DAS ACHTE GEBOT:
DU SOLLST KEIN FALSCHES ZEUGNIS GEBEN WIDER DEINEN NÄCHSTEN.
Donald war noch nie verliebt gewesen. Er war Junggeselle. Er arbeitete als Schuhverkäufer in einem Kaufhaus in Chicago und führte ein ruhiges und zurückgezogenes Leben. Er wohnte in einem kleinen Apartment. Er war weder glücklich noch unglücklich. Sein Leben war ohne Aufregungen, aber das machte ihm nichts aus. Er kam jeden Tag von der Arbeit nach Hause, mixte sich einen Drink und las ein Buch oder sah fern. Doch dann auf einmal veränderte sich sein ganzes Leben. Als er eines Abends wieder nach Hause kam, waren die Spediteure gerade dabei, Möbel in das Apartment nebenan zu tragen. Diese Wohnung hatte schon monatelang leergestanden, und Donald fragte sich, wer denn da wohl einzog. Er fand es bald heraus.
Als er am nächsten Morgen zur Arbeit ging, erhaschte er einen ersten Blick auf seine neuen Nachbarn. Die Frau war sehr elegant. Sie war klein und dunkelhaarig und von schöner Gestalt. Ihr Mann aber war groß und sah böse aus. Gleich beim ersten Anblick fiel Donald der Vergleich von der Schönen und dem Untier ein. Er nickte ihnen zu.
Die Frau lächelte freundlich, aber ihr Mann brummte nur. Donald sah ihnen nach, wie sie nach oben in ihre neue Wohnung gingen. Er fragte sich, was das wohl für Nachbarn sein würden. Er fand es bald heraus.
Mitten in der Nacht erwachte Donald durch Lärm und Geschrei in der Wohnung nebenan. Die Wände waren so dünn, daß er alles hören konnte, was dort gesprochen wurde.
Der Mann schrie die Frau an. „Sag du mir nicht, was ich zu tun habe! Wenn ich die ganze Nacht ausbleiben will, dann bleibe ich die ganze Nacht aus! Keine Frau schreibt mir mein Leben vor!"
„Ich will dir doch nicht dein Leben vorschreiben", hörte er die Frau antworten. „Aber du bist bei anderen Frauen und das -" „- geht dich gar nichts an!" schrie der Mann zurück. „Wenn diese Nörgelei nicht aufhört, dann passiert etwas, das sage ich dir!"
Zu seinem Entsetzen hörte Donald dazu gleich anschließend das Geräusch von Ohrfeigen und das Weinen der Frau. „Schlag mich bitte nicht", flehte sie. „Dann halte den Mund!"
Daraufhin wurde es still, aber Donald konnte nicht mehr einschlafen. Er lag die ganze Nacht wach und sorgte sich um die schöne Frau in der Wohnung nebenan mit ihrem brutalen Ehemann.
Am nächsten Morgen sah er die Frau, als er aus der Wohnung kam, wieder. Sie war ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit. Sie hatte ein blaues Auge und ein verschwollenes Gesicht. „Guten Morgen", sagte Donald.
Sie sah verlegen aus, erwiderte den Gruß aber. „Guten Morgen."
Donald war versucht, ihr zu sagen, daß er vergangene Nacht alles gehört hatte, wollte sie aber doch lieber nicht weiter in peinliche Verlegenheit bringen. Er dachte daran, die Sache bei der Polizei anzuzeigen. Aber schließlich ging es ihn nichts an. Er hoffte, daß es wenigstens nicht wieder vorkäme.
Aber das war eine sehr falsche Hoffnung.
Am selben Abend ging es wieder los, als er sich gerade zum Schlafengehen vorbereitete.
„Wahrscheinlich", hörte er den Mann in der Nachbarwohnung hinter den dünnen Wänden wieder laut schimpfen, „treibst du dich mit einem der Ärzte im Krankenhaus herum, was?" „Das ist nicht wahr", antwortete die Frau. „Nur weil du untreu bist, heißt das noch lange nicht, daß ich es auch bin." „Fang ja nicht damit wieder an, Frau", schrie der Mann, „oder du machst mit meinem Ledergürtel Bekanntschaft." Donald hatte Mühe, seine Empörung zu bezähmen. Wie konnte eine Frau wie diese, wunderte er sich, nur so einen Mann heiraten?
Er horchte weiter auf die Stimmen.
„Du bist betrunken", sagte die Frau. „Hör doch bitte zu trinken auf."
„Wer bist du denn, daß du somit mir redest?"
Dann hörte Donald, wie Geschirr an die Wand geworfen wurde.
„Bitte tu das nicht", sagte die Frau. „Das ist unser bestes Geschirr."
„Alles hier gehört mir", sagte der Mann, „und deshalb kann ich damit machen, was ich will!"
Donald hörte wieder das Geräusch einer Ohrfeige. „Du tust mir weh!"
„Gut! Und wenn du nicht mit dieser Herumnörgelei an mir aufhörst, werde ich dir erst mal richtig wehtun! Hast du verstanden?"
Donald hörte die Frau schluchzen. Er war so aufgebracht, daß er diesen Mann da drüben am liebsten umgebracht hätte. Er wußte zwar, daß ihn das alles nichts anging, aber er fand es einfach unerträglich, wie eine so schöne und sanfte Frau derart schlecht behandelt wurde.
Am nächsten Morgen, als er aus der Wohnung trat, begegnete er seiner Nachbarin wieder. Sie machte den Eindruck, als hätte sie wenig oder gar nicht geschlafen. „Guten Morgen", sagte Donald. „Guten Morgen."
Sie hat so ein sanftes, hübsches Lächeln, dachte Donald.
„Entschuldigen Sie", sagte er, „es geht mich natürlich nichts an, aber ist bei Ihnen alles in Ordnung?"
Sie sah sich nervös um. „Ja, ja", sagte sie dann, „es ist alles in Ordnung."
Sie war offensichtlich sehr verängstigt. „Wenn ich irgend etwas für Sie tun kann ..." sagte Donald. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Bitte", sagte sie, „tun Sie nichts. Wenn mein Mann nur wüßte, daß ich mit Ihnen rede, würde er mich schon umbringen."
„Warum lassen Sie sich so von ihm behandeln?" fragte Donald.
„Er war nicht so, als ich ihn heiratete", sagte sie. „Er hat sich so verändert, und ich weiß nicht, was ich tun soll."
„Sie können sich doch trennen", sagte Donald.
Aber sie meinte kopfschüttelnd: „Er würde mich überall finden. Er weiß, wo ich arbeite. Er würde kommen und mich töten."
Donald wußte nicht mehr recht, was er noch sagen sollte. „Sollten Sie je Hilfe brauchen", sagte er schließlich, „denken Sie an mich."
Sie lächelte. „Ich danke Ihnen."
Sie sahen einander in die Augen und merkten beide, daß sie sich zueinander hingezogen fühlten. Es war das erstemal, daß Donald eine wirkliche Empfindung für eine Frau verspürte. Dies ist eine Frau, die ich sofort heiraten würde, dachte er.
„Ich muß jetzt gehen", sagte die Frau. „Auf Wiedersehen." „Auf Wiedersehen." Donald stand da, sah ihr nach und überlegte, was er wohl für sie tun könne. Aber die Antwort war nur: Gar nichts.
Mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Die Wände waren so hellhörig, daß Donald jedes Wort verstand, das in der Nachbarwohnung gesprochen wurde. Der Mann kam ständig betrunken und zornig nach Hause, und die Frau versuchte ihn zu beruhigen.
Dann waren die Geräusche von Ohrfeigen zu hören und wie sie sagte: „Bitte, schlag mich nicht."
Und daraufhin wieder Geräusche von Schlägen. Wenn ich nur etwas tun könnte, dachte Donald.
Eines Samstag morgens, als er seine Wohnung verließ, traf er wieder einmal mit seiner Nachbarin zusammen.
„Guten Morgen", sagte er. „Arbeiten Sie auch samstags?"
„Nein, ich gehe nur irgendwohin frühstücken. Mein Mann schläft noch."
„Darf ich Sie begleiten?"
Sie zögerte.
Er wußte, was sie dachte. „Keine Angst", sagte er. „Ihr Mann erfährt es nicht. Und außerdem, was ist schon dabei, wenn man zusammen frühstückt?" Sie lächelte. „Na gut."
Sie gingen zu einem kleinen Cafe in der Nähe.
„Ich freue mich, daß Sie meine Nachbarin geworden sind", sagte Donald.
Sie lächelte. „Es ist eine hübsche Wohnung." Aber sie wußte natürlich, was Donald meinte. Er freute sich, daß sie in die Wohnung neben der seinen eingezogen war, weil sie sich dadurch kennengelernt hatten.
„Was machen Sie beruflich?" fragte Donald. „Ich bin Krankenschwester. Ich arbeite in einer Klinik." „Wie sind Sie ausgerechnet Krankenschwester geworden?" Sie lächelte wieder. „Schon als kleines Mädchen wollte ich mich um andere Leute kümmern. Mein Vater war die meiste Zeit sehr krank, und als meine Mutter starb, pflegte ich ihn. Ich hatte auch eine Schwester, der es nicht gut ging, und auch für die sorgte ich." Sie fügte verlegen hinzu: „Dies zu tun, gefällt mir."
Donald dachte: Wie gern hätte ich es, wenn jemand wie du für mich sorgte.
„Wie lange sind Sie schon verheiratet?"
„Zwei Jahre", sagte sie und zog die Stirn in Falten.
„Wie haben Sie Ihren Mann eigentlich kennengelernt ?"
„Als Patient in meinem Krankenhaus", erzählte sie. „Er hatte nach einer Schlägerei einige gebrochene Rippen. Ich pflegte ihn, und als er wieder gesund war, machte er mir einen Heiratsantrag." Sie sagte: „Ich weiß schon, was Sie jetzt denken. Aber als ich ihn heiratete, war er nicht so wie jetzt. Da war er noch freundlich und sanft und gutmütig. Ich gebe mir selbst die Schuld an seiner Veränderung."
„Aber ich bitte Sie", sagte Donald. „Sie können doch nicht verantwortlich für das sein, was er tut. Man ist nur für sich selbst verantwortlich."
„Das würde ich ja gerne glauben", antwortete sie. „Aber er gibt mir solche Schuldgefühle."
„Das dürfen Sie einfach nicht zulassen", sagte Donald. Die Bedienung kam, und sie bestellten ihr Frühstück. Donald sah, daß die Frau Mühe hatte, zu essen, weil ihr ganzes Gesicht verschwollen war. In seinem ganzen Leben hatte ihm noch niemand so leid getan wie sie.
„Wo stammen Sie her?" fragte er. „Aus Chicago", sagte sie. „Ich auch!" sagte Donald. „Von der East Side." „Da bin ich ebenfalls geboren und aufgewachsen." „Was hat Ihnen in Chicago besonders gefallen?" „Ich bin gern in die Oper und ins Theater gegangen." „Ich auch!" sagte Donald wieder.
Es war ganz erstaunlich, wieviele Gemeinsamkeiten sie entdeckten. Sie redeten weiter über Chicago und die Schulen, die sie besucht hatten, und die Zeit verflog nur so. Donald war noch nie mit jemandem so gern zusammen gewesen wie mit ihr.
Ich will mein ganzes Leben mit ihr verbringen, dachte er. Aber er wußte, daß das unmöglich war, solange sie diesen brutalen Ehemann hatte.
Wenn er zuvor nur vermutet hatte, daß er diese Frau liebte, so wußte er es nach ihrem gemeinsamen Frühstück ganz genau und sicher. Sie war der netteste und liebste Mensch, dem er jemals begegnet war.
Er deutete auf ihr verschwollenes Gesicht. „So kann das nicht weitergehen", sagte er. „Der Mann bringt Sie ja noch um." In ihren Augen standen Tränen. „Ich weiß nicht mehr aus noch ein."
„Verlassen Sie ihn."
Aber sie schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Ich habe ihn geheiratet und muß bei ihm bleiben." „Lieben Sie ihn denn?" fragte Donald.
Sie sah ihm in die Augen und bekannte: „Jetzt nicht mehr." Sein Herz machte einen Freudensprung. Er legte seine Hand auf die ihre. „Ich freue mich, daß wir uns kennengelernt haben", sagte er.
„Ich mich auch." Und da war ihr wunderschönes Lächeln wieder.
Donald begleitete sie zurück zur Wohnung.
Kaum war die Tür hinter ihr zu, hörte er auch schon ihren Mann brüllen. „Wo bist du gewesen? Mit wem hast du dich her umgetrieben?"
„Mit niemandem", hörte er sie sagen. „Ich bin nur schnell frühstücken gegangen." „Lüg doch nicht!"
Dann hörte Donald das Geräusch eines Schlages und wie jemand auf den Boden fiel. Und wie die Frau schluchzte. „Bitte, laß mich."
Aber dem folgte nur ein weiterer Schlag, auf den hin die Frau laut aufschrie.
Das höre ich mir jetzt nicht mehr länger an, dachte Donald.
Er überlegte, ob er einfach in die Wohnung hineinstürmen sollte, um den Mann zur Vernunft zu bringen.
Aber dann fiel ihm ein, daß der Mann bald doppelt so groß und stark war wie er. Nicht im Traum konnte er es mit ihm aufnehmen.
Die Streitigkeiten in der Wohnung nebenan wurden immer schlimmer. Der Mann kam ständig mitten in der Nacht betrunken heim, und Donald hörte, wie er seine Frau aufweckte und anschrie.
„Ich war mit einer richtigen Frau zusammen heute"! prahlte er dann. „Einer mit Feuer in den Adern." „Warum gehst du dann nicht wieder zu ihr?" sagte die Frau. Daraufhin folgten wieder einmal die Geräusche von Ohrfeigen und Schlägen.
Ab und zu begegnete Donald der Frau im Treppenhaus, und jedesmal hatte sie entweder ein blaues Auge oder eine geschwollene Lippe, und man merkte daran, wie sie ging, daß sie Schmerzen hatte.
„Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" fragte er dann. Und sie antwortete stets nur: „Ja, ja, alles ist in Ordnung." Nie hörte er sie klagen. Er wollte zwar nichts sehnlicher als ihr helfen. Aber wie sollte er das anstellen? Es fiel ihm nichts ein.
Er konnte nicht aufhören, an seine schöne Nachbarin zu denken. Bei der Arbeit, wenn er Schuhe verkaufte, waren seine Gedanken ständig bei ihr und ihrem schlimmen Ehemann. Ich muß sie von dem Kerl wegkriegen, dachte er immer öfter, bevor er sie wirklich umbringt. Wenn er sie doch nur selbst verließe!
Aber er wußte, daß dies eine vergebliche Hoffnung war. Am nächsten Morgen indessen veränderte sich auf einmal alles.
Sie begegneten sich wieder einmal auf dem Flur. Ihre Lippen waren verschwollen und gespalten. „Guten Morgen", sagte Donald.
„Guten Morgen." Sie konnte kaum sprechen mit ihrem zerschlagenen Mund.
Donald hielt es nicht länger aus. „Wir müssen miteinander reden" sagte er.
Aber sie schüttelte den Kopf. „Ich komme zu spät zur Arbeit." „Das ist wichtig!" sagte er. „Geben Sie mir fünf Minuten, bitte!"
Sie sah ihn an. „Meinetwegen."
Er führte sie in das Lokal, wo sie damals zusammen gefrühstückt hatten.
„Schauen Sie", sagte er, „so geht es doch wirklich nicht weiter, das müssen Sie doch selbst einsehen. Der Mann bringt Sie noch um, und das wissen Sie selbst am besten, nicht wahr?" Sie nickte und hatte Tränen in den Augen. „Ich weiß nicht, was ich tun soll." Sie weinte.
„Ich werde Ihnen sagen, was Sie tun", erklärte Donald entschlossen. „Sie ziehen aus. Sie verlassen ihn." Wieder schüttelte sie nur den Kopf. „Wohin soll ich denn?" „Ich suche Ihnen eine Wohnung", sagte er zu ihr, „wo er sie bestimmt nicht findet. Sie geben Ihre Arbeit in dem Krankenhaus auf. Ich habe genug Geld, um für Sie sorgen zu können."
Sie sah ihn an und fragte: „Warum wollen Sie das denn für mich tun?"
Und Donald sagte: „Nun, weil ich Sie liebe."
Sie legte ihre Hand auf die seine und sagte: „Ich liebe Sie auch, Donald."
In seinem ganzen Leben war Donald nie glücklicher gewesen als in diesem Augenblick.
„Dann ist es abgemacht", sagte er. „Laß mir einen oder zwei Tage Zeit, bis ich eine Wohnung für dich habe. Dann läßt du dich von ihm scheiden und heiratest mich"
Ihre Augen strahlten. „Du würdest mich wirklich heiraten?"
„Aber selbstverständlich, nichts lieber als das", sagte Donald.
„Also, was sagst du?"
Sie lächelte glücklich. „O ja. Ja."
Um zwei Uhr morgens erwachte Donald von dem Lärm in der Nachbarwohnung. Der Mann schrie seine Frau gerade wieder einmal laut an. Und dann begannen sie miteinander handgreiflich zu werden, nur war es diesmal schlimmer als jemals zuvor.
Er hörte, wie die Frau sagte: „Ich ertrage das jetzt nicht mehr. Ich verlasse dich. Ich heirate einen anderen."
Donald hüpfte das Herz im Leibe vor Freude.
Doch dann brüllte der Mann: „Waaas willst du?" Gleich darauf folgte das Geräusch einer ganz heftigen Ohrfeige und der Aufschrei der Frau: „Hör auf! Ich ziehe aus!"
„Du gehst nirgends hin!" tobte der Mann. Und die Frau schrie wieder auf.
Dann vernahm Donald zu seinem Entsetzen das Geräusch, wie etwas Schweres auf Fleisch klatschte und ein Körper zu Boden fiel. Und danach herrschte plötzlich abrupte Stille.
Donald erbleichte. Er hat sie getötet!
Er preßte das Ohr an die Wand und lauschte. Er konnte hören, wie ein Körper am Boden entlang geschleppt wurde. Dann vernahm er das schleifende Geräusch von einem fortgezogenen Teppich, und im Geiste sah er vor sich, wie der Mann die tote Frau in den Teppich einwickelte. Und dann ging drüben die Wohnungstür auf. Donald hastete zu seiner Wohnungstür und horchte wieder. Er hörte, wie sich jemand leise zur Treppe bewegte und sie hinabging.
Er bringt die Leiche weg, um sie zu verscharren!
Die ganze Nacht ging Donald unruhig in seiner Wohnung hin und her und überlegte, was er tun sollte.
Am Morgen machte er zu der üblichen Zeit, da sie zur Arbeit fortging, seine Wohnungstür auf. Aber weit und breit war nichts von ihr zu sehen.
Er blieb bis zum Mittag zu Hause. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und rief in dem Krankenhaus an, in dem die Frau arbeitete.
Aber als er verlangte, mit ihr zu sprechen, sagte die Frau am Telefon: „Tut mir leid, sie ist heute nicht zur Arbeit gekommen."
Natürlich nicht, dachte Donald, sie ist ja auch tot. Aber der brutale Mensch sollte nicht. einfach so davonkommen. Er legte wieder sein Ohr an die Wand und hörte den Mann drüben hin und her gehen. Aha, also er versteckte sich zu Hause! Wahrscheinlich wartete er auf eine günstige Gelegenheit, bis er fliehen konnte! O nein, das tust du nicht, dachte Donald. Du hast deine Frau umgebracht und dafür sollst du büßen.
Aber wie sollte er ihn büßen lassen? Er hatte ja keinen wirklichen Beweis für das, was geschehen war. Der Mann würde natürlich einfach alles abstreiten und sagen, seine Frau sei lediglich verreist. Und die Polizei konnte nichts dagegen beweisen.
Wenn er nur wüßte, was der Mann mit der Leiche gemacht hatte! Aber wenn die Polizei die Wohnung durchsucht, dachte er, findet sie bestimmt etwas. Nur, wie kriege ich sie dazu, daß sie die Wohnung durchsucht? Da fiel ihm etwas ein.
Er ging zum Polizeirevier. „Ich möchte einen Mord anzeigen", sagte er.
Der diensttuende Polizist blickte hoch. „Wer ist ermordet worden?"
„Eine Nachbarin von mir."
„Und woher wissen Sie, daß da ein Mord passiert ist?" In diesem Moment brach Donald das achte Gebot.
„Weil ich es gesehen habe", sagte er. „Ich wohne direkt nebenan von dem Mann, der seine Frau umbrachte. Ich hörte, wie sie sich schlugen und sie dann rief: „Bring mich nicht um! Aber er tötete sie daraufhin:"
„Woher wollen Sie das wissen?"
„Weil ich dann meine Wohnungstür aufmachte und sah, wie er die Leiche aus dem Haus schleifte."
Jetzt zeigte sich der Polizist ernsthaft interessiert. „Wo ist der Mann jetzt?"
„Immer noch in seiner Wohnung."
„Gut", sagte der Polizist. „Ich gebe Ihnen zwei Kriminalbeamte mit." „Danke sehr", sagte Donald.
Er hatte falsches Zeugnis wider seinen Nächsten abgelegt und war stolz darauf. Er gedachte die Frau zu rächen, in die er sich verliebt hatte.
Die beiden Kriminalbeamten kamen mit ihm nach Hause. „Dies hier ist meine Wohnung", sagte Donald zu ihnen. „Und in dieser danebenan ist der Mord geschehen."
„Und Sie sagen, der Mann ist noch immer da drinnen?"
„Richtig."
„Und Sie haben gesehen, wie er die Leiche fortgeschafft hat?"
„Ja", log Donald.
„Gut."
Die beiden Kriminaler zogen ihre Pistolen und sagten: „Bleiben Sie zurück jetzt. Wir erledigen das schon." Einer klopfte an die Tür. Sie warteten. Nichts geschah. Er klopfte noch einmal, diesmal lauter. Immer noch wurde nicht aufgemacht.
Der eine legte das Ohr an die Tür und sagte dann: „Es ist jemand drinnen und geht herum. Er ist tatsächlich zu Hause." Sein Kollege sagte: „Dann brechen wir die Tür auf." Und das taten sie. Sie traten die Tür ein, und alle drei stürmten in die Wohnung.
In einer Ecke zusammengekauert saß mit verschreckten Augen die Frau. Von ihren Mann war keine Spur zu sehen. Donald begriff entsetzt schlagartig, was wirklich passiert war. Die Frau hatte ihren Mann umgebracht, nicht umgekehrt! Was er in der Nacht gehört hatte, war, wie sie die Leiche ihres Mannes fortschleppte! Er hatte sie der Polizei ausgeliefert!
Die Frau schaute ihn an und sagte: „Ja, ich habe ihn umgebracht. Ich mußte es tun."
„Sie sind festgenommen", sagten die Kriminaler. „Kommen Sie ohne Aufsehen mit."
Und Donald stand da und mußte schockiert zusehen, wie die einzige Frau, die er je geliebt hatte, abgeführt wurde.