hatte das unangenehme Gefühl, daß diese Julia tatsächlich die wahre Julia war. Undjetzt meldet die Hexe sich, um ihren Anteil am Erbe zu beanspruchen. Meinen Anteil! verbesserte er sich. Er gehört ihr nicht. Ich muß verhindern, daß sie hier aufkreuzt. Es würde mir alles zunichte machen, denn dann müßte ich ja auch erklären, wie es zu der anderen Julia kam, und… Tyler erschauerte.

«Nein!«

Ich werde dafür sorgen, daß sich jemand um sie kümmert. Er griff nach dem Hörer und wählte Hal Bakers Nummer.

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