Fünfzehn

Drakon bevorzugte einfache Pläne. Einfache Pläne bedeuteten, dass weniger schiefgehen konnte. Natürlich konnten auch die einfachsten Pläne sich in völliges Chaos verwandeln, aber wenn man deren Bestandteile zahlenmäßig begrenzte, hatte man zumindest eine Chance, auch die Zahl der Fallstricke zu begrenzen, mit denen man sich auseinandersetzen musste, weil an ihnen der Plan scheitern konnte. »Nicht schlecht.«

Malin überprüfte seine eigenen Anzeigen zu dem Plan, während Morgan Drakon überrascht ansah. Beide wussten, dass »Nicht schlecht« etwas anderes bedeutete als »So machen wir’s«.

»Was stimmt denn nicht?«, wollte Morgan wissen.

»Nur eine Sache.« Er zeigte auf das Display über seinem Schreibtisch, das den Plan zum Vordringen ins Taroa-Sternensystem dreidimensional darstellte. »Sie lassen einen Frachter mit einer Hälfte einer Brigade früher und allein ins System fliegen, um die primären Orbitaldocks zu überraschen und einzunehmen, bevor der Rest der Streitmacht auftaucht. Das ist gut. Es ist extrem wichtig, dass wir diese Docks unversehrt einnehmen, und zwar mit allem, was dort gebaut wird – und natürlich den Facharbeitern, die das alles montieren. Aber Ihr Plan sieht vor, dass ein Teil von Gaienes Brigade zum Einsatz kommt, begleitet von Morgan, die mich vertreten soll, während ich mit Malin und Kais Brigade, Gaienes restlichen Soldaten und Senskis lokaler Brigade folge.«

»Damit komme ich schon zurecht«, erwiderte Morgan gereizt.

»Ja, aber Sie und Gaiene verhalten sich beide sehr aggressiv, wenn Sie in Aktion sind. Colonel Gaiene muss aber von jemandem begleitet werden, der die Flanken und den Rücken deckt. Jemand, der sicherstellen kann, dass wir das Hauptdock einnehmen, um das unter unsere Kontrolle zu bringen, was da gebaut wird. Jemand …«

»Ich kann das genauso gut wie Malin.«

»… der sofort mit den Freien Taroanern verhandeln kann, ehe denen klar wird, dass wir ihnen soeben ihre Primärdocks abgenommen haben. Und dieser Jemand … bin ich.«

Jetzt begann Malin zu widersprechen. »Sir, dieser vorausfliegende Frachter ist ohne Eskorte unterwegs. Wenn es im Taroa-Sternensystem auch nur eine leichte mobile Einheit gibt, die von den Schlangen oder den Loyalisten kontrolliert wird, dann könnte jemand auf die Idee kommen, den Frachter abzufangen. Das würde Sie in große Gefahr bringen.«

»Unsere letzte Information besagt, dass es bei Taroa keine Einheiten gibt, die der Kontrolle des Syndikats oder der Schlangen unterstehen«, hielt Drakon dagegen. »Wenn inzwischen eine aufgetaucht ist, wird sie sich nicht in der Nähe des Sprungpunkts nach Midway aufhalten, sondern in der Nähe des vierten Planeten, wo sich der Großteil der Bevölkerung befindet und wo die Schlangen und die Syndikat-Loyalisten gegen die beiden anderen Gruppen kämpfen. Unser Frachter wird einem Kriegsschiff lange genug ausweichen können, falls eines sich nähern sollte. Und wenn erst mal der Rest der Flotte eintrifft, verfügen wir über genug Feuerkraft, um es zu verjagen.«

»General, Sie sind zu wichtig, als dass Sie Ihr Leben so aufs Spiel setzen dürfen. Wenn die Loyalisten in den Docks nukleare Sprengladungen versteckt haben, können die die ganze Anlage in die Luft jagen, sobald ihnen klar wird, was da abläuft. Ich komme damit …«

»Nein«, ging Morgan dazwischen. »Ich komme damit zurecht.«

»Sie sind beide gut«, sagte Drakon. »Aber das hier ist meine Sache. Morgan, Sie leisten Colonel Kai Gesellschaft, und Sie, Malin, begleiten Colonel Senski. Ende der Diskussion.«

Sie unterhielten sich noch eine Weile über Details, dann machte sich Malin auf den Weg.

Als Morgan ebenfalls gehen wollte, blieb sie an der Tür stehen. »Wenn Sie das so machen, weil Sie glauben, Gaiene könnte sich zu einem Annäherungsversuch veranlasst sehen, nur weil wir beide auf dem gleichen Schiff sind, dann irren Sie sich.«

»Darum geht es nicht.« Jedenfalls nicht ganz genau darum. Die Vorstellung, dass Gaiene und Morgan über Tage hinweg auf dem Frachter unterwegs sein würden, gefiel ihm überhaupt nicht, und das nicht nur aus dem offensichtlichen Grund, dass Morgan eine verführerische Ausstrahlung besaß und Gaiene wie ein läufiger Hund jeder Frau nachstellte, die in seine Nähe kam. Beide wussten durchaus, wann sie diesen Aspekt ihrer Persönlichkeit zu bändigen hatten. Was exakt ihn so sehr daran störte, beide zusammen auf diesem Frachter reisen zu lassen, konnte Drakon nicht so genau sagen, aber er wusste, wann er auf seine Instinkte hören musste. Außerdem wollte er die Gewissheit haben, dass ausschließlich er als Erster mit den Freien Taroanern Kontakt aufnahm. »Es geht darum, dass ich direkten Kontakt mit den Bewohnern des primären Planeten im Taroa-System aufnehmen will. Ihre Vorstellung von Diplomatie hat eher etwas Aggressives an sich und verlässt sich etwas mehr auf Feuerkraft, als es hier angemessen sein dürfte.«

Morgan musterte ihn, dann grinste sie. »Ja, stimmt. Ich kann besser Dinge kurz und klein schlagen. Alles klar, General.«

»Sie und Malin werden auf zwei verschiedenen Schiffen reisen. Sorgen Sie dafür, dass das auch so bleibt. Ich will auf keinen Fall, dass mein Kommandostab sich auf ein einzelnes Schiff konzentriert.«

Ihr Grinsen wurde noch etwas breiter. »Und Sie wollen auch nicht, dass Ihr Kommandostab halbiert wird, nur weil ich genug habe von Malin und ihn ausweide wie einen Fisch. Schon verstanden. Aber da wäre noch was anderes.«

»Und zwar?«

»Colonel Rogero. Ganz allein zu Hause mit Ihrer Königlichen Hoheit.«

»Reden Sie von Präsidentin Iceni?«

»Ja, Sir.« Sie wurde ernst und trat vor. »General, wir wissen, Rogero hatte Verbindungen zu den Schlangen, und er hat immer noch Verbindungen zur Allianz …«

»Das Thema ist bereits erledigt.«

»… woher wissen wir also, ob er nicht auch Verbindungen zu Iceni hat?«, fuhr sie unbeirrt fort. »Woher wissen wir, ob er sie nicht mit Informationen versorgt, die nur jemand aus Ihrem unmittelbaren Umfeld wissen kann?«

Drakon dachte über diese Frage nach, weil er gelernt hatte, dass es nicht verkehrt war, auf Morgans Instinkt zu hören. »Danach zu urteilen, wie Sie die Frage formuliert haben, kann ich annehmen, dass Sie dafür jedoch keinen Beweis vorlegen können.«

»Den könnte ich aber beschaffen.«

»Echte Beweise, Morgan. Wir sind hier nicht beim ISD. Wir suchen nicht nach Wegen, um jemandem mit erfundenen Beweisen eine Schuld anzuhängen.«

Sie schüttelte den Kopf, aber Drakons Ermahnung schien sie nicht zu beeindrucken. »Nein, ich habe keine Beweise, aber ich halte Ausschau danach.«

»Das gehört zu Ihrem Job. Wollten Sie andeuten, ich soll Sie hier zurücklassen, damit Sie Rogero persönlich im Auge behalten können?«

»Nein, Sir. Ich wollte andeuten, dass Sie etwas gegen ihn unternehmen sollten, bevor es zu spät dafür ist.«

»Nein. Das wäre alles, Colonel Morgan.«

Togo stand vor Icenis Schreibtisch, seine übliche Reglosigkeit erschien ihr irgendwie eindringlicher als sonst. »Ich bin um Ihre Sicherheit besorgt, Madam Präsidentin.«

Das hörte sich nicht gut an. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn. »Was haben Sie herausgefunden?«

»General Drakon wird dieses Sternensystem mit dem größten Teil seiner Senior-Offiziere verlassen.«

»Das ist mir bekannt.«

»Er lässt Colonel Rogero hier zurück«, fuhr Togo fort. »Den Mann, der zuvor versucht hat, Sie zu töten.«

Iceni schüttelte den Kopf. »Ich habe Rogeros Akte zweimal überprüft. Er ist ein exzellenter Schütze. Wenn er mich hätte erschießen wollen, als ich auf das Schlachtschiff kam, dann hätte er mich auch getroffen.«

»Das kann man nicht mit Sicherheit sagen, solange wir nicht genau wissen, ob er bei der Ausführung seiner Befehle versagt hat.«

»Sie glauben, Colonel Rogero bleibt hier, um dafür zu sorgen, dass ich umgebracht werde? Oder um mich persönlich zu töten?«

Togo nickte nachdrücklich. »Während General Drakon sich außerhalb dieses Sternensystems aufhält. Dann hat er das perfekte Alibi und kann leugnen, damit irgendetwas zu tun zu haben.«

Das war die Umkehr des vorangegangenen Arguments, was natürlich nicht bedeutete, dass es jeglicher Logik entbehrte. »Verfügen Sie über irgendwelche Informationen, die Colonel Rogero mit einem Attentatsplan in Verbindung bringen, der gegen mich gerichtet ist?«

Diesmal zögerte Togo. »Es gibt einige sehr beunruhigende Gerüchte über Colonel Rogero, Madam Präsidentin. Die lassen Zweifel an seiner Loyalität aufkommen und werfen die Frage auf, wessen Befehle er tatsächlich befolgt.«

Also war etwas durchgesickert, was Rogeros Verbindung zum ISD und zu dieser Frau aus der Allianz betraf. »Gerüchte?«, wiederholte Iceni. »Sie kennen meine Einstellung zu Gerüchten.«

»Ich habe nichts Belegbares, aber die Gerüchte deuten darauf hin, dass Colonel Rogero extrem gefährlich sein könnte. Er sollte ausgeschaltet werden, bevor …«

»Nein.« Iceni beugte sich vor, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Das erlaube ich nicht. Wenn Sie Beweise finden, will ich sie sehen. Wenn Sie außer Gerüchten nichts zu bieten haben, bleibe ich bei meiner Haltung.«

»Aber, Madam Präsidentin …«

»Beweise.«

»Bei allem Respekt, Madam Präsidentin, aber es könnte sein, dass es Ihr Tod ist, der den Beweis liefert.«

»Das glaube ich nicht.« Sie lehnte sich wieder zurück und lächelte flüchtig. »Außerdem habe ich eine viel zu hohe Meinung von Ihren Fähigkeiten, um zu glauben, dass Colonel Rogero eine Gefahr für mich darstellen könnte, solange Sie in der Nähe sind.«

Togo stand auf und nickte erneut. »Ich werde Sie beschützen, Madam Präsidentin.«

»Natürlich werden Sie das.«

Sie sah ihm nach, wie er ihr Büro verließ, dann widmete sie sich mit einem leisen Seufzen wieder der Arbeit. Vielleicht stellte Rogero ja tatsächlich eine Bedrohung dar, aber sie zweifelte nicht daran, dass er allen möglichen Befehlen zum Trotz gezielt an ihr vorbeigeschossen hatte. Und dass er mit seinem Schuss eine Schlange getötet hatte, deren Absichten ihr gegenüber gar nicht erst erwähnt werden mussten. Allein dafür verdiente Rogero von ihrer Seite aus erst einmal eine Verschnaufpause.

Sie hatte Drakon versprochen, keine weiteren Hinrichtungen anzuordnen, ohne ihn zuerst zu informieren. Aber Attentate fielen nicht unter diese Zusage. Voraussicht, wie sie von den CEOs der Syndikatwelten angewandt wurde, hatte zur Folge, dass man auch mal einem Irrtum unterlag, wenn potenzielle Bedrohungen eliminiert wurden.

Aber ihr ging immer noch durch den Kopf, was Kommodor Marphissa darüber gesagt hatte, dass sichergestellt werden sollte, nur die tatsächlich Schuldigen zu bestrafen. Und Drakon schien ihr auch noch zugehört zu haben, als sie darauf zu sprechen gekommen war. Es hatte nicht so ausgesehen, als gaukele er bloß mit gelegentlichem Nicken Interesse an dem vor, was sie redete. Letzteres war nicht mehr so oft vorgekommen, seit sie CEO und nun Präsidentin war, doch als sie noch jünger gewesen war, hatte sie dieses Desinteresse immer wieder beobachten können. Heute gab man sich zudem auch viel mehr Mühe, Aufmerksamkeit vorzutäuschen. Nicht so Drakon. Er hatte tatsächlich aufgepasst. Einen Moment lang … nein, du kannst es dir nicht leisten, so zu denken. Du hast dich ihm gegenüber so geöffnet, weil du erleichtert darüber warst, heil zurückgekommen zu sein und bei der Ankunft gleich auch noch die Syndikat-Flotte zu vertreiben. Und weil du festgestellt hast, dass er nichts gegen dich unternommen hat. Aber das sagt nichts darüber aus, ob er womöglich doch an einem Plan gegen dich arbeitet, den er umsetzen wird, wenn du ihm nur die richtige Gelegenheit dafür bietest. Vertraue keinem, erst recht keinem anderen CEO. Und genau das ist Artur Drakon, auch wenn er sich jetzt General nennt.

Halt dir das immer vor Augen, Gwen. Du kannst ihm gegenüber nicht unachtsam sein. Wenn er dich erst mal ins Bett kriegt … oh.

Wow.

Ich wünschte, das hätte ich jetzt nicht gedacht.

Wie Iceni ganz zutreffend gesagt hatte, konnten Reisen durchs Weltall sehr langweilig sein, selbst wenn man unbegrenzt Zugriff auf Filme, Bücher und Musik hatte. Wobei man ohnehin nicht davon ausgehen durfte, dass ein Frachter überhaupt darauf eingestellt war, für die Unterhaltung und den Zeitvertreib einer halben Brigade sorgen zu können, die sich in umfunktionierten Frachträumen drängte.

Drakon genoss den Luxus eines eigenen Quartiers, wenn es auch kaum größer als ein Schrank war und außer Privatsphäre kaum etwas zu bieten hatte. Taroa war mit viereinhalb Tagen hinsichtlich der Zeit im Sprungraum nicht besonders weit entfernt, dafür erschien der Flug bis zum Sprungpunkt selbst umso länger. Und nach der Rückkehr in den Normalraum schloss sich eine lange, angespannte Reise an, die den vierten Planeten im Taroa-Sternensystem zum Ziel hatte.

Im System hielten sich derzeit tatsächlich keine Kriegsschiffe auf, aber es ließ sich nicht ausschließen, dass jeden Moment irgendeines hier eintraf. Es würde schon das Auftauchen eines Jägers oder einer Korvette genügen, um den Frachter in Bedrängnis zu bringen. Die kleinen schnellen Kampfschiffe, die sich noch bis vor Kurzem zu Verteidigungszwecken außerhalb der Planetenatmosphäre aufgehalten hatten, waren vor Monaten von Prime zurückbeordert und in irgendwelche andere Sternensysteme geschickt worden, um sich an dem letztlich doch aussichtslosen Kampf gegen Black Jacks Flotte zu beteiligen. Weder waren diese Schiffe zurückgekehrt noch hatte man Ersatz geschickt, sodass für den Augenblick keine Gefahr drohte.

Als der Frachter noch zwölf Stunden von den Hauptdocks im Orbit um den vierten Planeten entfernt war, unternahm Drakon einen Spaziergang durch die umgebauten Frachträume und die übrigen begehbaren Bereiche des Schiffs. Die zivile Crew verhielt sich ihm gegenüber unterwürfig. Sie alle wussten, dass ihnen jeden Augenblick der Tod drohte, wenn sie sich auf irgendeine Weise seinen Zorn zuzogen. Kurzzeitig hatte Drakon mit dem Gedanken gespielt, einem der nervösesten Besatzungsmitglieder zu sagen, wie sehr ihn dieses unterwürfige Verhalten anwidere, nur um die Reaktion darauf zu erleben. Er nahm jedoch davon schnell wieder Abstand, weil es einfach nur gehässig und grausam gewesen wäre. Immerhin wusste er aus eigener Erfahrung als junger Offizier, dass diese Art von Späßen nur für die Vorgesetzten witzig war, die sich solche Bemerkungen erlaubten.

Wo er auch auftauchte, überall begrüßten ihn seine Soldaten mit vorgespieltem Erstaunen, während sie an ihrer Ausrüstung arbeiteten oder sich auf dem Gebiet der Taktiken weiterbildeten oder mit virtuellen Trainingsgeräten beschäftigt waren. Drakon wusste nur zu gut, dass seine Leute sehr genau darüber Bescheid wussten, wo er sich auf dem Frachter gerade aufhielt, und dass sie sich untereinander frühzeitig warnten, sobald sie wussten, in welche Richtung er als Nächstes unterwegs war. Wenn er sich Mühe gegeben und ein paar unerwartete Richtungswechsel eingelegt hätte, wäre es ihm wahrscheinlich gelungen, ein paar Soldaten beim Glücksspiel oder bei unerlaubten Wettkämpfen ohne Waffen zu erwischen, aber das Resultat war diese Mühe nicht wert. Seine Leute wussten auch so, dass sie kurz vor einem Kampfeinsatz keine wilden Partys mehr feiern durften. Also folgte Drakon gemächlich einem leicht vorhersehbaren Weg durch das Schiff, suchte die umfunktionierten Frachträume auf und ging durch Korridore, in denen zu beiden Seiten Soldaten gegen die Wände gelehnt saßen, manche wach, manche fest eingeschlafen. Ihnen allen zeigte sich Drakon von einer ruhigen, gelassenen Seite, die nur zum Teil vorgespielt war. Sein Verhalten wurde von den Leuten in gleicher Weise erwidert, die diese Ruhe aber auch wirklich spätestens dann unter Beweis zu stellen hatten, wenn der Moment des Angriffs gekommen war.

Auf dem Rückweg zurück zu seinem Quartier, in dem er noch einige letzte Vorbereitungen treffen wollte, traf er auf den Befehlshaber der Brigade. Colonel Gaiene saß im Gang, den Rücken gegen ein Schott gedrückt, den Blick auf das gegenüberliegende Schott gerichtet, wo sich niemand hingesetzt hatte. Hätte man Colonel Gaiene mit einem Wort beschreiben müssen, wären die meisten Leute wohl auf »schneidig« oder »galant«, vielleicht auch noch auf »draufgängerisch« gekommen. Selbst jetzt, da er im Korridor saß, erweckte er den Eindruck, er könnte jeden Moment aufspringen und zum Angriff übergehen.

Das war das Bild, das er vermittelte, bis man ihm in die Augen sah, in die dunklen und ermatteten Augen eines Mannes, der aber vom mittleren Alter noch ein paar Jahre entfernt war. Als er bemerkte, dass Drakon sich ihm näherte, hob er den Kopf und sah ihn an. »Guten Tag, General.«

»Guten Tag.« In der Nähe des Kommandodecks hielten sich nur wenige andere Soldaten auf, die ihrem Brigadekommandanten so viel Freiraum und Privatsphäre ließen, wie es die gegebenen Bedingungen erlaubten. Drakon nutzte die Gelegenheit und setzte sich zu dem Mann. »Wie geht es Ihnen?«

»Ich bin nüchtern. Und allein. Leider.« Eine Soldatin ging an ihnen vorbei, und er warf ihr einen unauffälligen, aber interessierten Blick zu. »Kein Sex mit Untergebenen. Ist diese Vorschrift tatsächlich notwendig?«

»Leider ja.«

»Den meisten CEOs ist das egal. Die meisten CEOs würden jetzt längst einen Drink in der einen Hand halten und eine hübsche Untergebene im anderen Arm.«

Drakon grinste ihn an. »Ich bin aber nicht die meisten CEOs.«

»Nein, das sind Sie nicht.« Nachdenklich starrte Gaiene das Schott ihm gegenüber an. »Und ich bin klug genug, dafür dankbar zu sein.«

»Im Gefecht sind Sie genial, Con.«

»Und in der übrigen Zeit bin ich eine schreckliche Nervensäge.« Gaiene fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Dabei fiel Drakon auf, dass er an einem Finger einen Ring trug. Vor wie langer Zeit war sie schon gestorben? Seitdem hatte Gaiene versucht, sie mit jeder willigen Frau und mit jeder verfügbaren Flasche Alkohol zu vergessen. Und trotzdem trug er noch immer ihren Ring. »Ich weiß gar nicht, warum Sie mich nicht schon längst abgeschossen haben.«

»Ich habe meine Gründe.«

»Jeder andere CEO hätte mich mittlerweile in einem Arbeitslager abgeliefert«, hielt Gaiene dagegen. »Wahlweise als Bewacher oder als Insasse.«

Drakon nickte. »Was eine wahre Vergeudung wäre.«

»Eine Vergeudung. Ja, wirklich. Damit kennen wir uns ja alle aus, nicht wahr? Vernarbte Leben und geschädigte Seelen. Wir sind alle verdammt, wie Sie wissen«, fuhr der Colonel im Plauderton fort. »Überall, wo wir gekämpft haben, ist ein kleines Stück von uns selbst zurückgeblieben und von einem kleinen Stück jener Hölle ersetzt worden, die wir dort vorfanden. Inzwischen finden sich hundert winzige Stücke von uns an hundert Orten verstreut, die allesamt vom Tod heimgesucht wurden. Ich sehe diese Orte, ich sehe sie ständig vor mir. Meistens in meinen Träumen, aber manchmal auch, wenn ich wach bin.«

Gaiene konnte recht trübsinnig sein, wenn er nüchtern war, doch das hier stellte alles Dagewesene in den Schatten. »Geht es Ihnen gut?«, fragte Drakon. »Können Sie in einen weiteren Kampf ziehen?«

»Mir geht’s gut. Die Seelenklempner sagen, ich werde bald mein emotionales Gleichgewicht zurückgefunden haben. Bloß erzählen sie mir das schon seit langer Zeit. Ich werde aber weitermachen wie gewohnt«, ergänzte Gaiene, der sich mit einem Mal etwas distanziert anhörte. »Ich werde bis zu meinem letzten Tag weitermachen, und dann bekomme ich von Ihnen ein angemessenes Kriegerbegräbnis. Und dann werden Sie weitermachen.«

»Es sei denn, unser Leben endet genau am gleichen Tag.«

»O nein, General. Sie brauchen nicht vom Ende zu reden. Sie haben noch eine Zukunft.«

»Sie ebenfalls.«

Diesmal erwiderte Gaiene nichts, sondern saß nur da und starrte vor sich, wobei seine Augen eine andere Zeit und einen anderen Ort wahrnahmen.

Es gab noch genügend für Drakon zu erledigen, dennoch blieb er lange Zeit schweigend neben Gaiene sitzen, Schulter an Schulter mit dem Mann; vor sich eine ungewisse Zukunft, hinter sich eine viel zu deutlich im Gedächtnis gebliebene Vergangenheit.

»Fünf Minuten bis zum Andocken«, verkündete eine automatische Stimme überall auf dem Frachter. Der Schiffsführer hatte eine Frauenstimme mit einem ausgeprägten, fremdartigen Akzent ausgewählt, die bewirkte, dass man wegen der Fremdartigkeit sofort aufmerksam wurde, sich aber gleichzeitig darüber ärgerte, dass manche Worte extrem schwierig zu verstehen waren.

»Wahrscheinlich hat der Eigentümer seine Geliebte diese Texte sprechen lassen«, merkte Gaiene an. Er und die Soldaten trugen jetzt ihre Gefechtsrüstung und warteten nur darauf, dass der Andockvorgang abgeschlossen war.

»Eine andere Erklärung will mir auch nicht einfallen«, erwiderte Drakon. Seine Rüstung war mit den Systemen des Frachters verbunden worden, sodass er den Anflug unmittelbar mitverfolgen konnte. Auf dem Bildschirm hoben sich die Konturen des strahlend weißen Docks von der Schwärze des Alls deutlich ab. »Kein Hinweis auf besonder- Augenblick mal. Das sieht nach einem gepanzerten Trupp lokaler Soldaten aus.«

Colonel Gaiene seufzte missmutig auf. »Dann müssen wir ja Munition vergeuden.«

»Nicht zwangsläufig. Die machen nicht den Eindruck, als warteten sie auf uns.« Die Soldaten im Dock gingen unbekümmert hin und her, wobei ihre Silhouetten vor dem grellen Weiß der Dockwände gut zu erkennen waren. Würden sie mit Ärger rechnen, hätten sie sich wohl eher im Schatten aufgehalten. Zudem gingen sie sehr lässig mit ihren Waffen um, die sie entweder über die Schulter gelegt oder mit der Mündung nach unten an eine Wand gelehnt hatten. Ähnliche Sorglosigkeit hatte Drakon schon anderswo erlebt, wenn er Einheiten befehligte, die die gleiche Einstellung hatten wie diese Soldaten hier. Allerdings waren sie bei ihm mit einem derartigen Verhalten nicht weit gekommen. »Es sieht mehr so aus, als wenn sie schon viel zu lange in Alarmbereitschaft sind und sich inzwischen langweilen. Wahrscheinlich spulen sie immer das gleiche Programm ab, wenn ein Schiff eintrifft.«

»Wollen Sie sie lebend haben?«

Nach kurzem Überlegen nickte Drakon. »Es ist wichtig, dass die Schlangen in dieser Einrichtung nicht merken, was sich hier abspielt, bis es zu spät für sie ist, noch die Selbstzerstörung zu aktivieren. Je früher wir das Feuer eröffnen, desto weniger Zeit bleibt uns. Wie überraschen wir sie so sehr, dass wir sie schnell genug überwältigen können, damit ihnen keine Gelegenheit mehr bleibt, einen Alarm auszulösen?«

Gaiene lächelte. »Schmuggelware in einem der Frachtabteile. Die Art von Schmuggelware, die gelangweilte Soldaten nur zu gern in die Finger bekommen möchten. Danach werden sie persönlich suchen wollen, bevor ihnen ein Vorgesetzter dazwischenfunkt und alles konfisziert.«

»Was für eine Schmuggelware sollte das sein?«

»Hmm … wie wär’s mit Glücksstaub?« Das war eine mythische Droge, die sich mit keiner bekannten Technologie aufspüren ließ und nur mit einer Suche per Hand gefunden wurde. Sie machte nicht süchtig, sie hatte keine Nebenwirkungen, sie war preiswert, und wenn man sie einnahm, fühlte man sich so, wie sich Gott wohl auch fühlte.

»Glücksstaub existiert eigentlich gar nicht«, machte Drakon ihm klar. »Dieses Zeugs ist nichts weiter als eine Legende, die zugegeben überall verbreitet ist. Ich glaube, ich war noch nie irgendwo, wo man davon noch nicht gehört hatte.«

»Was bedeutet, dass wir auch gar nichts davon an Bord haben müssen«, gab Gaiene amüsiert zurück. »Sergeant Shand!«

Ein stämmiger Soldat trat gemächlich vor. »Ja, Colonel?«

»Raus aus der Panzerung und Schutzanzug anziehen. Sie sind ein Drogenschmuggler und haben eine Lieferung Glücksstaub mitgebracht. Sie wollen den Trupp lokaler Soldaten da draußen mit dem Zeug bestechen, wenn man Sie dafür den Rest behalten lässt. Sorgen Sie dafür, dass die alle in den Frachtraum kommen.«

»Ja, Colonel.«

Als die Greifer des Docks einrasteten, ging ein leichtes Vibrieren durch den Frachter. Da war Sergeant Shand längst fertig und sah bemerkenswert zwielichtig aus, gekleidet in einen speckigen Schutzanzug, den er aus dem Notfallschrank des Schiffs geholt hatte. Shand ging zur Frachtluke, während Gaiene seine Leute so im Frachtraum verteilte, dass sie sich hinter allem versteckten, das als Tarnung dienen konnte.

Drakon beobachtete die Szene, sein Herzschlag war unter Kontrolle, der Atem ging ruhig und gleichmäßig. Er konnte darauf vertrauen, dass Gaiene die Situation im Griff hatte, dennoch musste er die Konzentration wahren, um Probleme gegebenenfalls im Ansatz zu erkennen und dafür zu sorgen, dass alles glatt verlief.

Als einer der gelangweilten Soldaten die Luke öffnete, um auf die Schiffsdaten zuzugreifen und die Frachtliste zu überprüfen, war Sergeant Shand bereits zur Stelle. Er unterhielt sich über eine Verbindung zwischen den Schutzanzügen auf dem Mannschaftskanal mit dem Mann, gleichzeitig gestikulierte er auf eine einladende und zugleich bittende Art.

Weitere Soldaten kamen dazu, auch ihnen bedeutete Shand, doch an Bord zu kommen.

Sie folgten ihm, und Drakon zählte einen kompletten Trupp, nachdem auch der Letzte das Schiff betreten hatte. Das von außen übertragene Bild zeigte ihm, dass sonst niemand mehr im Dock zu entdecken war.

Ein plötzliches Rascheln war der einzige Hinweis auf die Bewegungen mehrerer Kompanien, die aus ihren Verstecken kamen und ihre Waffen auf die entsetzten lokalen Truppen richteten. Die waren klug genug, sich nicht von der Stelle zu rühren und keinerlei Bewegungen zu machen.

Auf dem Dock tauchte in dem Moment eine einzelne weibliche Gestalt in Gefechtsrüstung auf, blieb lange genug stehen, um die Situation zu erfassen, dann setzte sie sich in Richtung des Frachters in Bewegung. Dabei machte sie den Eindruck, äußerst unzufrieden und im Begriff zu sein, dieser Unzufriedenheit Luft zu machen. »Ist die Truppführerin mit dabei?«, fragte Drakon an Gaiene gewandt.

Nur einen Moment später kam die Antwort: »Nein.«

»Dann hat sie soeben gemerkt, dass sich all ihre Leute hier auf dem Frachter befinden. Sie kommt zu uns herüber und dürfte vor Wut kochen.«

Sekunden später kam der Sergeant durch die Luke hereingestürmt, blieb aber sofort stehen, als vier von Gaienes Leuten ihre Waffen auf ihren Helm richteten.

Gaiene schnalzte missbilligend. »Die Truppführerin hat versucht, einen Alarm zu senden, aber wir konnten ihn stören, bevor er das Schiff verlassen konnte. Die Dame ist erstaunlich bewandert, was wüste Flüche angeht.«

»Die kann sie sich für ihren Trupp aufheben, solange der an Bord eingesperrt bleibt«, gab Drakon zurück, während die lokalen Soldaten entwaffnet und weggeführt wurden. »Uns bleiben bestenfalls ein paar Minuten, bis jemandem auffällt, dass das Dock verlassen ist.« Er schaltete auf das Befehlsband um, das ihn mit allen Soldaten verband. »Vergessen Sie nicht, dass Sie jedem Soldaten, der die Anlage verteidigt, die Gelegenheit zur Kapitulation geben, sofern er nicht bereits auf Sie schießt. Wir müssen uns beeilen, und wir können keine letzte Verteidigungslinie gebrauchen, die uns nur Zeit kostet. Und jetzt los!«

Indem sie die riesigen Frachtluken benutzten, platzten die Elemente der Brigade förmlich aus dem Frachter heraus, um nach draußen zu gelangen. Die Soldaten schwärmten im Dock aus und nahmen Kurs auf die Ziele, die jedem Einzelnen von ihnen in die Elektronik seiner Rüstung überspielt worden war. Bei Midway hatte es genügend Pläne gegeben, die diese Anlage im Detail zeigten, und die Soldaten waren während der Reise hierher in Trainingsläufen immer wieder ihre Vorgehensweise durchgegangen. So gab es jetzt kein Zögern oder Überlegen, als die reale Einrichtung gestürmt wurde.

Gleich hinter dem Zugang von der Station zum eigentlichen Dock saß eine Schlange an ihrem Schreibtisch und starb durch einen gezielten Schuss, noch bevor sie eine Ahnung hatte, was überhaupt geschehen war. Der Alarmknopf blieb unangetastet. Eine Gruppe Zivilisten floh in Panik, andere warfen sich auf das Deck und kauerten sich zitternd zusammen. Aber die Soldaten ignorierten diese Leute – bis zu dem Moment, da ein Zivilist versuchte, eine Alarmtaste an der Wand auszulösen. Er wurde mit einem gezielten Fausthieb bewusstlos geschlagen.

Drakon hielt sich zurück und versuchte, mitten in der großen Gruppe aus Soldaten zu bleiben, die in alle Richtungen ausschwärmten. Seine Konzentration galt nicht dem Geschehen unmittelbar um ihn herum, sondern der gesamten Lage, die er auf seinem Helmdisplay überschauen konnte. Dort hielt er Ausschau nach möglichen Schwierigkeiten, insbesondere bei den Einheiten, die auf dem Weg zum Hauptdock waren, und jenen, welche die Überwachungsabteilung für die Orbitaldocks zum Ziel hatten.

Colonel Gaiene schien überall zugleich zu sein. Immer führte er irgendwo eine Gruppe und trieb seine Truppen zur Eile an, damit sie so viele Bereiche der Einrichtung wie möglich besetzten und so viele lokale Soldaten überwältigten, wie sie nur konnten, bevor der erste Alarm ertönte.

Ein Team aus Gefechtsingenieuren fand Zugang zu den Kontrollschaltkreisen der Docks und begann mit dem Herunterladen von Programmen, um die Kontrolle über alle Systeme zu übernehmen und so zu verhindern, dass die Verteidiger noch irgendwelche Befehle eingaben.

Während Gaienes Truppen durch weiterhin geöffnete Luken und durch Korridore rannten, die von niemandem verteidigt wurden, blieben Alarme in jeglicher Form immer noch aus. Die Kasernen nahe den Docks wurden von den Angreifern regelrecht überschwemmt, die überrumpelten Verteidiger konnten nur völlig verdutzt dreinschauen, mit einem Mal mit solchen Massen von Soldaten konfrontiert zu werden. Auch sie waren alle klug genug, sich zu keinerlei Gegenwehr verleiten zu lassen.

Der Angriff breitete sich in der Anlage wie eine unregelmäßig geformte Blase aus, da die Soldaten vom Dock gesehen in alle Richtungen gleichzeitig ausschwärmten. Hier wurde ein Pausenraum eingenommen, in dem sich Arbeiter aufhielten, die eben von ihrer Schicht gekommen waren, woanders besetzten die Eindringlinge Werkstatträume. »Sekundäre Docks gesichert«, meldete ein Bataillonskommandant an Gaiene und Drakon. »Rücken jetzt zum Hauptdock vor.«

Drakon konzentrierte sich auf die Displays der Anführer jener Einheiten, die auf das Hauptdock vordrangen. Die Sicherheitstüren waren unbewacht, stattdessen verließ man sich auf vollautomatische Reader, die im Handumdrehen außer Gefecht gesetzt wurden. Und dann stürmten die Soldaten auch schon ins Hauptdock. »O verdammt«, rief einer der Anführer, als er das Objekt sah, das dort vor den Blicken Unbefugter versteckt wurde. »Schlachtschiff oder Schlachtkreuzer, so viel ist sicher.«

»Eins von beiden wird das sein, wenn es irgendwann mal fertiggestellt ist«, ließ ein anderer verlauten. »Im Augenblick ist es nur eine Hülle.«

Erschrockene Arbeiter der Spätschicht ließen ihr Werkzeug fallen und hoben kapitulierend die Arme, als sie auf einmal von den Soldaten umringt waren. »Hier gibt es keinen Widerstand, auch keine Wachen. Das Hauptkonstruktionsdeck ist gesichert.«

»Überzeugen Sie sich davon, dass nirgendwo Sprengladungen angebracht sind, mit denen sich diese Hülle noch zerstören lassen könnte«, befahl Drakon. »Nehmen Sie ein paar von den Arbeitern mit und sehen Sie sich das Ding komplett an.«

Schließlich ertönte ein erster Alarm, da irgendwo irgendwem aufgefallen war, dass es Probleme gab. Da Drakons Ingenieure die Informationen, die an das Kontrollzentrum gerichtet waren, aber weiter störten, schien bislang noch niemand erkannt zu haben, dass sie angegriffen wurden. Verwirrte automatische Systeme versuchten herauszufinden, von welcher Art der Notfall überhaupt war, konnten sich aber nicht entscheiden, da immer wieder ein anderer Sirenentyp ertönte. Mal war es ein Feueralarm, gleich darauf wurde vor der Kollision mit einem Objekt gewarnt, daraus wurde der Dekompressionsalarm, der dann zum Feueralarm zurückkehrte.

Wo zum Teufel sind die Schlangen?, wunderte sich Drakon und suchte auf seinem Display nach irgendeinem Hinweis auf sie. »Haben wir alle Schaltkreise unter Kontrolle?«

»Nein, Sir«, antwortete ein Gefechtsingenieur. »Es existieren ein paar redundante und völlig eigenständige Schaltkreise, an die wir bislang nicht herankommen können.«

»Colonel Gaiene, Ihre Soldaten sollen für unsere Ingenieure so schnell wie möglich einen Zugang zu allen Schaltkreisen finden. Übergehen Sie notfalls andere Ziele. Die müssen warten, bis wir wissen, dass wir die Kontrolle über alles erlangt haben.«

Ein Zug stieß auf eine Schlangenkaserne; wohl durch die unklaren Alarmmeldungen verunsichert, versuchte das ISD-Personal gerade in aller Eile, Gefechtsrüstung anzulegen. Nach einer Schrecksekunde, während der sich beide Seiten nur verdutzt anstarrten, feuerten Gaienes Soldaten Granaten in die Menge ab und schossen dann auf alles, was sich nach den Explosionen noch bewegte. Einige von ihnen jagten Schuss um Schuss in längst zerfetzte Leiber, bis ihr Kommandant mit Fausthieben die Helme traktierte, um die Kämpfer aus ihrem Rausch zu holen.

Drakon knurrte frustriert, als er die roten Markierungen auf seinem Display sah, die wichtige Schaltkreise und Abteilungen kennzeichneten, die noch nicht von seinen Leuten kontrolliert wurden. Allerdings waren inzwischen alle Zivilisten an Bord der Einrichtung wach und drängten sich angsterfüllt in den Korridoren, was bedeutete, dass Drakons Leute nur noch langsam vorankamen. Er konnte die nächste Phase seines Plans nicht noch länger hinauszögern. »Senden Sie die Nachricht.«

Die immer noch wechselnden Alarmsirenen wurden von einer dröhnenden Durchsage übertönt, für die das Lautsprechersystem der Einrichtung zum Einsatz kam, das Drakons Komm-Spezialisten gekapert hatten. »Diese Anlage untersteht jetzt der Kontrolle durch die Soldaten des Midway-Sternensystems unter dem Kommando von General Drakon. Leisten Sie keinen Widerstand. Kein Bürger und kein Soldat, der sich uns ergibt, wird irgendwelchen Schaden erleiden. Kehren Sie in Ihre Quartiere zurück und bleiben Sie dort. Ich wiederhole: Leisten Sie keinen Widerstand.«

Sie stießen auf eine weitere Schlangenkaserne. Diese Schlangen waren auf den Angriff gefasst und leisteten erbitterte Gegenwehr, ehe sie von Drakons Soldaten ausgelöscht wurden.

»Colonel, wir haben einen Zug, der sich nahe der Maschinenkontrolle verschanzt hat. Die machen … Verdammt! Sie haben einen von meinen Leuten niedergeschossen! Die meinen es ernst!«

»Heben Sie das Nest aus«, befahl Gaiene. »Die Leute hatten ihre Chance, sich zu ergeben.«

Soldaten näherten sich von drei Seiten der Position und überrannten die Verteidiger mit einem Sperrfeuer, um den Rest der Schlangen zu erledigen, nachdem die vorderen Reihen ausgeschaltet worden waren.

Drakon verfolgte das alles mit und fühlte sich an so viele frühere Kämpfe erinnert. Nur dass damals die Allianz-Soldaten ihre Feinde gewesen waren. Uns wurde beigebracht, gnadenlos zu kämpfen. Sie haben ebenfalls gnadenlos gekämpft. Und jetzt gehen wir auf die gleiche Weise gegen unsere eigenen Leute vor.

Hat Black Jack deshalb seinen Leuten gesagt, dass sie wieder Gefangene nehmen und damit aufhören sollen, wahllos ganze Städte zu bombardieren? Hat er erkannt, dass gnadenloses Verhalten zu einer Gewohnheit werden kann, die letztlich dazu führt, dass man die erlernten Taktiken gegen die eigenen Leute einsetzt? Die Regierung des Syndikats hat lange Zeit zugelassen, dass wir so handeln, und jetzt wiederholen wir, was uns eingetrichtert wurde, auch ohne dass uns das Syndikat den Befehl dazu gibt oder uns die Schlangen dazu zwingen.

Das muss ein Ende nehmen. »Hier spricht General Drakon. Jeder von Ihnen wird jederzeit den Verteidigern eine Gelegenheit zur Kapitulation geben. Nur wenn sie weiterkämpfen, haben Sie die Erlaubnis, sie zu töten.«

»General?«, meldete sich Gaiene. »Ihre Befehle zum Vorrücken …«

»… haben sich geändert. Wir sind keine Schlangen.«

»Ähm … jawohl, Sir.«

Drakon richtete den Blick auf einen Teil des Displays und wunderte sich, was ihn auf diese Ecke hatte aufmerksam werden lassen, aber dann erkannte er, dass in der Nähe des Hauptkonstruktionsdocks eine Anomalie festgestellt worden war. »Vorsicht im Dock. Etwas nähert sich Ihrer Position!«

Augenblicke später wurde ein Luke aufgesprengt, und schon stürmten Schlangen und Loyalistensoldaten auf den massiven, noch im Bau befindlichen Schiffsrumpf zu. Der Beschuss durch Gaienes Soldaten hielt die Angreifer auf, gleichzeitig machte sich Drakon auf den Weg dorthin und befahl einigen von Gaienes Einheiten in unmittelbarer Nähe, sich sofort zum Hauptdock zu begeben.

Warum war das eigentlich wichtig? Was sollten ein paar Dutzend Schlangen und Soldaten gegen eine so gewaltige Schiffshülle ausrichten, die nicht mal fertiggestellt war? Aber diese Leute kämpften sich verbissen voran, also musste es dafür auch einen Grund geben. »Halten Sie sie zurück!«, wies er die Soldaten im Dock an. »Sie dürfen nicht bis zur Hülle gelangen!«

»Es sind zu viele!«, rief eine von Gaienes Soldatinnen, deren Signal so abrupt endete wie die Schüsse, die auf sie abgegeben worden waren.

Von drei Positionen aus rückte Verstärkung an, eine der Gruppen wurde von Drakon angeführt. Sie konnten die angreifende Streitmacht aus Schlangen und Loyalistensoldaten sehen, deren Vorankommen bislang am erbitterten Widerstand von Drakons ursprünglich für die Bewachung des Docks abgestellter Einheit scheiterte. Die Gruppe um Drakon kam von der Seite herein, sodass sie freie Schussbahn auf die Angreifer hatte. Drakon richtete seine Waffe auf eine Schlange, die abrupt vorrückte, und drückte ab. Zwei weitere Schüsse trafen gleich darauf den selben Mann und schalteten ihn aus.

Die beiden anderen als Verstärkung herbeigeeilten Trupps eröffneten ebenfalls das Feuer, sodass Schlangen und Loyalistensoldaten in ein Kreuzfeuer aus gleich drei Richtungen gerieten. Zudem wurden sie auch noch immer von derjenigen Einheit beharkt, die auf dem Dock geblieben war, um die Schiffshülle zu beschützen.

Ein Loyalist wollte sich in Sicherheit bringen, wurde aber von einer Schlange mit einem gezielten Schuss niedergestreckt. In der nächsten Sekunde war aber auch die Schlange tot, da sich die Loyalisten abrupt gegen sie und die anderen ISD-Agenten wandten.

»Feuer einstellen!«, befahl Drakon, als auch die letzte Schlange tot am Boden lag und die Loyalistensoldaten ihre Waffen zur Seite warfen und die Arme in die Höhe streckten. Für einen Augenblick bewegte sich das Schicksal der Loyalisten auf Messers Schneide, da Drakons kampferprobte Soldaten gegen ihre eigenen Instinkte ankämpfen mussten, um nicht gnadenlos jeden von ihnen zu töten.

Aber es fiel kein weiterer Schuss. Drakon atmete einmal tief durch und konzentrierte sich auf die Lage anderswo auf der Einrichtung, da er einen der Loyalisten mit bebender Stimme flehen hörte: »Ihr kennt uns doch! Wir haben Seite an Seite gekämpft! Bringt uns nicht um!«

Die Antwort von einem von Gaienes Soldaten lautete: »Keine Panik, Bruder. Wir arbeiten nicht für irgendeinen CEO, wir gehören zu General Drakons Truppen. Seine Befehle lauten, Kapitulationen zu akzeptieren.«

»Drakon? Gelobt seien unsere Vorfahren! Hey, die Schlangen sprachen davon, sie müssten zu zwei Stellen innerhalb der Schiffshülle gelangen. Keine Ahnung, warum, aber hier sind die Positionen.«

»Überprüfen wir das mal«, befahl eine Captain zweien ihrer Ingenieure. »Sie kommen für den Fall mit, dass da was entschärft werden muss.«

»General?«, ertönte Colonel Gaienes Stimme.

»Ja.« Endlich hatte Drakon den Mann auf der Karte seines Helmdisplays wiedergefunden. Er führte eine Gruppe Soldaten durch den Gang zur primären Kontrollabteilung der Einrichtung. »Die Schlangen wollten zur Schiffshülle durchkommen, aber wir kennen den Grund dafür noch nicht. Wie sieht es bei Ihnen aus?«

»Wir werden jetzt an einer Tür anklopfen.«

Drakon rief das von Gaienes Rüstung übertragene Video auf und sah einen Soldaten, der einen Rammbock auf die verstärkte Luke richtete, welche die Kontrollabteilung vor dem Zutritt durch Unbefugte schützte. Der Rammbock wurde abgefeuert, die anschließende Explosion riss die Luke komplett aus ihrer Verankerung. Sie war kaum mit einem donnernden Knall auf dem Boden aufgeschlagen, da führte Colonel Gaiene seine Leute auch schon in die Kontrollabteilung. Dort versuchten vor Entsetzen schreiende Arbeiter die Flucht zu ergreifen, während ein halbes Dutzend Schlangen in Gefechtsrüstung willkürlich in die Menge schoss. »Versucht’s doch mal bei jemandem, der zurückschießen kann!«, brüllte Gaiene, während sein erster Schuss das Helmvisier einer Schlange zerschmetterte.

Die übrigen Schlangen starben in einem immensen Sperrfeuer, dann herrschte einen Moment lang gespenstische Stille. Durch Gaienes Rüstung konnte Drakon das keuchende Atmen und die Schmerzensschreie der überlebenden zivilen Arbeiter hören, die ängstlich die Soldaten betrachteten, die soeben die Schlangen ausgeschaltet hatten. »Fangt mit Erster Hilfe an, und holt sofort Sanitäter her!«, befahl der Colonel seinen Leuten, erst dann wandte er sich an Drakon. »Systempersonal. Sieht so aus, als wollten die Schlangen sie alle töten und dann die Systemkontrollen in die Luft sprengen. Völlig sinnlos, da wir längst die Kontrolle über alle Schaltkreise übernommen haben. Einfach nur ein sinnloses, blutiges Gemetzel.« Gaiene ging einen Schritt weiter, beugte sich über eine der leblos daliegenden Schlangen, zielte auf den Kopf und feuerte einen weiteren Schuss ab. »Dreckskerle.«

Wer wären Sie, wenn Sie nicht Sie wären? Drakon musste an Icenis Frage denken. Wer wären diese Schlangen wohl gewesen? Wären sie an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit auch bereit gewesen, all diese Dinge zu tun? War ein solches Handeln in ihren Augen richtig, weil man es ihnen so beigebracht hatte? Oder hatte der ISD ganz gezielt nach Leuten von einem Schlag gesucht, wie man ihn überall und jederzeit inmitten der Menschheit antreffen konnte? Menschen, die entweder für eine Sache oder auch ganz ohne Grund bereit waren, Hilflose zu töten, ohne mit der Wimper zu zucken? Die Antwort darauf war im Augenblick jedoch nachrangig; er und Gaiene mussten die Schlangen eliminieren, ganz gleich, wer sie unter anderen Umständen möglicherweise gewesen wären. »Gut gemacht, Colonel.«

Das Hauptkontrolldeck war einer der letzten Bereiche gewesen, in denen mit Widerstand zu rechnen gewesen war. Anderswo schwärmten die Soldaten weiter aus und nahmen auch noch den Rest der Einrichtung ein. Von ein paar vereinzelten Loyalistensoldaten abgesehen, die sie sofort mit erhobenen Händen empfingen, stießen sie auf keine weiteren Verteidiger. »Wie sieht es bei Ihnen aus, Colonel Gaiene?«

»Ich lasse die letzten Ecken momentan noch von ein paar Teams durchsuchen, General. Aber es scheint ganz so, als hätten wir die Station eingenommen.«

Wenige Minuten später meldete sich Gaiene erneut bei ihm. »Alles gesichert«, berichtete er. »Sonderbar, dass diese eine Gruppe so unbedingt zu dieser Schiffshülle gelangen wollte, obwohl es noch Monate dauern wird, bis das Schiff halbwegs einsatzbereit ist.«

»Die Soldaten, die sich momentan dort umsehen, werden uns sicher bald etwas dazu sagen können.« Drakon überflog die Datenlisten, die von Gaienes Rüstung überspielt wurden. »Wir haben ein paar Verluste zu beklagen.«

»Es hätte schlimmer kommen können, General. So wie beispielsweise für die Verteidiger.« Erleichterung und Begeisterung wichen aus Colonel Gaienes Stimme, an ihre Stelle traten Erschöpfung und Düsternis. »Ich erhalte gerade einen Bericht von den Soldaten, die sich in der Schiffshülle umgesehen haben. Sie haben die Päckchen entdeckt, auf die es die Schlangen abgesehen hatten.«

Ein Fenster öffnete sich auf Drakons Helmdisplay. »Zwei Nuklearsprengsätze«, meldete ein Ingenieur. »Hinter falschen Schotten versteckt. Wir hatten die Verbindung unterbrochen, bevor sie ferngezündet werden konnten, also wollten sie die Dinger von Hand zünden.«

»Sie wollten nicht, dass irgendjemand in den Besitz dieser Schiffshülle gelangen kann«, merkte die Captain an, die den Suchtrupp geleitet hatte. »Wären diese Bomben hochgegangen, dann hätten sie den ganzen Komplex in Trümmer zerlegt.«

»Entschärfen Sie die Sprengsätze und zerlegen Sie sie, ehe Sie sie wegschaffen«, ordnete Drakon an. Waren die Neuigkeiten über Icenis Erfolge bei Kane schon bis nach Taroa vorgedrungen? Waren sie der Grund für diese zusätzlichen Maßnahmen, die unter allen Umständen verhindern sollten, dass jemand ein noch nicht fertiggestelltes Kriegsschiff an sich riss? Oder war das hier nur ein Beispiel für die übliche Paranoia der Schlangen, die sich vor einer Rebellion der Dockarbeiter hatten schützen wollen? Er dachte an die Kooperation, die ihre Gefangenen geleistet hatten, und er dachte vor allem daran, wie sich die Loyalisten auf die Seite seiner Soldaten geschlagen hatten, um die Schlangen zu eliminieren. »Colonel Gaiene, unterziehen Sie die Loyalistensoldaten, die sich ergeben haben, einer Einschätzung, ob darunter Kandidaten für unsere Seite sind. Was ich sehe, zeigt mir, dass sie alle Syndikat-Angehörige sind, keine Taroaner.«

»Das passt zu meinen Informationen«, sagte Gaiene. »Offenbar haben die Schlangen den Einheimischen hier oben nichts Gutes zugetraut.«

»Sie scheinen jedoch auch den Loyalisten nicht so ganz über den Weg getraut zu haben. Aus gutem Grund, wie wir gesehen haben.«

In Gaienes Lächeln mischten sich Melancholie und Zufriedenheit. »Es hätte keinem schöneren Schlangennest widerfahren können. Wir schlagen diesen Soldaten vor, sich Ihnen anzuschließen, und dann werden wir ja sehen, wie sie reagieren. Ich darf davon ausgehen, dass jeder einzelne Freiwillige gründlich durchleuchtet wird, ehe wir ihn aufnehmen, richtig?«

»Ja, richtig. Bei Midway sind schon zu viele bestens versteckte Schlangen aufgetaucht.«

»Und die Zivilisten?«

»Die durchleuchten wir nach und nach. Für den Augenblick bleibt die gesamte Einrichtung mindestens noch eine Stunde abgeriegelt. Danach lockern wir das stufenweise. Das sollte die Zivilisten von allen Dummheiten abhalten, und es sollte alle noch irgendwo vorhandenen Schlangen daran hindern, weitere Maßnahmen zu ergreifen, ehe wir nicht bereit sind, uns ihnen zu widmen.«

Er fühlte sich erschöpft, war aber froh darüber, dass der Adrenalinschub dieser Operation nicht nur nachließ, sondern zusätzlich durch die Tatsache verringert wurde, dass es etliche Details gab, auf die er sich konzentrieren musste. »Stellen Sie mich zu Senior Manager Mentasa durch«, sagte er, nachdem er Kontakt mit dem Frachter aufgenommen hatte. Es war nicht ganz risikolos, Mentasa einzubeziehen, aber diese Risiken wurden mehr als aufgewogen durch die Vorteile, dass da jemand war, den die Arbeiter kannten und dem sie vertrauten. Mentasa besaß zudem Kenntnisse darüber, welche Spezialisten am dringendsten nötig waren, um das Schlachtschiff bei Midway fertigzustellen.

»Hier, General Drakon«, meldete sich Mentasa und gab sich alle Mühe, eine militärische Haltung einzunehmen, auch wenn die beengten Quartiere seines Frachters ein solches Bestreben schwierig machten – und auch wenn sein Erscheinungsbild eines bürgerlichen Arbeiters ein wenig albern wirkte, wenn er den Versuch unternahm, wie ein Militär zu wirken.

»Die Einrichtung wurde von uns eingenommen. Sie ist noch abgeriegelt, aber ich möchte, dass Sie sich ins Komm-System einklinken. Ich übermittle Ihnen die Autorisierung, damit Sie die Blockaden passieren können, die wir eingerichtet haben. Reden Sie mit den Leuten, die Sie kennen. Sagen Sie ihnen, wer wir sind, und versichern Sie ihnen, dass ihnen nichts passiert. Teilen Sie ihnen mit, was wir wollen, und finden Sie heraus, was genau da im Hauptkonstruktionsdock montiert wird. Ob es ein Schlachtschiff oder ein Schlachtkreuzer ist. Wie lange sie schon daran arbeiten und wann es fertig sein soll. Und ob Taroa über alles verfügt, was für die Fertigstellung erforderlich ist. Und fragen Sie, ob jemand sich anheuern lassen will, um bei Midway für uns zu arbeiten.«

»Ja, General.« Nach einem kurzen Zögern fragte Mentasa: »General, ist es gestattet, mit jemandem auf dem Planeten Kontakt aufzunehmen?«

»Persönliche Angelegenheit oder Geschäftliches?«, erkundigte sich Drakon, wusste die Antwort darauf aber bereits, da er sie an Mentasas Augen ablesen konnte.

»Sowohl als auch. Falls das …«

»Das ist kein Problem. Wenn Sie mit den Bürgern hier oben gesprochen haben und wenn ich die notwendigen Informationen über diese Schiffshülle bekommen habe, können Sie mit jedem Menschen auf dem Planeten da unten reden. Lassen Sie Ihre Leute wissen, dass es Ihnen gut geht. Bis Sie dazu kommen, sich mit ihnen auszutauschen, werde ich den Freien Taroanern erklärt haben, warum wir hier sind.«

Drakon nahm sich einen Moment Zeit, sein Erscheinungsbild zu überprüfen. Er wollte schon beeindruckend wirken, aber auch nicht zu furchteinflößend.

Die Freien Taroaner verfügten natürlich über offene Komm-Verbindungen, um ihre Propaganda zu verbreiten und um Rekruten anzuwerben. Drakons Komm-Software kaperte mühelos eine der Frequenzen. »Hier spricht General Drakon vom unabhängigen Sternensystem Midway. Meine Soldaten kontrollieren jetzt die primäre Orbitalwerft in diesem Sternensystem. Wir sind hergekommen, um die Sache der Freien Taroaner zu unterstützen. Die Führer der Freien Taroaner werden gebeten, sich so bald wie möglich auf dieser Frequenz bei mir zu melden.«

Das sollte für eine schnelle Reaktion eigentlich genügen.

Wie die Freien Taroaner auf diese unaufgefordert gewährte Hilfe reagieren würden, war nach wie vor die größte Unbekannte bei dieser Planung. Sollten sie sich dagegen sperren, sollte ihre Angst vor Drakons Hilfe stärker sein als ihr Interesse an einem Sieg, dann konnte das Ganze ein wenig komplizierter werden als gedacht, wenn er darauf bestand, die Werftanlage zu behalten.

Er konnte nichts anderes tun als abzuwarten und die Ohren offenzuhalten. Manche Angelegenheiten ließen sich nun mal nicht mit Soldaten lösen.

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