Kapitel 34

Abschied

He, Wächter! Schnell! Lord Mandible ist ermordet, der Angeklagte auf der Flucht, Lady Mandible in Lebensgefahr! Sie wird von einem wild gewordenen Schwein bedroht. Du wirst im großen Speisesaal gebraucht!«

Der Turmwächter glotzte Hector einen Moment an, dann klaubte er seine Waffen zusammen und rannte polternd und so schnell er konnte die Stufen hinunter.

Hector aber, der den Schlüssel zu der einsamen Turmzelle aus dem Zimmer des Barons mitgenommen hatte, schloss in fieberhafter Eile die schwere Zellentür auf. Der Gefangene auf der anderen Seite erwartete ihn schon. »Ich wusste, du würdest mich nicht vergessen«, sagte er grinsend.

»Wie könnte ich dich hier sitzen lassen?«, sagte Hector. »Ich verdanke dir mein Leben! Außerdem muss ich dich Verschiedenes fragen. Aber später. Lass uns verschwinden.«

Unten lagen die Gänge und Korridore verlassen. Als sie sich dem Haupteingang näherten, konnten Hector und sein Gefährte das Brüllen und Grunzen hören, das noch immer aus dem Speisesaal drang. Das Schwein war eingesperrt worden, und nun diskutierten die Jäger, wie sie ihm am besten zu Leibe rücken könnten. Die Nachricht von Bovriks Sturz hatte sich schnell verbreitet, und die, die dem Schwein unverletzt entkommen waren, rannten nun hinaus, um sich den zerschmetterten Körper anzusehen. So konnte das flüchtende Paar unbehelligt das Herrenhaus verlassen und zu den Ställen laufen.

Am Waldrand zügelte Hector sein Pferd und sah seinen Begleiter an.

»Wer bist du?«, fragte er schließlich. »Und warum folgst du mir?«

»Ich heiße Ludlow Fitch«, antwortete der junge Mann.

Hector blieb der Mund offen stehen. »Der Sohn von Lottie Fitch?«

Ludlow nickte. »Und Pollys Freund. Sie hat sich große Sorgen um dich gemacht, da habe ich ihr versprochen, dir zu folgen und, falls es mir möglich wäre, auch zu helfen. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich auch eigene Gründe dafür hatte. Du weißt nicht viel über mein Gewerbe, Hector, aber ich dachte mir, du könntest vielleicht mein Gehilfe werden.«

Hector schüttelte beschämt den Kopf. »Du wirst mich bestimmt nicht wollen«, murmelte er. »Zumindest würdest du mich nicht wollen, wenn du wüsstest, was für eine schreckliche Tat ich beinahe begangen hätte.« Er ließ sein Pferd eine Wendung machen, um noch einmal die verhängnisvolle Silhouette von Withypitts Hall zu sehen. »Ich kann den Gedanken daran kaum ertragen. In diesem Haus war ich … war ich nicht mehr ich selbst.« Und er unterdrückte ein Schluchzen und duckte sich tiefer in den Pferdesattel.

Ludlow legte ihm die Hand auf den Arm. »Ein Freund von mir hat immer gesagt: ›Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, aber jeder Augenblick ist eine Gelegenheit, deine Zukunft zu ändern.‹«

Hector wischte sich mit dem Ärmel die Nase ab. »Das hört sich nach einem guten Freund an.«

»Er war wie ein Vater zu mir.«

»Ich hatte einen Vater. Was ich getan habe, habe ich für ihn getan. Aber er wäre nicht stolz auf mich gewesen, nach dem, was ich beinahe geworden wäre.«

»Eines Tages wirst du mir erzählen, was du getan hast«, sagte Ludlow leise. »Ich werde dein Geheimnis für mich behalten. Doch jetzt sollten wir erst mal zusehen, dass wir vorankommen.«

Hector tastete vorsichtig über seine Schläfe. Die Wunde von dem Streifschuss brannte in der kalten Luft. »Ich muss in die Stadt zurück«, sagte er.

»Komm mit mir«, drängte Ludlow. »Ich kenne einen Ort in den Bergen, wo wir in Sicherheit wären, Atrium Arcanorum.«

»Stätte der Geheimnisse?«, sagte Hector überrascht.

»Ja«, nickte Ludlow. »Ein wunderbarer Ort. So etwas hast du noch nicht gesehen. Ich habe eine Freundin dort, Juno. Sie kann deine Verwundung heilen; sie weiß alles über Kräuterheilkunde. Aber vielleicht willst du ja lieber deiner eigenen Wege gehen? Wie auch immer, deine Schuld ist beglichen.«

Hector schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Was ist mit dem Rätsel von dem Wirt?«

Ludlow lachte. »Sag mir die Lösung unterwegs«, sagte er und trabte davon.

Hector warf einen letzten Blick auf Withypitts Hall, dann gab er seinem Pferd die Sporen. »Was für eine Art Gehilfe soll ich denn sein?«, rief er seinem neuen Gefährten zu.

Ludlow blickte über die Schulter zurück. »Das ist eine ganz andere Geschichte«, sagte er.

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