Hogos Auftritt

»Hööööhööö!« heulte Hugo draußen auf dem Flur. »Hööö, Josporo von ond zu Krötönschröck. Woißt du, wo üch gölon-döt bün? Üm Burggrobön, müttön üm schlommügön, stünkügön Burggrobön.«

Jaspara zog ihre Hand zurück.

Frau Wurm schluchzte wieder, aber diesmal vor Er­leichterung.

»Was willst duuu, du mittelmäääßig mickriger Spuu- uuk?« hörten sie die rauhe Stimme der Baronin.

»Oh, Hugo, paß auf«, murmelte Tom. »Paß bloß auf.«

»Wos üch wüll?« säuselte Hugo. »Oooh, örgörn wüll üch düch, du groooßmäulügös Flockörlücht. Nur oin büßchön örgörn.«

»Laaaß das!« knurrte Jaspara. »Ich habe keine Zeiiit für solche Aaaalbernheiten. Iiiich will liiieber ein paar saftige kleine Steeeerbliche verflüssigen und schlüü- üürfen.«

Lautlos wie ein Indianer schlich Tom zum Schlüssel­loch und guckte hindurch. Was er sah, war erstaunlich.

Hugo schwabbelte ganz dicht vor der immer noch beachtlich großen Baronin herum, zupfte sie an den Gewändern, streckte ihr die Zunge heraus und be­nahm sich auch sonst ziemlich kindisch.

Was hatte er vor?

»Süüüh mol!« flötete Hugo, fuchtelte mit seinen Eis­fingern in der Luft herum und hatte, schwups, den Kopf der Baronin in der Hand.

»Donnerwetter!« flüsterte Tom bewundernd. »Don­nerwetter noch mal.«

»Was ist?« fragte Herr Wurm mit zittriger Stimme. »Wawa-was ist los?«

»Ich fass' es nicht«, sagte Tom. »Hugo hat ihren Kopf.«

»Aaaaaah!« kreischte der Kopf und schnappte mit den Zähnen nach Hugos Fingern, worauf der ihn kurzerhand unter den Arm klemmte.

»Giiib mir meiiinen Kopf zurück«, heulte die kopflose Baronin. »Sofoooort.«

»Nohoiin!« Mit breitem Grinsen schwabbelte Hugo vor ihr auf und ab. »Dön mußt du dür schon hoholön.«

»Miiüeses, mistgrüüünes Moooodergespenst!« heul­te der Kopf und spuckte dem MUG auf die Füße.

Da nahm Hugo Jasparas Kopf in beide Hände, tippte ihn dreimal auf den Boden wie einen unappetitlichen Basketball und warf ihn durch ein Fenster nach drau­ßen.

»Suuuuch ühn doch!« heulte er zufrieden. »Suuch ühn. Obör louf nücht vor du Wond, Boroooonün Gor- nüchtschlouuuu!«

Die kopflose Baronin tobte.

Aber Hugo schwabbelte blitzschnell an den wütend herumfuchtelnden Armen vorbei und schlüpfte durch die Wand in die Waffenkammer.

»Naaaahaa?« säuselte er dem sprachlosen Tom ins Ohr. »Wüü wooor üch?«

»Wahnsinn, Hugo!« sagte Tom bewundernd. »Alle Achtung, mein Lieber, du warst einfach umwerfend!«

Er guckte noch mal durchs Schlüsselloch. Die Baro­nin schwebte heulend den Gang entlang auf der Suche nach ihrem Kopf - was ohne Augen natürlich gar nicht so einfach war.

»Sie ist weg«, sagte er und drehte sich wieder zu den anderen um. »Auf der Suche nach ihrem Kopf, a­ber das dürfte etwas länger dauern. Hugo hat ihn nämlich durchs Fenster nach draußen geworfen.«

»Oooh!« hauchten die Wurms und starrten Hugo voller Bewunderung an.

»Tadellos, mein Lieber«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Wie hast du das gemacht?«

»Kloinügkoit!« säuselte Hugo, aber vor Stolz blähte er sich bis zur Decke auf. »Bövor sü müch vom Burg­hof göpuuustöt hot, wolltö üch ühr oin poor kloinö Komplümöntö mochön und.«, verlegen färbte er sich rosa, ». ühr du Hond küssön. Obör plötzlüch hottö üch ührö Füngör ün dör Hond. Klöbtön on moinön. Oinfach so.«

»Interessant«, murmelte Frau Kümmelsaft. »Erzähl weiter, mein Lieber.«

»Dos hot sü zümlüch wütönd gömocht, und sü hot müch über du Burgmouer ün dön Grobön göblooosön. Dos hot müch wütönd gömocht, und do hob' üch mür gödocht, wönn

du Füngör klöbönbloibön«, er kicherte hohl, »donn bloibt ouch dör Kopf klöbön.«

»Schlau, schlau«, sagte Hedwig Kümmelsaft lä­chelnd. »Und du wußtest natürlich auch, daß du dich jederzeit durch die Mauer verdrücken konntest, wäh­rend sie auf Fenster und Türen angewiesen ist, nicht wahr?«

»Gönouuuuu!« säuselte Hugo. »Wohrschoinlüch sucht sü ümmör noch ührön Kopf. Gonz vörschnoit würd ör soin.« Hugos bleicher Leib schwabbelte vor Lachen.

Tom sah Frau Kümmelsaft fragend an. »Könnte uns das nicht dabei helfen, sie endgültig zu vertreiben?«

»Durchaus möglich«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Aber wie? Denken wir nach.« Sie drehte sich zu den Wurms um. »Kommen Sie, wir setzen uns einen Au­genblick alle zusammen. Es ist jetzt«, sie sah auf die Uhr, »gleich halb zwei. Wir haben also noch etwas Zeit. Ich möchte kurz von der einzigen mir bekannten Vertreibung eines SPUMIDUVs berichten, der über ähnliche Fähigkeiten wie unsere Baronin verfügte.« Frau Kümmelsaft rieb sich die spitze Nase. »Es ist viele Jahre her, und Professor Boccabella, dem diese Ver­treibung gelang, hat mir persönlich davon berichtet. Zunächst ist er wie wir vorgegangen, er hat den Strom abgeschaltet, alle anderen Energiequellen beseitigt, was uns ja leider nicht gelungen ist, hat die Todes­stunde und den Ort des Todes herausgefunden.«

»Den Ort?« unterbrach Herr Wurm sie. »Wissen wir denn den Ort?«

»Allerdings«, sagte Tom. »Sie ist von der Zugbrücke geschubst worden. Wo genau, das läßt sich feststel­len.«

Frau Kümmelsaft nickte. »Aber was dann? Professor Boccabella hatte eine äußerst waghalsige, aber, wie sich zeigte, sehr wirkungsvolle Idee.«

»Oh, erzählen Sie!« rief Frau Wurm atemlos.

Totenstill war es in der Waffenkammer. Nur das Holz im Kamin knackte leise.

»Zunächst«, fuhr Frau Kümmelsaft fort, »zunächst lockte Boccabella den ziemlich hungrigen Geist mit ei­ner Spur geschickt ausgelegter Batterien zum Ort sei­nes Ablebens. Diese Möglichkeit haben wir bedauerli­cherweise nicht. Hungrig dürfte Jaspara jetzt nicht mehr sein. Aber vielleicht helfen uns ja hier Hugos Fä­higkeiten weiter.«

»Oh, üch soll dön Kööödör spülön«, säuselte Hugo.

»Ja, eventuell«, sagte Frau Kümmelsaft. »Also, Boccabella lockte den Geist an den Ort seines Ablebens. Und dort«, Hedwig Kümmelsaft senkte die Stimme, »dort wartete er auf ihn, gekleidet in ein altes Gewand, das der Geist zu Lebzeiten selbst getragen hatte.«

»Oh, wir - icks - haben auch ein Gewand der - icks - Baronin!« rief Frau Wurm aufgeregt. »Ich glaube, es ist - icks - dasselbe, das sie auf dem Gemälde trug.«

»Sehr gut.« Hedwig Kümmelsaft seufzte erleichtert. »Dann könnte es gehen.«

»Oh, bitte, erzählen Sie weiter!« drängte Herr Wurm. »Boccabella wartete auf den Geist. Und dann?«

»Er hatte einen todesmutigen Plan«, erzählte Frau Kümmelsaft weiter. »Er wollte den Geist so provozie­ren, daß er ihn berührte.«

»Aber«, Frau Wurm preßte erschrocken die Hand vor den Mund, »hatte - icks - er nicht Angst, verflüs­sigt und geschlürft zu werden?«

»Nun, Boccabella wußte eins«, fuhr Frau Kümmel­saft fort, »er wußte, daß ein SPUMIDUV große Angst davor hat, irgend etwas aus seiner sterblichen Ver­gangenheit zu berühren. Je öfter und enger der SPU­MIDUV zu seinen Lebzeiten Kontakt mit diesen Ge­genständen hatte, desto ängstlicher vermeidet er jetzt eine Berührung mit ihnen. Nur für das Gebäude, in dem er gelebt hat, gilt das offenbar nicht. Boccabella hatte mehrmals beobachtet, daß SPUMIDUVs vor alten Bettüchern, Rüstungen oder Kleidungsstücken zurück­wichen, als stecke der Teufel persönlich darin. Also wagte er das tollkühne Experiment, sich mit dem alten Gewand vor der Verflüssigung zu schützen. Anderer­seits hoffte er, daß die Berührung den Geist auf der Stelle vernichten würde.«

»Und?« fragte Tom gespannt. »Hat es geklappt?«

Hedwig Kümmelsaft nickte. »Der Geist wurde zu Nebel und verschwand.«

»Donnerwetter«, murmelte Tom. »Ganz schön mu­tig von diesem Boccabella, muß ich sagen.«

»Nööböl«, seufzte Hugo. »Nööböl und vörschwun- dön. Wos für oinö Schondö! Üch hottö so vüüül Spoß müt dör Boronün.«

»Oh, da fällt mir ein«, Frau Wurm sprang auf, »ich glaube, das - icks - Kleid der Baronin ist hier. Es - icks - hatte ein kleines Loch, und ich habe es - icks - zum Reparieren vor einigen Tagen hierhergebracht.«

Aufgeregt trippelte sie zu dem alten Schrank, der hinter ein paar zerbeulten Rüstungen stand.

»Ja, ja, da ist es!« rief sie und kam mit dem roten Gewand zurück. Es war ohne Zweifel das Kleid, das die Baronin auf ihrem Porträt trug.


»Oje!« sagte Tom. »Wem soll das denn passen?«

»Du bist, fürchte ich, zu dick, meine Liebe«, sagte Herr Wurm zu seiner Frau. »Und Frau Kümmelsaft ist viel zu groß.«

»Tja, die Menschen früher waren wesentlich klei­ner«, sagte

Hedwig Kümmelsaft. »Als Geist ist die Baronin viel größer als

zu Lebzeiten. Hm.« Nachdenklich rieb sie ihre Na­senspitze.

»Ich fürchte, hier gibt es nur eine Person, die in das Kleid paßt.«

»Wieso? Wer denn?« fragte Tom.

»Duuuuu!« säuselte Hugo. »Wör sonst?«

»Ich?« Entgeistert sah Tom die anderen an. »Ich? Das soll wohl ein Witz sein? Ich zieh' doch auf gar kei­nen Fall dieses Kleid an.«

»Natürlich nicht.« Hedwig Kümmelsaft schüttelte den Kopf. »Ich bin ganz deiner Meinung. Das wäre viel zu gefährlich. Wer kann schon sagen, ob Boccabellas Methode bei allen SPUMIDUVs erfolgreich ist? Und ich möchte dich keinesfalls in einer Wasserflasche nach Hause bringen.«

»Ach nein, das mein' ich doch gar nicht!« rief Tom. »Ich meine doch nicht, daß es mir zu gefährlich ist!« Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. »Aber ich kann doch nicht, ich meine.« Er wurde knallrot. »Ich stell' mich doch nicht in so einem Fummel da draußen auf die Zugbrücke. Das.«

Verlegen rückte er seine Brille zurecht. »Das ist mir peinlich.«

»Höhöööh!« kicherte Hugo und tippte Tom einen Eisfinger auf die Nase. »Dos üst zühümlüch olbörn, fündöst du nücht? Höhööööh!«

»Na, du hast gut reden«, knurrte Tom. »Du flatterst ja ständig in so 'nem Schlabberdings durch die Ge­gend.«

»Tja«, sagte Frau Kümmelsaft, »was dann? Wir ha­ben noch eine halbe Stunde, um uns etwas einfallen zu lassen. Wenn unsere Freundin nicht früher zurück­kommt. Und sie wird ziemlich ärgerlich sein, das ist sicher.«

Alle schwiegen bedrückt.

Tom fühlte sich scheußlich. Absolut scheußlich.

»Ja, ja, schon gut!« sagte er schließlich. »Ich mach' es. Ich

zieh' das Ding an. Aber ich muß nicht noch 'ne Perü­cke oder so was aufsetzen, oder?«

»Oin Schloiör wärö nücht schlöcht«, säuselte Hugo. »Dos würdö dür wundörbor stöhön.«

»Hugo, laß ihn in Ruhe«, sagte Frau Kümmelsaft und stand auf. »Machen wir uns an die Vorbereitun­gen. Frau Wurm, können Sie das Kleid so verändern, daß die Baronin es nicht erkennt?«

»Kein - icks - Problem«, sagte Frau Wurm.

»Gut«, sagte Frau Kümmelsaft. »Dann fangen Sie am besten gleich an. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«


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