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Einem gegenüber war alles andere bedeutungslos, und dieses eine stand unabänderlich fest: Der Major mußte sterben.

Das Kasernengelände war vollkommen eben und genau quadratisch. Vier Gebäudefronten umgrenzten es. Nur wenige der Gebäude, wie die Maschinenhäuser und die Magazine, besaßen Fenster, alle anderen wiesen mit leeren Mauern nach innen, und auch ihr Zweck war nicht bekannt.

Inmitten der Mauern lagen die Exerzierplätze, die Hindernisbahnen, die Wege, die Steinflächen und einzelne kreuz und quer gebaute Baracken. Die Gebäude waren grau, die Erde war gelb. Gelb waren auch die Uniformen, gelb war die Haut der Männer, und gelb war der Himmel, ein Himmel voll Dunst, der schwer und tief über dem Gelände hing. Die Kaserne war eine Welt für sich, eine Welt in Gelb und Grau.

Das Bataillon war auf dem großen Exerzierplatz angetreten. Es war sechs Uhr dreißig – die Zeit des Tagesaufrufs. Wie ein Block stand die Belegschaft vor dem Major. Hinten in Zehnerreihen die tausend Soldaten; davor, in drei Schritt Abstand, die hundert Korporale und davor, wieder in drei Schritt Abstand, die zehn Sergeanten. Der Major stand weit von allen entfernt, einsam und groß, hoch aufgerichtet ihnen zugewandt. Seine Worte, durch Kehlkopfmikrofon und Handlautsprecher verstärkt, dröhnten über den Platz. Er sprach von der Ehre des Soldaten, von der Pflicht, vom Gehorsam, von der Achtung vor dem Vorgesetzten. Er sprach jeden Tag solche Worte, und die Belegschaft nahm sie dankbar auf. Sie schöpfte aus ihnen Glauben, Freude, Begeisterung. Kraft für den schweren Dienst. Tapferkeit für die Waffenübungen, die Mutproben.

»... der Soldat besitzt nichts Wertvolleres als seine Ehre. Unablässig ist er bereit, sie zu verteidigen, um sie zu kämpfen. Unablässig bereitet er sich darauf vor, allem zu begegnen, was sie zu verletzen droht...«

Nach dem Appell würden sie wegtreten, um ihre Aufgabe zu erfüllen: zu den Schießübungen, zum Unterricht, zum Sport, zum Exerzieren, und immer noch, den ganzen Tag über, würden diese Worte in ihnen nachklingen. Der Dienst war schwer, am Abend fielen sie ausgepumpt und leer in ihre Betten, aber selbst noch im Einschlummern machte sie die Erinnerung an diese Worte glücklich.

»... der Gehorsam ist das Fundament der soldatischen Erziehung. Jeder ist ein Glied in einer großen Kette, die durch den Gehorsam zusammengeschweißt wird. Unverzüglich und unbeirrt gehorcht der Soldat seinen Vorgesetzten...«

Eintausendeinhundertzehn Männer standen bewegungslos unter dem gelben Himmel, der tief und schwer herunterhing, während der Major sprach. Eintausendeinhundertneun von ihnen brannten darauf, ihre Dienstbereitschaft zu beweisen, sich zu bewähren. Einer von ihnen dachte darüber nach, wie er den Major töten könnte.

Abel war der sechsundfünfzigste in der siebenten Reihe. Während er wie die anderen mit unbeweglichem Gesicht der Parole des Majors zu lauschen schien, arbeitete er im stillen an einem komplizierten Plan. Er hatte undenklich lange Zeit in der Kaserne gelebt, ohne daß sein Gehirn etwas anderes zu verarbeiten gehabt hatte als die Texte der Kampflieder, die Vorschriften zur Waffenreinigung, die Grundregeln des Soldatentums, die sie in den Unterrichtsstunden lernten. Jetzt war ihm, als ob sein Denken plötzlich von den eingefahrenen Geleisen abwiche, weiter und weiter, und sich in unbekannten bodenlosen Räumen verlor. Etwas bisher Eingeschlossenes war plötzlich ausgebrochen, ohne daß er es kontrollieren konnte. Es kreiste unablässig nur um eines – um den Tod des Majors. Sein Sterben war durchplant wie eine entscheidende, auf das unabwendbare Matt gerichtete Folge von Schachzügen, durchgerechnet wie ein System von Gleichungen mit mehreren Unbekannten, aus dem sich stets dieselbe Lösung ergibt, auf welche Weise man die Rechnung auch beginnt.

Die Spannung in Abel ließ ein wenig nach. Er bemerkte, daß der Major seine Rede beendet hatte. Fast eine Minute lang war es still. Dann kam der abschließende Befehl:

»Zum Tablettenfassen abtreten lassen!«

Jeden Tag und auch heute sprangen die zehn Sergeanten wie etwas Einheitliches, Zusammengewachsenes vor, machten kehrt und gaben das Kommando weiter. Die Salven ihrer herausgestoßenen Worte schossen über die Mannschaft hinweg. Die Starre zerschmolz in einem jähen Zusammenknicken; dann kam ein Moment des Chaos, des sinnlosen Aneinanderstoßens, des Drängens und Schiebens, und dann folgte das Gewirr aus pflichtbewußter Zielstrebigkeit und automatenhaftem Laufschritt, in dem, mit leicht gegrätschten Beinen und zusammengekniffenen Augen, der Major wie vergessen übrigblieb.

Zum erstenmal nach der schlaflosen Nacht und der ersten Dienststunde liefen Abels Gedanken etwas geruhsamer. Noch fühlte er keine Regung, nach Ursachen zu grübeln, nach Hintergründen zu forschen, aber zum erstenmal wunderte er sich über seine Gleichgültigkeit dem gegenüber, was seiner Veränderung zugrunde lag – und solcherart hatte er sie immerhin schon zur Kenntnis genommen. Dagegen war er sich über den Anlaß klar, wenn auch nur, weil dieser in seinem Plan eine gewisse Rolle spielte. Er war der Anknüpfungspunkt, von dem aus er Hilfe zu erlangen hoffte: jenes kleine, wahrscheinlich zufällige Ereignis am Vortag, bei der Tablettenausgabe.

Nun standen sie, genauso wie gestern, zugweise angetreten, vor den Schaltern an der Wand des Vorratsmagazins. Es würde etwas Ähnliches geschehen wie gestern zur selben Zeit, nur mit einem kleinen Unterschied: Es würde nicht nur ihn erfassen, sondern auch einen anderen.

Es gab zehn Öffnungen in der Wand, kreisrunde Löcher, aus denen kurze dachrinnenförmige, in schnabelartige Enden auslaufende Blechformen ragten. Ein Mann nach dem anderen stellte sich davor auf, legte die linke Hand mit dem um den kleinen Finger genieteten Kontrollring auf die Registraturplatte neben der Auswurfrinne, und, nach einem trockenen Rasseln aus dem Inneren des Gebäudes, kollerte das Plastiktütchen mit den Tabletten in die aufgehaltene Rechte.

Abel stand in der Reihe und wartete. Verstohlen musterte er seine beiden Nebenmänner. Arthur stand rechts von ihm, aus seinem Gesichtswinkel erblickte Abel nur das angezogene Kinn und die nahezu gerade Linie Stirn-Nasenrücken, die wie ein Dach über die Lippenpartie ragte. Kommt nicht in Frage, dachte er. Er wandte sich nach links. Austin war einen Zentimeter kleiner als er, sein Gesicht um eine Nuance dunkler pigmentiert als die Haut der anderen. Das Auffälligste waren die schwarzen Augen mit den mattblinkenden Lichtern darin. Aber diese Augen blickten starr – geradeaus ins Leere.

Abel entschied sich für Austin.

Als ihr Zug an der Reihe war und Abel das durchsichtige Plastiktütchen erhalten hatte, tat er fast dasselbe wie alle anderen. Er trat beiseite, riß es auf und ließ die Tabletten herausrollen. Nun lagen sie auf seinem Handteller, zwei große weiße, mit einer wachsartigen Substanz überzogen, die sie leicht in den Hals hinuntergleiten ließen, eine kleine braune, die süßlich schmeckte, und eine schwarze, kugelförmige von der Größe eines Schrotkorns. Abel steckte eine der großen in den Mund und schluckte; er fühlte sie in die Speiseröhre hinuntergleiten. Dann verschlang er die zweite und auch die kleine braune. Flüchtig fiel ihm auf, daß er keine Zähne hatte und daß auch seine Kameraden keine besaßen. Nur der Major hatte Zähne, die man bei seinen Kommandos schimmern sah. Aber das war jetzt unwichtig. Er blickte sich um ... der Augenblick war günstig, alle um ihn herum waren mit den Pillen beschäftigt, auch der Korporal sah weg... Abel schloß die Hand um die schwarze Kugel und steckte sie unauffällig in die Seitentasche seiner Jacke ... wieder blickte er sich um ... gelungen!

Das Schwerste kam noch. Er beobachtete Austin, der eben vom Schalter wegtrat und sich seiner Tüte zuwandte. Unauffällig stellte sich Abel neben ihn. Die beiden großen Tabletten hatte Austin schon verschlungen; jetzt griff er nach der schwarzen; offenbar wollte er die süße braune bis zuletzt aufheben, um ihren Geschmack länger auszukosten. Schnell drehte sich Abel um und stieß dabei mit dem Ellbogen nach Austins Hand. Die beiden Tabletten fielen zu Boden. Abel verfolgte den Weg der schwarzen. Als sie zur Ruhe kam, setzte er seinen Fuß darauf. Er trat fest zu und drehte ihn ein wenig – so wie man ein lästiges Ungeziefer zermalmt.

Austin bückte sich nach der braunen Pille und hob sie auf. Dabei sah er erschrocken auf den schwarzen Fleck, der auf dem Stein zurückgeblieben war, und konnte die Augen nur schwer davon lösen. Mechanisch steckte er die braune Tablette in den Mund. Schließlich blickte er Abel an, noch immer mit dem Ausdruck hilfloser Bestürzung. Abel zuckte die Schultern und wandte sich ab. Austin hatte die Pflicht, diesen Vorfall zu melden – aber vorderhand keine Gelegenheit dazu. Er durfte nicht sprechen. Keiner der gewöhnlichen Soldaten durfte jetzt sprechen. Erst um ein Uhr zehn, beim Mittagsappell, ergab sich die Möglichkeit, doch Abel hoffte, daß sie unbenutzt bliebe.

Inzwischen konnte Abel anderen Details seines Planes nachgehen. Bisher war er wie alle fest in den Maschen des Dienstplanes verstrickt gewesen. Seine Pflicht hatte ihn voll und ganz in Anspruch genommen, und er hatte sich in dieser schützenden Hülle aus Vorschriften, Kommandos und Drill wohl gefühlt – sie hatte ihn vor allen anderwärtigen Einflüssen geschützt, störenden, verwirrenden und daher schädlichen Einflüssen. Nun fiel ihm auf, wie viele Lücken es darin gab. Ihm war, als könnte er erst jetzt sehen, hören, fühlen, als wäre alles davor ein Traum gewesen, der einen Teil seiner selbst betäubt gehalten hatte, einen wichtigen, vielleicht den wesentlichen Teil seiner selbst. Aber jetzt war er wach, er fühlte das, was von irgendwo auf ihn einstürmte: Gefühle, Wissen, Erinnerungen, alles blaß, nicht greifbar: er wußte, daß ihn dieses Fremde völlig durcheinanderbrachte – aber er gab sich ihm hin.

Die Kompanie, zu der er gehörte, marschierte über die Betonstraßen, zwischen den Baracken hindurch. Die Männer fühlten sich eins mit ihrer Kompanie. Sie stampften ihre Stiefel in den Boden und marschierten über Appellplätze, steinbedeckte Höfe, Sport- und Exerzierfelder. Sie sangen die Lieder, die sie in den Unterrichtsstunden, von elf bis zwölf und von siebzehn bis neunzehn Uhr, gelernt hatten. Sie sangen sie im Takt der pendelnden Arme, der stampfenden Füße. Sie sangen, so laut sie konnten: die Texte, die sie auswendig gelernt hatten, ohne ihren Sinn zu verstehen. Texte von Gehorsam, Treue, Pflichterfüllung. Von Soldatentum.

Die Kompanie marschierte über die grauen Betonstraßen, über die fahlgelben Flecke rohen, unbebauten Bodens, und Abel marschierte mitten darin. Er sang die Melodie mit den anderen, aber leise sang er einen neuen Text: Der – Major – muß – sterben. Der – Major – muß – sterben. Er blickte geradeaus, auf den Nacken seines Vordermannes, Arthurs 6/56, und er sah mehr als sonst: Das Blickfeld war weiter, seine Augenwinkel waren saubergewischt, unsichtbare und undurchsichtige Scheuklappen schienen gefallen, und sein Gehirn registrierte das Wippen der Kolonne, die Falten in den straffen Uniformen der Soldaten, die sie bei jedem Schritt in wechselnde, kreuz und quer weisende Richtungen spannten, die blassen pulsierenden Streifen, die zwischen den Reihen der Marschierenden sichtbar wurden, das fahle Licht des sonnenlosen Himmels, den der scharfe Rand seines Helms abschnitt.

Er war ein Teil dieses Körpers, der marschierte, sang, lief, auseinanderstob, sich zu Boden warf, sich wieder zusammenschloß, marschierte, lief... Er erlebte es von seinem neuen, nach außen versetzten Standpunkt aus, und es war wie ein interessanter Unterrichtsfilm. Die eigentliche Fortsetzung seines neuen belebten Daseins lief aber erst beim Waffenreinigen nach dem Übungsschießen wieder an.

Vor dem Waffenmagazin hatten sie die Pistolen bekommen, nun hielten sie sich in den Unterkünften auf und reinigten sie. Jede bestand aus zwölf Einzelteilen, die sie mit verbundenen Augen auseinandernehmen und wieder zusammensetzen konnten. Am Ende der halben Stunde, die zum Waffenreinigen bestimmt war, überzeugte sich der Korporal davon, daß die Pistolen einwandfrei gesäubert und mit Molybdändisulfidpaste eingelassen waren. Nach der Prüfung sammelte er sie ein.

Abel brauchte eine Pistole. Das war der schwierigste Teil seines Plans, aber er hatte eine Lösung gefunden. Auf Abels Kontrollring war die Nummer 7/56 eingraviert. Das heißt, er war der siebentgrößte Mann des sechsundfünfzigsten Zuges, und er stand an siebenter Stelle, wenn der Zug, und das war gleichbedeutend mit der Belegschaft eines Zimmers, in einer Reihe angetreten war. Wenn der Korporal bei seinem Appell rechts begann – und das tat er immer –, kam Abel als siebenter dran. Nach ihm folgten noch drei Mann. Ihre Waffen konnte der Korporal in zwei Minuten prüfen. Das war zwar nicht zuwenig für Abels Zeiteinteilung; denn er benötigte zum Zerlegen und Wiederzusammensetzen der Pistole nur dreißig Sekunden, aber trotzdem mußte er einen Kniff anwenden, um den Vorgesetzten abzulenken. Dazu schien ihm die Nummer 9/56, sein Kamerad Allan, ein stumpfsinniger Bursche, der aber recht geschickte Finger hatte, am geeignetsten.

Abel besaß keine Uhr, und auch in der Stube befand sich nichts dergleichen; das Aufstehen, das Heraustreten, Anlauf und Abschluß aller Arten des Dienstes wie auch das Zubettgehen wurden durch Klingelzeichen angezeigt; eine Zentraluhr löste diese durch Funk aus. An dieser Uhr hingen auch die winzigen Lautsprecher, die die Korporale in die Ohrhöhlung geschraubt ständig bei sich trugen, aber die dadurch vermittelten Signale und Befehle blieben für die Mannschaft unhörbar. Deshalb beeilte sich Abel mit seinen Manipulationen an der Pistole. Er wischte mit den Fingern über die Sohlen seiner Stiefel und schmierte den Staub sorgsam ins Innere des Laufes und des Magazins. Dann beobachtete er den Korporal, bis ihm ein leises Zusammenzucken von dessen Augenlidern auffiel – das Zeichen zum Abschließen des Waffendienstes war eingetroffen. Und schon kam der Schrei:

»Achtung!«

Die meisten Kameraden hatten das Reinigen beendet und polierten nur noch die Außenseiten. Auf das Kommando »Achtung!« hatte sich jeder mit geschlossenen Füßen und angelegten Armen gerade aufgerichtet dem Korporal zuzuwenden. Eine Sekunde des Aufspringens und Aufstampfens – und alle standen still. Auch Abel.

»Zum Waffenprüfen angetreten!«

Aber die einzige winzige Sekunde hatte ihm genügt – er hatte seine Pistole mit jener Allans vertauscht, die hinter dessen Rücken auf der weißen Plastiktischplatte gelegen hatte. Hoffentlich hatte Allan auch diesmal wieder sauber gearbeitet! dachte er.

Es war klar, daß der Korporal jedesmal mindestens einen bestrafen mußte. Es konnte jeden treffen – ob nun die Pistole sauber war oder nicht. Um so sicherer aber traf es den, der wirklich nachlässig gewesen war.

Der Korporal stand vor Abel. Er nahm die Waffe aus dessen Hand und drehte sie langsam. Abel hörte sein Atmen. Die Augen mit der grau und weiß gesprenkelten Iris blickten weit geöffnet auf die Waffe. Die Finger strichen darüber hinweg und drückten den Abzug. Der elektrische Zündfunke verursachte einen Knisterlaut. Der Korporal gab Abel die Waffe zurück. Abel holte lautlos Luft. Er mußte weiterhin warten, bevor er wieder handeln konnte.

Es traf Allan so sicher wie das Schicksal.

»Was haben Sie sich dabei gedacht?«

Der Korporal fragte es mit gefährlich ruhiger Stimme. Allan starrte ihn hilflos an. Der Korporal rückte dicht an ihn heran.

»Hören Sie nicht? Was Sie sich gedacht haben?«

Ein Griff zum Schalter des Kehlkopfmikrofons.

»Warum antworten Sie nicht, Sie Drecksack? Sie sind wohl schwerhörig!«

Jetzt donnerten die Worte im Raum.

»Vortreten!«

Allan sprang aus der Reihe und nahm Haltung an. Der Korporal hielt den Lautsprecher dicht an Allans Ohr.

»Hören Sie mich jetzt besser? Geben Sie jetzt Antwort?«

»Ich war ungehorsam und bitte um Bestrafung«, sagte Allan.

Allmählich kam der Korporal in Rage. Wieder hob er das Megafon.

»Ich habe Sie gefragt, ob Sie jetzt besser hören! Warum antworten Sie nicht, Sie Schwein?«

Alle Mann wußten, was das bedeutete. Es war nur eine Zeremonie: das Vorspiel für die Urteilsverkündung. Das Urteil stand natürlich fest.

»Eine Stunde Musikzimmer.«

Der Gemaßregelte trat zurück in die Reihe. Er war dazu verdammt, die Ruhestunde zwischen fünfzehn und sechzehn Uhr im Schallraum des Gefängnisses zuzubringen, der auch für das Training der Ausdauer und Selbstbeherrschung verwendet wurde.

Die Klingel schrillte. Der Korporal brach die Überprüfung ab.

»Vor der Baracke angetreten, marsch, marsch!«

Die Männer stürmten zur Tür hinaus und stellten sich in einer Reihe auf.

»Zur Waffenabgabe, im Gleichschritt marsch!«

Vor dem Magazin hielten sie. Sie mußten warten – zwei Züge waren vor ihnen angelangt und kamen vor ihnen an die Reihe. Dann reichte jeder seine Waffe dem Korporal, der sie aufnahm und in eine Wandöffnung steckte. Mit einem Klicken der Zählvorrichtung verschwand eine nach der anderen im Innern des Aufbewahrungsraums.

»Zur Unterkunft, vorwärts, marsch!«

Sie marschierten zurück.

»In die Stube, marsch, marsch!«

»Fertigmachen zum Sport!«

Die Soldaten eilten zu ihren Schränken, um die Turnkleidung anzulegen. Als sie sich umzogen, schob Abel etwas unter die Glaswollmatratze seines Bettes. Während sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf Allan konzentriert hatte, hatte Abel hinter seinem Rücken die Pistole auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Eine der Pistolen, die nun im Magazin lagen, war nicht mehr vollständig. Ihr fehlte die Batterie mit der Zündvorrichtung. Aber davon war äußerlich nichts zu bemerken.

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