Sechzehn

Die Reaktion der Freien Taroaner traf gut eine halbe Stunde später ein und gestaltete sich weitgehend so, wie er es von einer Gruppe erwartet hatte, die davon überzeugt schien, dass Entscheidungen per Wahlverfahren die richtige Antwort auf alles waren.

Er hatte das Gefühl, die Frau, die auf seine Nachricht antwortete und zur Begrüßung salutierte, schon einmal gesehen zu haben, ohne die Art der Begegnung jedoch präziser bestimmen zu können.

»Sub-CEO Kamara. Ich diente früher in einer Einheit unter Ihrem Kommando, General Drakon.«

Kamara? Ja, natürlich, jetzt konnte er sie zuordnen. Nicht gerade die beste Sub-CEO, mit der er je zu tun gehabt hatte, aber immer noch besser als viele andere. Immerhin war sie gut genug gewesen, um ihm im Gedächtnis zu bleiben. »Sie haben sich den Freien Taroanern angeschlossen?«

»Ja, so wie etliche andere Angehörige des Syndikat-Militärs. Wir sind dieses Leben als Sklaven leid.« Sie sagte es mit solchem Nachdruck, als wolle sie Drakon damit herausfordern.

»Ich habe nicht vor, der neue Meister von irgendwem zu werden«, versicherte er ihr. »Ich habe meine Streitkräfte mitgebracht, um den Freien Taroanern zum Sieg zu verhelfen.«

»Das kommt sehr überraschend. Natürlich machen wir uns Sorgen, dass es noch andere Überraschungen geben könnte. Was erwarten Sie als Gegenleistung für Ihre Hilfe?«

Drakon lächelte sie finster an. »Unser Nutzen ist ganz einfach erklärt. Wenn Sie gewinnen, dann gewinnen wir. Midway will nicht, dass die Schlangen hier an der Macht bleiben. Warum das so ist, muss ich wohl nicht erst noch erklären. Was wir über die dritte Gruppe hier gehört haben, klingt so, als wären sie für uns genauso unerfreulich wie die Schlangen. Taroa ist unser Nachbarsystem, da wäre es uns lieber, wenn es von jemandem kontrolliert wird, mit dem wir zusammenarbeiten können.«

»Das ist alles?« Kamara machte keinen Hehl aus ihrer Skepsis.

»Es gibt keine Vorbedingungen, allerdings wären wir an Unterhandlungen interessiert, sobald die Freien Taroaner an der Macht sind.«

»Und was ist mit den Docks?«, wollte sie wissen.

Drakon zuckte betont desinteressiert mit den Schultern. Erst wenn die Freien Taroaner sich zur Zusammenarbeit mit ihnen bereit erklärt hatten, würde er mehr dazu sagen, welche Absichten er und Iceni mit Blick auf die Docks hegten. »Wir sind auch hier, um Arbeiter zu rekrutieren. Werftarbeiter, Fachleute, alles in dieser Richtung. Keine Sklavenarbeit, sondern Arbeit gegen Bezahlung. Wenn uns jemand zu diesen Bedingungen begleiten will, möchte ich nicht, dass die Freien Taroaner ihm das verweigern.«

Eine Weile sah Kamara ihn schweigend an. »Von allen CEOs, unter denen ich gedient habe«, sagte sie schließlich, »waren Sie der Einzige, der sich ernsthaft für seine Arbeiter eingesetzt hat. Auch wenn der gesunde Menschenverstand mir sagt, dass Sie das nur machen, weil es Teil irgendeines Plans ist, um uns letztlich doch nur zu kontrollieren, glaube ich nicht, dass wir es uns erlauben können, uns diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Und genauso können wir keinen Bürger, der Ihr Arbeitsangebot annehmen möchte, davon abhalten, eben das zu tun. Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich auf deren Seite wirklich um eine freie Willensentscheidung. Aber ich habe hier nicht das letzte Wort. Ich werde das noch mit dem Interimskongress besprechen müssen. Wir werden Sie dann wissen lassen, wie wir entschieden haben. Mit wie vielen Soldaten sind Sie hier?«

»Derzeit ist es ungefähr eine halbe Brigade.«

»Nur eine halbe Brigade? Viel ist das nicht, aber es könnte genügen, um …« Ihr Blick zuckte zur Seite. »Wir haben soeben eine Streitmacht entdeckt, die den Sprungpunkt nach Midway verlassen hat.«

»Das ist richtig«, bestätigte Drakon, froh darüber, dass die anderen endlich eingetroffen waren. »Ein Schwerer Kreuzer, drei Leichte Kreuzer, vier Jäger und fünf umgebaute Frachter mit weiteren zweieinhalb Brigaden.«

Kamara musterte ihn und wirkte gleich wieder angespannt. »Das ist eine beträchtliche Streitmacht. Die genügt, um jeder Gruppe hier einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Ich nehme an, wenn die Freien Taroaner Ihre Hilfe nicht annehmen, dann werden Sie die anderen anbieten, richtig?«

Drakon schüttelte den Kopf. »Nein. Ich sagte ja, dass die Freien Taroaner die einzige Gruppe sind, der wir helfen wollen.«

»Und wenn wir mit Ihrer Hilfe siegen? Wie viele von Ihren Soldaten werden dann hierbleiben?«

»Auf Ihrem Planeten? Nicht ein Einziger.« Dieses Dock ist dagegen ein ganz anderes Thema … »Die brauchen wir wieder bei Midway, sobald wir hier fertig sind.«

Wieder eine Pause, dann eine hilflose Geste von Kamara. »Wahrscheinlich bleibt uns einfach keine andere Wahl, als Ihnen zu glauben. Dürfen wir mit den Leuten bei Ihnen im Dock reden? Mit einem der Zivilisten?«

»Sicher, warum nicht? Den Schlangen ist es gelungen, ein paar Arbeiter zu töten, bevor wir sie alle ausschalten konnten, aber die anderen sind jetzt außer Gefahr. Ich hatte hier alles abgeriegelt, als wir jeden Winkel abgesucht haben, aber ich habe inzwischen einiges gelockert. Das werde ich jetzt auch bei der Kommunikation machen.«

»Und ich werde mit dem Kongress reden«, entgegnete Kamara, die diesmal etwas zuversichtlicher klang.

Vor langer Zeit mochte ein umfangreicher Stab nötig gewesen sein, um die Bewegungen von fast drei Brigaden zu planen und zu koordinieren, damit die von der Orbitaleinrichtung auf die Planetenoberfläche transportiert wurden. Aber es waren gerade solche Arbeiten, die von automatischen Systemen so hervorragend erledigt wurden, weil sie nur wenige Variablen enthielten. Man überspielte die Daten der gegenwärtigen Streitmacht, welche die Soldaten und die Ausrüstung, die Shuttles und die Frachter auflisteten sowie deren jeweilige Standorte angaben. Dann ließ man von der Software eine detaillierte Lösung erstellen, gab die entsprechenden Anweisungen und überwachte die Ausführung. Malin und Morgan konnten das alles mühelos im Auge behalten und darauf achten, ob sich irgendwelche Abweichungen einschlichen. Dabei blieb ihnen immer noch genügend Zeit, um Drakon bei anderen Plänen zu helfen, die aufgrund des unberechenbaren Faktors des menschlichen Verhaltens um einiges komplexer waren.

Das Hauptquartier der Freien Taroaner war früher auch die zentrale Einrichtung der planetaren Streitkräfte der Syndikatwelten gewesen, was bedeutete, dass es mit allem Notwendigen ausgestattet war. Allerdings war diese Ausstattung zum großen Teil noch älter als das, was Midway zu bieten hatte, weil Taroa weder von strategischer Bedeutung war noch irgendwelche Prioritäten vorweisen konnte, die regelmäßige Modernisierungen gerechtfertigt hätten.

Drakon betrachtete eine Karte, die über dem Tisch im Kommandozentrum schwebte. Der virtuelle Globus, der sich gleich daneben langsam drehte, machte es möglich, bestimmte Bereiche zu vergrößern, die dann den aktuellen Kartenausschnitt ersetzten. Eingestellt war momentan eine Anzeige des besetzten südlichen Kontinents. Taroas nördlicher Kontinent wies eine beträchtliche Ausdehnung auf, lag aber in so großer Höhe, dass er sich aus gefrorenen Wüstenebenen und aus von Gletschern überzogenen Gebirgen zusammensetzte. Von den Mitarbeitern auf ein paar Forschungs- und Rettungsstationen abgesehen gab es niemanden, der in diesen Regionen lebte.

Die Bevölkerung bevorzugte bislang den behaglicheren südlichen Kontinent, der sich entlang des Äquators erstreckte. Irgendwann in nicht allzu ferner Vergangenheit – gemessen an der Lebensspanne einer Welt – hatte dort etwas den Planeten aufgerissen, sodass ungeheure Lavamassen ausgetreten waren, die diesen neuen Kontinent geschaffen hatten. Das Leben auf dieser Welt hatte sich von diesem katastrophalen Ereignis längst erholt, als die Menschen hier eintrafen und einen Kontinent aus rasiermesserscharfen vulkanischen Gebirgsketten vorfanden, zwischen denen sich üppige Wälder erstreckten.

»Verdammt schlechter Ort, um einen Krieg zu gewinnen«, kommentierte Morgan. »Man nimmt ein Dorf ein, und schon steht man vor einer natürlichen Wand, die das nächste Dorf beschützt.«

Sub-CEO Kamara nickte. »Das ist einer der Gründe für die gegenwärtige Pattsituation. Auf diesem Planeten ist es sehr einfach, ein Gelände zu verteidigen. Der Airlift, der uns und den anderen Gruppen zur Verfügung stand, wurde schon sehr früh während dieses Konflikts unbrauchbar gemacht, also konnten wir nicht mehr über die Hügelkämme springen. Viele Hänge an den Talrändern sind so steil, dass sogar Panzer sie nicht mehr bezwingen können. Also schickt man Infanteristen los, die sich Meter für Meter vorankämpfen, den Hang hinauf, über den Kamm und auf der anderen Seite wieder runter. So was konnte man ein paar Mal machen, dann gingen einem die Infanteristen aus.«

Morgan sah Kamara herablassend an. »Wie viele Soldaten mussten Sie verlieren, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen?«

Kamara konterte mit einem genauso herablassenden Blick. »Wir? Wir haben bei Offensiven nur ein paar Leute verloren, ganz im Gegensatz zu den Loyalisten, die in ihr Verderben rannten, als sie versuchten, die Kontrolle über die Gebiete zurückzuerlangen, die uns gehören. Und auch im Gegensatz zu den Vereinten Arbeitern, die ihre Leute in Wellen die Hänge hinaufgetrieben haben. Die wurden von uns an den Gebirgskämmen in Empfang genommen und so zahlreich getötet, dass ihnen der Nachschub an Kämpfern ausging.«

»Das haben Sie geschickt gelöst«, stellte Malin fest.

»Ich weiß nicht, ob irgendwas daran geschickt war. Ich konnte den Interimskongress davon überzeugen, von allen Angriffen abzusehen, weil wir eher gewinnen, wenn wir einfach darauf warten, dass die Loyalisten und die Arbeiter einen Anlauf wagen. Aber ich stehe unter wachsendem Druck, irgendeine Offensive zu beginnen, denn alle haben Angst, dass die Syndikatwelten Verstärkung schicken, um den Loyalisten zum Sieg zu verhelfen, indem sie uns in Grund und Boden bombardieren.« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Ich wusste, ich würde nur Zeit schinden. Wir konnten nicht gewinnen, und wir wurden immer schwächer.«

»Sie haben genau das Richtige getan«, sagte Drakon. »Vielleicht konnten Sie sowieso nicht gewinnen, aber auf jeden Fall wäre längst Ihre Niederlage besiegelt, wenn Sie Ihre Truppen bei sinnlosen Angriffen aufgerieben hätten. Die Regierung der Syndikatwelten hat momentan an zig Stellen gleichzeitig alle Hände voll zu tun, und sie verfügt gar nicht über die nötige Schlagkraft, um sich mit Rebellionen wie Ihrer hier zu befassen. Taroa steht auf ihrer Prioritätenliste ziemlich weit unten, es sei denn, sie würden jemanden aus einem anderen Grund herschicken.« Ein Grund konnte der sein, dieses System zu nutzen, um von hier aus Midway zurückzuerobern, aber es war nicht nötig, jetzt darauf zu sprechen zu kommen. »Es hätte auch etwas anderes geschehen können, das Ihre Chancen verbessern würde. Und das ist ja auch geschehen.«

»Das habe ich mir auch gedacht«, gab Sub-CEO Kamara zurück und schien sich über Drakons Worte zu freuen. »Allerdings wird dieser Posten einsamer und einsamer. So viele Leute wollen sofort Resultate sehen, ohne über die Erfolgsaussichten und die Kosten nachzudenken.« Sie wandte sich der Karte zu und deutete auf rote Flächen in einigen Tälern, in denen größere und kleinere Städte entstanden waren, die überwiegend dort zu finden waren, wo die Täler sich zum Ozean öffneten oder auf eine andere Weise einen leichten Zugang zu Wasserwegen boten. »Die wichtigsten Bollwerke der Loyalisten finden sich in diesen Gebieten.«

»Wieso hat noch niemand vom Wasser her einen Angriff unternommen?«, wollte Drakon wissen. »Sehr geringe Frontbreite, freies Schussfeld, zerklüftete Riffs ein Stück weit vor dem Ufer, die von engen Kanälen durchzogen sind und sich dazu anbieten, in aller Ruhe auf den Feind zu zielen und zu feuern und ihn mit Minen zu erwarten …«

Sub-CEO Kamara hob flüchtig die Schultern, aber ihre verbitterte Miene widersprach der zur Schau gestellten Gleichgültigkeit. »Es wurde ein paar Mal probiert. Ich habe es versucht, da ich gehofft hatte, die Loyalisten wären dermaßen auf einen Angriff auf dem Landweg konzentriert und von der natürlichen Abwehr entlang der Küste überzeugt, dass sie uns keine Beachtung schenken würden. Das war ein Irrtum, der uns die schwersten Verluste überhaupt beschert hat.«

»Ist CEO Rahmin immer noch Befehlshaberin der Syndikat-Loyalisten?«, erkundigte sich Malin.

»Das war sie bis vor zwei Wochen. Dann gelang es einem Selbstmordkommando der Vereinten Arbeiter, die Interimshauptstadt der Loyalisten zu infiltrieren und sich den Weg bis in ihre Kommandozentrale freizusprengen.« Der Verlust ihrer vormaligen Vorgesetzten schien Kamara nicht zu berühren. »Jetzt hat eine Schlange da drüben das Sagen, CEO Ukula.«

Morgan deutete auf die Karte. »Wenn wir die Schlangen ausschalten, werden die regulären Truppen dann weiter gegen uns kämpfen?«

»Das dürfte davon abhängen, ob sie glauben, dass sie getötet werden, wenn sie sich ergeben.«

»Und? Werden sie das glauben?«, hakte Drakon nach.

»Einige Einheiten haben wirklich üble Grausamkeiten begangen. Sie werden mit einer Kapitulation Schwierigkeiten haben«, erklärte Kamara so gelassen, als würde sie den Wetterbericht verkünden. »Andere haben sich deutlich besser benommen.«

Morgan lächelte. »Dann können wir also die Loyalistensoldaten spalten. Da reicht es schon, wenn wir mit den Einheiten Kontakt aufnehmen, die zu einer Kapitulation bereit sind.«

»Ich kann Ihnen die Standorte dieser Einheiten geben«, sagte Kamara. »Einen heimlichen Kontrakt mit ihnen aufzunehmen, könnte sich …«

»… als gar kein Problem erweisen«, führte Morgan diesen Satz fort, und fügte dann noch stolz hinzu: »Ich komme damit klar.«

Kamara sah sie einen Moment lang starr an, dann wandte sie sich wieder der Karte zu.

Malin strich mit einem Finger über einige versprengte violette Flecken auf der Karte, die sich allesamt auf städtische Regionen bezogen. »Das sind Markierungen für diejenigen Bereiche, die von den Vereinten Arbeitern kontrolliert werden, richtig?«

»Im Großen und Ganzen ja.« Kamaras Miene nahm einen angewiderten Ausdruck an. »Wenn wir die Schlangen überrennen und in der Folge alle Kräfte gegen die Vereinten Arbeiter richten, dann glaube ich, dass sie ziemlich schnell am Ende sein werden. Sie haben sich selbst unterhöhlt. Zugegeben, die Arbeiter hatten miserable Verträge, aber wer sich von denen den Vereinten Arbeitern angeschlossen hat, ist noch viel schlechter dran. Ich sprach doch vorhin von den Angriffswellen, die die Anführer der Vereinten Arbeiter auf uns gehetzt hatten. Bei denen haben sich einige völlig Verrückte an die Spitze gesetzt. Die Opposition in der Führungsriege wurde des Verrats bezichtigt, festgenommen und erschossen. Ein paar sind einfach spurlos verschwunden. Mittlerweile bringen diejenigen, die jetzt noch das Sagen haben, bei Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen mindestens genauso viele Leute um, wie unseren Angriffen zum Opfer gefallen sind.«

»Ja, die Revolution frisst ihre eigenen Kinder, sobald ihre radikalsten Protagonisten für Reinheit plädieren«, merkte Malin an. »Das ist in der Geschichte schon unzählige Male vorgekommen. Im Augenblick fühlen sich viele von denen, die nach Stabilität in diesem Sternensystem suchen, zu den Loyalisten hingezogen, damit die sie vor den Freien Taroanern und den Vereinten Arbeitern beschützen. Aber wenn die Loyalisten besiegt werden, dann haben diese Leute nur noch die Wahl zwischen …«

»… zwischen Freiheit und mordlüsternen Irren«, führte Kamara den Satz zu Ende. »Ich schätze, wir stehen momentan ziemlich gut da, wenn die Leute sich für eine von beiden Seiten entscheiden sollen.« Sie sah Drakon an. »Die Loyalisten hatten uns angeboten, gemeinsam gegen die Arbeiter vorzugehen, aber mir war klar, dass ich den Köder nicht schlucken darf.«

Drakon setzte ein schiefes Lächeln auf und freute sich insgeheim darüber, dass Kamara gar nicht erst versucht hatte, dieses Angebot vor ihren neuen Verbündeten geheimzuhalten. Er betrachtete die Karte und vergrößerte einen Ausschnitt, um nach geeigneten Stellen für wirkungsvolle Schläge zu suchen. »Colonel Malin, holen Sie bitte die Colonels Gaiene, Kai und Senski dazu. Wir müssen eine Schlangenjagd planen.«

»Wir können es uns nicht erlauben, einen großen Teil unserer Infrastruktur zu verlieren«, warf Kamara ein. »Den Loyalisten geht es nicht anders, und nur das hat sie bislang davon abgehalten, uns vom Orbit aus mit Steinen zu bewerfen.«

Morgan atmete frustriert aus. »Wir sollen die Loyalisten eliminieren, ohne irgendetwas kaputtzumachen?«

Mit ernster Miene sah Kamara sie an. »Das ist richtig. Die Loyalisten haben sich in einigen extrem wichtigen Einrichtungen auf der Planetenoberfläche festgesetzt. Wenn wir nur Ruinen von ihnen erben, dann könnte ein solcher Sieg nicht sinnloser ausfallen.«

»Jedes Mal, wenn wir die Schlangen bekämpfen, verfolgen die eine Politik der verbrannten Erde«, erklärte Malin. »Sobald sie erkennen, dass die Niederlage unausweichlich ist, werden sie versuchen, uns mit in den Untergang zu reißen.«

»Dann werden wir eben alles tun, die Schlangen glauben zu lassen, dass ihre Lage nicht aussichtslos ist, bis es für sie zu spät ist, noch etwas zu unternehmen«, entschied Drakon. »Colonel Morgan, lassen Sie sich von Sub-CEO Kamara die Identitäten der Einheiten geben, die Sie unterhöhlen wollen, und dann machen Sie sich an die Arbeit. Ich will ebenfalls wissen, um welche Einheiten es sich dabei handelt, damit wir unsere Pläne darauf abstimmen können, sodass wir uns erst einmal die anderen Einheiten vornehmen.«

»Wie oft wollen Sie auf den neuesten Stand gebracht werden?«, fragte Morgan.

»Geben Sie mir Bescheid, sobald es etwas gibt, das ich wissen muss. Ansonsten können Sie frei entscheiden.«

Sie grinste ihn breit an. »Alles klar.«

Kamara räusperte sich. »Zwei Ihrer Kompanien besetzen immer noch die Orbitalwerften. Wir schicken gern einen Teil unserer Miliz rauf, um die Kontrolle zu übernehmen. Dann stehen Ihnen wenigstens all Ihre Truppen zur Verfügung.«

Drakon lächelte sie an. Ich möchte wetten, dass du nur allzu gern die Kontrolle über diese Docks übernehmen würdest. Aber glaubst du wirklich, ich werde sie dir einfach so überreichen? »Da unsere Kriegsschiffe die Werften beschützen, halte ich es für besser, wenn die Flotte es mit unseren eigenen Leuten zu tun hat, falls sich irgendwelche Bedrohungen abzeichnen sollten.«

Nach einer kurzen Pause nickte Kamara. »Ja, das kann ich gut verstehen.«

Wenigstens hatte sie verstanden, dass die Freien Taroaner sich nicht in einer Position befanden, irgendwelche Forderungen zu stellen.

Colonel Rogero kehrte nach einem Koordinierungstreffen mit den Vertretern von Präsidentin Iceni in sein Quartier zurück. Besprechungen mit Leuten, die weit voneinander entfernt waren, stellten kein Problem dar und kosteten auch nicht unnötig viel Zeit, da alle Beteiligten an einem virtuellen Treffpunkt zusammenkommen konnten. Doch trotz aller nur denkbaren Sicherheitsvorkehrungen war es immer noch möglich, solche Gespräche zu belauschen. Bei Routinebesprechungen konnte man damit leben, man wusste schließlich, dass der ISD und womöglich noch andere Leute mithörten. Bei allen wichtigen Angelegenheiten und bei allen Besprechungen, über die niemand sonst etwas wissen sollte, hatte man es sich hingegen zur Angewohnheit werden lassen, in allerletzter Minute ein reales Treffen zu vereinbaren. So war die gesamte Kommunikation viel sicherer, auch wenn es dazu führen mochte, dass man lange Spaziergänge unternehmen musste, während die Dämmerung den Himmel dunkel werden ließ und Straßen in Düsternis getaucht wurden, bis sich die Straßenlampen einschalteten. Er hätte noch in eine Bar oder ein Restaurant gehen können, doch Rogero bevorzugte es, sich in seine Arbeit zu vertiefen. Jedes Mal, wenn er eine Bar oder ein Café aufsuchte, hielt er unweigerlich Ausschau nach ihr, auch wenn er sich vollkommen darüber bewusst war, dass sie gar nicht in der Menge sein konnte, die er beobachtete. Eines Tages werde ich dir einen Drink ausgeben, hatte Bradamont bei ihrer letzten Begegnung gesagt. Eines Tages werde ich dich zum Essen einladen, war seine Antwort darauf gewesen. Keiner von ihnen hatte geglaubt, dass so etwas jemals wirklich passieren könnte, und doch suchte Rogero immer nach ihr.

Sie hatte sich im Midway-Sternensystem aufgehalten und ihm eine Nachricht zukommen lassen. Und doch war ein Treffen unmöglich.

Heute Abend war er von der Besprechung geradewegs nach Hause gegangen. Doch obwohl er eine Strecke ganz ohne Umwege gewählt hatte, achtete er darauf, nicht etwa mit gleichmäßiger Geschwindigkeit einer schnurgeraden Linie zu folgen. Die auf dem Schlachtfeld erlernten Reflexe waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen, und so wurde er beim Gehen instinktiv mal langsamer, dann wieder schneller, mal hielt er sich mehr links, mal mehr rechts, und sorgte dafür, dass sich immer irgendwelche Objekte zwischen ihm und einem möglichen Schützen befanden, die dem das Zielen erschwerten. Auf dem Schlachtfeld war das von Nutzen, aber es machte jeden rasend, der mit ihm einen Spaziergang unternahm, weshalb er sich bei diesen Gelegenheiten regelrecht dazu zwingen musste, gerade und gleichmäßig zu gehen. War er dagegen allein unterwegs, übernahmen seine Instinkte wieder die Regie.

Als Folge einer dieser abrupten Bewegungen verfehlte ihn dann auch der abgefeuerte Schuss, der nur leicht seinen Hinterkopf streifte.

Er warf sich nach vorn, rollte sich hinter den nächsten Laternenmast und hielt bereits die Waffe in der Hand, während er die Dunkelheit nach seinem Attentäter absuchte. Die Straßenlampen schalteten sich ein, nicht wegen der fortgeschrittenen Dunkelheit, sondern weil die Sensoren den Schuss registriert hatten, durch die auch Sirenen ganz in der Nähe ausgelöst worden waren. Bald würde die Polizei eintreffen, und er würde Bericht erstatten, damit sie nach dem Schützen suchen konnten.

Rogero wusste, dass sie niemanden finden würden. Das hier sah zu sehr nach dem Werk eines Profis aus. Mit der freien Hand tastete er nach der Verletzung an seinem Hinterkopf. Jemand hatte ihn umbringen wollen, und dabei war es gar nicht so wichtig, wer dieser Jemand war. Was eigentlich zählte, war die Frage, wer ihm diesen Auftrag gegeben hatte. Oder war Rogero dieses Mal mit dem Leben davongekommen, weil es sich nur um einen Warnschuss gehandelt hatte? Falls dem so war, stellte sich immer noch die Frage, wer ihm diese Warnung mit auf den Weg geben wollte. Und war diese Warnung für ihn persönlich oder nicht viel eher für General Drakon bestimmt gewesen?

Fest stand nur eines: Der Schütze hatte von seinem Treffen mit Präsidentin Iceni gewusst, und ihm waren auch Ort und Uhrzeit bekannt gewesen. Nur so hatte er in der Lage sein können, Rogero auf dem anschließenden Weg nach Hause aufzulauern.

»Bombardement beginnen«, befahl Drakon. Er stand mitten in der Kommandozentrale der Freien Taroaner und hielt den Blick auf das große Kartendisplay gerichtet. Das war eigens gedreht und weiter nach oben verschoben worden, damit er das gesamte Geschehen überschauen konnte. Eigentlich wäre er auch da draußen gewesen, wo der Angriff ablief, doch zu viele Dinge spielten sich momentan gleichzeitig ab, weshalb er sich irgendwo aufhalten musste, von wo aus er den Überblick über die Ereignisse hatte und zugleich möglichst wenig abgelenkt werden konnte.

Die Flugbahnen der kinetischen Projektile, die von den im Orbit kreisenden Kriegsschiffen abgefeuert worden waren, tauchten auf dem Display auf: Ihre Flugbahnen stellten sich in Form makelloser Kurven dar. Es sah aus, als handele es sich bei den Geschossen um präzise gelenkte Regentropfen. Alle Projektile waren dabei so aufeinander abgestimmt, dass sie exakt zur gleichen Zeit einschlagen würden. Anstatt sie einfach querbeet in die drei anvisierten Täler hineinstürzen zu lassen, bewegten sie sich wie ein Vorhang nach unten, der die Verteidigungsanlagen an den Talrändern und entlang der Küstenlinie ausschalten sollte.

An den gegenüberliegenden Hängen dieser Gebirgsketten warteten Drakons Brigaden, die von einem Teil der Streitkräfte der Freien Taroaner unterstützt wurden. Drei Brigaden, drei Täler, jedes Tal verteidigt von einem unterbesetzten Bataillon – eine überwältigende Streitmacht, die gegen den harten Kern der Loyalisten vorrücken sollte. An einem Sieg gab es nicht den geringsten Zweifel, doch das reichte nicht: Wenn sie es nicht auf die Sekunde genau abstimmten und den Schlangen noch genug Zeit blieb, um alles in die Luft zu sprengen, dann würde der militärische Sieg einen schalen Beigeschmack haben. Ganz zu schweigen davon, dass er dann noch viel mehr Verluste in seinen Reihen zu beklagen hätte.

Drakons Blick blieb auf die herabstürzenden Projektile gerichtet. Nichts weiter als gezielt abgeworfene Metallblöcke, die mit jedem Meter, die sie in die Tiefe fielen, an Energie zulegten. Die Strecke vom Orbit bis zur Planetenoberfläche betrug sehr viele dieser Meter, und die Geschosse waren schon mit einer beträchtlichen Geschwindigkeit abgefeuert worden. Die Sekunden bis zum Aufprall vergingen rasend schnell, und dann schlugen die Projektile auch schon ein.

Es sah aus, als wären entlang der Hänge zahllose kleine Vulkane ausgebrochen. Felsbrocken und Staub wurden aufgewirbelt und der Grund erschüttert. Das Ganze wurde von einem anhaltenden Grollen begleitet, in dem der Lärm der aufprallenden Einzelprojektile unterging. Alle Verteidigungsanlagen entlang der Hänge wurden ausgelöscht, nichts als Geröll blieb dort, wo sie eingegraben gewesen waren.

Drakon hatte sich bereits ganz in der Nähe solcher Bombardements aufgehalten. Wenn er die Augen schloss, konnte er sehen, was passierte, wenn die Steine einschlugen. Manchmal waren sie von Syndikat-Kriegsschiffen abgeworfen worden, um die Verteidigung der Allianz zu zermalmen, ehe er und seine Soldaten zum Einsatz kamen und ein Gebiet einnahmen. Andere Male kamen sie aber auch von Allianz-Schiffen, die es auf ihn und seine Leuten abgesehen hatten. Männer und Frauen wurden von diesen Geschossen genauso ausgelöscht wie ganze Gebäude, sodass verlassene Schlachtfelder zurückblieben, die den trügerischen Anschein vermittelten, als hätte der Konflikt gar keine Opfer gefordert, gab es doch keine Toten zu sehen. Das ist die wahre Hölle. Nicht dieser Ort, an dem man von Feuer und Dämonen in Empfang genommen wird, sondern ein Ort, den der Tod besucht hat. Ein Ort, von dem nichts übrig ist, weil die Leute ausgelöscht worden und alle Hinweise verschwunden sind, dass hier je ein Mensch gelebt hat.

Ich weiß, wie Colonel Gaiene sich fühlt. Ich bin es leid, irgendwelche Orte in die Hölle zu verwandeln.

Allerdings wüsste ich nicht, wie ich das anders lösen sollte, ohne dass dabei noch viel mehr Menschen dabei ihr Leben verlieren.

Der Wachposten, der ungläubig mit ansah, wie die gewaltigen Detonationen alles auslöschten, lebte nicht lange genug, um zu verstehen, dass sich Roh Morgan in seiner unmittelbaren Nähe aufhielt. Nur einen Moment später wurde das von ihm bewachte Fahrzeug von einer Haftmine zerfetzt, die auch den Fahrer tötete. Während das Bombardement für Ablenkung sorgte, führten getarnte Kommandosoldaten, die im Verlauf der letzten Tagen unbemerkt in die ausgewählten Regionen eingedrungen waren, gezielte Anschläge aus, um mobile Verteidigungsanlagen unschädlich zu machen. Die waren dort positioniert worden, wo es von Zivilbevölkerung nur so wimmelte, weil sie wussten, dass die Gegenseite sich unter diesen Umständen wohl eher gegen ein Bombardement entscheiden würde.

Ein Zug Soldaten kam die Straße entlanggelaufen, jeder von ihnen hielt sichtlich vergeblich Ausschau nach den Feinden. Morgan zielte sorgfältig, gleich darauf sank der Anführer des Zugs tot zu Boden, der sich durch die ausholenden Gesten verraten hatte, die jeden seiner Befehle begleiteten. Amüsiert erschoss sie noch zwei Soldaten, dann wechselte sie zu einem neuen Standort, denn ihre bisherige Position war anhand der Schüsse aufgeflogen und wurde nun massiv unter Beschuss genommen.

Ein entsetzter Bürger rannte über die Straße und hinderte Morgan am nächsten Schuss, woraufhin sie verärgert zweimal abdrückte. Beide Geschosse fraßen sich durch den Leib des Bürgers und schlugen dann in den Soldaten ein, der sich hinter dem Zivilisten aufgehalten hatte.

Grüne Lichter zeigten Morgan auf dem Helmdisplay an, dass die übrigen Kommandosoldaten im Tal alle Ziele ausgeschaltet hatten.

Doch das alles war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, um die Schlangen zu verwirren und zu überfordern, da jetzt von allen Seiten Meldungen über Aktivitäten und Gefahren eingingen. Bereits als junges Mädchen hatte sie diese Tatsache über andere Leute herausgefunden – nämlich wie leicht es war, sie abzulenken und zu überwältigen, wenn man sie nur mit genügend Bildern und Ideen überschüttete. Männer neigten besonders dazu, das Denken einzustellen, wenn Frauen sie mit den richtigen Gesten und Andeutungen köderten. Aber es waren nicht nur Männer. So gut wie jeder Mensch konnte aus der Ruhe gebracht werden, wenn seine geistigen Kapazitäten auf genau die richtige Weise überfordert wurden.

Für sie galt das hingegen nicht. Morgan war immer in der Lage, ihr Ziel kristallklar vor sich zu sehen, auch wenn um sie herum noch so viel Chaos herrschen mochte. Nachdem man sie von diesem Asteroiden geholt hatte, war alles so klar geworden. Sie war neugeboren worden, weil sie eine Bestimmung hatte. Von Drakon als Offizierin anerkannt zu werden, hatte mit zu dieser Bestimmung gehört. Ihm war das noch nicht klar, aber sie hatte es von Anfang an gewusst.

Ruhig und gelassen drückte sie sich gegen die Wand in ihrem Rücken, völlig unbeeindruckt von den Schüssen, die von den Überlebenden des Loyalistentrupps in alle Richtungen abgefeuert wurden. Fast beiläufig gab sie einen Befehl aus, daraufhin erwachten die von ihr und ihrem Team zuvor an entscheidenden Stellen des Kommandonetzwerks der Loyalisten platzierten Vorrichtungen und begannen, angebliche Befehle und falsche aktuelle Daten zu verbreiten. Im Durcheinander aus eingehenden Berichten würden viele davon den Schlangen mitteilen, dass eigentlich alles in Ordnung war, damit ihr Verstand aus der überwältigenden Fülle an Informationen nur die Dinge herauspickte, die sie wahrhaben wollten.

»Da sind die Signale«; sagte Sub-CEO Kamara, als sich in allen drei Tälern schwere Explosionen ereigneten. »Die Kommandosoldaten haben den Weg in die Täler geebnet.«

Drakon nickte. »An alle Brigaden: Vorrücken!«

Shuttles vollzogen Luftsprünge, als sie den Gebirgskamm überwanden und dabei fast noch etwas von dem Gestein mitrissen. Mit hoher Geschwindigkeit rasten sie durch die sich immer noch ausbreitenden Staubwolken in Richtung Talsohle davon. Viele Shuttles gehörten zu Drakon, andere waren von den Freien Taroanern beigesteuert worden, ramponierte Überreste der Luft- und Raumstreitkräfte, die früher einmal den Himmel und den niedrigen Orbit dieser Welt geschützt hatten. Diese taroanischen Piloten, die die Kämpfe so lange Zeit überlebt hatten, waren entweder besonders geschickt, oder sie hatten das unverschämtem Glück zu verdanken. Beides kam ihnen jetzt zugute, als sie die Midway-Shuttles ins Gefecht führten. Von den wenigen noch verbliebenen Verteidigern wurden nur vereinzelt Schüsse auf sie abgegeben.

Colonel Malin hielt inne, während er die Dampfbarriere betrachtete, von der das Hauptquartier der Schlangen in diesem Tal umgeben war. Das Wasser, das als Dampf aus feinen Düsen austrat, sorgte dafür, dass ein Eindringling selbst dann sofort bemerkt wurde, wenn er den besten verfügbaren Tarnanzug trug. Es war die perfekte Methode, um das Hauptquartier vor ungebetenen Besuchern zu schützen.

Auf der anderen Seite wurde damit aber auch auf den ersten Blick deutlich, welches – von allen anderen Bauten völlig isolierte – Gebäude das Hauptquartier beherbergte. Aus der Vogelperspektive war es gut verborgen, aber von seiner momentanen Position konnte Malin es gut ausmachen.

Dadurch war es auch relativ leicht gewesen, die unterirdischen Kommunikationsleitungen ausfindig zu machen, die von dem Gebäude wegführten. Täuschungsvorrichtungen waren dort bereits am Werk, die einerseits beschwichtigende aktuelle Daten lieferten und andererseits die echten Alarmmeldungen und Aktivierungscodes blockierten. Mit ernster Miene betrachtete Malin die Pseudo-Anzeigen und achtete darauf, dass die Protokolle und Codes, die ihnen nach dem Sturm auf das ISD-Hauptquartier bei Midway in die Hände gefallen waren, jetzt dafür sorgten, dass den Schlangen hier bei Taroa der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Man durfte nichts als selbstverständlich ansehen. Man musste einen Reserveplan haben, wenn der Notfallplan durchkreuzt wurde. Aus unerfindlichen Gründen hatten höhere Mächte das Gebiet des Syndikats den Göttern des Chaos überlassen. Es würde nötig sein, auf den Wellen des Chaos zu reiten, um zur Harmonie zurückzukehren. Es mussten die Mittel und Wege gefunden und die richtigen Mächte ins Spiel gebracht werden, um den Sturm zu bändigen.

Manchmal bedeutete das, erst einmal andere Stürme entfesseln zu müssen.

Er rief den Schweren Kreuzer, gab die Koordinaten durch und zog sich dann so schnell wie möglich vom Hauptquartier zurück, ohne dabei auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Gleichzeitig sendete er einen Alarm an die anderen Kommandosoldaten, damit die sich auf die Einschläge gefasst machen konnten.

Sekunden später stürzten zwei kinetische Projektile durch die Atmosphäre, beide so schnell, dass das menschliche Auge sie selbst nicht wahrnehmen konnte, dafür aber die tödlichen Lichtstreifen, die sie hinter sich zurückließen. Das Tal erzitterte, als sich das Hauptquartier der Loyalisten in einen Krater verwandelte.

Auf Malins Display war allerdings zu sehen, dass immer noch Pseudo-Informationen zwischen dem Hauptquartier und seiner Umwelt hin und her geschickt wurden. Sehr schlau. Sogar die internen Referenzen geben falsche Informationen zur Position an. Ich muss das wahre Hauptquartier finden und es von der Außenwelt abtrennen, ehe es die falschen Befehle senden kann.

Malin und seine Kommandosoldaten machten sich erneut an die Arbeit.

»Colonel Malin sendet eine rote Anzeige zur Erledigung seiner Mission«, meldete Colonel Senski.

Kamara rüttelte an ihren Kontrollen, als könnte das die Informationen ihrer Anzeige verändern. »Ihr Bombardement hat das Ziel zerstört, das sich an den von ihm gelieferten Koordinaten befand.«

»Wenn Malin sagt, der Auftrag ist nicht erledigt, dann ist er auch nicht erledigt«, gab Drakon zurück und kniff ein wenig die Augen zusammen, als er sich die Lage in den drei Tälern ansah. »Colonel Senski, setzen Sie Ihre Annäherung fort und führen Sie den Angriff durch.«

»Aber General«, protestierte Senski. »Wenn wir vorrücken, solange das Hauptquartier noch funktionstüchtig ist, könnten genügend echte Informationen durchsickern und sie zu dem Entschluss bringen, den Jüngsten Tag auszurufen.«

»Je länger diese Operation dauert, umso größer wird das Risiko, dass die Schlangen uns so oder so durchschauen, Colonel. Rücken Sie vor, und nehmen Sie Ihre vorgegebenen Ziele ein. Wenn Malin ein Ablenkungsmanöver gebrauchen kann, damit die Schlangen nicht auf ihn aufmerksam werden, dann wird Ihr Angriff dieses Manöver sein.«

Kamara starrte auf ihr Display. »Die Schlangen könnten in dieser Stadt eine Weltuntergangsbombe versteckt haben«, sagte sie zu Drakon. »Die wollen die rebellischen Regionen dieses Planeten wieder unter ihre Kontrolle bringen, ihr Ziel ist nicht, diese ganze Welt in die Luft zu sprengen. Aber wenn CEO Ukula genug Zeit zum Nachdenken hat, um zu begreifen, was hier los ist …«

»… dann werden wir einen wirklich gehörigen Tritt in den Hintern bekommen«, erwiderte Drakon gelassen. »Ich dachte mir, dass das so kommen würde. Wenn wir jetzt umkehren oder auch nur zögern, wird es nur noch riskanter werden.«

Sie lächelte ihn ironisch an. »Da wir beide den Kopf werden hinhalten müssen, will ich hoffen, dass Sie recht haben.«

Ich auch. »Malin wird das Hauptquartier der Schlangen ausschalten.«

Die Hauptgruppen der Brigaden trafen an ihren Zielen ein. Shuttles setzten hart auf, Soldaten in Gefechtsrüstung quollen in Massen aus den Fahrzeugen. Die Verteidiger, die schwer getroffen und ins Chaos gestürzt worden waren, was den im Kommandonetz der Schlangen platzierten Fehlinformationen aussendenden Einrichtungen zu verdanken war, leisteten an einigen Positionen Widerstand, während andere Einheiten sich ergaben.

»Die Kommandoverbindungen in diesem Tal sind unterbrochen«, meldete Colonel Kai, der selbst im schlimmsten Kampfgetümmel völlig gefasst wirkte.

»Wie können Sie sich sicher sein, dass Sie alle Kommandoverbindungen erwischt haben?«, wollte Kamara wissen.

»Weil wir mit Ausnahme unserer eigenen alle Komm-Verbindungen in diesem Tal unterbrochen haben. Dieser Teil Ihrer Infrastruktur lässt sich leichter wiederherstellen, als wenn das ganze Gebiet nur noch ein einziger großer Krater wäre«, gab Kai zurück.

Ehe Kamara etwas dazu sagen konnte, wurden sie durch eine weitere eingehende Mitteilung abgelenkt.

»Verdammt noch mal!«, brüllte Colonel Gaiene.

Drakon richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf Gaienes Einheit und entdeckte eine Fülle von roten Markierungen mitten zwischen Gaienes Soldaten. »Con, soll ich Ihnen die Reserve schicken?«

»Verdammt nein! Aber die haben uns genau auf der Schlangenkaserne für dieses Tal abgesetzt statt eine Straße weiter! Wie immer taugt dieser Geheimdienst für gar nichts!« Während Gaiene redete, feuerte er auf den Gegner und drehte sich dabei um sich selbst, um in alle Richtungen zu schießen, aus denen ihm die Feinde entgegenkamen.

Es war den Schlangen gelungen, lokale Störsender auszulösen. Dies und das wilde Durcheinander aus Soldaten und Schlangen sorgten dafür, dass Drakon Mühe hatte, das Geschehen auf dem Display nachzuvollziehen, wo Markierungen hin und her sprangen, erloschen und dann doch wieder aufleuchteten. »Ich schicke Ihnen die Reserve, Con«, entschied er. Er hatte nur zwei Züge zur Verfügung, aber womöglich genügte das ja auch. Dummerweise würde es einige Zeit dauern, bis diese Züge am Ziel eintrafen, selbst wenn die Shuttles mit Höchstgeschwindigkeit im Einsatz waren.

»Das können Sie sich sparen«, wehrte Gaiene ab. »Ich habe Munition in Massen und genügend Soldaten. Das Einzige, was hier allmählich knapp wird, sind unsere lebenden Zielscheiben!«

Kamara starrte auf das Display, auf dem die roten Markierungen sich rasend schnell in Luft auflösten, als würden Seifenblasen zerplatzen. »Und ich dachte, er ist nur ein betrunkener Lustmolch.«

»Ist er auch«, bestätigte Drakon. »Aber im Gefecht ist er auch ein verdammt guter Soldat.«

»Unterbrecht alles!«, befahl Gaiene seinen Truppen. »Trennen Sie jede Komm-Verbindung, die Sie finden können. Wohin die verlaufen, darüber können wir uns später immer noch den Kopf zerbrechen.«

Drakon betrachtete die Situation in Gaienes Tal, dann befasste er sich mit der Lage, in der sich Kai und Morgan befanden. Den Loyalisten und den Schlangen wurde zügig ein Ende bereitet. Aber da die Komm-Leitungen unterbrochen waren, verloren auch die Vorrichtungen ihren Sinn, deren verwirrende und falsche Meldungen nicht mehr an die Schlangen übermittelt wurden. Malin, Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit, bis die Befehlshaber der Schlangen merken, wie hoffnungslos ihre Situation längst ist.

Von einer geschützten Position auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus betrachtete Bran Malin das völlig unscheinbare Gebäude, über das sein Tarnanzug ihm meldete, dass es mit Verteidigungsanlagen vollgestopft war. Durch die Fenster hatte er im Inneren Gestalten in gepanzerter Rüstung hin und her eilen sehen, so schnell sogar, dass er sie fast nicht bemerkt hätte. Obwohl von allen Seiten Gefechtslärm zu hören war, da der größte Teil von Colonel Senskis Brigade im Tal gelandet war, hatte bislang niemand das Gebäude verlassen. Das lag zum Teil natürlich auch an den Vorrichtungen, die die Schlangen im Unklaren darüber ließen, was nun wirklich los war. Doch da die eindeutige Geräuschkulisse inzwischen so nahe gerückt war, dass man sie hier deutlich hören konnte, hätte man annehmen sollen, dass man zumindest jemanden nach draußen auf die Straße geschickt hätte, um sich ein Bild von dem zu machen, was hier im Tal los war. Das alles konnte nur bedeuten, dass diejenigen, die sich im Inneren befanden, vor allem eines nicht tun wollten: sich vor der Tür blicken lassen.

Zahlreiche über Land verlaufende Leitungen mit umfassender Sicherheitsabschirmung hatten ihn vom Krater des ursprünglichen Hauptquartiers zu diesem Bauwerk hier geführt. Malin war der Spur gefolgt, und nun bewertete er das Gebäude. In den höheren Etagen befanden sich Wohnungen, was von oben betrachtet eine gute Tarnung darstellte. Zu dieser Täuschung gehörte auch die Tatsache, dass Bürger zu jeder Tagesund Nachtzeit kamen und gingen. Allerdings bedeutete das auch, dass sich jetzt wahrscheinlich Zivilisten in den Wohnungen aufhielten, selbst wenn Malin niemanden sehen konnte.

Sollte er ein weiteres Orbitalbombardement anfordern und so sicherstellen, dass die Schlangen nicht noch in letzter Sekunde den Weltuntergang auslösten, um alle anderen mit sich in den Tod zu reißen? Malin musterte die Fenster der Wohnungen und wusste, ihm blieben nur noch Sekunden.

Man tut, was getan werden muss. Manchmal muss der eine oder andere geopfert werden. Die Entscheidung liegt in meinen Händen, und wenn ich mich geirrt haben sollte, lastet die Schuld auf mir.

Er rief den Kreuzer, dann zog er sich in der kurzen Zeit bis zum Auftauchen von drei Projektilen auf ihrem Weg durch die Atmosphäre weit genug zurück und begab sich in einen anscheinend verstärkten Luftschutzbunker. Dort legte er sich flach auf den Boden, gleich darauf wurde durch die Stoßwellen vom Einschlag der Projektile alles aus den Regalen auf den Fußboden geschleudert. Dabei versuchte er, seine Gedanken nicht auf die Leute zu konzentrieren, die beim Bombardement umgekommen waren, sondern stattdessen auf den höheren Zweck, den er mit seiner Arbeit verfolgte.

Ein blinkender Alarm ließ ihn wissen, dass nicht länger auch nur ein einziger aktiver Befehlsknotenpunkt der Schlangen feststellbar war. Dann verdrängte er das Triumphgefühl hinter jene Barrieren, hinter denen schon sein Bedauern so gut versteckt war, und schickte das Signal mitsamt dem Bericht ab, dass er seinen Auftrag erledigt hatte.

Drakon spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel, als die Markierung von Malins Missionsstatus plötzlich auf Grün umschlug. »Also gut, wir bringen das jetzt zu Ende«, teilte er seinen Colonels mit.

»Wir sind fertig«, meldete Colonel Gaiene auf einem privaten Kanal außerhalb des Kommandonetzes. »Hier gibt’s keine Schlangen mehr, die wir töten könnten. Die Bürger verhalten sich durchweg exzellent. Und uns haben sich so viele Loyalisten ergeben, dass gut eine Kompanie zusammenkommt. Die stammen aus verschiedenen Einheiten, allerdings sind das alles Einheiten, die auf der Liste der Freien Taroaner den Vermerk ›Töten, nicht gefangen nehmen‹ tragen.«

Drakon blickte Sub-CEO Kamara an, die mit einigen ihrer Befehlshaber darüber redete, in die Täler einzumarschieren, die von Drakons Leuten eingenommen worden waren. »Ich nehme an«, erwiderte er, »dass alle, die sich ergeben haben, behaupten, sie hätten mit den begangenen Grausamkeiten nichts zu tun.«

»Das nehmen Sie völlig zutreffend an. Ich könnte sie jetzt alle töten«, fügte Gaiene beiläufig hinzu, »oder ich übergebe sie an die Freien Taroaner, was bedeuten würde, dass sie etwas später getötet werden. Oder ich setze sie in die leeren Shuttles, die darauf warten, Verwundete zu den Orbitaldocks zu fliegen, und lasse sie zu den Docks bringen. Wir können jeden guten Soldaten gebrauchen.«

»Das würde uns etwas Zeit geben, sie zu … ähm … sie zu verarzten«, stimmte Drakon ihm zu. »Gut, bringen Sie die ›Verletzten‹ zu den Docks, aber achten Sie darauf, dass sie keine Waffen bei sich führen. Und eine angemessene Eskorte soll sie im Auge behalten. Setzen Sie die kompletten Verhörsensoren ein, um festzustellen, ob sie tatsächlich sauber sind. Falls es einer nicht ist, kümmern wir uns schon um ihn.«

»Wie Sie wünschen, General. Ich bin froh, dass wir darüber reden konnten.«

»Hat mich auch gefreut, Colonel Gaiene.«

Als Nächster meldete sich ein leicht gereizt klingender Colonel Kai. »Wir kommen hier nicht weiter«, berichtete er, während Drakon im Hintergrund des Videos ein großes Gebäude sehen konnte. Die Fassade war stark beschädigt, und aus verschiedenen Fenstern wurde sofort das Feuer eröffnet, sobald einer von Kais Soldaten in Sichtweite kam.

»Einige Sturköpfe haben sich in einem Gebäude verschanzt, in dem es von Zivilisten wimmelt«, erläuterte Kai, der den Eindruck erweckte, dass er hauptsächlich auf die Zivilisten wütend war, weil sie sich in diese Lage hatten bringen lassen. Vermutlich war das auch der Fall, da Kai grundsätzlich auf alles mit Verärgerung reagierte, was den reibungslosen Ablauf einer Operation störte. »Mindestens Zugstärke, mit schweren Waffen. Das Gebäude könnte ich mühelos dem Erdboden gleichmachen, aber Sie haben uns ja angewiesen, möglichst keine Zivilisten zu töten.« Das wiederum hörte sich wie ein Vorwurf an Drakons Adresse an, da dessen Befehle die einfachste Lösung des Problems unmöglich machten.

Sub-CEO Kamara schaute ernst drein. »Er sollte diese verbissenen Loyalisten eliminieren.«

»Auch wenn er dabei alle Zivilisten in diesem Gebäude töten wird?«, fragte Drakon und zog dabei eine Braue hoch. »Das ist ein großes Gebäude. Wir reden hier vermutlich über mehrere hundert Menschen.«

»Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen.«

»Was für eine ehrbare Geste von Ihnen«, gab Drakon mit unüberhörbarem Sarkasmus in seinem Tonfall zurück. »Sie sind also bereit, diese Leute sterben zu lassen. Ich weiß, Sie führen hier einen Bürgerkrieg, aber Sie sollten sich besser angewöhnen, diese Bürger als Ihre Bürger zu betrachten. Wollen Sie, dass Ihre Bürger sterben, Sub-CEO?«

Kamara verzog mürrisch den Mund. »Sie haben ein ganzes Haus voller Geiseln. Was schlagen Sie vor?«

»Colonel Kai soll ihnen zusichern, dass keiner von Kais Leuten auf sie schießen wird, wenn sie das Gebäude verlassen.«

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wissen Sie, was die Einheit verbrochen hat, zu der diese Soldaten gehören? Wir können sie doch nicht ungeschoren davonkommen lassen!«

Drakon lächelte sie humorlos an. »Habe ich gesagt, dass ich das beabsichtige? Ich bin Ihrer Meinung, dass wir niemanden belohnen dürfen, der Geiseln genommen hat, schon gar nicht, wenn es sich um Leute handelt, die solche Grausamkeiten begangen haben, wie Sie sie mir zeigten. Es ist aber ganz sicher nicht meine Schuld, wenn die Loyalisten nicht das Kleingedruckte lesen, das zu den Versprechen gehört, die ich gebe.«

»Ich kann noch nicht bestätigen, dass CEO Ukula tot ist«, meldete sich Malin. »Aber es deutet alles darauf hin, dass er, seine Leibwache und sein Kommandostab ums Leben gekommen sind, als wir das getarnte Hauptquartier zerstört haben. Es wird eine Weile dauern, aus den Trümmern DNS-Fragmente zu bergen und zu identifizieren.«

»Verstanden«, erwiderte Drakon. »Gute Arbeit, wie Sie die sekundäre Kommandozentrale aufgespürt haben. Die Verzögerung hatte uns schon Sorgen bereitet. Gab es bei der Eliminierung des eigentlichen Hauptquartiers noch irgendwelche Probleme?«

Malins Gesichtsausdruck verriet nichts, als er mit einem Kopfschütteln reagierte. »Nichts, worüber Sie sich Gedanken machen müssten, General. Ich habe mich um alles gekümmert. Colonel Senski hat mich wissen lassen, dass ihre Brigade noch ein paar kleinere Widerstandsnester ausheben muss, aber ansonsten gehört das Tal Ihnen, General.«

»Danke. Ich wollte schon immer ein eigenes Tal haben.«

Nach längeren Verhandlungen mit Colonel Kai verließen die Loyalisten dann endlich das Gebäude.

»Sie haben sich mit Zivilisten umgeben, damit die für sie Schutzschilde spielen«, berichtete Kai verächtlich. »Und das, wo ich Ihnen versprochen habe, dass meine Soldaten nicht das Feuer eröffnen werden.«

»Man könnte glatt meinen, dass sie uns nicht vertrauen«, erwiderte Morgan. »Wir sind bereit, wenn Sie es sind, General.«

»Warten Sie, bis Sie eine klare Schusslinie haben, dann schalten Sie sie aus. Sie entscheiden, wann Sie feuern«, wies Drakon ihn an.

Die Loyalisten hatten die halbe Strecke bis zu den wartenden Shuttles zurückgelegt, mit denen sie in Sicherheit gebracht werden sollten, als Morgans getarnte Kommandosoldaten das Feuer eröffneten. Gut die Hälfte der gegnerischen Soldaten fiel der ersten Salve zum Opfer, die Überlebenden zögerten und überlegten, ob sie weglaufen oder das Feuer erwidern oder die Zivilisten hinrichten sollten, die ihnen als menschliche Schutzschilde dienten. Noch bevor sie überhaupt begriffen, was um sie herum geschah, waren sie bis auf zwei tot. Ein Überlebender versuchte noch sich zu ergeben, aber er starb, während seine Waffe nicht einmal den Boden berührt hatte. Der Letzte konnte noch einen ungezielten Schuss abgeben, ehe auch er tot zusammenbrach.

»Gut, und jetzt Ihr Auftritt, Colonel Kai«, befahl Drakon.

Morgan und die anderen Kommandosoldaten schalteten die Tarnvorrichtung ihrer Schutzanzüge ab und gingen auf die Bürger zu, die zitternd vor Angst inmitten der auf dem Boden liegenden Loyalisten standen. Colonel Kai und seine Soldaten näherten sich aus der entgegengesetzten Richtung. Kai klappte das Visier hoch und sah Morgan missbilligend an. »Ich hatte diesen Leuten zugesichert, dass meine Soldaten nicht auf sie schießen werden, wenn sie die Geiseln freilassen!«, herrschte Kai sie laut genug an, um von den Bürgern gehört zu werden.

»Ich habe ihnen nichts zugesichert«, konterte Morgan unbeeindruckt. »Außerdem haben Sie nicht über mich zu bestimmen. Diese Kommandosoldaten unterstehen meinem Befehl, nicht Ihrem!«

»Die Freien Taroaner wollten nicht, dass den Bürgern etwas zustößt«, machte Kai klar.

»Dann können sie sich doch freuen«, meinte Morgan. »Wir haben nur die Schlangen und ihre Helfer erschossen.«

Kai zuckte mit den Schultern, eine Geste, die von seiner Gefechtsrüstung auf eine seltsame Weise verstärkt wurde, und wandte sich an die Zivilisten: »Sie dürfen jetzt nach Hause zurückkehren. Wenn sich im Gebäude verletzte Bürger befinden, werden sich meine Sanitäter um sie kümmern.«

»Das werden die Bürger Ihnen nicht abnehmen«, urteilte Kamara im Hauptquartier der Freien Taroaner. »Ihr Colonel Kai wirkte völlig steif, und Colonel Morgan klang, als würde sie Witze reißen.«

»Colonel Kai wirkt immer so. Weder er noch Morgan dienen unter mir, weil sie hervorragende Schauspieler sind«, entgegnete Drakon. »Die Bürger waren verängstigt und verwirrt, für sie wird sich das sicher natürlich genug angehört haben. Wir haben Sie soeben bei den Bürgern in diesem Tal besonders gut dastehen lassen. Sorgen Sie dafür, dass Sie diesen Vorteil nicht verspielen.«

Sub-CEO Kamara nickte Drakon zu. Ihre ernste Miene hellte sich nach und nach auf, als sie einen Überblick über alle Resultate dieser Operation zu lesen begann. »Das letzte Widerstandsnest im Tal wurde ausgehoben. Das ist ein schwerer Schlag für die Loyalisten. Wir haben ihnen die wichtigsten Täler abgenommen, so gut wie die gesamte Infrastruktur ist erhalten geblieben, und wir haben ihre Führungsebene ausgelöscht. Ihre verbliebenen Streitkräfte können nicht mehr viel länger durchhalten. Von den Kommandanten in zwei Regionen, die von den Loyalisten kontrolliert werden, wird gemeldet, dass sie sich ergeben wollen.«

»Gut«, sagte Drakon erleichtert und warf einen Blick auf die Liste der Verluste. Für einen Einsatz dieser Größenordnung war die Zahl der Toten und Verwundeten durchaus vertretbar, dennoch war jeder Tote immer einer zu viel.

Kamara unterhielt sich fröhlich mit anderen Kongressmitgliedern der Freien Taroaner, während sich Drakon dem Display widmete, auf dem die Fläche der von den Loyalisten kontrollierten Gebiete deutlich geschrumpft war. Draußen bahnte sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken aus Vulkanasche, die über den Himmel zogen.

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