Zwei Tage später trank Hercule Poirot seine Frühstücksschokolade und las einen Brief, der am Morgen gekommen war. Er las ihn schon zum zweiten Mal. Die Handschrift war mittelmäßig und wirkte nicht gerade wie die eines Erwachsenen.
Sehr geehrter Monsieur Poirot, ich fürchte, Sie werden meinen Brief etwas merkwürdig finden, aber vielleicht hilft es, wenn ich eine Freundin von Ihnen erwähne. Ich habe versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, um sie zu bitten, meinen Besuch bei Ihnen zu arrangieren, aber sie ist anscheinend verreist. Ich spreche von Mrs. Ariadne Oliver, der Schriftstellerin. Ihre Sekretärin sagte etwas von einer Safari in Afrika. Wenn das der Fall ist, dürfte Mrs. Oliver eine Zeitlang abwesend sein. Aber ich bin sicher, sie hätte mir geholfen. Ich möchte Sie wirklich sehr gern sprechen. Ich brauche dringend Rat.
Soviel ich weiß, ist Mrs. Oliver mit meiner Mutter bekannt, die sie auf einem Literatenessen traf. Wenn Sie mir eine Zeit nennen könnten, wann ich Sie aufsuchen dürfte, wäre ich Ihnen aufrichtig dankbar. Ich richte mich ganz nach Ihnen. Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist, aber Mrs. Olivers Sekretärin sagte etwas von »Elefanten«. Vermutlich hat das mit Mrs. Olivers Afrikareise zu tun. Die Sekretärin tat, als sei das eine Art Losungswort. Ich verstehe das zwar nicht, aber vielleicht tun Sie es. Ich bin sehr beunruhigt und in Sorge und wäre sehr dankbar, wenn Sie mich empfangen würden.
Ihr ergebener Desmond Burton-Cox
»Nom d'un petit bonhomme!« rief Hercule Poirot.
»Wie bitte, Sir?« fragte George.
»Nur ein Stoßseufzer«, sagte Hercule Poirot. »Es gibt Dinge im Leben, die man nur sehr schwer wieder los wird, wenn sie mal aufgetaucht sind. Bei mir scheinen es Elefanten zu sein.« Er stand vom Frühstückstisch auf, rief seine langjährige Sekretärin Miss Lemon, gab ihr Desmond Cox' Brief und bat sie, ein Treffen mit ihm zu vereinbaren.
»Zur Zeit habe ich nicht übermäßig viel vor«, erklärte er. »Morgen würde mir gut passen.« Miss Lemon erinnerte ihn an zwei bereits getroffene Verabredungen, trotzdem war aber noch reichlich Zeit, etwas zu arrangieren.
»Hat es mit dem Zoo zu tun?« fragte sie.
»Nein«, antwortete Poirot. »Nein, erwähnen Sie die Elefanten nicht. Es kann alles mal zuviel werden. Elefanten sind riesig. Sie beanspruchen einen großen Teil unseres Blickfeldes. Wir können sie weglassen. Aber sie werden zweifellos im Lauf meines Gesprächs mit Desmond Burton-Cox auftauchen.«
»Mr. Desmond Burton-Cox!« verkündete George und führte den erwarteten Gast herein.
Poirot stand neben dem Kamin. Eine etwas nervöse, aber tatkräftige Persönlichkeit, dachte er. Ein bißchen verlegen, doch das verbirgt er geschickt.
»Mr. Hercule Poirot?«
»Der bin ich. Und Sie sind Desmond Burton-Cox. Bitte, setzen Sie sich und erzählen Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
»Es ist alles ziemlich schwierig«, meinte Desmond Burton-Cox.
»Das ist häufig so«, beschwichtigte Hercule Poirot, »aber wir haben ja genügend Zeit. Setzen Sie sich doch.«
Desmond sah den Mann, dem er nun gegenübersaß, etwas zweifelnd an. Wirklich, eine komische Erscheinung, dachte er. Der eiförmige Kopf, der große Schnurrbart. Nicht sehr beeindruckend. Im Grunde nicht ganz, was er erwartet hatte.
»Sie sind Detektiv, nicht wahr?« fragte er. »Die Leute kommen zu Ihnen, um Sie zu bitten, bestimmte Dinge für sie herauszufinden.« »Ja«, sagte Poirot, »das ist eine meiner Aufgaben im Leben.«
»Ich nehme nicht an, daß Sie den Grund für mein Kommen kennen oder genau wissen, wer ich bin.«
»Ich weiß einiges.«
»Sie meinen Mrs. Oliver. Ihre Freundin, Mrs. Oliver. Hat sie Ihnen etwas erzählt?«
»Sie erzählte mir, daß sie mit ihrer Patentochter, Miss Celia Ravenscroft, gesprochen hat. Das stimmt doch, nicht wahr?«
»Ja. Ja, Celia hat's mir gesagt. Mrs. Oliver, ist sie ... kennt sie auch meine Mutter - gut, meine ich?«
»Nein. Ich glaube nicht, daß sie sich näher kennen. Laut Mrs. Oliver haben sie sich kürzlich auf einem Literatenessen getroffen und ein paar Worte gewechselt. Soviel ich begriff, hat Ihre Mutter an Mrs. Oliver ein bestimmtes Ansinnen gestellt.«
»Dazu hatte sie kein Recht«, erklärte der junge Mann.
Seine Augenbrauen zogen sich über der Nase zusammen. Er sah jetzt ärgerlich aus, ärgerlich und beinahe wütend.
»Also wirklich«, sagte er, »wenn Mutter ... «
»Ich verstehe«, sagte Poirot. »Heute findet man solche Gefühle häufig, und früher gab es sie genauso. Mütter tun ständig Dinge, die sie nach Ansicht ihrer Kinder lieber lassen sollten. Habe ich recht?«
»Stimmt genau. Meine Mutter mischt sich in Dinge, die sie wirklich nichts angehen.«
»Sie und Celia Ravenscroft sind, soviel ich weiß, eng befreundet. Mrs. Oliver erfuhr von Ihrer Mutter, daß Sie an Heirat denken. Vielleicht schon in naher Zukunft?«
»Ja, aber meine Mutter sollte wirklich keine derartigen Fragen stellen und sich über Dinge beunruhigen, die sie - die sie nichts angehen.«
»Mütter sind eben so.« Poirot lächelte leise. Dann fügte er hinzu: »Sie sind Ihrer Mutter wohl sehr zugetan?«
»Das möchte ich nicht sagen«, meinte Desmond. »Nein, das möchte ich wirklich nicht behaupten. Sehen Sie - nun, ich sag's Ihnen besser gleich: Sie ist nicht meine richtige Mutter.« »Oh, tatsächlich? Das wußte ich nicht.«
»Ich wurde adoptiert«, erklärte Desmond. »Sie hatte einen Sohn, einen kleinen Jungen, der starb. Und da wollte sie ein Kind annehmen, und so hat man mich adoptiert. Sie spricht immer von mir als von ihrem Sohn und empfindet für mich wie für einen leiblichen Sohn, a?er in Wirklichkeit bin ich's gar nicht. Wir sind uns kein bißchen ähnlich. Wir haben auch ganz unterschiedliche Ansichten.«
»Sehr verständlich«, sagte Poirot.
»Aber ich scheine nicht weiterzukommen«, sagte Desmond, »mit meinem Anliegen.«
»Sie wollen doch, daß ich etwas für Sie herausbekomme, daß ich bestimmte Nachforschungen durchführe?«
»Ja, so ungefähr. Ich weiß nicht, wieweit Sie über die ganze Sache informiert sind.«
»Nur wenig«, antwortete Poirot. »Keine Einzelheiten. Ich weiß nicht viel über Sie oder Miss Ravenscroft, die ich noch nicht kenne. Aber ich würde sie gern kennenlernen.«
»Ja, ich wollte sie schon mitbringen, aber dann dachte ich, ich spreche lieber zuerst allein mit Ihnen.«
»Das ist recht vernünftig«, stimmte Poirot zu. »Sind Sie unglücklich? Beunruhigt? Haben Sie Schwierigkeiten?«
»Nicht wirklich, nein. Es müßten gar keine Schwierigkeiten sein. Eigentlich gibt es auch keine. Was passiert ist, liegt viele Jahre zurück, Celia war noch ein Kind, ein Schulmädchen. Und eine solche Tragödie kann immer wieder geschehen - jeden Tag, jederzeit. Daß zwei Menschen, die man kennt, etwas so aus der Fassung bringt, daß sie Selbstmord begehen. Es war eine Art Selbstmordpakt. Niemand hat viel darüber gewußt, über die Ursache und so weiter. Aber schließlich, so was passiert nun mal, und es ist nicht Sache der Kinder, sich über den Grund Gedanken zu machen. Wenn sie die Tatsachen wissen, ist das genug, sollte man meinen. Und meine Mutter geht es überhaupt nichts an.«
»Wenn man sich so umsieht«, antwortete Poirot, »stellt man immer wieder fest, daß sich die Leute oft für Dinge interessieren, die sie gar nichts angehen. Manchmal mehr, als für Dinge, um die sie sich kümmern müßten.«
»Die Geschichte ist doch längst vorbei. Niemand wußte viel darüber, nichts Genaues. Aber, sehen Sie, meine Mutter stellt andauernd Fragen. Sie möchte alles Mögliche wissen, und jetzt hat sie's mit Celia. Sie hat Celia soweit gebracht, daß sie nicht mehr weiß, ob sie mich heiraten möchte oder nicht.«
»Und Sie? Wissen Sie es?«
»Ja, natürlich! Ich möchte sie heiraten. Ich bin fest entschlossen. Aber sie ist ganz verwirrt. Sie möchte Bescheid wissen. Sie möchte wissen, warum es passierte, und sie glaubt - obwohl ich überzeugt bin, daß sie sich irrt -, sie glaubt, daß meine Mutter was weiß oder gehört hat.« »Ich habe viel Sympathie für Sie«, sagte Poirot, »aber mir scheint, daß - wenn Sie vernünftige junge Leute sind und wenn Sie heiraten wollen - es keinen Grund gibt, warum Sie es nicht tun sollten. Ich habe auf meine Bitten hin einige Informationen über das traurige Ereignis bekommen. Wie Sie schon sagten, hat es sich vor vielen Jahren zugetragen. Es gab keine ausreichenden Erklärungen. Es gab nie welche. Aber im Leben bekommt man eben nicht immer Erklärungen für all die traurigen Dinge, die sich ereignen.«
»Es war Doppelselbstmord«, meinte der junge Mann. »Es kann gar nicht anders gewesen sein. Aber ... «
»Sie möchten die Ursache kennen. Ist es das?«
»Ja. Deshalb ist Celia so bekümmert, und sie hat mich schon beinahe angesteckt. Meine Mutter ist auf jeden Fall beunruhigt, obwohl, wie schon gesagt, es sie absolut nichts angeht. Ich glaube nicht, daß man irgend jemandem die Schuld geben kann. Es gab keinen Streit oder so was. Das Schlimme ist eben, daß wir nicht Bescheid wissen. Ich könnte sowieso nichts wissen, weil ich ja nicht dort war.«
»Sie haben General oder Lady Ravenscroft nicht gekannt?« »Nein. Aber Celia hab' ich mehr oder weniger mein ganzes Leben lang gekannt. Die Leute, bei denen ich die Ferien verbrachte, waren ihre Nachbarn - als wir Kinder waren. Wir haben uns immer gern gemocht und uns gut verstanden. Später habe ich Celia viele Jahre nicht gesehen. Ihre Eltern gingen nach Indien, wissen Sie, und meine auch. Sie haben sich dort wieder getroffen - ich meine, mein Vater und meine Adoptivmutter. Mein Vater ist übrigens tot. Aber meine Mutter hatte wohl irgendwas gehört, als sie in Indien war, und sich jetzt wieder daran erinnert und darüber aufgeregt. Sie bildet sich Dinge ein, die einfach nicht stimmen können. Aber sie ist entschlossen, Celia damit zu quälen. Ich möchte wirklich wissen, was passiert ist, und Celia auch. Den Grund! Das Motiv! Nicht bloß das blöde Gerede der Leute.«
»Ja«, antwortete Poirot, »es ist durchaus natürlich, daß Sie beide so empfinden. Aber ist es wirklich wichtig? Was eine Rolle spielt, ist doch das Heute, die Gegenwart. Das Mädchen, das Sie heiraten möchten und das Sie heiraten will - was hat die Vergangenheit mit Ihnen zu tun? Was spielt es für eine Rolle, ob ihre Eltern gemeinsam Selbstmord begingen oder bei einem Flugzeugunglück ums Leben kamen, ob einer der beiden verunglückte und der andere später Selbstmord beging? Oder ob da eine Liebesaffäre war, die sie unglücklich machte?« »Was Sie sagen, ist sicher vernünftig und völlig richtig, aber die Angelegenheit hat sich nun in einer Weise entwickelt, daß ich dafür sorgen muß, daß Celia zufrieden ist. Sie gehört zu den Menschen, bei denen alles tiefer geht, auch wenn sie nicht viel darüber reden.«
»Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen«, sagte Hercule Poirot, »daß es sehr schwierig, ja unmöglich sein könnte festzustellen, was wirklich geschah?«
»Sie meinen, ob einer den andern tötete und wenn ja, wer und warum? Nicht, wenn wirklich etwas dahinter gewesen ist.« »Aber dieses >Etwas< ist in der Vergangenheit passiert, warum sollte es jetzt eine Rolle spielen?«
»Es würde auch keine spielen, wenn meine Mutter sich nicht eingemischt und in der Sache herumgestochert hätte. Ich glaube auch nicht, daß Celia sich je viele Gedanken darüber gemacht hat. Sie war in der Schweiz auf der Schule, als diese Tragödie passierte, und keiner hat ihr viel erzählt, und wenn man ein Teenager ist, akzeptiert man die Dinge meistens doch so, wie sie sind, als hätten sie eigentlich nichts mit einem zu tun.«
»Glauben Sie dann nicht, daß Sie vielleicht etwas Unmögliches wollen?«
»Ich möchte, daß Sie die Wahrheit herausfinden«, erklärte Desmond.
»Ich habe dagegen nichts einzuwenden«, sagte Poirot. »In Wahrheit verspüre ich sogar eine gewisse Neugier. Dinge, die Trauer, Überraschung, Schock, Krankheit auslösen, sind menschliche Tragödien, und es ist nur natürlich, daß man sich dafür interessiert. Ich frage mich nur, ob es klug oder notwendig ist, die Vergangenheit aufzurühren?«
»Vielleicht nicht«, sagte Desmond, »aber ... «
»Und«, unterbrach ihn Poirot, »finden Sie nicht auch, daß es ein ziemlich hoffnungsloses Unternehmen ist? Nach so langer Zeit?«
»Nein«, entgegnete Desmond, »das finde ich nicht. Ich halte es für durchaus möglich.«
»Sehr interessant«, sagte Poirot. »Und wieso?«
»Weil -«
»Weil? Sie müssen doch einen Grund haben!«
»Ich glaube, daß es Leute gibt, die Bescheid wissen. Die Ihnen etwas erzählen könnten, wenn sie wollten, und die es Celia oder mir nicht sagen wollen, von denen Sie es aber erfahren könnten.«
»Interessant.«
»Ich habe ganz vage etwas gehört. Da soll jemand geisteskrank gewesen sein. Ich weiß nicht genau wer, es könnte Lady Ravenscroft gewesen sein ... Ich glaube, sie war jahrelang in einer Irrenanstalt. Irgend etwas Trauriges hatte sich ereignet, als sie noch sehr jung war. Ein Kind ist gestorben, es war wohl ein Unglücksfall. Irgendwie war sie davon betroffen.«
»Vermutlich wissen Sie das nicht aus persönlicher Erfahrung?«
»Nein. Meine Mutter erwähnte so was. Sie erfuhr davon in Indien. Klatsch der Leute. Sie wissen ja, wie man sich im Kolonialdienst trifft und die Frauen zusammen klatschen und sich Geschichten erzählen, die gar nicht wahr zu sein brauchen.«
»Und Sie möchten feststellen, ob sie nicht doch wahr sind.«
»Ja, und ich weiß nicht, wie ich es allein herausbringen soll. Jetzt, da es schon so lange her ist. Und ich weiß auch nicht, an wen ich mich wenden könnte. Bis wir die Wahrheit herausgefunden haben ... «
»Sie wollen damit sagen«, unterbrach ihn Poirot, »daß Sie Celia Ravenscroft erst heiratet, wenn sie absolut sicher ist, daß keine Geisteskrankheiten in ihrer Familie erblich sind.« »Davor hat sie irgendwie Angst, ja. Meine Mutter hat ihr das offenbar in den Kopf gesetzt. Anscheinend möchte meine Mutter das gern glauben. Ich bin überzeugt, daß sie gar keinen Grund dafür hat. Reine Bosheit! Nichts als Gerede!«
»Es wird nicht einfach sein, etwas herauszubekommen.«
»Nein, aber ich habe viel von Ihnen gehört. Sie sollen sehr geschickt darin sein, etwas ausfindig zu machen. Wie Sie die Leute ausfragen und zum Sprechen bringen!«
»Wen, schlagen Sie vor, soll ich fragen? Mit Indien meinen Sie doch sicher nicht die Inder? Sie sprechen von den Zeiten, als Indien noch Kolonie war und dort englische Garnisonen waren? Sie sprechen von Engländern und dem Klatsch, der in den Garnisonen verbreitet wurde?«
»Ich glaube nicht, daß es uns etwas nützen würde, so weit zurückzugehen. Ich meine, wer damals auch den Klatsch verbreitet haben mag und wer da auch redete - es ist so lange her, daß man dort sicherlich alles vergessen hat und die Leute vermutlich längst gestorben sind. Meiner Meinung nach hat meine Mutter eine Menge falsch verstanden. Sicherlich hat sie einiges gehört und sich danach eine Meinung gebildet ... «
»Sie glauben immer noch, ich sei in der Lage -«
»Nun, ich glaube nicht, daß Sie nach Indien fahren und dort Leute ausfragen sollten. Von denen gibt es doch niemand mehr.«
»Aber Sie könnten mir ein paar Namen nennen?«
»Von den Leuten in Indien nicht.«
»Aber von anderen?«
»Ich will es Ihnen näher erklären. Meiner Ansicht nach gibt es zwei Menschen, die wissen könnten, was tatsächlich geschah, und warum. Denn sie waren damals dort. Sie müssen es wissen, weil sie dabei waren.«
»Sie wollen nicht selbst hingehen?«
»Nun, das könnte ich tun. In gewisser Weise habe ich das auch, aber ich fürchte, wissen Sie, daß man mir - also, ich weiß nicht recht. Ich würde nicht gern die Fragen stellen, auf die ich eine Antwort haben möchte. Celia geht es offenbar genauso. Sie waren beide so nett, und gerade deshalb müßten sie meiner Meinung nach etwas wissen. Nicht weil sie ekelhafte Leute waren, nicht weil sie klatschten, sondern weil sie halfen. Vielleicht halfen sie jemandem aus der Patsche oder versuchten es und schafften es nicht. Ach, ich drücke mich so ungeschickt aus.«
»Nein, gar nicht«, wehrte Poirot ab, »Sie machen Ihre Sache recht gut. Es interessiert mich. Ich glaube, Sie haben etwas ganz Bestimmtes im Auge. Ist Celia Ravenscroft damit einverstanden?«
»Ich habe ihr nicht sehr viel erzählt. Wissen Sie, sie mochte Maddy und Zelie sehr gern.« »Maddy und Zelie?«
»Ja, so heißen sie. Lassen Sie mich erklären! Als Celia noch ein Kind war - damals, als ich sie während der Ferien kennenlernte -, hatte sie ein französisches Au-pair-Mädchen: damals hießen sie noch Gouvernanten. Eine Mademoiselle. Sie war furchtbar nett. Sie spielte mit uns Kindern, und Celia nannte sie einfach Maddy - wie die ganze Familie.«
»Aha. Eine Mademoiselle!«
Ja, und sehen Sie, da Sie doch Franzose oder Belgier sind, dachte ich, sie würde Ihnen vielleicht Dinge erzählen, die sie andern Leuten nicht erzählt.«
»Soso. Und die andere Dame, die Sie erwähnten?«
»Zelie. Auch eine Mademoiselle. Maddy war, glaube ich, ungefähr zwei oder drei Jahre dort und kehrte dann nach Frankreich zurück, oder in die Schweiz. Dann kam die andere. Sie war jünger. Celia nannte sie Zelie. Die ganze Familie nannte sie Zelie. Sie war jung, hübsch und lebenslustig. Wir liebten sie alle schrecklich. Die ganze Familie. Auch General Ravenscroft.« »Und Lady Ravenscroft?«
»Sie mochte Zelie sehr gern, und Zelie sie. Deshalb kam sie ja zurück.«
»Sie kam zurück?«
»Ja, als Lady Ravenscroft im Krankenhaus gewesen war, kam Zelie zurück und pflegte sie. Ich weiß es nicht ganz sicher, aber ich glaube, sie war dort, als es - als die Tragödie passierte. Und deshalb, sehen Sie, müßte sie wissen, was wirklich geschah.«
»Kennen Sie ihre Adresse? Wissen Sie, wo sie wohnt?«
»Ja. Ich habe beide Adressen. Ich dachte, Sie könnten vielleicht hinfahren und sie besuchen. Es ist zwar etwas viel verlangt ... « Er brach ab.
Poirot sah ihn nachdenklich an. Dann meinte er: »Ja, das ist allerdings eine Möglichkeit ... «