DAS FÜNFTE GEBOT: DU SOLLST NICHT TÖTEN.
Roger Jones war ein frommer Mann. Er war sogar sehr fromm. Er ging jeden Sonntag in die Kirche und befolgte alle Zwölf Gebote. Nicht im Traum hätte er daran gedacht, jemals eines zu übertreten, ganz besonders nicht das sechste: Du sollst nicht töten.
Das heißt, er hätte niemals im Traum daran gedacht zu töten -bis er verheiratet war. Seine Frau Louise war sehr nett. Sie liebte Roger, und Roger liebte sie. Das Problem in seiner Ehe war nicht Louise. Sondern ihre Mutter.
Seine Schwiegermutter hieß Sarah, und sie war der allerunmöglichste Mensch, den Roger je erlebt hatte. Sarah hatte nicht gewollt, daß ihre Tochter Roger heiratete. Sie hatte vielmehr gewollt, daß ihre Tochter einen bedeutenden Mann heiratete, und das war Roger nicht.
Am Tag ihrer Hochzeit sagte Sarah zu ihrer Tochter: „Ich habe es mir überlegt und werde zu euch ziehen. Ich will sichergehen, daß Roger dich auch gut behandelt." Roger war nicht glücklich über diese Neuigkeit. „Wir haben doch nur ein kleines Häuschen", sagte er. „Wo sollen wir sie da denn unterbringen ?"
„Wir geben ihr das Gästezimmer", sagte Louise.
Noch am selben Nachmittag zog seine Schwiegermutter Sarah ein. Sie warf einen Blick in das Gästezimmer und sagte: „Das ist zu klein für mich. Ich nehme das große Schlafzimmer."
„Und wo schlafen wir?" fragte Roger.
„Im Gästezimmer", sagte Sarah.
Das war erst der Anfang.
Rogers Schwiegermutter kritisierte buchstäblich alles, was er tat. Beim Frühstück sagte sie: „Du solltest keine Eier mit Speck essen. Das ist ungesund für dich." „Aber ich mag Eier mit Speck."
„Von jetzt an", sagte Sarah, „wirst du nur gesunde Speisen essen."
Und Roger bekam nie mehr Eier mit Speck.
Sarah gefiel auch nicht, wie sich Roger anzog.
„Von jetzt an gehst du im dunklen Anzug ins Büro und mit Hemd und Krawatte."
„Aber alle kleiden sich bei uns leger", sagte Roger. „Keiner trägt Krawatten."
„Aber du wirst sie tragen", entschied Sarah.
Also ging Roger fortan mit weißem Hemd und Krawatte ins Büro.
Als sich Roger eines Abends einen Scotch mit Soda genehmigte, sagte Sarah: „Ab sofort wird in diesem Haus nicht mehr getrunken." Und sie schaffte sämtliche Flaschen mit Alkohol fort.
Das war noch lange nicht das Schlimmste. Sarah wurde nicht müde, ihrer Tochter unaufhörlich vorzuwerfen, was für eine schlechte Wahl sie doch getroffen habe.
„Du hättest leicht einen heiraten können, der besser aussieht und reicher ist und bedeutender."
„Aber ich liebe Roger", sagte Louise.
„Ach, du weißt doch gar nicht, was Liebe ist, Kind. Ich muß einen besseren Mann für dich finden."
„Was redest du denn da, Mutter? Ich bin mit Roger verheiratet."
„Na und? Man kann sich scheiden lassen", sagte ihre Mutter. „Ich will mich aber nicht scheiden lassen." „Papperlapapp. Das werden wir schon sehen."
Sobald Roger aus dem Büro nach Hause kam, begann seine Schwiegermutter, an ihm herumzunörgeln.
„Warum verdienst du nicht mehr Geld?" fragte sie.
„Ich habe doch ein gutes Gehalt. Louise und ich sind ganz zufrieden."
„Aber ich nicht! Ich möchte in einem größeren Haus wohnen. Du solltest dir überlegen, ob du nicht eine andere Stellung brauchst."
„Ich will keine andere", sagte Roger. „Mir gefällt es da, wo ich bin."
„Weil du nichts anderes kennst", nölte seine Schwiegermutter. Keinen Moment lang ließ Sarah die beiden allein. Immer war sie da und redete und redete, und sie hatten keinen Augenblick ihre Ruhe.
Louise war genauso unglücklich über alles wie Roger. „Wir sollten sie vielleicht doch überreden, daß sie wieder auszieht", sagte Roger.
„Das kann ich nicht machen, Schatz. Sie ist schließlich meine Mutter."
„Dann laß es mich wenigstens versuchen", sagte Roger. Er ging zu Sarah. „Was würdest du davon halten", fragte er, „eine eigene Wohnung für dich allein zu haben? Ich bezahle gerne die Miete dafür."
Sarah schüttelte heftig den Kopf. „Nein, nein, nein, kommt gar nicht in Frage. Ich bleibe hier, wo ich ein Auge auf meine Tochter haben kann. Sie braucht mich."
„Sie ist ein erwachsener Mensch", wandte Roger ein. „Sie braucht dich nicht mehr."
„Das zu beurteilen, überlasse mir!"
Als Roger zu dem Urteil gelangt war, nun könne es nicht mehr schlimmer werden, wurde es erst recht schlimm.
Er hatte seinen Chef zum Essen eingeladen. Roger war stolz auf seine Kochkünste und wollte dieses Essen selbst zubereiten. Er machte eine wundervolle Gemüsesuppe, einen Hackbraten mit Kartoffelbrei und backte einen Apfelkuchen. Er war sehr zufrieden mit seinem Essen.
Sein Chef kam pünktlich. Er sah sich um und sagte: „Da haben Sie aber ein hübsches Haus, Roger."
„Es ist zu klein", sagte Sarah.
„Jetzt wäre etwas zu trinken recht", sagte der Chef. „Es tut mir leid", antwortete Roger, „aber wir haben keine Alkoholika im Haus."
Der Chef zeigte sich überrascht. „Was?"
„Es ist angerichtet", erklärte Roger. „Darf ich zu Tisch bitten."
Louise servierte, was Roger gekocht hatte. Es begann mit der Suppe.
Der Chef probierte sie. „Ganz köstlich."
„Sie ist zu salzig", beschwerte sich Sarah. „Roger salzt alles, was er macht, viel zuviel.."
Der nächste Gang war der Hackbraten mit dem Kartoffelbrei. „Das ist wirklich der beste Hackbraten, den ich je gegessen habe", sagte der Chef.
„Dann wissen Sie aber nichts über gutes Essen", sagte Sarah. „Es schmeckt doch scheußlich." „Der Kartoffelbrei ist sehr gut." „Er ist viel zu klumpig."
So ging es das ganze Essen hindurch. Sarah machte einfach alles herunter.
Ich bringe sie um, dachte Roger. Und er erschrak über seinen eigenen Gedanken. Töten verstieß doch gegen das Fünfte Gebot. Und trotzdem...
Jeden Nachmittag ging Sarah aus und kaufte Sachen ein, Kleider und Taschen und Schals und Schuhe, und gab eine
Menge Geld dafür aus. Das wäre Roger an sich egal gewesen, wenn sie nicht alles von seinem Geld bezahlt hätte. Sein Bankkonto schmolz immer mehr zusammen. Er stellte sie schließlich zur Rede.
„Du hast in letzter Zeit viel Geld ausgegeben", sagte er, „und -
„Was denn, du willst dich beschweren? Hat meine Tochter einen Geizhals geheiratet? Kann ich mir nicht einmal ein paar kleine Freuden im Leben erlauben?"
„Selbstverständlich doch", sagte Roger. „Ich wollte auch nicht
„Nun, dann sprich auch gefälligst nie wieder über Geld mit mir! Ich habe meine Tochter ja davor gewarnt, dich zu heiraten, du Pfennigfuchser!"
Roger sprach mit seiner Frau darüber. „Es ist kaum noch etwas auf unserem Sparkonto übrig", sagte er. „Deine Mutter gibt alles Geld aus."
„Schatz, Mutter ist eine alte Frau. Laß ihr doch ihr Vergnügen."
„Alte Frau? Die überlebt uns noch beide!" entfuhr es Roger zornig."Die bringt nichts um. Die könntest du in einen Löwenkäfig schicken, und als nächstes wäre der Löwe tot. Sie würde ihn totreden!"
„Das ist aber nicht nett, Roger. Sie ist doch meine Mutter!"
Roger liebte seine Frau sehr und hatte sich auf eine glückliche Ehe mit ihr gefreut, aber seine Schwiegermutter hatte die Hölle aus ihrer Ehe gemacht.
Das Faß zum Überlaufen brachte schließlich der Samstagabend, an dem Sarah sagte: „Ich habe jemand zum Essen bei uns eingeladen."
Roger versuchte freundlich zu sein. „Ist in Ordnung", sagte er. „Kennen wir sie?"
„Es ist ein Mann", erklärte Sarah.
Der Gast kam um sieben Uhr. Er war groß und sehr reich und sah gut aus.
„Das ist meine Tochter Louise", sagte Sarah zu ihm. Und vergaß einfach, auch Roger vorzustellen. Roger hielt dem Mann seine Hand hin. „Ich bin Roger." „Guten Tag, Roger. Ich heiße Ken."
Ken sah Louise an. „Sie sind keinen Hauch weniger hübsch, als Ihre Mutter Sie beschrieben hat." „Ken ist nicht verheiratet", sagte Sarah.
Roger begriff plötzlich. Sie hatte diesen Mann für Louise eingeladen!
Das ganze Essen hindurch redeten Louise und Ken miteinander.
„Ich besitze eine große Spedition", sagte Ken. „Und ich verdiene eine Million im Jahr. Das einzige Problem ist, daß ich keine Herzensdame habe, mit der ich das ganze Geld teilen könnte." Und er sah zu Roger hin. „Sie aber haben wirklich Glück."
„Ja", sagte Roger, „das habe ich." Und, dachte er im stillen dazu, ich gedenke es auch zu behalten.
„Ken liebt die Oper", sagte Sarah. „Und du doch auch, Louise, nicht? Aber Roger mag keine Opern." Sie sah Roger an. „Ken hat Opernkarten für nächsten Mittwoch. Wäre es nicht nett, wenn er Louise mitnähme?" Was sollte Roger dazu sagen?
„Aber sicher", sagte er, doch mit zusammengebissenen Zähnen.
„Dann ist es abgemacht", sagte Sarah. „Ihr beide geht zusammen aus und macht euch einen netten Abend." Roger hätte sie umbringen können. Umbringen, da ist das Wort schon wieder, erschrak er. Zumal es diesmal nicht mehr nur einfach ein Wort war. Aber jetzt war ihm klar, daß er noch nie jemanden so sehr gehaßt hatte. Sie zerstörte ihm seine Ehe! Als Ken gegangen war, sagte Roger: „Sarah, ich habe nachgedacht. Es wäre wirklich am besten, wenn du in eine Wohnung für dich allein ziehen würdest." Sarah sah ihm direkt in die Augen und sagte: „Kommt nicht in Frage. Abgesehen davon, daß ich nicht überrascht wäre, wenn Louise sich von dir scheiden ließe und Ken heiratete. Dann könnte ich zu ihnen ziehen."
Noch in dieser Nacht beschloß Roger, das Gift zu kaufen.
Am nächsten Morgen begab sich Roger in einen Drugstore. „Ich habe da so Schwierigkeiten mit meinen Pflanzen", sagte er. „Führen Sie Arsen?"
„Ja", sagte der Drogist, „aber Sie müssen unterschreiben." „Schon gut." Roger hatte sich entschlossen. Seine Schwiegermutter mußte sterben, und wenn er selbst dafür auf den elektrischen Stuhl wanderte. Sie war die böseste Person, die er je gekannt hatte.
Er steckte das Arsen in die Tasche und ging am Abend, als Louise und Sarah im Eßzimmer saßen, in die Küche, um ihnen Kaffee zu holen. Er schüttete sorgfältig das Arsen in die Tasse seiner Schwiegermutter und rührte um.
Dann kam er zurück ins Eßzimmer. „Hier." Er stellte die vergiftete Tasse seiner Schwiegermutter hin.
„Hat lange genug gedauert", nörgelte sie.
Sie trank einen kleinen Schluck und beschwerte sich:
„Schmeckt bitter."
„Es ist eine neue Marke", sagte Roger. „Na, dann nimm wieder die alte."
Er sah zu, wie sie noch einen Schluck trank, und dann noch einen.
Dafür gehe ich gerne ins Gefängnis, dachte er. Dafür gehe ich sogar auf den elektrischen Stuhl. Wen kümmert es noch. Es ist es wert, wenn man dafür dieses Ungeheuer los wird.
Er tat in dieser Nacht kein Auge zu. Er stellte sich vor, wie es am Morgen wäre. Louise fand ihre Mutter tot im Bett und kam schreiend zu ihm gelaufen. Dann kam die Polizei, und es gab eine Autopsie. Dabei entdeckten sie das Arsen und fanden heraus, daß er es gekauft hatte.
„Haben Sie Ihre Schwiegermutter vergiftet?" würde man ihn bei der Polizei fragen.
„Jawohl", würde er sagen.
Und seine Strafe wie ein Mann entgegennehmen.
Am nächsten Morgen sah Roger zu, wie Louise aufstand und sich anzog.
Jeden Moment nun, dachte er, geht sie ins Zimmer zu ihrer Mutter und entdeckt, was passiert ist. Bis dahin tue ich so, als wäre gar nichts.
Er stand ebenfalls auf, zog sich an und ging ins Eßzimmer. Da saß Sarah bereits am Tisch. „Du kommst schon wieder zu spät", keifte sie. „Ich mag es nicht, wenn ich warten muß." Roger traute seinen Augen nicht. Er hatte doch selbst gesehen, wie sie den vergifteten Kaffee trank!
„Ich habe fürchterlich schlecht geschlafen", sagte Sarah. „Ich hatte entsetzliches Kopfweh."
Sie ist eine Hexe, dachte Roger. Ich muß mir etwas anderes ausdenken.
Roger war sehr geschickt mit elektrischen Sachen. An diesem Abend, als Sarah ausgegangen war, ging er in ihr Bad und entfernte die Isolierung vom Kabel ihrer Bettlampe, so daß sie einen tödlichen Stromschlag bekommen mußte, wenn sie sie anschaltete.
Er blieb die ganze Nacht auf und wartete auf Sarahs Schrei, wenn der Stromschlag sie durchfuhr.
Er hörte, wie Sarah in ihr Zimmer ging und die Türe zumachte. Er setzte sich auf. Aber er hörte nichts. Wahrscheinlich ist sie schon tot, dachte er.
Am Morgen stand er auf, zog sich an und ging ins Eßzimmer. Am Tisch saß Sarah und zeterte sogleich wieder los.. „Dieses Haus beginnt auseinanderzufallen", sagte sie. „Die Isolierung meiner Bettlampe war kaputt, und ich mußte das Kabel reparieren." Roger war sprachlos.
„Scheußlich, die Krawatte, die du umhast", sagte Sarah. Nimm eine andere."
Ich halte es nicht mehr aus, dachte Roger.
Am nächsten Tag schlüpfte Roger mitten in der Nacht heimlich aus dem Bett und schlich sich in das große Schlafzimmer, in dem Sarah schlief. Er hatte ein Kissen in der Hand, beugte sich über das Bett und drückte es auf Sarahs Gesicht, bis sie nicht mehr atmete.
So, jetzt habe ich einen Mord begangen, dachte er bei sich. Ich habe das Fünfte Gebot gebrochen. Du sollst nicht töten. Ich werde dafür bestraft werden, aber das war es wert. Er kehrte in sein Bett zurück und schlief zum erstenmal seit Wochen wieder tief und fest.
Als er am Morgen erwachte, fühlte er sich großartig. Er wußte, etwas Bedeutsames hatte sich ereignet. Dann erst erinnerte er sich, was es war. Er hatte seine Schwiegermutter umgebracht! Er zog sich an, lächelte fröhlich und ging ins Eßzimmer hinüber.
Am Tisch saß Sarah und wartete. Er stand da wie angewurzelt und glaubte es nicht.
„Mein Gott", jammerte Sarah, „hatte ich einen entsetzlichen Traum! Ich träumte, daß mich jemand ersticken wollte!"
Es hat keinen Wert, dachte Roger. Gegen die ist kein Kraut gewachsen. Die ist buchstäblich nicht umzubringen. Ich bin verdammt, sie auf ewig ertragen zu müssen.
Er ging an diesem Tag sehr deprimiert ins Büro.
„Was ist denn mit Ihnen?" fragte ihn sein Chef. „Sie sehen in letzter Zeit sehr unglücklich aus. Haben Sie Kummer und Sorgen?"
Was sollte Roger darauf antworten? Er konnte nicht über sein Problem reden. Und etwas dagegen tun konnte er auch nicht. „Nein, nein", versicherte er. „Es ist alles in Ordnung." Dann wurde ihm schlagartig klar, warum er gerade heute so bedrückt war. Heute war Mittwoch, eben der Tag, an dem Louise mit diesem gutaussehenden jungen Millionär, der sich nach einer Frau umsah, in die Oper gehen sollte. Wahrscheinlich, sagte er sich, wird sie ihn mir vorziehen. Sarah hat schon recht. Ich bin nichts, und ich habe nichts, und besonders gut sehe ich auch nicht aus. Vielleicht hat Louise wirklich einen Fehler gemacht, als sie mich heiratete. Er sah es schon genau vor sich, was passieren würde. Louise würde nach der Oper heimkommen und sagen: „Roger, ich muß dir etwas sagen."
„Du brauchst es mir gar nicht erst zu sagen, Louise, ich weiß es auch so."
„Ich habe mich in Ken verliebt."
„Ich kann es dir nicht verdenken. Er ist besser als ich."
„Ich mag dich, Roger, aber Mutter hatte recht. Ich hätte einen Besseren heiraten sollen. Ich verlasse dich noch heute abend.
Ken und ich werden unsere Flitterwochen in Paris verbringen."
„Kommt deine Mutter mit?"
„O nein. Sie will hier bei dir bleiben."
Am Abend zog Louise ihr hübschestes Kleid an. „Du machst dir ja nichts aus Opern, nicht, Roger?" fragte sie.
„Nein", log Roger. „Aber ich weiß, wie sehr du Opern liebst. Ich wünsche dir viel Vergnügen." „Danke, Liebling!" Und sie küßte ihn.
Das war wahrscheinlich das letzte Mal, daß sie mich küßte, dachte Roger.
Da klingelte es auch schon an der Tür. Es war Ken, er war in Abendkleidung und sah phantastisch aus. Er gab Roger die Hand. „Vielen Dank, daß Sie mir Ihre Frau ausleihen."
„Keine Ursache", sagte Roger. Schon bald wird sie sowieso deine sein.
Er sah ihnen nach, wie sie gingen, und das Herz war ihm schwer.
„Spül das Geschirr!" kommandierte Sarah. „Ich gehe schlafen.. "
Roger spülte das Geschirrt trocknete es ab, putzte die Küche und ging ebenfalls zu Bett. Aber er konnte natürlich nicht schlafen. Er wartete auf Louises Rückkehr und daß sie ihm sagte, es sei zu Ende mit ihrer Ehe. Um elf war sie immer noch nicht da. Und auch um Mitternacht noch nicht.
Roger stand auf und lief ruhelos im Flur auf und ab. Endlich, um ein Uhr morgens, kam Louise. „Ich habe Neuigkeiten für dich", sagte sie.
Roger wußte, was käme. Ich werde nicht weinen, dachte er. Auf keinen Fall lasse ich mir anmerken, daß sie mir das Herz gebrochen hat. „Fang an", sagte er.
Louise legte die Arme um ihm. „Ich habe den langweiligsten Abend meines Lebens hinter mir, kann ich dir sagen. Dieser Ken hat pausenlos gequasselt. Und hinterher, nach der Oper, schleppte er mich noch zu einer sterbensfaden Party." Sie lachte. „Ich will den Kerl nie im Leben wiedersehen, sage ich dir. Du bist der einzige Mann, mit dem ich zusammen sein möchte."
Roger glaubte nicht richtig zu hören. Dann stammelte er: „Aber das ist ja wundervoll!"
Sarah kam aus ihrem Zimmer. „Werdet ihr zwei endlich still sein? Ich kann nicht schlafen!"
Am nächsten Morgen stieg Roger in sein Auto und war wieder ein sehr, sehr glücklicher Mann. Er war dabei, rückwärts aus der Einfahrt hinauszurangieren, als er im Rückspiegel seine Schwiegermutter direkt hinter dem Auto sah. Sie beugte sich gerade hinunter, um die Zeitung aufzuheben. Bis auf diesen Tag ist Roger sich nicht sicher, ob nun sein Fuß abrutschte und irrtümlich auf das Gaspedal trat statt auf die Bremse, oder ob seine unterbewußte Absicht dahinter stand. Sicher ist nur, er fuhr seine Schwiegermutter nieder, und sie war auf der Stelle tot.
Die Kirche ist der Ansicht, daß eine Sünde, auch wenn man sie nur im Herzen und in Gedanken begeht, genauso schlimm ist wie die wirkliche Ausführung einer sündigen Tat. Demzufolge hatte Roger bereits gesündigt, als er versuchte, seine Schwiegermutter zu vergiften, mit Strom zu töten und zu ersticken. Also hatte er, so oder so, das Fünfte Gebot gebrochen: Du sollst nicht töten.
Die Polizei zeigte sich Roger gegenüber sehr mitfühlend. „Ein ganz tragischer Unfall, kein Zweifel."
So kam es, daß Roger und Louise schließlich doch noch allein leben und sich der Million Dollar erfreuen konnten, die Louises Mutter hinterlassen hatte.