NEUNTES UND ZEHNTES GEBOT:
DU SOLLST NICHT BEGEHREN DEINES NÄCHSTEN HAUS.
DU SOLLST NICHT BEGEHREN DEINES NÄCHSTEN HAB UND GUT.
Dies ist die Geschichte von einem gewissen Howard, der zwei Jahre lang seinem Nachbarn nach dessen Haus trachtete. Howard war Kriminalbeamter. Jedenfalls war er einmal einer gewesen.
Nachdem er bei der Polizei ausgeschieden war, mietete er sich ein Haus und zog mit seiner Frau und seiner Tochter dort ein. Es war eine schlimme Gegend der Stadt. Das Haus war klein und heruntergekommen. Aber das Haus nebenan sah sogar noch baufälliger aus.
„Warum tust du uns das an?" schimpfte seine Frau lauthals. „Wir können doch nicht in so einem Loch wohnen!" „Ich will hier wohnen", sagte Howard unbeeindruckt. „Und eines Tages werde ich das Nachbarhaus dazukaufen" Howards Frau sah zum Fenster hinaus auf die windschiefe Bruchbude nebenan. „Das willst du kaufen?" schrie sie ihn an. „Wieso? Das ist das heruntergekommenste Haus, das ich jemals gesehen habe!"
Vor diesem Haus stand ein Schild, daß es zu verkaufen sei, und die Adresse des damit beauftragten Immobilienmaklers dazu. Zu diesem ging Howard.
„Ich möchte das Haus neben dem, das ich gemietet habe, kaufen", sagte er. „Was soll es kosten?"
„Dreißigtausend Dollar", sagte die Frau, die dafür zuständig war. „Aber", fügte sie hinzu, „ich will gleich ehrlich mit Ihnen sein. Soviel ist es nicht wert. Es ist nicht einmal zehntausend wert, aber der Besitzer besteht drauf, daß wir es nicht für weniger als dreißigtausend verkaufen dürfen." Sie fuhr kopfschüttelnd fort: „Fünf Jahre lang wird es nun schon angeboten, aber niemand will es haben. Ehrlich gesagt, ist es ja auch im schlimmsten Zustand, in dem ich je ein Haus gesehen habe. Ich weiß nicht einmal, warum wir den Verkauf übernommen haben."
„Kann man den Besitzer sprechen?" fragte Howard. „Leider nein." Sie senkte die Stimme. „Er sitzt eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren ab."
Das allerdings wußte Howard bereits, denn er selbst war es gewesen, der ihn bei einem Bankraub gestellt, festgenommen und ins Gefängnis gebracht hatte.
„Angenommen", sagte er, „ich würde ein paar tausend Dollar als Anzahlung hinterlegen."
„Bedaure", sagte die Frau, „der Eigentümer macht es ausdrücklich zu Bedingung, daß die gesamte Summe auf einmal in bar bezahlt werden muß. Wissen Sie, er benimmt sich so, als wollte er das Haus in Wirklichkeit gar nicht loswerden."
„Ich werde es so oder so kaufen", sagte Howard. „Verlassen Sie sich darauf. Irgendwie treibe ich das Geld schon auf." Howard verdingte sich als Wächter in einem Kaufhaus und nahm außerdem auch noch eine zweite Arbeit als Nachtwächter in einem Bürogebäude an. „Wozu tust du das? keifte seine Frau wieder. „Du brauchst doch keine zwei Jobs! Deine Tochter und ich bekommen dich überhaupt nicht mehr zu sehen."
„Das ist nur vorübergehend", versicherte ihr Howard. „Nur bis ich genug Geld verdient habe, um das Haus nebenan kaufen zu können."
Seine Frau traute ihren Ohren nicht. „Was denn, hast du etwa immer noch diese Bruchbude da drüben im Kopf? Dieses Rattenloch? Ach nein, das nehme ich zurück. Nicht einmal Ratten würden sich dort aufhalten!"
„Es wird dir schon gefallen", sagte Howard. „Warte es nur ab." Als er am nächsten Zahltag seine beiden Löhne einstrich, sagte seine Frau: „Die Hälfte nehme ich. Ich muß Sachen zum Anziehen für mich und unsere Tochter kaufen." „Es ist kein Geld da", sagte Howard. „Wieso denn das?" „Weil ich alles, was ich verdiene, auf die Bank trage." Sie sah ihn irritiert an. „Wozu brauchen wir denn ein Bankkonto?" „Das habe ich dir doch gesagt. Ich spare, damit ich das Nachbarhaus kaufen kann."
Bisher hatte sie nur den Verdacht gehabt, daß ihr Mann verrückt sei. Jetzt wußte sie es sicher. „Du willst sämtliches Geld auf die Seite tun, damit wir dieses windschiefe Loch kaufen können?" „Richtig", sagte Howard.
Als er an diesem Tag abends um sechs von seinem Tagesjob nach Hause kam, blieb ihm noch eine Stunde, bis er seinen Nachtjob antreten mußte.
Seine Frau erwartete ihn schon. „Ich will zum Essen ausgehen", sagte sie. „Ich bin schon eine ganz Ewigkeit nicht mehr aus dem Haus gekommen."
„Ich habe das Abendessen mitgebracht", sagte Howard.
Er machte eine Tüte auf und holte drei Pizzas heraus.
„Das ist unser Abendessen?"
„Ja", sagte Howard. „So sparen wir Geld."
„Wozu sparen wir Geld?" fragte sie. Aber sie wußte natürlich die Antwort im voraus.
„Damit wir das Nachbarhaus kaufen können."
Es wurde immer schlimmer. Nicht nur kaufte Howard keine Sachen zum Anziehen für Frau und Tochter und - führte sie niemals zum Essen aus. Er nahm auch noch einen dritten Job an. Jetzt arbeitete er praktisch rund um die Uhr und kam kaum noch zum Schlafen.
Seine Frau fing an, sich allmählich wirklich ernsthafte Sorgen um ihn zu machen. Ihr Bruder kannte einen guten Psychiater
und überredete Howard, zu diesem zu gehen.
„Ich brauche keinen Psychiater", sagte Howard. „Ich bin gesund."
„Du arbeitest rund um die Uhr in drei Jobs, damit du das mieseste Haus der Welt kaufen kannst, und da hältst du dich für gesund? Du gehst jetzt zu diesem Psychiater, basta!"
Damit er endlich Ruhe hatte, gab er schließlich nach.
Der Psychiater war ein großgewachsener, sehr distinguiert aussehender Mann. Er genoß einen ausgezeichneten Ruf.
Howards Fall interessierte ihn, weil ihm ein solcher noch nie unter gekommen war.
„Legen Sie sich hin, Howard", sagte er.
Howard tat es gehorsam.
„Ihre Frau sagt mir, daß Sie gleich in drei Jobs auf einmal arbeiten."
„Richtig."
„Gefällt Ihnen arbeiten so sehr, Howard?" „Nein."
„Würden Sie denn auch ordentlich leben können, wenn Sie nur zwei Jobs hätten?"
„Ja."
„Und wenn Sie nur in einem einzigen arbeiteten, auch?" „Ja, ja, doch", sagte Howard.
Der Psychiater betrachtete ihn intensiv. „Aha. Also brauchen Sie in Wirklichkeit keine drei Jobs, zumal Sie auch nicht gern arbeiten. Aber trotzdem haben Sie drei zugleich angenommen."
„Richtig."
„Tun Sie das vielleicht, um zusätzliches Geld zu verdienen?" „Ja."
„Und was haben Sie mit diesem zusätzlichen Geld vor?" Howard setzte sich auf. „Ein Haus kaufen", sagte er enthusiastisch. „Nämlich mein Nachbarhaus. Es ist das schönste Haus der Welt."
Der Doktor war sehr erstaunt. „Ihre Frau sagt mir, es ist das allerhäßlichste Haus der Welt."
„Das versteht sie nicht", sagte Howard. „Aber ich sage Ihnen, daß es wirklich das allerschönste ist."
„Also gut, Howard. Meinen Sie, Sie könnten mir ein Foto von diesem Haus mitbringen?"
„Ich habe sogar eines bei mir", sagte Howard. „Ich habe es immer einstecken."
Der Doktor fand das sehr interessant. „Kann ich es also mal sehen?"
„Sicher", sagte Howard und holte das kleine Foto aus seiner hinteren Tasche. Er hielt es dem Doktor stolz hin. Der Psychiater besah es sich lange stumm. Es war tatsächlich das mieseste Haus; das er je gesehen hatte. Es war aus Holz, sah schmutzig und verwittert aus, war windschief, und ein Teil des Daches war schon heruntergefallen. „Haben Sie sich irgendwie in dieses Haus verliebt, Howard ?" „So könnte man vielleicht sagen, auf eine bestimmte Art", nickte Howard. „Ich begehre es jedenfalls mehr als alles auf der Welt."
„Hatten Sie immer schon so eine Liebe zu Häusern ?" wollte der Psychiater wissen.
„Nein, natürlich nicht. Wofür halten Sie mich denn, für irgendeinen Spinner? Nein, das ist das erste und einzige Haus, das ich liebe."
„Und Sie wollen es kaufen?"
„Ich werde es kaufen. Und wenn ich dort einziehe, bin ich der glücklichste Mensch der Welt."
„Ihre Frau verabscheut dieses Haus, Howard. Sie haßt es richtig."
„Das wird sich ändern. Glauben Sie mir, sie wird es später genauso lieben wie ich."
Es war eine Situation, die nicht mehr schlimmer werden konnte. Howard widmete auch noch den letzten seiner Gedanken im Wachzustand seiner fixen Idee von dem Kauf dieses Hauses. Er machte Pläne damit und dachte sich Wege aus, wie er den Kaufpreis schneller zusammenbringen konnte. Hätte der Tag mehr als vierundzwanzig Stunden gehabt, dann hätte er auch noch einen vierten Job angenommen. Weil er buchstäblich alles Geld auf die Bank trug und nichts mehr für seine Familie übrig ließ, wuchs das Konto auch sehr rasch an. Inzwischen hatte er schon zehntausend Dollar beieinander. Jetzt ging er wieder zu der Frau vom Immobilienbüro.
„Ich habe jetzt zehntausend Dollar beisammen", sagte er zu ihr. „Damit mache ich eine Anzahlung auf das Haus." Aber sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Ich habe inzwischen noch einmal mit dem Besitzer gesprochen. Er weigert sich absolut, weniger als dreißigtausend bar auf die Hand anzunehmen. Ich habe ihm nachdrücklich klar gemacht, daß sein Haus nicht mehr wert ist als allerhöchstens zehntausend, und nicht einmal das, und daß er es auch dafür nicht loskriegen wird, aber er sagt, das ist ihm egal. Bedaure, aber ich kann wirklich nichts mehr tun in der Sache." Howard stand auf. „Ich komme wieder." Sie sah ihm nach und dachte: Ein seltsamer Mensch. Was ist denn nur so Besonderes an diesem Haus, daß sich jemand derart bemüht und anstrengt?
Genau dasselbe überlegte auch Howards Frau. „Liebling, nun sag mir doch endlich, warum tust du das? Ich weiß schon nicht mehr, wann ich mir das letzte Mal ein Kleid kaufen konnte, und dreimal Pizza pro Tag hängt mir zum Hals heraus, und unserer Tochter geht es nicht anders. Wir leben schon wie die Tiere! Nie gehen wir aus, niemals tun wir irgend etwas."
„Wirst du endlich mit dieser Nörgelei aufhören?" brüllte Howard sie an. „Ich kann dir versprechen, du wirst überglücklich sein, wenn wir in dieses Haus einziehen." „Das wagst du ein Haus zu nennen?" schrie seine Frau zurück. „Diesen vermoderten Holzhaufen? Nicht einmal meinen Hund würde ich da unterbringen!" „Du hast doch gar keinen Hund."
„Natürlich haben wir keinen Hund. Wir könnten ihn ja nicht einmal füttern. Wir haben nicht einmal selbst genug zu essen, weil du jeden letzten Penny auf dieses blöde Bankkonto trägst."
„Ade", sagte Howard. „Ich muß jetzt zur Arbeit."
So ging das noch ein halbes Jahr lang weiter. Howards Kleidung war bereits zerschlissen, er hatte ein Loch in der Hose und im Hemd ebenfalls.
„So kannst du nicht mehr zur Arbeit gehen", sagte seine Frau. „Du mußt dir eine neue Hose und ein neues Hemd kaufen." „Das können wir uns nicht leisten", sagte Howard. „Was soll das heißen, wir können es uns nicht leisten? Du verdienst doch schließlich fast tausend Dollar die Woche!" „Schon richtig", sagte Howard, „aber davon muß jeder letzte Penny gespart werden für das Haus."
„Ich kann das nicht mehr hören mit dem Haus!" rief seine Frau. „Howard, ich habe zwar geschworen, das nie zu tun, aber jetzt tue ich es: Ich lasse mich scheiden!"
Das war ein richtiger Schock für Howard. „Du kannst dich nicht scheiden lassen. Ich liebe dich doch." „Wann hast du denn noch Zeit, mich zu lieben? Du gehst morgens zur Arbeit von acht bis sechs und dann zu deinem Nachtjob von sechs bis Mitternacht und dann noch zu dieser Wechselschicht von Mitternacht bis sieben Uhr morgens. Du hast kaum noch Zeit zum Atmen, geschweige denn, mich zu lieben! Ich kann so nicht weiterleben!"
„Es dauert doch nur noch kurze Zeit!" beschwichtigte sie Howard. „Wir haben das Geld für das Haus fast schon beisammen!"
„Und dann?" weinte seine Frau. „Was haben wir dann? Dann leben wir im schlimmsten Haus der Welt!" „Vertraue mir", sagte Howard.
„Vertrauen? Ich kenne dich ja schon nicht mehr!" Und sie lief aus dem Zimmer.
Howard wollte eigentlich bleiben und sie trösten, aber es ging nicht. Es war Zeit, wieder zur Arbeit zu gehen.
Howards drei Jobs begannen ihren Tribut zu fordern. Er ging nur noch wie in Trance herum. Mehr als eine oder zwei Stunden Schlaf hatte er nie. Und weil er nichts Richtiges aß, war er auch schon ganz ausgezehrt. Ewig nur Pizzas und billige Sandwiches, das war keine anständige Ernährung. Jeden Tag war er noch müder, aber er zwang sich zur Ausdauer. Das Bankkonto wuchs auf zwanzigtausend, dann zweiundzwanzigtausend, fünfundzwanzigtausend ... Und er erschien wieder bei der Frau im Maklerbüro. Sie erkannte ihn kaum noch. Er hatte viel Gewicht verloren und sah ausgemergelt und erschöpft aus. Er hatte obendrein einen Bart, weil er sich keine Zeit mehr zum Rasieren nehmen wollte und konnte. Seine Stimme war so schwach, daß sie ihn kaum mehr verstand.
„Geht es Ihnen nicht gut?" fragte sie.
„Doch, doch, es ist alles in Ordnung." Aber seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern. „Ich habe jetzt achtundzwanzigtausend Dollar zusammen. Glauben Sie, daß -" Sie sah ihn mitleidig an. „Ich würde Ihnen ja gerne helfen. Aber unter dreißig geht nun einmal nichts." Er nickte. Er brauchte lange, bis er imstande war, sich wieder vom Stuhl hochzurappeln. „Also gut", flüsterte er, „dann komme ich eben wieder."
Sie sah ihm nach, wie er davonschlurfte, und dachte bei sich: Das schafft er nicht. Das schafft er nicht mehr. Und Howard dachte: Nur noch zweitausend fehlen. In ein paar Wochen habe ich die auch noch beisammen, und dann wird das Haus endgültig gekauft.
Seine Frau aber schickte Howard erneut zu dem Psychiater. Der Psychiater erkannte ihn ebenfalls nicht mehr. Howard sah aus, als stehe er schon am Rand des Todes, so abgemagert und ausgezehrt war er mit seinem langen Bart. „Schön, Sie wiederzusehen, Howard", sagte er aber trotzdem. „Geht es Ihnen gut? Fühlen Sie sich wohl?" „Mir geht es ausgezeichnet", sagte Howard. Aber seine Augen taten ihm weh, er hatte Magenschmerzen, und sein Kopf wollte ihm schier platzen. Mit all seinen Schmerzen konnte er den Doktor kaum noch sehen und erkennen. „Das freut mich zu hören, Howard", sagte der Doktor. „Ihre Frau sagt mir, daß sie wegen dieses Hauses nicht einmal mehr Essen kaufen." „Das stimmt nicht", sagte Howard. „Sie kann soviel Pizza haben, wie sie will."
„Ja, aber man kann doch nicht nur von Pizza leben", sagte der Psychiater.
„Ich schon", sagte Howard.
„Sind Sie immer noch so entschlossen, dieses Haus zu kaufen?"
„Aber ja", sagte Howard. „Ich will dieses Haus mehr als alles andere auf der Welt."
Der Psychiater sagte: „Howard, kennen Sie eigentlich das Neunte und Zehnte Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus sowie Hab und Gut?"
„Es ist mir ziemlich egal, ob dies das Neunte oder Zehnte oder sonst ein Gebot ist", sagte Howard. „Ich will dieses Haus jedenfalls haben."
„Glauben Sie denn wirklich, damit glücklich zu werden?" Howard lächelte. „Sogar sehr glücklich werde ich damit sein." Der Psychiater beobachtete ihn schart. Howard hatte Löcher in den Schuhsohlen, und seine Kleidung war zerschlissen. Er sah aus wie ein Obdachloser. Der Mann war ganz offensichtlich krank im Kopf.
Der Psychiater sagte: „Howard, hören Sie einmal zu. Ihre Frau und ich haben schon darüber gesprochen, daß es eine gute Idee wäre, wenn wir sie ein paar Tage lang in einem Krankenhaus gründlich untersuchen würden. Ich finde nicht, daß es Ihnen sehr gut geht."
Da war Howard bereits auf den Füßen, und als er sprach, konnte ihn der Psychiater kaum verstehen, so leise war er. „Schicken Sie mir Ihre Rechnung, Doktor. Ich bezahle Sie, nachdem ich das Haus gekauft habe."
Schließlich war der Tag doch da, an dem Howard - obwohl er kaum noch zu gehen imstande war - in das Immobilienmaklerbüro getaumelt kam. Er sah noch magerer aus als das letzte Mal. Sein Bart war noch länger geworden und seine Kleidung noch schäbiger. Hätte die Frau nicht gewußt, wer er war, hätte sie ihn nicht einmal hereingelassen. „Es ist geschafft", sagte Howard. „Jetzt habe ich das Geld." Und er legte ihr einen Barscheck über dreißigtausend Dollar auf den Tisch.
Die Frau sah ihn ungläubig an. Da stand vor ihr ein Mann mit dreißigtausend Dollar, war dabei angezogen wie ein Landstreicher und roch, als hätte er schon ein halbes Jahr lang nicht mehr gebadet. Und er war so schwach, daß er kaum noch stehen konnte.
„Setzen Sie sich", sagte sie. „Sie armer Mensch. Ist das alles Geld, das Sie auf der Welt besitzen?" Howard nickte.
„Und Sie wollen es alles für dieses Haus ausgeben?" Howard nickte wieder.
Die lmmobilienmaklerin sagte: „Na gut. Wenn das Ihr fester Wille ist, dann gehört Ihnen das Haus." Sie holte einen Kaufvertrag heraus. „Unterschreiben Sie hier." Howard griff nach der Schreibfeder, aber er war so schwach, daß er sie nicht halten konnte. Die Frau sah es alarmiert und hatte schon Angst, er werde ihr womöglich noch sterben, bevor der Kauf wirklich abgewickelt und rechtskräftig war. Sie half ihm die Feder zu halten und sah zu, wie er schließlich unterschrieb.
„So", sagte sie, „jetzt ist es Ihr Haus." Gott stehe Ihnen bei, dachte sie im stillen dazu.
„Danke", flüsterte Howard kaum hörbar.
Er steckte den Kaufvertrag in seine zerrissene Tasche, und die Maklerin sah hinter ihm her, wie er langsam davonging.
Der arme, verrückte Mann, dachte sie. Er hat gerade dreißigtausend Dollar einfach zum Fenster hinausgeworfen.
Als Howard an diesem Abend nach Hause kam, sagte er zu seiner Frau: „Das Haus nebenan, Schatz, gehört uns jetzt."
„Nicht doch!"
„Aber ja! Und ich habe dir versprochen, daß du es noch sehr lieben wirst." Seine Sprache war so schleppend und undeutlich, daß sie ihn kaum verstehen konnte.
„Howard, bitte, gehen wir zum Arzt."
„Ich brauche keinen Arzt", sagte Howard. „Es geht mir ausgezeichnet."
„Willst du dich dann endlich wenigstens etwas ausruhen?" drang sie in ihn.
„Das werde ich tun", sagte Howard, „ich habe soeben meine Jobs aufgegeben."
„Was hast du? Welchen Job?"
„Alle."
Sie starrte ihn an. Die eine Minute bestand er darauf, drei Jobs gleichzeitig zu haben, und in der nächsten gab er sie alle drei auf! Sie war wirklich mit einem Verrückten verheiratet! „Howard, du mußt zum Arzt gehen!"
„Dazu habe ich keine Zeit. Wir ziehen noch heute abend in das neue Haus um."
„Heute abend? Es ist schon fast zehn Uhr! Das wird doch wohl bis morgen früh warten können?" „Heute abend noch", beharrte Howard.
Dabei war er schon so schwach, daß er sich an einem Stuhl festhalten mußte, um noch stehen zu können. Sie beschloß, daß es besser sei, nachzugeben. „Also gut, heute abend noch."
Beide hatten sie bisher noch nie das Innere des Hauses gesehen. War es von außen schon schlimm, so war das gar nichts gegen drinnen. Das Haus war buchstäblich am Zusammenfallen, und in allen Räumen roch es modrig. Howards Frau brach bei diesem Anblick in verzweifelte Tränen aus.
„Hier kann man doch nicht wohnen!" sagte sie. „Es ist ja nur für kurze Zeit", entgegnete ihr Howard. Sie glaubte nicht richtig zu hören. „Was denn, du hast das Haus gekauft, damit wir gerade nur kurze Zeit darin wohnen können?" „Richtig."
„Howard, hör einmal zu -"
Aber er lag bereits auf dem Boden und schlief wie ein Murmeltier.
Er schlief vierundzwanzig Stunden lang am Stück. Seine Frau hatte nicht das Herz, ihn aufzuwecken.
Als er schließlich erwachte, sah er sich um und sagte: „Wo sind wir hier?"
„Na, in dem Haus, auf das du so scharf warst!" sagte seine Frau verbittert. „Und jetzt, da wir hier sind, wie soll es nun weitergehen?"
„Erfreue dich daran", sagte Howard.
Die nächsten beiden Tage verbrachte er weiter damit, sich nur auszuruhen.
Am dritten Tag ging er in ein Eisenwarengeschäft und kaufte einen Pickel und eine Schaufel.
„Was willst du denn damit?" fragte seine Frau. „Den Keller richten", sagte Howard.
Er ging hinunter in den Keller, und sie hörte ihn dort den ganzen Tag hacken und graben.
Am dritten Tag hörte sie ihn einen Schrei ausstoßen und eilte hinunter in den Keller, um nachzusehen, ob er sich vielleicht verletzt hatte. „Was ist?" fragte Sie.
Er stand vor einem großen Loch, das er in den Boden. gegraben hatte.
Sie kam näher und sah es. In dem Loch lag eine große Metallkiste. Sie sah zu, wie Howard sie herauszog und dann öffnete.
In der Truhe befanden sich große Stapel von Hundertdollarscheinen.
„Großer Gott", stammelte sie. „Was ist das denn?" Howard wandte sich ihr zu und lächelte. „Das ist eine Million", sagte er. „Die hat Bugsy Burton der First National Bank geraubt, aber ich habe ihn gefangen und für zehn Jahre ins Zuchthaus geschickt. Das Geld ist nie gefunden worden, aber Bugsy hat hier in diesem Haus gewohnt, und ich dachte mir immer schon, der einzige Ort, wo er es versteckt haben könnte, müßte hierin seinem eigenen Haus sein." „Ich glaube es einfach nicht", sagte seine Frau. „Morgen gehen wir zusammen mit unserer Tochter zum Einkaufen, und ich kaufe euch die schönsten Sachen, die es gibt. Dann gehen wir zum besten Essen, das du je hattest. Und anschließend machen wir gemeinsam eine Weltreise." Er grinste. „Was sagst du jetzt? Und soll ich dir noch etwas sagen? Wer immer das gesagt hat, daß man seines Nachbarn Haus und Hab und Gut nicht begehren soll, war ein Idiot!"