Der Leser mag verzeihen, daß er jetzt aus dem Jahre 1870 ganz plötzlich um volle fünfundfünfzig Jahre in das Jahr 1814 zurückgeführt wird!
Es ist mit den Völkern ganz so wie mit dem einzelnen Menschen. Wer die Errungenschaften und Enttäuschungen, die Erfolge und Verluste des Alters verstehen will, der muß zur Jugendzeit zurückkehren. Ein Tag wächst aus dem anderen, ein Jahrhundert aus dem vorhergehenden heraus. Taten und Ereignisse, die sich scheinbar nicht begreifen lassen, schlagen ihre verborgenen Wurzeln in die Vergangenheit. Und so wird auch manches, was auf Ortry jetzt geschehen ist, und vieles, was dort noch geschehen wird, nur verstanden werden, wenn der Vorhang zurückgezogen wird, hinter welchem die verflossenen Jahre im Dunkel liegen.
Also es war im Jahre 1814. Napoleon der Erste war besiegt und bereits nach seinem Verbannungsorte, der Insel Elba, unterwegs. Am 31. März waren die Verbündeten in Paris eingezogen, an ihrer Spitze die Herrscher Österreichs, Rußlands und Preußens. Einer aber, der zu dem Sieg der vereinigten Waffen wohl das meiste beigetragen hatte, saß auf dem Montmartre und konnte nicht mit an dem Zuge teilnehmen; das war der alte Blücher.
Der greise Feldmarschall ‚Vorwärts‘ litt am Fieber und an einer peinlichen Augenentzündung. Noch die Schlacht von Paris hatte er geleitet, mit dem Schirm eines grünseidenen Damenhutes vor den Augen. Als der Einzug begann, zeigte er sich auch, hoch zu Roß und den grünen Schirm unter dem Generalshut: aber es gelang den Bitten Gneisenaus und des Generalchirurgus Dr. Völzke, ihn zum Zurückbleiben zu bewegen.
Bald aber erlaubte ihm eine Besserung seines Zustandes, in der Stadt zu wohnen, und so bezog er das Palais des Herzogs von Otranto in der Rue Cerutti. Von hier aus spazierte er täglich in der Stadt herum, um die Sehenswürdigkeiten derselben kennen zu lernen. Am liebsten ging er im Garten oder unter den Laubengängen des Palais Royal umher, den einfachen, bürgerlichen Überrock an und die unvermeidliche Pfeife im Mund. Oft kam er zu dem Gastwirt Very in den Tuilerien, trank Kaffee mit Milch oder ein Warmbier und zog ganz gemütlich den Rock aus, wenn ihm zu warm wurde.
In diesem Lokal saßen eines Nachmittags mehrere Herren beim L'Hombre. Ihrer Aussprache nach mußten sie geborene Franzosen sein, und ihre Haltung verriet, daß man sie als Angehörige des Militärstandes betrachten müsse.
An einem in der Nähe stehenden Tisch saß ein junger Mann in Zivil, welcher sich den Anschein gab, als ob er völlig teilnahmslos sei, trotzdem aber jedes Wort der Unterhaltung vernahm, welche in den Zwischenpausen des Spiels geführt wurde.
Da öffnete sich die Tür, und es trat ein alter Herr ein, der einen sehr einfachen Anzug trug und nach einem kurzen Gruß an einem der vorderen Tische Platz nahm. Er bestellte sich eine Tasse Warmbier und war, als er sie erhalten hatte, so mit ihr beschäftigt, daß er sich um die anderen Anwesenden gar nicht kümmerte. Der Kopf dieses alten Herrn war herrlich geformt, hatte eine prächtige Stirn, eine starke, gekrümmte Nase, dunkle, gerötete Wangen und einen feinen Mund, welcher von einem dichten, herabhängenden Schnurrbart beschattet wurde. Zu dem wohlgeformten Kinn paßten die tüchtig ausgearbeiteten Züge und das hellblaue Auge, dessen Blick eine treuherzige Sanftheit besaß, aber auch die Fähigkeit zu besitzen schien, scharf und stechend zu werden.
Der Mann verlangte noch eine Tasse und dann abermals eine. Draußen schien die Sonne heiß hernieder; im Raum des Gastzimmers war es schwül, und so durfte man sich nicht darüber wundern, daß es dem Alten bei dem dampfenden Warmbier etwas zu warm wurde. Er machte gar keine Umstände, sondern zog seinen Rock aus, hing denselben an die Wand und saß nun hemdsärmelig da, als ob dies in Paris etwas ganz und gar nichts Außergewöhnliches sei. Die Herren Franzosen aber, welche diese Nachlässigkeit bemerkten, schienen anders zu denken, denn einer von ihnen meinte: „Wer mag dieser Mensch sein? Geht man denn darum aus, um mit der Hefe des Volkes in einem und dem selben Lokal zu sitzen?“
Sein Nachbar nickte und erklärte:
„Ein Franzose ist er auf keinen Fall. Ein solcher wird es niemals wagen, die Regeln des Anstandes und der guten Sitte in einer solchen Weise zu verletzen. Ich halte ihn vielmehr für einen Deutschen. Diese Barbaren werden es niemals lernen, höflich zu sein. Ihre Kriegsführung ist eine wandalische; ihre Vergnügungen sind roh, und alle ihre Gewohnheiten stoßen ab. Seht euch nur diesen Menschen an! Er ist ein Bauer, ein ungezogener Kohlenbrenner, dem man die Tür zeigten müßte!“
„Warum tun wir das nicht?“ fragte der Dritte. „Warum befehlen wir dem Kellner nicht, diesem Flegel eine Ohrfeige zu geben und ihn dann hinauszuwerfen? Die Deutschen sind Hunde, welche Prügel erhalten müssen!“
Da erhob sich der junge Mann, welcher am Nebentische saß, trat herbei und sagte:
„Messieurs, erlauben Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle! Mein Name ist Hugo von Königsau, Lieutenant im Dienste seiner Majestät des Königs von Preußen. Der Herr, von welchem sie soeben gesprochen haben, ist Seine Exzellenz Feldmarschall von Blücher. Ich erwarte, daß Sie alles das, was Sie von ihm und dann von den Deutschen im allgemeinen sagten, hiermit widerrufen!“
Die Leute schienen doch ein wenig zu erschrecken, als sie hörten, daß der von ihnen Beschimpfte der berühmte Marschall sei, vor dem sogar der Stern des großen Napoleon hatte erbleichen müssen. Nur der, welcher zuletzt gesprochen hatte, schien sich nicht werfen lassen zu wollen. Er erhob sich von seinem Stuhl, stellte sich dem Deutschen in drohender Haltung gegenüber und antwortete:
„Monsieur, wir haben ganz und gar nicht den Wunsch geäußert, Ihre Bekanntschaft zu machen; es ist also eine unverzeihliche Zudringlichkeit von Ihnen, sich uns vorzustellen, eine Zudringlichkeit, welche ganz und gar rechtfertigt, was wir von den Deutschen gesagt haben. Was jenen Herrn betrifft, so ist es ganz und gar gleich, ob sich ein Feldmarschall oder ein Schiffer ungezogen beträgt. Wir nehmen nicht einen Buchstaben von den Worten zurück, welche wir ausgesprochen haben!“
„So darf ich wohl um Ihren Namen bitten, Monsieur?“ sagte der Deutsche.
„Ich brauche mich seiner nicht zu schämen. Ich bin Albin Richemonte, Kapitän der kaiserlichen Garde.“
Der Deutsche verbeugte sich höflich und sagte:
„Sie widerrufen also nicht, Herr Kapitän?“
„Nein, kein Wort, keine Silbe, keinen Laut!“ antwortete der Franzose stolz.
Er hatte bemerkt, daß Blücher der Unterhaltung aufmerksam folgte, trotzdem er sich den Anschein gab, als ob er gar nichts höre.
„Sie erklären also den Feldmarschall wirklich für einen Flegel und die Deutschen für Hunde, welche Prügel erhalten müssen?“ fragte Königsau weiter.
„Allerdings“, antwortete Richemonte mit frechem Lachen.
„So werden Sie mir gestatten, Ihnen meinen Sekundanten zu senden!“
„Ah, pah! Ich schlage mich mit keinem Deutschen!“ meinte der Andere verächtlich.
„Wirklich nicht? Das ist ebenso feig wie niederträchtig! Wenn Sie meinen, daß wir Deutschen Hiebe haben müssen, so haben umgekehrt doch gerade jetzt die Franzosen ganz fürchterliche Prügel empfangen. Da Sie dies aber nicht zu wissen oder wenigstens beherzigt zu haben scheinen, so sollen Sie hiermit noch nachträglich das empfangen, was nicht uns, sondern Ihnen gebührt!“
Er holte aus und versetzte dem Franzosen eine ganz gewaltige Ohrfeige, welcher so schnell eine zweite, dritte und noch mehrere folgten, daß der Geschlagene gar nicht Zeit fand, an eine Gegenwehr zu denken. Die anderen waren über die Schnelligkeit und Kraft, mit welcher die Schläge verabreicht wurden, so erstarrt, daß es ihnen gar nicht beikam, ein Glied zu rühren.
Endlich ließ Königsau von dem Franzosen ab. Erst jetzt kam dieser zur Besinnung des Ungeheuerlichen, was mit ihm geschehen war. Er fuhr mit der Hand nach seiner linken Seite, wo sich der Degengriff zu befinden pflegte; da er aber in Zivil war und keine Waffe trug, so zog er die Hand wieder zurück und warf sich auf den Deutschen mit den Worten:
„Hund, du hast mich nur überrascht! Jetzt aber gilt es dein Leben!“
Er holte aus, empfing aber in diesem Augenblick von Königsau einen so gewaltigen Faustschlag in das Gesicht, daß er zurück taumelte und niederstürzte.
Es waren noch mehrere Gäste da, meist Deutsche, welche hier verkehrten, weil sie so den Helden Blücher zu sehen bekamen. Auch ihnen war der blitzschnelle Angriff Königsaus überraschend gekommen; jetzt aber eilten sie hierbei, um ihm nötigenfalls beizustehen. Der Wirt jedoch kam ihnen zuvor. Er erkannte das gefährliche seiner Lage, die Deutschen waren Sieger; er durfte sie, welche jetzt in Paris die Oberhand hatten, nicht beleidigen lassen; daher nahm er mit seinen Leuten den Kapitän der alten Garde in die Mitte und drängte ihn aus dem Gastzimmer in das daneben liegende Privatzimmer hinaus, wo man den Gezüchtigten noch lange toben hörte.
Nach den erzählten Vorfällen stand endlich Blücher auf, trat zu Königsau heran, klopfte ihm auf die Achsel und sagte in höchst wohlwollendem Ton:
„Das hast du sehr gut und brav gemacht, mein Sohn! Wer keine Genugtuung geben will, der muß Keile kriegen, und die hat es gesetzt, ganz gewaltig. Ich hatte auch gehört, was diese Halunken sagten, und ich hätte ihnen, weiß Gott, ein Tüchtiges über den Schnabel gehauen, wenn du mir nicht zuvorgekommen wärest. Wie ist dein Name, mein Sohn?“
Der Lieutenant wunderte sich nicht über die kernige Redeweise des Marschalls; man war sie von ihm gewohnt; auch wußte man, daß er, wenn er sich in guter Stimmung befand, selbst hohe Stabsoffiziere mit ‚Du‘ anredet; es war dies eine ganz besondere Ehre für den Betreffenden. Er antwortete in militärisch strammer Haltung:
„Hugo von Königsau, Exzellenz.“
„Und du bist Offizier, mein Sohn?“
„Lieutenant bei den Ziethenhusaren, Exzellenz.“
„Lieutenant?“ brummte der Alte. „Ein Kerl, der so zuhauen kann, erst Lieutenant? Du sollst Rittmeister werden, mein Sohn. Komm morgen früh zu mir, da wollen wir die Sache in Ordnung bringen. Jetzt aber trinkst du ein Schüppchen Warmbier mit mir und ziehst deinen Gottfried geradeso aus wie ich; es ist verdammt warm in diesem Haus, wenn draußen die Sonne brennt und innen das Warmbier. Komm, Junge, und geniere dich nicht. Wir sind alle Menschen, und wegen dieser verdammten Franzmänner schmore ich mir nicht mein Fleisch von den Knochen herunter!“
Königsau mußte gehorchen. Er setzte sich zu dem Marschall an den Tisch, zog seinen Rock auch herunter und unterhielt sich nun hemdsärmelig mit ihm, als ob er einen Kameraden vor sich habe. Die Vertraulichkeit des Alten brachte ihn nicht im mindesten in Verlegenheit. Man kannte Blücher zur Genüge, und keiner seiner Offiziere ließ sich gegebenenfalls dadurch aus der Fassung bringen. Kam es doch häufig vor, daß der Alte mitten auf der Straße seine Pfeife an dem Stummel eines Landwehrmannes in Brand setzte und dann mit einem Fluch zu diesem sagte:
„Kerl, was rauchst du denn für ein Karnickel? Ich verstänkere mir doch meinen ganzen Tabak an deinen Lorbeerblättern! Wirft's denn nicht mehr ab, he?“
Als Hugo von Königsau am anderen Morgen vorgeschriebenermaßen zu Blücher kam, um sein Rittmeisterpatent in Empfang zu nehmen, sagte dieser:
„Höre, mein Sohn, das ist eine ganz verteufelte Geschichte. Da habe ich am zweiten April den Befehl über das schlesische Heer niedergelegt, und nun denken diese Federfuchser, ich hätte nichts mehr zu sagen. Ich habe dich empfohlen, aber es ist leider kein Rittmeister mehr offen. Aber ich werde an dich denken, und sobald die Gelegenheit vorhanden ist, sollst du sehen, daß ich Wort halte. Dort am Fenster steht der Pfeifenkasten und daneben der Tabak. Stopfe dir eine, mein Sohn. Bei einer Pfeife plaudert es sich besser, und ich habe jetzt gerade Zeit, was sonst nicht oft vorzukommen pflegt.“
Königsau fühlte sich von dieser Nachricht natürlich ein wenig enttäuscht, doch war ihm die Leutseligkeit des Marschalls ein fast genügender Ersatz für die nicht in Erfüllung gegangene Erwartung des versprochenen Avancements. Als er später entlassen wurde, hatte er nicht weit zu gehen, da er in derselben Straße wohnte; doch sollte er nicht so schnell als er dachte, in sein Logis kommen.
Eine junge Dame ging vor ihm her. Ihre Kleidung war diejenige der feineren Stände; sie mußte, soviel er von hinten bemerkte, von einer nicht gewöhnlichen Schönheit sein. Sein Auge haftete mit ungewöhnlichem Interesse an ihrer hohen, stolzen Gestalt, an der zierlichen Haltung ihres Kopfes und den kleinen Füßen, welche er bemerken konnte, da sie das Kleid leicht emporgerafft trug.
Da kamen zwei Kosakenoffiziere ihr entgegen. Sie sahen die Dame, nickten einander zu und blieben nun auf dem Trottoir in einer so breitspurigen Weise stehen, daß jene nicht vorübergehen konnte. Sie wollte sich trotzdem an ihnen vorbeidrängen, da aber ergriff sie der eine beim Arm und fragte in schlechtem Französisch:
„Fürchten Sie sich nicht, Mademoiselle, bei der gegenwärtigen fremden Bevölkerung so allein auf der Straße zu gehen? Wir werden Sie begleiten.“
Sie blickte ihn groß und erstaunt an und antwortete:
„Ich danke, Monsieur; ich bedarf Ihrer Begleitung nicht!“
Um ihn anzusehen, hatte sie sich zur Seite gedreht, und dadurch bekam Königsau ihr Profil zu sehen, ein Profil von so seltener Reinheit, so voll und doch so weich und zart, wie er noch niemals eines gesehen zu haben glaubte.
Der Russe ließ trotz der Ablehnung ihren Arm nicht los, sondern sagte lachend:
„Es ist möglich, daß Sie unserer Begleitung nicht bedürfen, aber in unserer Heimat ist es nicht Sitte, eine Dame auf der Straße ohne Schutz lassen. Sie werden so freundlich sein, uns Ihre Wohnung zu nennen, Mademoiselle.“
Da trat Königsau hinzu, ergriff die Hand, welche ihren Arm gefaßt hielt, und drückte die Finger derselben mit solcher Gewalt zusammen, daß der Russe die Dame fahren ließ. Trotz dieser Handgreiflichkeit verbeugte er sich sehr höflich und sagte:
„Verzeihung, meine Herren Kameraden, diese Dame bedarf Ihrer Begleitung wirklich nicht; sie ist meine Braut, ich blieb nur ein wenig zurück.“
Bei diesen Worten schlug eine jähe Röte über das wunderschöne Gesicht des Mädchens, aber es sagte kein Wort, ihn Lügen zu strafen. Der Russe fragte ihn:
„Sie nennen mich Kamerad. Sind Sie Offizier?“
„Ja.“
„Ihr Name?“
„Hugo von Königsau, von den Ziethenhusaren.“
„Ah, das ist eine wackere Truppe. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Braut und bitte um Verzeihung. Wir sahen Sie wohl auch, wußten aber nicht, daß Sie beide zueinander gehörten.“
Er hatte seine erste Frage mit zornig blitzenden Augen ausgesprochen, gab aber seine letzte Antwort bedeutend freundlicher. Er mochte erfahren haben, daß mit den Ziethenhusaren nicht sehr zu spaßen sei und schritt mit seinem Begleiter weiter, während Königsau den Arm der Dame sanft in den seinen zog und so mit ihr den Weg fortsetzte. Sie blickte ihn forschend von der Seite an; er tat, als ob er es nicht bemerke, obgleich er förmlich fühlte, daß ihr Auge auf ihm ruhte. Erst nach einer Weile sagte er:
„Mademoiselle, ich bin sehr kühn gewesen, und ich fühle, daß ich mich zu entschuldigen habe.“
Er schwieg. Vielleicht erwartete er, ein Wort aus ihrem Mund zu hören; da sie aber schwieg, so fuhr er fort:
„Ich kenne nämlich die Russen. Es war Graf Mertschakeff, der wegen seiner Roheiten mehr berüchtigt und gefürchtet, als berühmt ist. Ich war gewiß, daß er sich nicht zurückweisen lassen werde, und wagte daher, Sie meine Braut zu nennen, das einzige Mittel, Sie von ihm zu befreien. Werden Sie mir dies verzeihen können?“
Er blickte ihr jetzt zum ersten Mal in die Augen. Es waren dunkle Samtaugen, in denen sein Blick sich ein ganzes Leben lang hätte versenken mögen. Die Dame sah ihn offen und freundlich an und sagte:
„Ich verzeihe Ihnen und sage Ihnen herzlichen Dank, Monsieur!“
„Darf ich fragen, ob Sie noch weit zu gehen haben?“
„Einige Straßen weit.“
„Ich weiß, daß Sie wünschen werden, wieder allein zu sein; aber wenn ich denke, daß Sie leicht eine ähnliche Begegnung haben können, so halte ich es für meine Pflicht, Sie noch nicht zu verlassen. Befehlen Sie, was geschehen soll!“
Sie blickte forschend die Straße hinab, und da sie dort mehrere militärische Gruppen bemerkte, so antwortet sie zögernd:
„Ich darf Sie doch kaum belästigen; aber da unten gibt es wieder Russen. Wollen Sie erlauben, daß ich mich Ihnen anvertraue?“
„Wie gern, wie sehr gern, Mademoiselle!“
Sie fühlte, als er diese Worte sprach, einen unwillkürlichen freudigen Druck seines Armes. War sie hier etwa aus dem Regen in die Traufe gekommen? Sie blickte fast erschrocken zu ihm auf. Aber seine Stimme hatte so bescheiden geklungen, und sein offener Blick ruhte so mild auf ihrem Gesicht, daß sie sich beruhigte.
So schritten sie nebeneinander her durch mehrere Straßen, ohne den Versuch zu machen, ihre Unterhaltung fortzusetzen. Aber zwischen zwei jungen Herzen ist ein solches Schweigen beredter, als die bestgesetzte Rede. Die Bewegung des Gehens und besonders das Einbiegen aus einer Straße in die andere, brachte es mit sich, daß ihre Arme sich enger aneinander legten. In solchen Momenten fühlte er eine eigentümliche sympathische Wärme von ihr auf sich übergehen. Beide Blicke trafen sich unwillkürlich; sie errötete dann allemal leicht und senkte die langen Wimpern nieder, während es ihm war, als habe er sich aus der Tiefe ihres Auges ein süßes Eigentum herausgeholt. Und als sie endlich vor dem Portal eines Hauses stehen blieb, deuchte es ihm, als sei er nicht einige Minuten, sondern jahrelang an ihrer Seite gewesen.
„Hier wohne ich, mein Herr!“ sagte sie.
„So muß ich Sie verlassen!“
Sie hörte deutlich, daß ein Seufzer diese Worte emporgetragen hatte. Ihr großes dunkles Auge richtete sich mit einem so warmen, ehrlichen Blick auf ihn, daß er sie hätte an sein Herz ziehen mögen, und dabei fragte sie:
„Sie sagten, daß Sie bei den Ziethenhusaren stehen, Monsieur. So sind Sie ein Preuße?“
„Ja.“
„Wissen Sie, daß wir hier in Paris die Preußen hassen?“
„Daran tun Sie Unrecht, Mademoiselle. Man soll keinen Menschen hassen, ohne genau zu wissen, daß er den Haß auch wirklich verdient.“
„Sie wollen sagen, daß Sie unseren Haß nicht verdienen?“
„Wenigstens den Ihrigen möchte ich mir um keinen Preis verdienen. Ich bin als Soldat hier, weil es meine Pflicht war, meiner Fahne zu folgen, aber ich hasse keinen Franzosen um des Umstandes willen, daß er ein Franzose ist.“
„Ja, so sehen Sie mir aus, Monsieur, so gut und bieder. Darum will ich auch bei Ihnen die einzige Ausnahme von der Regel machen, welche ich einzuhalten pflege. Sie haben mich so freundlich beschützt; ich lade Sie ein, Mama und mich zu besuchen, falls Ihnen mein Wunsch, Sie Mama vorzustellen, nicht unangenehm ist.“
Sein Gesicht strahlte eine ehrliche, ungeschminkte Freude aus, die das Herz des schönen Mädchens gefangennahm. Er antwortete:
„Unangenehm? O nein, ich bin im Gegenteil von Herzen erfreut über diese Ausnahme und werde Ihrer Einladung folgen, wenn Sie mir die Stunde sagen wollen, in welcher ich Sie nicht störe.“
„So kommen Sie um drei Uhr, Monsieur. Haben Sie um diese Zeit Dienst?“
„Nein. Ich werde sicher kommen.“
„Hier ist meine Karte!“
Sie zog ein kleines, zierliches Kärtchen hervor, auf welche er jetzt seinen Blick noch nicht zu werfen wagte, dann nickte sie ihm vertraulich zu, wie einem alten, lieben Bekannten, ehe sie in der Tiefe des Hausflurs verschwand.
Fast hätte der Glückliche die Karte an seine Lippen gedrückt. Er hatte bereits die Hand erhoben, es zu tun, dachte aber noch zur rechten Zeit daran, daß er sich in einer sehr belebten Straße befinde, wo man seine Begeisterung belächeln werde.
Erst als er eine bedeutende Strecke zurückgelegt hatte, las er den Namen, welcher auf der Karte stand. In feinen, dünnen Zügen stand da gedruckt ‚Margot Richemonte, Rue d'Ange 10‘. Fast hätte er den Schritt angehalten.
„Margot Richemonte?“ fragte er sich. „Hieß nicht der Gardekapitän auch Richemonte, welcher gestern die Ohrfeigen von mir erhielt? Ist er vielleicht mit ihr verwandt? Ah, pah! Wie viele Namen sind gleichlautend. Wer wird gleich an so etwas denken!“
In seiner Wohnung angelangt, nahm er ein Buch zur Hand und setzte sich auf das Sofa. Aber eigentümlich! Das Lesen wollte nicht vonstatten gehen. Er hörte immer den eigentümlichen ernsten Klang ihrer Stimme, und wenn er sich Mühe gab, seine Aufmerksamkeit auf die Lektüre zu konzentrieren, so zogen sich die Buchstaben zusammen und bildeten ein Gesicht, so schön, so rein und mädchenhaft, gerade wie Margot es gehabt hatte.
Er legte das Buch fort, stand auf und wanderte im Zimmer hin und her.
„Ich glaube, dieses Mädchen hat es mir angetan“, sagte er. „Eine Französin! Sind die Französinnen mir nicht als leicht, flüchtig, untreu geschildert worden? Und nun finde ich ein solches Gesicht, ein Gesicht, auf welches man Häuser bauen könnte! Ich werde keinem Menschen davon erzählen, denn ich würde ausgelacht. Die Französinnen sind Champagner, Esprit, Mousseux; sie sind nur zum Vergnügen da. Ein Deutscher macht andere Ansprüche!“
Aber trotz dieser Gedanken konnte er das Gesicht und den Ton dieser Stimme nicht loswerden. Er frühstückte, aber ohne Gedanken, fast ohne zu wissen, was er aß. Er konnte die drei Uhr gar nicht erwarten; er wollte sich dies zwar nicht eingestehen, aber als er in der Rue d'Ange vor der betreffenden Tür stand und nach der Uhr blickte, da bemerkte er, daß er über eine Viertelstunde zu früh gekommen sei. Er mußte einstweilen weiter gehen, um diese Frist noch verstreichen zu lassen.
Aber mit dem Glockenschlag erreichte er die Nummer zehn. Er fand, daß die erste Etage des Hauses in zwei Wohnungen geteilt sei. Sein erster Blick fiel auf die Tür rechts. Da las er das Schild ‚Veuve Richemonte‘. Das war jedenfalls Margots Mutter. Also Witwe war dieselbe? So besaß Margot keinen Vater mehr? Dies war vielleicht eine Erklärung für den Ernst, welcher ihr ganzes sonst so liebliches Wesen umfloß.
Er klingelte. Ein Mädchen erschien. Er nannte seinen Namen und wurde eingelassen.
Das Mädchen öffnete ihm die Tür eines Salons, dessen Ameublement zwar sehr anständig aber nicht herrschaftlich reich zu nennen war. Auf einer Chaiselongue ruhte eine Dame, in welcher er sofort Margots Mutter vermutete. Sie war einfach schwarz gekleidet. Ihr Haar war voll, schimmerte aber bereits in das Grau hinüber. Die Züge dieser Dame waren sanft und trugen jenen passiven Zug, welcher auf eine Verstimmung des Gemütes, auf ein stilles, verschwiegenes Leiden schließen läßt. Ihr dunkles Auge ruhte forschend auf dem Eintretenden. Sie erhob sich bei seiner respektvollen Verneigung ein wenig aus ihrer liegenden Stellung und sagte:
„Seien Sie mir willkommen, Monsieur! Sie müssen verzeihen, daß meine Tochter noch nicht zugegegen ist, um Sie zu empfangen, aber ich habe es vorgezogen, Ihnen zunächst eine aufrichtige Bemerkung zu machen. Nehmen Sie Platz!“
Er setzte sich, während ihr Auge noch immer auf ihm ruhte, als ob sie ihm bis in die Tiefe seiner Seele blicken wolle. Welch ungewöhnlicher Empfang war dies? fragte er sich. Was hatte sie ihm zu sagen, bevor sie ihrer Tochter den Eintritt gestattete? Er sollte es gleich hören, denn die Dame begann:
„Sie haben sich meines Kindes angenommen, und mein Mutterherz ist Ihnen natürlich dankbar dafür. Margot hat gewünscht, daß ich Sie kennenlernen sollte, aber ich weiß nicht, ob Sie sich vielleicht enttäuscht fühlen werden. Sie sind natürlich gewohnt, sich die Pariser Welt als heiter, gern genießend und leichtlebig zu denken. Sie mögen bis zu einem gewissen Punkt recht haben. Sie sind Offizier. Diese Herren machen gern die Bekanntschaft junger Damen. Es ist dies eine Art von Sport für sie; sie wollen sich unterhalten; sie wollen tändeln; sie wollen sich ihrer Eroberungen rühmen. Ich habe diesen Sport nie gutheißen können; ich habe Margot diesen Kreisen stets ferngehalten. Ich liebe mein Kind; es ist so gut, und es soll nicht unglücklich werden. Das ist der heißeste Wunsch meines Herzens –“
Sie hielt inne, wie um zu überlegen, ob sie nicht zu viel gesagt habe, ob sie nichts Beleidigendes ausgesprochen habe. Es dünkte ihm, als hätte sie sagen wollen:
„Ich liebe mein Kind, und es soll nicht unglücklich werden; nicht so unglücklich, wie seine Mutter ist.“
Sie fuhr fort:
„Ich habe Margots Wunsch erfüllt. Sie hat die Einladung ausgesprochen, und es wäre eine Beleidigung für Sie gewesen, wenn ich dieselbe desavouiert hätte. Ich hätte dies auch gar nicht vermocht, da wir Ihre Wohnung nicht kennen. Sollten Sie mit der Erwartung gekommen sein, hier ein Amüsement zu finden, so wird diese Erwartung wohl schwerlich erfüllt werden, Monsieur. Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte, und ich hoffe, daß Sie sich nicht davon beleidigt fühlen.“
„Beleidigt?“ fragte er. „Sie haben die vollste Berechtigung, so zu sprechen, Madame. Sie bedienen sich eines ganz bezeichnenden Ausdruckes, indem Sie von jenem Sport sprechen. Die Offiziere aller Länder sind sich in dieser Beziehung gleich. Ich hasse, ich verachte diesen Sport gleich Ihnen. Ich sehe in dem Menschen nicht ein Geschöpf, welches nur die Aufgabe hat, mich zu erheitern, mir die Zeit zu verkürzen. Ich bin gewohnt, das Leben von der ernsten Seite zu nehmen, und es freut mich, in Ihnen eine gleichgesinnte Natur zu entdecken. Gerade die gegenwärtige Zeit ist eine ernste, und ich habe wirklich nicht die Absicht, eine Minute von ihr zu vertändeln. Ich habe Fräulein Margot einen kleinen Dienst erwiesen, wie ich ihn jeder Dame erweisen würde; das ist nur Pflicht, das begründet keinen Anspruch auf Ihre besondere Dankbarkeit. Desto mehr bin ich erfreut gewesen über die Erlaubnis, mich Ihnen vorstellen zu dürfen. Beunruhigt Sie jedoch meine Gegenwart, so bin ich bereit, Sie sofort zu verlassen.“
Er erhob sich von seinem Sitz. In ihrem Auge glänzt etwas wie ein stilles, zufriedenes Lächeln. Sie winkte ihm mit der Hand zu, sitzen zu bleiben und sagte:
„Ich möchte annehmen, daß Margot sich nicht geirrt hat, ich finde Sie so, wie Sie von ihr geschildert worden sind. Bleiben Sie, Monsieur, und versuchen Sie, der Unterhaltung zweier einsamer Damen einigen Geschmack abzugewinnen! Besitzen Sie auch eine Mutter?“
„Leider nicht mehr, Madame. Meine Eltern sind tot.“
„Das ist ein schwerer Verlust. Aber vielleicht haben Sie Geschwister?“
„Auch nicht. Ich stehe allein in der Welt. Ich lebe meiner Pflicht und in den Mußestunden meinen Büchern, die meine aufrichtigsten Freunde sind.“
In dieser Weise wurde die Unterhaltung noch ein Weilchen fortgesetzt, bis Margot eintrat. Sie trug ein einfaches Hauskleid und sah in demselben so reizend hausmütterlich, so wirtschaftlich aus, daß ihm das Herz weit wurde. Als sie ihm die Hand reichte, breitete sich ein leises Rot über ihre Wangen aus. Er sah, daß er ihr nicht unwillkommen sei, und war ganz glücklich darüber.
Auch die Mutter wurde später heiterer. Sie schien Vertrauen zu dem Deutschen zu fassen, und als er sich verabschiedete, erlaubte sie ihm, morgen um dieselbe Zeit wiederzukommen.
Er ging, ganz erfüllt von dem Eindruck, den das schöne Mädchen auf ihn gemacht hatte. Noch glücklicher wäre er gewesen, wenn er gehört hätte, was nach seinem Fortgang über ihn gesprochen wurde.
„Dieser junge Mann ist wirklich anders, als die Leute seines Alters und die Herren seines Standes“, sagte Frau Richemonte. „An ihm könnte Albin sich ein Beispiel nehmen. Wo er nur wieder bleibt? Er hat sich seit zwei Tagen nicht sehen lassen.“
„Vielleicht kommt er jetzt“, sagte Margot.
Es hatte geklingelt. Die beiden Damen zeigten keineswegs jene freudige, erwartungsvolle Miene, welche das Nahen einer gern gesehenen Person verkündet.
„Monsieur le Baron de Reillac!“ rief das Mädchen zur Tür herein.
Und nach diesem Ruf erschien auch sogleich der Genannte im Zimmer. Er war ein langer, sehr hagerer Mann. Er mochte vielleicht fünfundvierzig Jahre zählen, trug sich aber trotzdem ganz wie ein junger, lebenslustiger Elegant gekleidet. Man hätte ihn nicht häßlich nennen können, aber er hatte doch, alles in allem, etwas an sich, was bereits beim ersten Blicke verhinderte, Sympathie für ihn zu fühlen.
Er verbeugte sich auf eine höchst stutzermäßige Manier, tänzelte erst zur Mutter und dann zur Tochter, um ihnen die Hand zu küssen, und fragte dann, sich niedersetzend:
„Ich habe drüben geklingelt, aber keine Antwort erhalten, Monsieur Albin befindet sich wohl nicht zu Hause?“
„Ich habe ihn seit gestern nicht gesehen“, antwortete Frau Richemonte. Und mit einem trüben, vorwurfsvollen Blicke fügte sie hinzu: „Ich darf wohl annehmen, daß er sich in Ihrer Gesellschaft befunden hat?“
„Allerdings“, antwortete der Gefragte. „Wir waren am Tag ausgefahren und abends im Club, wo man vieles und ausführliches zu besprechen hatte. Man hält das Exil des Kaisers nicht für ein ewiges. Man fragte bereits, wie man sich zu verhalten haben wird, wenn er zurückkehrt, um seine Rechte geltend zu machen –“
„Um Gottes willen, welche Unvorsichtigkeit!“ rief die Witwe. „Noch sind die Sieger in unseren Mauern, und Sie fangen bereits zu konspirieren an!“
„Keine Sorge!“ lachte der Baron. „Man ist vorsichtig! Man ist klug; wenigstens in dieser Beziehung. In anderer freilich ist man desto unkluger. Werden Sie dies glauben, Madame?“
Es lag ein Nachdruck in seinem Ton, der sie schnell aufblicken ließ.
„Ich weiß nicht, was Sie meinen!“ sagte sie.
„Oh“, sagte er, süßlich lächelnd, „ich meine nur, daß ich in Beziehung auf Politik meinen Mann stelle, in geschäftlicher Hinsicht aber viel zu nachsichtig bin.“
Frau Richemonte hustete leise in das Taschentuch und meinte: „Sind Sie vielleicht gekommen, um über Geschäfte mit mir zu sprechen, Herr Baron?“
Er räusperte sich, wie sich das Raubtier die Krallen wetzt, ehe er sich auf seine Beute wirft, und antwortete dann:
„Eigentlich nicht. Ich wollte Monsieur Albin sprechen. Er gab mir gestern abend sein Ehrenwort, heute zu Hause zu sein.“
„Sein Ehrenwort?“ fragte die Dame. „Das ist doch ganz unmöglich!“
„Warum unmöglich, Madame? Zweifeln Sie vielleicht an meiner Wahrheitsliebe?“
„Dies will ich nicht sagen. Aber wenn Albin Ihnen sein Ehrenwort gibt, wird er es auch halten. Er ist Offizier.“
Der Baron zuckte die Achseln.
„Offizier? Ja. Sogar Kapitän der Garde! Aber pah! Man kann trotzdem sein Ehrenwort brechen. Gibt es doch Kapitäne der Garde, welche sich ungestraft ohrfeigen lassen!“
Die Dame erbleichte.
„Was meinen Sie?“ fragte sie. „Sie wollen doch nicht sagen, daß mein Stiefsohn –“
Sie hielt inne. Es wurde ihr zur Unmöglichkeit, das Wort auszusprechen; der Baron jedoch tat es an ihrer Stelle:
„Daß Ihr Stiefsohn geohrfeigt worden ist? Ja, gerade dies will ich sagen.“
Da sprang die Frau von der Chaiselongue auf und rief:
„Sie lügen, Baron!“
Auch Margot hatte ihren Sitz verlassen; sie war an die Seite der Mutter getreten, wie um ihr beizustehen gegen alle Angriffe des Ärgers und der Betrübnis.
„Ich lüge?“ fragte der Baron. „Monsieur Albin hat es mir selbst erzählt, und auch im Club wurde leise davon gesprochen. Es sind drei Herren dabeigewesen, mit denen er am Spieltisch gesessen hat. Er hat die Deutschen Hunde genannt und den Feldmarschall Blücher, welcher zugegen gewesen ist, einen Flegel. Dafür hat er von einem deutschen Offizier, dessen Forderung er ausschlug, einige Dutzend Ohrfeigen erhalten.“
„Mein Gott, welche Schmach!“ rief Frau Richemonte, auf ihren Sitz zurücksinkend.
Aber es lag in ihrem Ausruf nicht der Aufschrei eines zerrissenen Mutterherzens; es klang wie Verachtung, die tiefste, unheilbarste Verachtung.
„Wenn solche Dinge geschehen, so werden Sie auch die Möglichkeit zugeben, daß er sein Ehrenwort bricht, Madame“, fuhr der Baron fort. „Er hat mir versprochen, am Nachmittag zu Hause zu sein.“
„Ah, so handelt es sich auch hier um eine Ehrensache?“
„Natürlich! Man arrangierte im Club ein kleines Spielchen, an welchem sich auch Monsieur Albin beteiligte. Er hatte Unglück, ich schoß ihm fünftausend Franken vor, die er mir heute drei Uhr nachmittag in seiner Wohnung zurückzugeben versprach. Ich komme um fünf Uhr, und dennoch ist er nicht hier.“
„Mein Gott, auch das noch!“ klagte die Dame. „So wächst seine Schuld ja doch in das Riesenhafte!“
Der Baron nickte mit dem Kopf und antwortete:
„Sie haben Recht, meine Gnädigste! Haben Sie eine Ahnung, wieviel er mir bereits gegen Wechsel schuldet?“
„Wie sollte ich das wissen?“
„Über zweimal hunderttausend Franken.“
„Zweimal hund –!“
Das Wort blieb ihr auf der Zunge liegen. Margot war schreckensbleich geworden. Der Baron beobachtete die beiden mit einem versteckten, siegesgewissen Lächeln.
„Aber das ist ja die reine Unmöglichkeit. Das ist ganz unglaublich!“
Bei diesen Worten der Dame zuckte der Baron die Achseln und antwortete:
„Unglaublich? Warum? Monsieur Albin hat sehr noble Passionen. Er spielt hoch; verehrt dieser oder jener Tänzerin ein Geschmeide im Werte von zehntausend Franken. Vermögen hat er nicht mehr. Gehalt erhält er nicht, da der Kaiser gefangen ist. Wie bald ist da ein solches Sümmchen emporgelaufen!“
„So mag er sehen, wie er es wieder herunterbringt!“ sagte Madame entschlossen. „Er ist mein Stiefsohn, und doch habe ich mich bereits für ihn aufgeopfert. Nun bin ich selbst arm. Er mag sehen, wer ihm hilft. Ihnen aber, Baron, schulde ich keinen Dank, daß Sie ihn in seiner wahnsinnigen Verschwendung unterstützten. Hätten Sie ihm nichts gegeben, so hätte er sparsamer leben müssen!“
Da glühte das Auge des Angeredeten in einem eigentümlichen Licht. Es waren Stolz, Schadenfreude, Gier und Siegesgewißheit, welche daraus sprachen. Er antwortete:
„Sie irren, Madame; ein anderer hätte ihn ebenso unterstützt. Übrigens ist er der Sohn Ihres seligen Herrn Gemahls, der mein Freund war. Soll ich ihn nicht unterstützen, da ich doch auch nachsichtig gegen Sie, die Witwe dieses Freundes, bin?“
„Nachsichtig mit mir? Wann wären Sie dies jemals gewesen!“ rief sie voller Bitterkeit. „Ich ließ mich kurz vor dem Tod meines Mannes verleiten, seine Akzepte auch mit meinem Namen zu versehen. Was verstand ich als Dame von solchen Papieren! Ich unterzeichnete sogar Formulare, welche später erst ausgefüllt wurden. Als mein Mann tot war, präsentierten Sie mir alle diese Dokumente. Sie waren nach Sicht zu bezahlen. Ich mußte alles verkaufen, was ich besaß, um sie einlösen zu können und nicht in das Schuldgefängnis zu wandern. Nennen Sie dies Nachsicht?“
„Ich spreche nicht hiervon, Madame; ich spreche von den drei Akzepten, welche ich noch jetzt von Ihnen in den Händen habe.“
Sie blickte ihn groß an, aber er hielt diesen Blick aus.
„Noch drei Akzepte? Von mir?“ fragte sie. „Sie irren oder erlauben sich einen Scherz, der hier wahrhaftig nicht am rechten Platz ist!“
„An einen Scherz ist nicht zu denken“, sagte er. „Sie sprechen von Blanketts, welche später ausgefüllt worden sind. Nun wohl, es waren noch drei solche Blanketts vorhanden, als Ihr Herr Gemahl starb. Monsieur Albin hat sie ausgefüllt und den Betrag von mir erhalten. Die Wechsel lauten auf Sicht; ich habe sie Ihnen noch nicht präsentiert; darf ich da nicht von Nachsicht sprechen?“
Frau Richemonte fuhr abermals in die Höhe, jetzt vor Schreck.
„Sie sagen die Wahrheit?“ fragte sie.
„Die volle Wahrheit!“
„Albin hat den Betrag erhalten?“
„Ja.“
„Wieviel?“
„In Summa hundertundfünfzigtausend Franken!“
„Hundertundfünfzigtausend Franken! O mein Gott!“ rief sie, die Hände vor das Gesicht schlagend. „Und ich besitze nur noch eine Rente von zweitausend Franken!“
„Ich werde darauf Beschlag legen müssen, Madame.“
Das hatte sie nicht erwartet. Sie starrte ihn mit großen Augen an und sagte:
„So werde ich dann verhungern müssen!“
„Nein“, antwortete er, gleichgültig die Achseln zuckend. „Nicht verhungern, sondern nur arbeiten werden Sie müssen!“
„Arbeiten, das tun wir ja jetzt bereits. Oder glauben Sie, daß man von zweitausend Franken jährlich leben kann? Wir arbeiten insgeheim für ein Stickereigeschäft. Heute vormittag hat Margot wieder das Fertige abgeliefert und sich dabei den frechen Insulten einer rohen Soldateska ausgesetzt.“
„Das darf ich nicht beachten, Madame. Ihr Sohn schuldet mir eine ungeheure Summe auf Wechsel, dazu eine Spielschuld von fünftausend Franken auf Ehrenwort; er hat kein Geld. Von Ihnen besitze ich Wechsel im Betrage von hundertundfünfzigtausend Franken. Ich präsentiere sie Ihnen hiermit. Wollen Sie die Dokumente einlösen?“
Die Witwe schlug die Hände zusammen und rief:
„Aber sehen Sie denn nicht ein, daß mir dies ganz unmöglich ist! Wer hat Ihnen erlaubt, meinem Stiefsohn gegen meine Unterschrift eine solche Summe auszuhändigen?“
„Eben Ihre Unterschrift hat es mir erlaubt, Madame“, lächelte er überlegen. „Übrigens irren Sie sich ganz und gar, wenn Sie behaupten, daß es Ihnen unmöglich ist, diese Summe zu decken.“
„Mein Gott, womit soll ich es können?“
„Mit einem einzigen Wort.“
„Mit welchem?“
„Mit dem kleinen Wörtchen ‚Ja‘.“
Sie verstand ihn nicht; sie blickte ihn fragend an. Er aber setzte sich in Positur, ließ seine Augen lüstern über die schöne Gestalt Margots gleiten und sagte:
„Sie kennen meine Person und meine Verhältnisse, Madame. Ich bin Armeelieferant des großen Kaisers gewesen und habe mir Millionen verdient. Ich kann einer Frau eine glänzende Existenz bieten. Ich habe Ihnen bereits, als Ihr Herr Gemahl noch lebte, gesagt, daß ich Mademoiselle Margot liebe. Ich wurde damals abgewiesen; es hieß, Mademoiselle könne mich nicht lieben. Sie befanden sich damals in besseren Verhältnissen. Jetzt werden Sie einsehen, daß eine Heirat aus Liebe eine Dummheit ist. Ich wiederhole heute meinen damaligen Antrag. Sobald ich mit Mademoiselle vom Altar zurückkehre, zerreiße ich die Wechsel Ihres Stiefsohnes und auch die Ihrigen. Sagen Sie nein, so wandern Sie in das Schuldgefängnis.“
Er hatte sich bei den letzen Worten erhoben, griff nach seinem Hut und fuhr dann fort:
„Sie sehen, daß ich aufrichtig bin. Nennen Sie mich hartherzig und grausam; mir ist dies gleichgültig. Ich liebe Margot; sie wird meine Frau werden, oder Sie müssen untergehen. Ich gebe Ihnen eine volle Woche Zeit. Heute über acht Tage werde ich mir Ihre Antwort holen. Überlegen Sie sich reiflich, was Sie tun werden. Adieu!“
Er ging und ließ die beiden Damen in einer großen Aufregung zurück.
Madame Richemonte lag auf ihrer Chaiselongue und weinte. Margot hatte sich bei ihr niedergelassen und zog wortlos den Kopf der Mutter an ihr Herz. Das Mädchen hatte bisher kein Wort gesagt. Ihr Gesicht zeigte keine Spur von Betrübnis, wohl aber lag auf demselben ein Zug finsteren Hasses, fast möchte man sagen, der Rache, den ihre Mutter freilich nicht bemerkte, da sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.
„Hundertundfünfzigtausend Franken!“ jammerte die Frau. „Hast du es gehört, Margot?“
„Ja.“
„Und ich war ihm nichts schuldig! Er ist ein Verführer, ein Betrüger!“
„Er ist ein Teufel, Mama. Er hat ganz und gar berechnend gehandelt.“
„Wieso?“
„Er hat mich zwingen wollen, ihn zu heiraten.“
„Mein Gott. Wirklich?“
„Ja. Zunächst hat er Papa in Schulden verstrickt und ihn und Albin zum Spielen verführt. Sodann hat er dich zur Ausstellung der Blanketts gebracht. Jetzt sind wir verloren, wenn ich ihm nicht mein Jawort gebe.“
„Du wirst es ihm nicht geben! Nein, niemals, Kind!“
„O doch!“ sagte das Mädchen, scheinbar ruhig.
„Doch? Du willst?“ fragte die Mutter ganz erschrocken.
„Ja, ich will!“
„Aber du wirst unglücklich, Margot!“
„Nein!“
Sie sagte dieses Wort in einem so bestimmten Ton, daß ihre Mutter aufmerksam wurde, sie ganz erstaunt anblickte und dann fragte:
„Nein? Das begreife ich nicht! Kind, liebst du ihn etwa gar?“
Margot schüttelte überlegen den Kopf und antwortete:
„Ich hasse ihn; ich verabscheue ihn, und darum werde ich ihn heiraten, Mama.“
„Ihn heiraten, weil du ihn hassest? Du sprichst in Rätseln!“
„Oh, begreifst du nicht, welche Süßigkeit in der Rache liegt?“
„Ah!“ rief die Mutter, der das Verständnis aufzugehen schien.
„Ja, er ist der Dämon unserer Familie, unseres Hauses gewesen. Er ist schuld an unserer Verarmung und an dem Tod des Vaters. Ich willige ein, sein Weib zu werden, um uns alle an ihm rächen zu können. Er liebt mich zum Rasendwerden. Ich habe seine glühenden, begehrlichen Blicke monatelang beobachtet, ohne zu tun, als ob ich sie bemerkte. Ich werde sein Weib, er muß die Wechsel zerreißen, aber er wird mich niemals berühren dürfen. Er soll verschmachten vor Verlangen nach mir. Ich bin schön. Ich werde mich für ihn schmücken, um ihn liebeswahnsinnig zu machen. Er soll vor mir im Staub kriechen wie ein Wurm; er soll um ein Wort, um einen Blick betteln und doch nicht erhalten, was er begehrt. Er soll Tantalusqualen erleiden, und ich werde glücklich sein, je unglücklicher ich ihn sehe.“
Sie sprach im Gefühl des Augenblicks. Sie bedachte nicht, daß ihr Glück, von dem sie sprach, ein fürchterliches sein werde. Sie wollte sich opfern, opfern für die Mutter und für die gerechte Sache. Sie glaubte, stets so Herr ihres Herzens zu sein, wie jetzt, und ahnte nicht, welch ein Unglück es für sei sein werde, an einen solchen Mann gekettet zu sein und doch die Liebe zu einem andern im Herzen zu tragen. –
Als Lieutenant von Königsau die beiden Damen verlassen hatte, war er, zunächst nur an Margot denkend, durch einige Straßen geschlendert und dann in ein Kaffeehaus getreten. Dasselbe gehörte zu jenen Boulevardkaffeehäusern, welche einen Vorplatz haben, wo diejenigen Gäste sitzen können, welche es vorziehen, ihren Kaffee oder Absinth im Freien zu trinken, und dabei mit Bequemlichkeit das Leben und Treiben der Straße beobachten.
Er trat in das Zimmer und nahm an einem der Fenster Platz. Hier hatte er noch nicht lange gesessen, so sah er einen Mann herankommen, dessen Anblick ihn veranlaßte, sich etwas vom Fenster zurückzuziehen. Es war der Gardekapitän Richemonte.
Dieser blieb draußen auf dem Vorplatz, wo er sich gerade vor das Fenster setzte, hinter welchem Königsau seinen Sitz hatte. Nach einer ziemlichen Weile kam ein zweiter, welcher sich neben dem Kapitän niederließ. Der Deutsche kannte ihn nicht; es war der Baron de Reillac, der soeben von dem Heiratsantrag kam, welchen er Margot gemacht hatte. Es war ein eigentümlicher Zufall, daß Königsau gerade dieses Kaffeehaus gewählt hatte. Die beiden ahnten nicht, daß drinnen ganz in der Nähe des Fensters einer saß, der jedes Wort ihres Gesprächs hören konnte.
„Eingetroffen!“ sagte der Baron.
„Endlich!“ meinte der Kapitän. „Ich warte bereits längere Zeit. Welchen Erfolg hat die Attacke gehabt, lieber Baron?“
„Bis jetzt gar keinen.“
„Wieso?“
„Ich habe Ihren Damen eine Woche Zeit gegeben.“
„Eine Woche? Verdammt! Warum? Woher nehme ich in dieser Zeit Geld?“
„Von mir.“
„Ah, das klingt befriedigend. Ich brauche einige tausend Franken. Was sagte die gute Stiefmama zu Ihrer Eröffnung?“
„Das, was alle Frauen bei solchen Gelegenheiten sagen; sie glaubte es zunächst nicht; dann jammerte sie, schlug die Hände zusammen und weinte. Ich kann das verfluchte Weinen nicht ausstehen und habe mich daher so kurz wie möglich gefaßt.“
„Und Margot?“
„Die? Ah, da muß ich mich zuvor besinnen! Ja, ich glaube, sie hat kein einziges Wort gesagt.“
„Glauben Sie, daß Sie die Einwilligung erhalten?“
„Jedenfalls!“
„Und wenn nicht?“
„So spazieren Sie in das Schuldgefängnis.“
„Alle Teufel, Sie scherzen, Baron! Einen Freund schickt man nicht an einen solchen Ort.“
Der Baron zuckte höchst gleichmütig die Achseln und antwortete:
„Freund? Pah! Egoist waren Sie, aber nicht Freund. Ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß ich Ihnen nur Ihrer Schwester wegen ausgeholfen habe. Wird sie meine Frau, so quittiere ich Ihre Schuld und zahle Ihnen noch fünftausend Franken. Die Wechsel Ihrer Mutter, auf hundertundfünfzigtausend Franken lautend, werden auch zerrissen. Demnach bezahle ich das Jawort mit viermal hunderttausend Franken. Wer ist nun der Freund? Sind Sie der meinige oder bin ich der Ihrige?“
„Ich hoffe, daß Sie Ihren Zweck erreichen werden, Baron.“
„Wenn ich ihn nicht erreiche, sind Sie schuld.“
„Ich? Inwiefern?“
„Gehen Sie zu den Damen und machen Sie ihnen die Hölle heiß! Geben Sie sich ja Mühe, denn ich würde im Falle des Nichtgelingens keine Nachsicht mit Ihnen haben.“
„Fast möchte ich Ihnen dies zutrauen!“
„Ich ersuche Sie, davon überzeugt zu sein! Sie haben mir den Mund wässerig gemacht und infolgedessen auf meine Kosten gelebt wie ein Nabob. Warum sollte es mir auf einige tausend Franken ankommen, wenn es sich darum handelt, Ihnen zu zeigen, wie es einem armen Teufel im Schuldgefängnis zumute ist. Übrigens rate ich Ihnen, einen Panzer anzulegen, bevor Sie Ihre liebenswürdigen Damen besuchen.“
„Warum?“
„Sie wissen Ihre Spielschuld.“
„Alle Teufel! Wer hat ihnen davon gesagt?“
„Ich.“
„Sie? Sind Sie bei Sinnen? Wozu brauchen meine Mutter und die Schwester zu wissen, wie hoch ich spiele und was ich verliere?“
„Sie werden dadurch gefügiger. Übrigens kennen sie auch Ihr Renkontre mit dem deutschen Offizier.“
„Auch das? Wer hat hiervon zu ihnen gesprochen?“
„Auch ich, Kapitän.“
„Mensch!“ brauste der Kapitän auf. „Und das sagen Sie mir so ruhig!“
„Ja, gerade so ruhig, wie ich Ihnen mein Geld gebe. Ich will die Genugtuung haben, von Ihnen reden zu können. Margot soll wissen, daß sie mir kein Opfer bringt, wenn ich mir die Schwester eines ruinierten Offiziers zur Frau nehme.“
Es blieb eine Zeitlang ruhig. Königsau hatte gedacht, daß der Kapitän jetzt voller Wut losschmettern werde; dem war aber nicht so. Er befand sich in den Händen des baronisierten Armeelieferanten; darum gab er sich Mühe, seinen Zorn zu beherrschen und antwortete:
„Glauben Sie etwa, daß ich mich vor diesem Deutschen fürchte?“
„Ja, das glaube ich“, antwortete der Gefragte kalt.
„Warum?“
„Weil Sie seine Forderung zurückwiesen.“
„Pah! Ich werde mich noch mit ihm schlagen.“
„Das glaube ich nicht.“
„Warum nicht?“
„Diese Deutschen sollen im Punkt der Ehre außerordentlich heikel sein. Ich glaube nicht, daß dieser Husarenlieutenant – wie hieß er gleich?“
„Von Königsau.“
„Gut! Also ich glaube nicht, daß sich dieser Königsau noch mit einem schlagen wird, den er vorher geprügelt hat. Sie haben eine ganz alberne Dummheit damals begangen.“
„Ich wollte mich nicht mit ihm schlagen, weil ich diese Deutschen hasse. Ich halte keinen von ihnen für wert, seinen Degen mit dem eines Franzosen zu kreuzen.“
„Aber so ein Deutscher hält Sie nicht für unwert, Ohrfeigen zu erhalten. Gehen Sie, Kapitän! Ob Sie nach einem solchen Vorkommnis fortdienen können, ist sehr fraglich. Doch regen wir uns nicht auf. Vielleicht brauchen Sie Geld?“
„Einige tausend Franken.“
„Gut! Sagen wir dreitausend. Kommen Sie jetzt mit zu mir; ich will sie Ihnen geben. Heute abend legen wir wieder eine kleine Bank, und über eine Woche bin ich Ihr Schwager, der Ihnen die ganze Schuld quittiert.“
Sie entfernten sich.
Königsau hatte mit größter Aufmerksamkeit gelauscht, um keines ihrer Worte zu verlieren. Es lag alles klar vor ihm. Dieser sogenannte Baron spekulierte auf die Hand Margots, welche leider die Schwester des geprügelten Kapitäns war. Frau Richemonte schuldete dem Baron eine Summe von hundertundfünfzigtausend Franken auf Wechsel. Mit dieser Summe und den Schulden ihres Bruders wollte er die Braut erkaufen.
„Warum bin ich arm!“ sagte sich Königsau. „Fünfundvierzigtausend Taler ist alles, was ich besitze, und auch die kann ich nur aus dem Verkauf meines Gutes erhalten. Wäre ich reicher, so bezahlte ich alles, und Margot wäre mit der Mutter frei.“
Er ging nach Hause. Er mußte immer an Margot denken und an die hundertundfünfzigtausend Franken, und noch in der Nacht, als er endlich Ruhe gefunden hatte, träumte ihm von einem riesigen Schuldturm, in dessen dunklem Kerker Margot schmachtete.
Es ist eigentümlich, welches Interesse der Mensch an einer Person nimmt, von welcher er recht lebhaft geträumt hat. War sie ihm vorher gleichgültig, so gewinnt sie plötzlich ein erhöhtes Interesse. Besaß sie es jedoch bereits, so verdoppelt und vervielfacht sich die Teilnahme, und es kann auf diese Weise sehr leicht eine Liebe entstehen, die man sonst für unwahrscheinlich gehalten hätte.
So war es auch mit Königsau. Als er erwachte, war er zunächst froh, von der Angst erlöst zu sein, welche er um das schöne Mädchen empfunden hatte. Aus dieser Angst aber war ihr Bild viel lichter und bezaubernder hervorgewachsen, und er fühlt eine solche Sehnsucht nach ihr, daß er den Nachmittag kaum erwarten konnte.
Endlich kam die dritte Stunde, und er machte sich auf den Weg. Als er in den Salon eintrat, kam ihm Margot entgegen und bat um Entschuldigung, daß ihre Mutter heute nicht zu sprechen sei, sie sei seit gestern so angegriffen, daß sie keinen Besuch empfangen könne.
Königsau ahnte, daß an dieser Krankheit das gestrige Gespräch mit dem Baron die Schuld trage, doch er ließ sich von dieser Ahnung natürlich nichts anmerken.
Margot war heute außerordentlich bleich. Auf ihrem Gesicht lag eine Entschlossenheit, eine Resignation, bei welcher ihm bange zumute wurde. Er bemerkte zwar, daß ihr Auge zuweilen mit jedem Blick auf ihm ruhte, in welchem ein unbewußtes Geständnis sympathischer Regung liegt, doch zeigte sie sich in ihren Reden und Antworten verschlossen und kalt. Das konnte nicht die Sorge um ihre kranke Mutter, sondern das mußte etwas anderes sein. Er sann vergebens nach; er vermochte es nicht zu entdecken, bis endlich das Gespräch so oben hin auf zartere Verhältnisse kam.
Jetzt zeigte ihr Gesicht zum ersten Mal wieder eine Spur von Leben und Wärme.
„Ich beneide Sie, Monsieur“, sagte sie. „Welch ein Glück muß es sein, in die Heimat zurückzukehren, und, dem Schlachtentod entgangen, als Sieger vor ein geliebtes Weib oder vor eine harrende Braut zu treten.“
„Beneiden Sie mich nicht, Mademoiselle“, antwortete er. „Ein solches Glück ist mir nicht beschieden.“
„Nicht? Sie haben keine Braut?“
„Nein. Mein Herz ist noch niemals engagiert gewesen.“
Sie blickte zu Boden und fragte, ohne die Augen zu ihm zu erheben und ihn anzusehen:
„Muß denn stets das Herz engagiert sein?“
„Können Sie sich ein Glück denken, ohne daß das Herz Teil daran nimmt?“
„Allerdings nicht. Aber das Herz kann auf verschiedene Weise ins Spiel kommen.“
Er blickte ihr forschend in das bleiche Angesicht. Ihre Lippen zuckten, und auf ihrer Stirn lag es schwer und finster wie ein Entschluß, von dem sie überwunden worden war.
„Ich verstehe Sie nicht, Mademoiselle“, sagte er. „Ich kenne nur eine einzige Weise. Nur die Liebe macht glücklich, ohne sie kann man es niemals sein.“
„Sie irren. Denken Sie sich einen recht grimmigen Haß, einen recht glühenden Rachedurst. Diesen befriedigt zu sehen, muß auch ein Glück sein!“
„Allerdings, aber ein Glück für einen Teufel“, antwortete er.
Sie erhob mit einem raschen Aufschlag ihrer Augen den Blick zu ihm empor, sah ihn forschend an und fragte:
„Also nehmen Sie doch an, daß auch ein Teufel glücklich sein könne?“
„Ein teuflisches, das heißt, ein verdorbenes Gemüt? Ja, aber nur für einen Augenblick. Ich möchte wohl an einem Beispiel erfahren, wie man dauernd durch Befriedigung seiner Rache sich glücklich fühlen könne.“
Er war jetzt Diplomat, und kein schlechter. Er sprach diese Frage aus, um in ihr Geheimnis einzudringen. Sie durchschaute ihn glücklicherweise nicht und antwortete:
„Ich will versuchen, Ihnen ein Beispiel zu geben. – Denken Sie sich ein Mädchen, jung, schön, edel und gut. Sie besitzt alle Eigenschaften, einen Mann glücklich zu machen. Da kommt ein Bösewicht, welcher sich von ihren Reizen gefesselt fühlt. Er trachtet, ihre Hand zu erlangen, wird aber abgewiesen. Hierauf beginnt er, im stillen seine Minen zu graben. Er bemächtigt sich ihrer Anverwandten; er verführt dieselben, er stürzt sie in Sünde, Laster und Schande und schwört, die Unglücklichen nicht eher wieder loszugeben, als bis sie losgekauft werden. Der Preis ist die Hand des Mädchens.“
„Und dieses? Das Mädchen? Was tut es?“
„Sie reicht dem Bösewicht die Hand, um die Ihrigen zu retten.“
„So hat es wohl nie geliebt oder besitzt ein großes, erhabenes Herz, einen seltenen Opfermut und ein felsenfestes Vertrauen, den Bösewicht durch ihren Einfluß zu bessern.“
„Nein, das will sie nicht. Sie will ihn strafen.“
„Ah. Sie widersprechen sich, Mademoiselle. Vorhin sagten Sie, das Mädchen reiche ihm ihre Hand, um die Ihrigen zu retten, und jetzt sagen Sie, um ihn zu strafen.“
„Ja, sie will ihn strafen, fürchterlich strafen. Er soll in seiner Frau einen Himmel sehen, in den er nie gelangen kann. Er soll in grimmiger Qual nach dem Trank schmachten, der ihm nahe vor der Lippe perlt und dennoch verdursten.“
„Dieses Mädchen ist ein Teufel, Mademoiselle. Sie nannten es vorhin edel und gut. Das gerade Gegenteil konnten Sie sagen. Ein solcher Plan kann nur im Augenblick des höchsten Zorns, der Verzweiflung gefaßt werden, aber kein fühlend Weib wird ihn ausführen. Ein edles, gutes Mädchen wird von einem solchen immerwährenden Henkerwerk zurückschaudern. Denken Sie sich dann die Betreffende mit ihrem Opfer fürs ganze Leben allein, vielleicht auf einer wüsten Insel. Muß sie nicht an dem Anblick des Glückes anderer zugrunde gehen? Vielleicht begegnet sie einem Mann, dem ihr ganzes Sein und Wesen entgegenfliegen möchte, und doch ist sie an ihr Opfer gefesselt. Nun wird sie zum Tantalus, welcher unendliche Qualen erduldet. Ist es notwendig, daß sie den Schuldigen bestraft? Gibt es nicht einen höheren Richter? Ist nicht das wahre Gottvertrauen der größte Schatz des Weibes? Sollte Gott die Ihrigen nicht retten können, ohne daß sie ein so schreckliches Opfer bringt?“
Er hatte recht. Sie hatte den Plan nur im Augenblick des höchsten Zorns gefaßt. Jetzt stellte er ihr denselben in einem Licht dar, vor welchem sie erschrak. Er verstand und begriff sie; er wußte, daß sie von sich selbst gesprochen hatte, und bei diesem Gedanken krampfte sich sein Herz zusammen. Es wurde ihm angst, und in diesem Gefühl ergriff er ihre Hand und fuhr fort:
„Sie entrollen da ein fürchterliches Bild vor mir. Haben Sie es vielleicht Dantes Hölle entlehnt? Ich wiederhole es: Das Weib, von dem Sie sprechen, würde ein Teufel sein; es würde nicht quälen, sondern gequält werden, und zwar durch sich selbst. Es gibt auf Erden keine Lage, welche hoffnungslos ist. Zerreißen Sie dieses Bild, und werfen Sie die Fetzen von sich; sie erregen Abscheu und Ekel!“
Sie hatte ihm aufmerksam zugehört. Die Blässe war von ihren Wangen gewichen; die Röte der Scham hatte auf denselben Platz genommen. Dennoch aber machte sie noch einen Versuch, sich zu verteidigen:
„Wenn es aber keinen anderen Rettungsweg gibt?“
„Wer kann das behaupten, Mademoiselle? Wir Menschen sind kurzsichtig, zuweilen sogar blind. Was uns leicht dünkt, ist oft unmöglich auszuführen, und im Gegenteil ist das, an dessen Gelingen wir verzweifeln möchten, vielleicht ein Kinderspiel. Wer wollte sagen, daß es aus irgendeiner Not keine Hilfe gebe? Sie ist da; sie naht vielleicht schon, aber wir sehen sie nicht.“
„Aber wenn Menschen nicht helfen können?“
„So hilft Gott durch sie, ohne daß sie es wissen und wollen. Er weiß den rechten Weg zur Rettung, nur sollen wir ihm vertrauen und ihm nicht widerstreben.“
Da endlich! Er sah es ihr an, er hatte sie besiegt. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen und sagte:
„Ich danke Ihnen, Monsieur! Ja, Sie sind ein Deutscher, ein wahrer, echter Deutscher!“
„Was wissen Sie von uns Deutschen, Mademoiselle?“
„Daß sie wie die Kinder sind, voller Glauben und Vertrauen, und doch auch echte Männer, welche Gott zwar um Hilfe bitten, ihn aber dabei tüchtig unterstützen“, lächelte sie. „Man sieht es an den Schlachten, welche sie jetzt geschlagen haben.“
Diese parteilose Anerkennung tat ihm wohl. Margot gewann dadurch sehr in seiner Achtung. Noch immer ihre Hand in der seinigen haltend, wagte er zu fragen:
„War es wirklich nur ein Beispiel, welches Sie mir erzählten, Mademoiselle, oder ist dieser Fall im Leben vorgekommen?“
Sie senkte den Blick verlegen zu Boden. Sie wollte ihn nicht belügen; er sah sie so ehrlich an. Und die Wahrheit, durfte sie ihm diese sagen? Endlich antwortete sie zögernd:
„Wenn es ein wirklicher Fall wäre, dürfte man sich da für berechtigt halten, ihn zu erzählen, Monsieur?“
Da wurde er kühn und sagte:
„Ich errate, wessen Fall es ist.“
Eine tiefe Glut bedeckte ihr schönes Gesicht. Erriet er es wirklich? Sie hatte Gedanken gehabt, welche er mit dem Wort teuflisch bezeichnet hatte. Sie wagte nicht, um seine Meinung zu bitten, aber sie sah ihm fragend und zagend entgegen.
„Sie sprechen von sich selbst. Nicht wahr, Mademoiselle?“ fügte er hinzu.
„Und nun verurteilen Sie mich?“ sagte sie leise.
Sie hatte sich schön genannt; sie hatte von ihren Reizen gesprochen. Wie lächerlich kam sie sich vor! Was mußte er von ihr denken!
„Nein, ich verurteile Sie nicht. Sie haben diesen Entschluß im Zorn gefaßt. Jedoch wünsche ich sehr, Ihnen helfen zu können, und wenn es auch nur durch einen guten Rat wäre. Darf ich mich erkundigen?“
„Bei wem?“
„Bei Ihnen.“
„Fragen Sie!“
„Sie hassen den Baron?“
Sie blickte ihn in höchster Überraschung an.
„Sie kennen den Baron?“ fragte sie erstaunt.
„Ja; nur seinen Namen weiß ich nicht. Ich muß Ihnen nämlich zweierlei gestehen. Erstlich habe ich ein Gespräch belauscht, welches gestern dieser Baron mit einem Kapitän führte. Ich merkte dabei, daß es sich um Ihren Besitz handele, Mademoiselle. Da ich dadurch Mitwisser des Vorganges geworden bin, wird es Ihnen nicht schwer werden, mir auch Ihr weiteres Vertrauen zu schenken. Sind Sie mit jenem Kapitän der Garde verwandt?“
„Wie heißt er?“
„Albin Richemonte.“
„Er ist mein Bruder, mein Stiefbruder, aber ich ver –“
Sie stockte verlegen; doch er ermunterte sie in eindringlichem Ton:
„Sprechen Sie weiter, Mademoiselle. Ich nehme den größten Anteil an dem, was Sie mir sagen werden.“
„Oh, Sie werden mich abermals für unedel, für teuflisch halten, Monsieur!“
„Wagen Sie es immerhin“, lächelte er. „Ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß Sie mir ganz wie das Gegenteil von teuflisch vorkommen.“
„Nun, ich wollte sagen, ich verachte, ich hasse ihn. Er hat ein unendliches Elend über uns gebracht. Er steht mir ferner, als der fernste Mensch, obgleich er der Sohn meines Vaters ist, an dessen Tod er die Mitschuld trägt. Nicht wahr, nun verurteilen Sie mich, die Schwester, welche ihren Bruder verachtet?“
„Nein, sondern ich danke Gott, daß er nur Ihr Stiefbruder ist. Er ist wirklich verächtlich; auch ich verachte ihn.“
„Wie, Sie kennen ihn?“ fragte sie.
„Ja, und dies ist das zweite, was ich Ihnen gestehen muß. Haben Sie vielleicht gehört, daß Ihr Bruder ein Renkontre mit einem deutschen Offiziere gehabt hat?“
„Ja“, antwortete sie, in der Seele ihres Bruders beschämt.
„Nun, dieser Deutsche war ich. Können Sie mir vergeben? Hätte ich Sie bereits gekannt, so hätte ich ihn vielleicht geschont.“
„Ich habe Ihnen nichts zu vergeben, Monsieur. Sie haben Ihre Ehre und diejenige Ihres Kriegsobersten gewahrt; das war Ihre Pflicht. Lassen Sie uns als Freunde scheiden!“
„Wie, Sie wollen mich entlassen?“
„Leider muß ich es, da Mama krank ist. Vielleicht aber darf ich Sie morgen wiedersehen.“
Königsau hätte gern etwas von Margots Verhältnis zu dem Baron gehört, sah aber ein, daß sie aus Zartgefühl ihn nicht weiter erwähnte. Er verabschiedete sich deshalb und versprach ihr, morgen wiederzukommen.
Dann machte er einen längeren Spaziergang. Weit ausdehnen durfte er denselben allerdings nicht, denn es war für den einzelnen Deutschen noch nicht geraten, in gewisse Stadtteile einzudringen. Es gab Schichten der Bevölkerung, welche die Deutschen als die Besieger des Kaisers grimmig haßten. Des Nachts hörte man nicht selten den lauten Ruf: „Vive l'Empereur!“ Und bereits hatten mehrere tumultartige Auftritte es nötig gemacht, mit bewaffneter Hand einzuschreiten.
Daher kehrte Königsau mit Einbruch der Nacht in seine Wohnung zurück, wo er sich mit seinen Büchern, noch mehr aber mit den Gedanken an Margot beschäftigte.
Es mochte wohl gegen elf Uhr geworden sein, als er auf ein entferntes Getöse aufmerksam wurde, welches von vielen Stimmen herzurühren schien. Er trat an das Fenster und öffnete es. Ja, es war ein hundertstimmiges Gewirr, und da krachten auch einige Schüsse. Der Tumult war in der Gegend, in welcher Margot wohnte.
Dieser Gedanke erweckte seine Besorgnis. Ihre Mama war krank! Er warf sich rasch in die Uniform, schnallte den Degen um, steckte eine Pistole zu sich und eilte auf die Straße hinab. Er hörte rufen, daß die Blousenmänner und Bonapartisten sich in einer Revolte befänden, und schritt weiter.
Je weiter er kam, desto bevölkerter wurden die Straßen. Ferne Lärmsignale ertönten; Pompiers sprangen vorüber, und Nationalgardisten eilten an ihre Versammlungsplätze. Auf Margots Straße angelangt, fand er dieselbe durch eine dichte Volksmenge gesperrt. Aus mehreren Fenstern ertönten Hilferufe. Er hörte, daß die Blousenmänner die Häuser plünderten. Das Volk stand dabei, ohne dies zu verhindern. Hier und da erscholl der Ruf: „Es lebe der Kaiser!“ Oder: „Es lebe die Republik!“ Und es war sehr zu vermuten, daß es zwischen diesen beiden Parteien zu einem ernsten Zusammenstoß kommen werde.
Er brach sich Bahn durch die Menge und bemerkte bald, daß in Margots Wohnung Licht war. Dies beruhigte ihn. Er erreichte die Tür und stieg die Treppe empor. Als er klingelte, streckte das Mädchen den Kopf zur Tür heraus und fragte, da es finster war:
„Wer ist da?“
„Melden Sie Monsieur Königsau!“
„Herrgott, da naht Rettung! Kommen Sie! Ich brauche Sie gar nicht anzumelden. Man wird entzückt sein, Sie zu sehen!“
Sie führte ihn durch den unbeleuchteten Salon nach dem daneben liegenden Zimmer. In demselben brannte die Lampe, aber es war leer. Kaum jedoch war er eingetreten, so öffnete sich die gegenüberliegende Tür, und Margot trat ein. Beide standen einander gegenüber, im höchsten Grad überrascht, allerdings in freudiger Weise. Sie hatte ihn bisher nur in Zivil gesehen; jetzt aber stand er vor ihr in der kleidsamen Husarentracht, in welcher sie ihn im ersten Augenblick beinahe gar nicht erkannt hätte. Und sie, oh wie war sie in diesem Augenblick doch so schön!
Es war dem Deutschen, als ob er sich im Traum befinde. Er wollte grüßen, brachte aber kein Wort hervor. Daß Margot schön sei, das wußte er, daß aber ihre Schönheit eine solche Vollendung besitze, das hatte er nicht geahnt. Allerdings hatte sie sich heute selbst schön genannt und von ihren Reizen gesprochen. Sie hatte den Ausdruck gebraucht, ‚einen Mann glücklich zu machen‘. War sie sich des ganzen Umfangs, des ganzen Reichtums, der ganzen Fülle ihrer Reize bewußt?
„Ah, Sie, Monsieur! Gott sei Dank, nun ist die Angst verschwunden! Herzlichen Dank, daß Sie ihrer Pflicht einen Augenblick abringen, um uns zu beruhigen!“
„Einen Augenblick? Ich stehe Ihnen für länger zur Verfügung. Ich hörte von meinem Fenster aus den Tumult und ahnte, daß er in dieser Gegend sei. Ich glaube, daß die Gegenwart eines Militärs zu Ihrer Beruhigung beitragen werde und eilte also, mich zu Ihrer Verfügung zu stellen, Mademoiselle.“
„Oh, wie lieb, wie gut ist das von Ihnen! Wir waren so allein und haben wirklich eine sehr große Angst ausgestanden. Ihre Aufmerksamkeit verpflichtet uns zum größten Dank. Ich werde Mama Ihre Gegenwart melden, damit auch sie sich beruhigt!“
Sie wendete sich, um zu ihrer Mutter zu gehen, da sah sie den Mantel liegen. Erst jetzt bemerkte sie, daß sie im Negligé den Freund empfangen hatte. Sie erglühte bis über die Stirn herauf, sie wollte den Mantel aufheben, um ihn überzunehmen, aber das ging ja nicht, das ging wirklich nicht.
Da trat Königsau hinzu, hob ihn auf und legte ihn ihr über. Seine Hand streifte dabei ihre warme Schulter. Er nahm die Last ihres Haares in die Hände, um die herrlichen Wellen über den Mantel herabgleiten zu lassen. Es war ihm, als ob er in einem Zauber- oder Märchenbuch lese. Er konnte sich nicht länger beherrschen, er konnte sich nicht halten, er drückte ihre beiden Hände an seine Brust und sagte mit heißem Atem und blitzendem Auge:
„Margot, Sie sind schön, sinnberückend schön! Und all diese Pracht und Herrlichkeit sollte diesem Baron gehören? Bei Gott, eher stoße ich ihm den Degen in den Leib!“
Sie ließ ihm ihre Hände und antwortete:
„Bin ich wirklich so schön, Monsieur? Diese Schönheit hat uns alles gekostet, was wir besaßen, das Glück und das Vermögen; ich möchte sie missen und sie von mir werfen, wenn ich könnte.“
„Um Gottes willen, nein, Margot! Sie haben keine Ahnung, was Sie einem Mann sein können und werden. Ich muß mich ja abwenden, um dem Verlangen widerstehen zu können, Sie an mein Herz zu ziehen und dort festzuhalten, für das ganze Leben, für die ganze Ewigkeit, denn, wo Sie sind, da muß auch der Himmel und die Seligkeit sein!“
Sie trat zum Fenster, um es zu öffnen; er faßte sie bei der Hand und sagte:
„Bitte, nicht hier, Mademoiselle. Hier ist Licht, und man erblickt Sie von unten. Das muß man bei solchen Gelegenheiten zu vermeiden suchen. Gehen wir in den Salon, wo es dunkel ist. Dort können wir beobachten, ohne beobachtet zu werden.“
Sie folgte ihm. Der Lärm auf der Straße hatte sich verdoppelt. Die verschiedenartigsten Rufe durchkreuzten sich, und die Menge wogte hin und her wie ein aufgeregtes Meer. Königsau öffnete das Doppelfenster. Seine Anwesenheit ermutigte Margot, hinauszublicken; er tat dasselbe an ihrer Seite. Das Fenster war nicht allzu breit; sie hatten kaum Platz nebeneinander. Ihre schönen, vollen Formen, deren Wärme durch das dünne Gewand drang, legten sich an seinen Körper. Wenn er ihr nicht unbequem werden wollte, so durfte er den einen Arm nicht auf das Fenster legen. Aber wohin sonst? Er wagte es und legte ihn leise um ihren Leib. Sie fühlte es, sie zuckte leicht zusammen, aber sie duldete es.
So beobachteten sie eine ganze Weile schweigend das Menschengedränge. Da krachte ein Schuß. War es ein blinder gewesen, oder nicht? Jetzt ertönten vorn an der Straßenecke neue Stimmen.
„Es lebe die Republik! Nieder mit den Kaiserlichen!“
Ein neuer Schwarm von Menschen drängte sich zur Straße herein. Ihr Ruf sagte, wer oder was sie seien; es waren Republikaner. Da erscholl es von der anderen Seite:
„Es lebe der Kaiser! Nieder mit den Sansculotten!“
Und in der Mitte der Straße rief man:
„Es lebe Ludwig der Achtzehnte! Nieder mit den Kaiserlichen und den Sansculotten!“
Jetzt stießen die drei Parteien zusammen. Es entstand eine fürchterliche Balgerei. Ein gräßliches Brüllen und Schreien erfüllte die Straße; Schüsse detonierten, und an dem Schreien der Verwundeten hörte man, daß man auch die blanke Waffe gebrauchte.
„Hurra!“ rief es endlich. „Sieg Ludwig dem Achtzehnten! Plündert die Kaiserlichen und schlagt die Sansculotten tot!“
Die Anhänger Ludwigs hatten gesiegt. Man hörte jetzt Türen einschlagen und Fenster klirren; die Plünderung begann.
Margot hatte sich vom Fenster zurückgezogen. Sie zitterte vor Angst.
„Mademoiselle, gehen Sie zu Ihrer Mama!“ sagte Königsau. „Man weiß nicht, was geschehen kann.“
„Mein Gott“, antwortete sie, „mein Bruder ist als Bonapartist bekannt!“
„Wo wohnt er?“
„Er bewohnt die andere Hälfte der Etage.“
„Ist er daheim?“
„Nein. Er würde sich bei diesem Aufruhr auch nicht nach Hause getrauen.“
„Plünderung, Plünderung!“ ertönte es abermals von unten. Und eine Stimme fügte hinzu: „Hier ist Nummer zehn; hier wohnt der Kapitän!“
Man hörte, daß die Männer unten eindrangen.
„Sie kommen, mein Gott, sie kommen!“ rief Margot. „Drüben mögen sie immerhin plündern, wenn sie nur meine arme Mama verschonen!“
„Wenn sie einmal drüben beginnen, so kommen sie auch herüber. Sie tragen den Namen Ihres Bruders und müssen für ihn mitbezahlen. Man muß das zu verhüten suchen. Gehen Sie zu Ihrer Mama; ich werde mein möglichstes tun!“
Man hörte jetzt die kranke Frau ängstlich rufen; Margot eilte zu ihr. In diesem Augenblick donnerten auch schon heftige Schläge gegen die Vorsaaltür. Das Dienstmädchen hatte sich versteckt; Königsau sah sich ganz allein. Er ergriff mit der Linken ein Licht, lockerte mit der Rechten seine Pistole und die Degenklinge und öffnete dann die Tür. Draußen stand eine Menge wilder Gestalten, auch die Treppe war besetzt von ihnen.
„Was wollen Sie hier, Messieurs?“ fragte Königsau mit kräftiger Stimme.
Die Leute waren nicht wenig erstaunt, einen deutschen Offizier zu sehen. Sie wichen ein wenig zurück, und einer von ihnen antwortete:
„Wir suchen den Kapitän Richemonte.“
„Er wohnt nicht hier, sondern gegenüber.“
„So werden wir ihn dort aufsuchen!“
„Er ist nicht daheim.“
„Das tut nichts. Wir werden uns seine Meubles einmal ansehen.“
„Da kommen Sie zu einer recht ungewöhnlichen Stunde“, meinte Königsau lächelnd. „Übrigens, was kann ein Bonapartist für kostbare Meubles haben. Sie würden sich täuschen, Messieurs. Es liegt eine sehr kranke Dame hier; ich hoffe, Messieurs, daß Sie so galant sein werden, dies zu berücksichtigen.“
„Ihr hört es“, meinte der Sprecher zu den übrigen. „Wollen wir gehen?“
„Ja“, riefen viele, und „nein“, riefen noch mehrere.
Margot war einige Augenblicke lang bei ihrer Mutter gewesen, jetzt aber stand sie angstvoll im Hintergrund des Vorsaales, um den Ausgang der Unterhaltung abzuwarten. Sie sah Königsau draußen auf dem Korridor stehen. Das Licht in seiner Linken beleuchtete seine kräftige, männlich-schöne Gestalt.
„Ich habe das Wort Plünderung vernommen“, sagte er. „Ich bin überzeugt, daß kein Anhänger Ludwigs des Achtzehnten es ausgesprochen hat. Wir haben den Kaiser entfernt und unser Blut für euch vergossen, um euch den Frieden, nicht aber Raub und Plünderung zu bringen. Es lebe Ludwig der Achtzehnte; es lebe die Ordnung! Nieder mit den Räubern und Dieben! Das Volk von Frankreich besteht nicht aus Einbrechern, sondern aus ehrlichen Leuten!“
Das war ganz nach der Situation gesprochen.
„Es lebe Ludwig der Achtzehnte; es lebe die Ordnung!“ riefen die Leute nach. „Kommt, wir wollen gehen! Dieser brave Deutsche gibt uns unseren König wieder; er hat recht!“
Sie drehten sich um und verließen alle das Haus.
Als Königsau in den Vorsaal zurücktrat, erblickte er Margot. Ihre Augen leuchteten vor Freude und Bewunderung. Er hatte es gewagt – er, der einzelne, der verhaßte Deutsche, einer solchen Rotte zügelloser Menschen entgegenzutreten. Sie streckte ihm ihre beiden Hände entgegen und sagte:
„Dank, Monsieur, nehmen Sie Dank. Sie allein sind es, welcher uns errettet und befreit hat. Ich werde sogleich zur Mama gehen, um ihr zu melden, daß die Gefahr vorüber ist.“
Sie ging. Königsau stellte das Licht wieder in den Vorsaal und kehrte dann in den Salon zurück, um von neuem die Straße zu beobachten. Er hatte dort noch nicht allzu lange gestanden, so sagte ihm ein leichtes Rauschen, daß Margot hinter ihm stehe.
Er wendete sich um und wollte zur Seite treten, um sie an das Fenster zu lassen.
„Bleiben Sie, Monsieur“, sagte sie. „Wir haben beide Platz.“
„Es ist zu eng für zwei, die sich nicht lieben können“, warf er ein.
„Bleiben Sie immerhin“, antwortete sie. „Was Ihnen erlaubt war, darf wohl auch ich einmal wagen.“
Sie legte den einen Arm auf das Fensterkissen und stützte den anderen geradeso auf seine Hüfte, wie er es vorher bei ihr gemacht hatte. Es war ein namenlos seliges Gefühl, welches ihn bei dieser Berührung durchflutete. Ahnte sie, wie furchtbar wehe sie ihm vorhin getan hatte, und wollte sie das wiedergutmachen? Er ergriff ihr Händchen und zog ihren Arm, der um ihn lag, fester an. Sie ließ es geschehen.
„Fürchteten Sie nicht diese Leute, Monsieur?“ fragte sie.
„Fürchten? Ich hätte mit ihnen gekämpft, wenn sie nicht gegangen wären“, versicherte er.
„O Gott, wenn man Sie getötet hätte!“
„So wäre ich eines schönen Soldatentodes gestorben, und der letzte Gedanke, in Ihrem Dienst gefallen zu sein, wäre für mich bereits der Beginn der Seligkeit gewesen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn es so gekommen wäre.“
„Warum?“
Er schwieg. Nach einiger Zeit war es ihm, als ob er einen leisen Druck ihres Armes fühle, und dann sagte sie:
„Bitte, antworten Sie mir!“
„Weil mein Herz, meine Seele, mein Leben bei Ihnen bleibt, und ich nichts sein werde als ein Automat, der von seinen Pflichten regiert wird.“
„Sagen Sie mir Ihren Vornamen!“
„Hugo.“
„Nun also, Monsieur Hugo, warum bestehen Sie darauf, sich durch trübe Bilder und Vorstellungen das Glück des gegenwärtigen Augenblickes zu verkürzen?“
„Ist es denn ein Glück, Margot?“
„Ja.“
„Für mich, ja“, sagte er, ihre Hand zärtlich drückend, „ob aber für Sie?“
„Auch für mich“, flüsterte sie.
„Wirklich, Margot?“
„Wirklich, Hugo“, versicherte sie.
„Wie ist dies möglich, da Sie mich nicht lieben können?“
Bei dieser Frage hatte er sich gerade emporgerichtet, und da ihr Arm um seinen Leib lag, so war sie gezwungen, dieser Bewegung zu folgen. Sie zog zwar den Arm von ihm fort, blieb aber so nahe an ihm stehen, daß er den Hauch ihrer Worte fühlte.
„Hätte ich wirklich gesagt, daß ich Sie nicht lieben kann?“ fragte sie.
„Ja.“
„Ich habe gemeint, daß ich Sie nicht lieben darf. Das ist ein Unterschied!“
„Oh, und was für einer! Ein riesig großer! Aber warum dürfen Sie nicht?“
„Muß ich Ihnen dies sagen?“
„Ich bitte darum!“
„Gut, aber nicht jetzt, nicht heute, sondern zu einer anderen Zeit.“
„So will ich an deiner Stelle sprechen, meine Margot.“
„Tue es, mein Freund!“
„Du darfst mich nicht lieben, und du glaubst, nicht mein Weib werden zu können, weil du noch nicht frei vom Baron bist?“
„Du hast es erraten“, lispelte sie.
„Wenn ich ihm nun die hundertundfünfzigtausend Franken bezahle, mein Kind?“
„Dieses Opfer ist zu hoch, zu außerordentlich. Bist du denn so reich, mein Hugo?“
„Ich will ehrlich sein, Margot. Ich bin nicht reich. Ich besitze nichts als ein Gütchen, welches vielleicht gerade soviel wert ist, wie wir brauchen werden. Ich werde es verkaufen, um dich und Mama von diesem Menschen zu befreien.“
Sie sagte kein Wort, aber sie schlang die Arme um ihn und schmiegte sich so fest und innig an ihn, daß er das Klopfen ihres tief bewegten Herzens fühlte. Ihr Busen wogte auf und nieder, und da sie ihr Angesicht liebevoll an das seinige drückte, so fühlte er ihre Tränen auch über seine Wangen niederperlen. Ein wiederholtes, krampfhaftes Schluchzen, welches sie unterdrücken wollte, aber nicht beherrschen konnte, sagte ihm deutlich, in welch einem Aufruhr sich ihr Inneres befinde. Er ließ sie gewähren, aber nach einer Weile, als sie ruhiger geworden zu sein schien, fragte er: „Warum weinst du, mein liebes Herz? Was kränkte dich?“
„Nichts, mein Hugo“, antwortete sie, ihn innig küssend, „ich weinte vor Wonne. Ich habe nie geglaubt, einen Mann zu finden, welcher so freudig bereit ist, für seine Liebe zu mir seine ganze Habe zu opfern. Aber ich darf es nicht annehmen, so glücklich mich deine Bereitwilligkeit auch macht.“
„Warum nicht?“
„Was bliebe dir zum Leben? Was bedeutet ein armer Offizier?“
„Gott wird uns beistehen und für uns sorgen, Margot!“
„Du Guter, Lieber!“ Sie küßte ihn vor inniger Dankbarkeit auf Stirn, Auge, Wange und Mund; ja, sie küßte sogar seine beiden Hände und fragte dann: „Ist dir deine Margot denn wirklich eine so ungeheure Summe wert?“
Er zog sie an sich, preßte sie heftig an sein Herz und versicherte ihr aufrichtig:
„Mehr als so viele Millionen, wenn ich sie hätte, als es hier Tausende sind!“
So standen sie lange, Brust an Brust und Mund an Mund. Unten hatte sich der Aufruhr nach und nach verlaufen, um sich nach einer anderen Gegend zu wenden; tiefe Ruhe herrschte, und das erweckte die beiden Glücklichen aus ihrer Verzückung.
„Wie wird sich Mama freuen!“ sagte Margot. „Wollen wir es ihr schon heute sagen?“
„Ja. Es ist zwar kühn von mir, weil sie mich noch nicht kennt, aber es nimmt ihr die Sorge um die Wechsel vom Herzen, und daher mag sie es jetzt erfahren.“
„So will ich sehen, ob sie noch wach ist.“
Sie schlich leise davon, kehrte aber bald mit der Meldung zurück, daß die Mutter eingeschlafen sei. Es verstand sich von selbst, daß man sie nicht weckte. Erst nach unzähligem Abschiednehmen verließ Königsau die Geliebte, um sich nach Hause zu begeben. Es sollte jedoch anders kommen, als er gedacht hatte.
Er blieb bei der nächsten Straßenecke stehen, um sich eine Zigarre anzuzünden. Er war noch nicht weit von der Ecke fortgeschritten, so kam ihm einer entgegen und sagte:
„Halte, la Kamerad! Donneh moah eng pee de fee pour ma pipe – halt, Kamerad, geben Sie mir ein bißchen Feuer für meine Pfeife!“
Dieses Französisch wurde geradezu schrecklich ausgesprochen. Hätte Königsau den Mann nicht an der Stimme erkannt, so hätte er doch an der Aussprache gehört, daß es der alte Blücher sei, welcher bekanntlich das schauderhafteste Französisch sprach.
„Zu Befehl, Exzellenz!“ antwortete der Husar.
„Donnerwetter, ein Deutscher! Es ist so dunkel, daß man nichts erkennt; ich hörte nur den Sarras rasseln und sah die Zigarre glimmen. Wer sind Sie denn?“
„Lieutenant Königsau von den Ziethenhusaren.“
„Ah, Junge, bist du es? Und noch immer nicht Rittmeister?“ lachte der Alte, indem er seine Pfeife in Brand steckte. „Ich bin da in dem alten Dorf herumgerannt, um die berühmte Revolution zu sehen, welche es gegeben haben soll; habe aber ganz und gar nichts bemerken können.“
„Ich war so ziemlich dabei engagiert, Exzellenz.“
„Ah, wirklich? Komm, mein Sohn, das mußt du mir erzählen! Ich weiß da ein recht hübsches Nest, wo es einen recht guten Wein gibt und auch noch einiges andere mehr; da sollst du mir beichten. Die Zeche braucht dir keine Sorge zu machen.“
Er klopfte an die Tasche, in welcher die Goldstücke klirrten, und schritt voran. Königsau wußte, daß Blücher ein leidenschaftlicher Spieler war, der des Abends gern sein Glück versuchte; daher ahnte er, daß der jetzige Gang wohl den gleichen Zweck habe, und er sollte sich auch nicht getäuscht haben.
Nach einiger Zeit blieb Blücher vor der Tür eines Hauses stehen, welches allem Anschein nach ein Privathaus war.
„Mein Sohn“, sagte er. „Ich nehme dich mit hierher, weil ich denke, daß du ein so braver und verschwiegener Kerl bist. Du wirst über alles, was du siehst, das Maul halten; wo nicht, so holt dich entweder der Teufel, oder ich!“
„Exzellenz dürfen glauben, daß ich keine Plaudertasche bin“, sagte Königsau.
„Das will ich dir auch geraten haben! Erführe ich, daß du deinen Schnabel nicht in acht nimmst, so wärst du ein ausgemachter Lump, mein Sohn, und würdest ganz gewaltig in die Käse fliegen, du Himmelsakramenter!“
Er zog leise an einer Glocke. Erst nach längerer Zeit hörte man im Inneren des Hauses nahende Schritte, und eine Stimme fragte:
„Wer ist draußen?“
„Blücher“, antwortete der Feldmarschall. Sogleich wurde die Tür geöffnet, und die beiden traten ein. Der Portier, welcher sie empfing, verbeugte sich tief; Blücher beachtete es nicht und schritt voran, die Treppe empor. Oben trat er in ein Zimmer, in welchem mehrere Herren saßen, welche sich ehrfurchtsvoll erhoben. Er nickte ihnen zu und schritt, ohne Königsau vorzustellen, an ihnen vorüber in ein Nebenzimmer, in welchem sich kein Mensch befand.
Auf dem dort stehenden Tisch sah man Gläser und volle Flaschen stehen. Blücher griff sofort nach einer der letzteren, entkorkte sie und schenkte ein.
„Zunächst einschenken“, sagte er. „Diese Franzosen sind ein ganz verfluchtes Volk und haben doch einen verteufelt guten Wein. Wie paßt das zusammen! Schon aus Ärger darüber könnte man sie in Kochstücke hauen. Prosit mein Sohn! Dieser Tropfen wird dir nicht in der Gurgel stecken bleiben.“
Er stieß mit dem Lieutenant an, setzte sich und fuhr dann fort:
„So! Nicht wahr, es ist gut? Nun setze dich zu mir und erzähle mir von der Revolte, welche du miterlebt hast. Wir haben noch einige Zeit.“
Königsau folgte diesem Befehl, indem er nur das berichtete, was er für notwendig hielt, ohne seine Herzensangelegenheit zu berühren. Während er erzählte, traten nacheinander mehrere Herren ein, welche ehrerbietig grüßten, und es nicht wagten, bei den beiden Platz zu nehmen, sondern durch eine zweite Tür verschwanden. Als er geendet hatte, sagte der Marschall:
„Also ein Auflauf, wie er in Sodom und Gomorra öfters vorkommt. Für uns hat er nichts zu bedeuten, da die Demonstration nicht gegen uns gerichtet gewesen ist. Man ist dir sogar gehorsam gewesen. Für so einsichtsvoll habe ich noch keinen Franzosen gehalten. Dein Auftreten ist mutig und tadellos gewesen, mein Sohn. Ich muß dich loben. Wie aber bist du zu diesen Damen gekommen?“
„Wie man so Damenbekanntschaften zu machen pflegt, Exzellenz!“
„Na, wie denn?“ fragte Blücher.
Es ist bekannt, daß er zu den Bewunderern des schönen Geschlechtes zählt. Er hörte, daß der Lieutenant sich Mühe gab, bei seiner Antwort einen möglichst gleichgültigen Ton beizubehalten; er vermutete daher ein kleines Abenteuer und wollte sich die Erzählung desselben nicht entgehen lassen.
„Ich traf die Tochter auf der Straße“, antwortete er. „Sie wurde von einem Russen insultiert; ich nahm mich ihrer an und führte sie nach Hause. Infolgedessen erhielt ich von der Mutter die Erlaubnis, sie zu besuchen.“
Blücher nickte, machte ein höchst pfiffiges Gesicht und sagte:
„Verdammte Kerle, diese Russen! Wo sie eine Schürze oder eine hübsche Larve sehen, da fliegen sie in die Höhe wie Champagnerpfropfen. Also du sagst, daß er sie insultiert habe, mein Sohn? In welcher Weise ist dies denn geschehen?“
„Er bemächtigte sich ihres Armes.“
„Donnerwetter, da muß sie hübsch gewesen sein! Nicht?“
„Ich habe keine Veranlassung, es zu leugnen, Exzellenz.“
„Aha, nun ahne ich das übrige! Sie hat dich gefangen, alter Schwede!“
Königsau zuckte leicht die Achseln und schwieg verlegen.
„Hm!“ brummte Blücher. „Daß doch das junge Volk so geheimnisvoll und wichtig tut, als ob es sich um eine große, außerordentliche, politische Finesse handelte. Da sitzt der Kerl, zugeknöpft wie eine Sphinx und denkt nicht, daß der alte Blücher klug genug ist, den ganzen Kram zu erraten. Junge, ich bin auch einmal jung und dumm gewesen, ein echter, richtiger Windbeutel; ich bin den Mädels nachgelaufen, wie der Bauer den Maulwürfen, und habe manchen Kuß weggeschnappt, der eigentlich einem anderen gehört hätte. Jetzt bin ich alt und trocken wie Methusalem, aber ein paar schöne Augen sehe ich mir auch jetzt noch lieber an, als ein paar zerrissene Stiefel. Also kannst du mir getrost die Wahrheit sagen. Nicht wahr, ihr habt euch ganz gehörig ineinander verschameriert?“
Königsau sah sich in die Enge getrieben. Er durfte den Marschall nicht belügen; er sagte sich im Gegenteil, daß dieser als sein höchster Vorgesetzter Offenheit von ihm fordern und ihm außerordentlich nützlich sein könne; darum sagte er:
„Ja, es wird wohl nicht viel anders sein, Exzellenz.“
„Das läßt sich begreifen“, nickte der Alte. „Sie ist schön, wie du sagst, und auch du bist kein unebener Junge; da schnappt man rasch ein bißchen über. Aber einen guten Rat will ich dir geben, mein Junge: Herze sie; drücke sie; schmatze sie; soviel du willst, aber heirate sie um Gottes willen nicht!“
„Warum?“
„Das will ich dir sagen, Junge. Ich habe nämlich ein Haar darin gefunden, nein, nicht nur ein Haar, sondern einen ganzen alten Weiberzopf. Erst sind die Frauen mild und süß, ganz der reine Zucker; nach der Hochzeit aber geht der Teufel los und sie werden wie Alaun und Vitriol; es zieht einem die Gurgel zusammen. Den Hof magst du einer immerhin machen, aber nur ja keinen Heiratsantrag, sonst bist du verloren wie Tabaksasche. Du glaubst gar nicht, was für ein Volk diese Frauenzimmer sind! Ich tue mir immer eine Güte, wenn ich einer einmal so einen richtigen Puff versetzen kann. Vor langen Jahren verliebte ich mich einmal in eine hochadelige Dame; ich war perplex bis zum Rasendwerden. Sie spielte sehr gern und ich auch. Eines Abends gewann ich ihr mehrere tausend Taler auf Ehrenwort ab. Sie hatte große Angst vor ihrem Mann, der das ja erfahren und bezahlen mußte. Da sagte ich ihr, daß ich ihr das Geld schenken wolle, wenn sie mir einen Kuß gäbe. Was antwortete das Weib? Einiger tausend Taler wegen werfe sie sich nicht weg! Nun gut! Ich erhielt mein Geld, und die Zeit verging. Ich avancierte und wurde General, aber mit den Verhältnissen dieser Dame ging es retour. Sie wurde alt, aber das Spielen konnte sie nicht lassen. Eines schönen Abends gewann ich ihr wieder eine bedeutende Summe ab. Da sagte sie mir vor allen Leuten, daß sie jetzt bereit sei, den erbetenen Kuß zu geben, wenn ich ihr die Schuld quittieren wolle; ich aber antwortete ihr: ‚Nee, gnädige Frau; die Zeiten ändern sich; der Appetit auf Sie ist mir vergangen; ich schmatze keene alte Schachtel!‘ Du kannst dir denken, mein Sohn, was für ein Gesicht sie machte! Ich gebe dir mein Wort. Erst sind diese Weibsen der reine Honigseim, später jedoch wird Rindsgalle daraus. Nach der Hochzeit werden sie überständig und moderig; sie kriegen Risse, Knitter und Stockflecke; die Falten kommen, und die Haare fallen aus, und aus dem früheren Engel wird eine Klatschschwester, eine Vogelscheuche, ein Drache, ein Ungetüm, das Gift und Feuer speit. Darum verliebe dich, aber verheirate dich nicht, mein Sohn! Aber, du ziehest mir so ein wunderliches Gesicht! Junge, du bist doch nicht etwa schon auf den Leim gegangen?“
Königsau lachte und antwortete:
„Ich sitze fest, Exzellenz!“
„Alle Teufel, das ist dumm! Hast du ihr dein Wort gegeben?“
„Freilich!“
„Das ist noch dümmer! Armer Kerl, du kannst mich dauern! Ist sie reich?“
„Nein!“
„Kerl, du bist ein Esel!“
„Aber ein sehr glücklicher, Exzellenz!“
„Ja, das denkst du jetzt. Aber der hinkende Bote kommt hinterher und faßt dich beim Schopfe. Und nun gar eine Französin! Hättest du dich an eine Deutsche verschachert, so möchte es noch gehen, aber eine Mademoiselle, das ist zu dumm, mein Sohn: So ein Kerl wie du bist! Du brauchst nur die Hand auszustrecken, so hängen gleich elfhundert daran, und hier gehst du so traurig auf den Leim!“
Blücher schüttelte den Kopf; Königsau aber meinte in zuversichtlichem Ton:
„Es ist kein Leim, Exzellenz. Margot ist gut.“
„Gut? Hm! Wart's ab! Also Margot heißt sie?“
„Ja.“
„Na, der Name wenigstens klingt nicht übel! Aber sie ist arm, und du hast auch nichts. Was soll daraus werden?“
„Ich verkaufe mein Gut.“
Der Husar ließ sich diese Antwort entfahren, ohne daran zu denken, daß er damit das preisgab, was er gern verschweigen wollte.
„Dein Gut verkaufen?“ fragte Blücher erschrocken. „Warum? Das ist ja gar nicht nötig! Gerade, da du dich verheiraten willst, mußt du es behalten. Deine Gage ist ja nur eine Lappalie; dein Gut bringt dir einen Zuschuß; wovon willst du leben, wenn dieser wegfällt?“
Königsau blickte nachdenklich vor sich nieder und antwortete dann:
„Sie haben recht, Exzellenz, aber ich muß verkaufen; ich bin zu diesem Opfer gezwungen, und ich bringe es gern.“
„Wer zwingt dich denn dazu?“
„Ein neugebackener Baron, der Armeelieferant Napoleons gewesen ist.“
„Ein Armeelieferant? Den Kerl soll der Blitz zerquetschen! Diese Menschen sind alle Spitzbuben, einer wie der andere! Aber wie hängt das zusammen? Hast du etwa mit ihm gespielt? Bist du ihm Geld schuldig?“
Der Lieutenant sah ein, daß er bereits zu mitteilsam gewesen sei, um jetzt schweigen zu können. Er beschloß, aufrichtig zu sein und erzählte dem Marschall alles. Blücher hörte ihm schweigend zu; seine Miene wurde ernst und immer ernster; endlich schüttelte er langsam den Kopf und sagte:
„Das ist nun freilich eine ganz und gar verfluchte Geschichte. Du bist ein Ehrenmann und kannst nicht mehr zurück. Dein Gütchen ist pfutsch, vollständig pfutsch, armer Junge. Aber so ist es: gestern verliebt und heute ein Esel! Wie willst du es anfangen, um Geld zu bekommen? In acht Tagen müssen die Wechsel eingelöst werden; aber so schnell geht es doch mit dem Verkauf nicht!“
„Das macht mir keine Sorge. Das Gut ist unverschuldet; wenn ich es verpfände, gibt mir jeder Bankier die Summe, welche ich brauche.“
„Hm! Junge, du dauerst mich! Ist diese Margot denn gar so ein Wunder von einem Mädchen, daß du dein ganzes bißchen Habe gern für sie opferst?“
„Sie ist ein Engel!“ antwortete Königsau warm.
„Donnerwetter, da darf ich sie mir wohl einmal ansehen, he?“
„Wenn Exzellenz befehlen, werde ich sie vorstellen.“
„Gut! Du hast mit der Alten noch gar nicht gesprochen, das heißt, über eure Liebelei?“
„Nein.“
„Und morgen willst du dich erklären?“
„Ja.“
„Schön! Ich werde dich begleiten und den Freiwerber machen. Ich glaube, daß es dir keine Schande ist, wenn der alte Gebhard Leberecht von Blücher seinen Senf dazu gibt. Wieviel Uhr wirst du erwartet?“
„Um drei Uhr.“
„So komme um halb drei Uhr zu mir. Ich werde mich in Glanz und Wichs werfen, um Ehre einzulegen. Aber das sage ich dir: Gefällt mir das Mädchen nicht, so rede ich kein Wort. Ich will den Vorwurf nicht auf dem Gewissen haben, an deinem Elend schuld zu sein. Ah!“
Er erhob sich, denn es trat ein Herr ein, welcher ihm sehr bekannt zu sein schien, und den er vertraulich grüßte. Der Mann trug sich höchst elegant; seine Hände waren mit kostbaren Ringen besteckt, und an seiner Uhrkette glänzten Berlocken, welche ein Vermögen repräsentierten. Königsau wurde ihm von dem Marschall vorgestellt, und so erfuhr der Lieutenant, daß der Franzose einer der bedeutendsten Bankiers von Paris sei.
Jetzt traten die drei in dasselbe Zimmer, in welches sich alle diejenigen begeben hatten, welche während des Gesprächs Blüchers mit Königsau gekommen waren.
Der letztere erkannte auf den ersten Blick, daß er sich in einer Gesellschaft feiner Spieler befinde. Man hatte sich um mehrere Tische arrangiert, um den verschiedensten Hasardspielen zu huldigen. Der Bankier trat an einen Tisch, an welchem man Biribi spielte.
„Wollen Sie mir heute Revanche für gestern geben, Durchlaucht?“ fragte er Blücher.
„Später, Monsieur“, antwortete dieser. „Vorerst will ich mich anderswo versuchen.“
Er begab sich an einen Tisch, wo mehrere Herren beim Pharao saßen.
„Hast du bereits einmal gespielt, mein Sohn?“ fragte der den Lieutenant.
„Noch nie“, antwortete dieser.
„Auch noch nie zugesehen?“
„Öfters, Exzellenz.“
„Das ist gut; du wirst dich also beteiligen können.“
„Ich bin kein Spieler“, entschuldigte sich Königsau.
„Das gilt hier nicht. Du mußt nämlich wissen, daß ein jeder, der hier Zutritt erhält, mitspielen muß. Ich habe dich eingeführt, und ich hoffe, daß es nicht zu deinem Schaden ist. Bist du bei Geld, Junge?“
„Ich habe einige hundert Franken mit.“
„Das genügt, um vorsichtig zu pointieren. Komm!“
Königsau war ein Feind allen Spiels; er hätte am liebsten das Haus wieder verlassen; aber heute und hier ging dies nicht; er war gezwungen, sich zu beteiligen, nahm sich jedoch vor, nicht leichtsinnig zu sein.
Er wurde von Blücher den Herren vorgestellt und begnügte sich zunächst damit, den Gang des Spieles zu beobachten. Blücher legte tausend Franken vor sich hin und erklärte, daß er aufhören werde, sobald diese Summe verloren sei. Er spielte mit abwechselndem Glück. Schließlich setzte Königsau eine bescheidene Summe und gewann; er setzte abermals und gewann. Blücher nickte ihm aufmunternd zu. Der Lieutenant hatte Glück, der Marschall endlich Unglück. Nach Verlauf einer Stunde besaß Königsau über tausend Franken, während Blücher die seinigen verloren hatte. Er trat vom Tisch ab, und der Lieutenant hielt es für seine Schuldigkeit, ihm zu folgen.
„Mein Geld hat der Teufel geholt“, lachte der Alte; „aber ich habe mehr mit. Das war nur so ein kleines Vorspiel. Gestern abend habe ich im Biribi fünfzehntausend Franken gewonnen; der Bankier führte die Bank; ich muß ihm heute Revanche geben. Du scheinst Glück zu besitzen. Wieviel hast du gewonnen, mein Sohn?“
„Etwas mehr als tausend Franken“, antwortete Königsau.
„Das freut mich; so ist mein Geld doch in deutsche Hände gekommen, und du kannst am Biribi teilnehmen. Kennst du es?“
„Vom Zusehen.“
„Das genügt. Aber ich muß dir sagen, daß man sehr hoch spielt. Hundert Franken ist der geringste Einsatz. Komm, versuchen wir, dieser guten Frau Fortuna einmal gehörig zu Leibe zu gehen!“
Blücher machte rechtsumkehrt, und Königsau folgte ihm.
Als Blücher und Königsau zum Tisch traten, an welchem sich, wie es schien, die Hervorragendsten der Anwesenden befanden, nickte der Bankier dem Marschall zu. Dieser ging, wie im Krieg, auch hier gerade auf den Tisch los und setzte fünfhundert Franken. Er verlor sie, gewann sie dann aber wieder. Man sah es seinem ferneren Spiel an, daß er sich von der Leidenschaft nicht hinreißen ließ, aber vom Glück nicht sehr begünstigt wurde; er verlor mehr, als er gewann.
Jetzt wagte Königsau zweihundert Franken auf Ungerade rechts zu setzen. Er gewann und erhielt das Doppelte. Dann setzte er hundert Franken auf Nummer zwölf. Er gewann und erhielt das Zweiunddreißigfache. Jetzt sah er sich ganz plötzlich im Besitz von über viertausend Franken und konnte mehr wagen. Er nahm sich vor, nur über die Hälfte dieser Summe zu disponieren, und hatte die Genugtuung, dieselbe nicht alle werden zu sehen. Er war offenbar vom Glück begünstigt. Einmal wagte er tausend Franken auf einen Satz und gewann, da seine Nebenlinie besetzt war, sechzehntausend Franken.
Jetzt begann sein Glück Aufsehen zu erregen. Er setzte zehntausend auf Eins bis Achtzehn und gewann das Doppelte. Bei kleineren Einsätzen verlor er einige Male. Nach Verlauf von anderthalb Stunden sah er sich im Besitz einer höchst bedeutenden Summe. Einige Spieler traten ab, und es begann, dem Bankier an barem Geld zu fehlen.
„Noch zehnmal, dann höre ich auf, Messieurs“, sagte er.
Da trat Blücher zu Königsau und flüsterte ihm zu:
„Benutze dein Glück, mein Sohn; es ist dir heute treu!“
„Haben Exzellenz aufgehört?“ fragte der Lieutenant.
„Ja, mein ganzes Geld ist zum Teufel.“
„Exzellenz haben ja Kredit.“
„Ich borge von keinem Franzosen.“
„Darf ich es nicht wagen, mich Ihnen zur Verfügung zu stellen?“
„Ich danke dir, mein Junge! Ich würde es annehmen, aber der Spieler ist abergläubisch. Wer gewinnt, soll seinen Gewinn nicht angreifen. Ich bin überzeugt, daß du von jetzt an verlieren würdest. Spiele weiter! Ich werde zusehen. Wieviel hast du jetzt?“
„Gegen fünfzigtausend Franken.“
„Alle Teufel! Na, fahre fort, mein Sohn! Es wäre mir ein Gaudium, wenn es dir gelänge, diese Franzmänner gehörig auszubeuten!“
Das Spiel nahm für den Deutschen einen günstigen Verlauf. Da nahte die letzte Tour. Außer dem Bankier und Königsau beteiligte sich nur noch einer beim Spiel. Dieser setzte seine letzten hundert Franken auf ein Kreuz. Unter einer plötzlichen Eingebung deutete der Deutsche auf die danebenliegende Nummer und sagte:
„Zwanzigtausend auf diese!“
Der Bankier erschrak; das sah man ihm deutlich an.
„Wissen sie, Monsieur“, sagte er, „daß ich Ihnen das Achtfache, also hundertundsechzigtausend Franken zu bezahlen habe, wenn Sie gewinnen?“
„Allerdings weiß ich das“, antwortete Königsau.
„Sie sehen aber, wie es mit meiner Kasse steht. Kreditieren Sie mir bis morgen vormittag zehn Uhr, falls ich Unglück haben sollte?“
„Mit dem größten Vergnügen!“
„Nun wohl, so wollen wir sehen!“
Die Anwesenden waren höchst begierig, den Erfolg zu sehen. Der Bankier zog die Karte, drehte sie langsam um und erblaßte – es war die Nummer, welche Königsau gesetzt hatte. Ein allgemeiner Ruf des Erstaunens ging durch das Zimmer; eine solche Summe war hier noch nie auf einen Satz verloren worden.
„Monsieur, ich bitte Sie, mir Ihre Wohnung anzugeben“, sagte der Bankier.
Königsau überreichte ihm seine Karte. Er befand sich jetzt im Besitz von über zweimal hunderttausend Franken. Er war während des Spieles innerlich vollständig ruhig geblieben, jetzt aber war es ihm, als ob er vor Freude laut sein Glück hinausrufen müsse. Diese Freude wurde von dem Marschall aufrichtig geteilt. Er klopfte ihm auf die Achseln und sagte:
„Himmelelement, war das ein Treffer! Du bist ein ganz und gar bevorzugter Glückspilz, mein Junge. Ich werde dir tragen helfen, denn du bist nicht imstande, das viele Geld nach Hause zu schleppen. Vor allen Dingen wollen wir dieses Ereignis mit einer Flasche Champagner begießen.“
Jetzt nun setzten sich die Anwesenden zusammen, um das Glück zu feiern, oder den Ärger über ihr Unglück in Wein zu ertränken. Im Laufe der Unterhaltung erfuhr Königsau, in was für einem Haus er sich befand.
Es gab damals in Paris Hausbesitzer, welche ihre Räume vornehmen Spielern öffneten. Diese letzteren kamen da des Abends zusammen, ohne direkt mit dem Wirt zu verkehren. Ein Entrée wurde nicht bezahlt, aber alles, was genossen wurde, war so teuer, daß der Besitzer sich sehr wohl dabei stand. In einem solchen Haus befanden sich die Deutschen.
Es war in demselben für alles gesorgt. Sogar starke Leinwandsäckchen hielt man vorrätig, damit ein glücklicher Gewinner imstande sei, sein Geld bequem nach Hause zu bringen. Es kam öfters vor, daß dergleichen Säckchen gebraucht wurden, obgleich es noch keinen solchen Gewinn gegeben hatte, wie heute.
Als man aufbrach, hielt der Marschall Wort. Er half Königsau seinen Gewinn tragen. Dieser Liebesdienst bereitete dem Alten ein großes Vergnügen. Einem anderen Mann seiner Stellung wäre es wohl nicht eingefallen, den Diener eines Lieutenants zu machen.
„Höre, Junge, wie ist es dir denn eigentlich zumute?“ fragte er, als sie sich auf der Straße befanden und von den anderen Abschied genommen hatten.
„Ganz unbeschreiblich, Exzellenz“, antwortete Königsau.
„Das glaube ich! Du bist mir zu deinem Glück begegnet, und ich denke, du siehst ein, daß ein Spielchen doch etwas nicht so ganz und gar Unebenes ist.“
„Ich habe keine Veranlassung, sophistisch zu sein“, lacht der Lieutenant, „aber ich sage dennoch: Einmal gespielt, aber nicht wieder.“
„Ist das wahr?“
„Ja, Exzellenz, ich gebe ihnen mein Ehrenwort, daß ich nie wieder spielen werde. Es fällt mir gar nicht ein, daß Glück in Versuchung zu führen, denn ich bin überzeugt, daß ich es bereuen würde. Ich will mich des heutigen Gewinnes freuen, ihn aber nicht anderen vor die Tür tragen.“
„Daran tust du recht, mein Sohn. Das Spiel ist ein Weib, dem man niemals trauen darf. Ich habe es erfahren, bin aber niemals so klug gewesen wie du, mich danach zu verhalten. In dieser Beziehung ist der alte Blücher ein fürchterlicher Esel, du brauchst dies aber keinem Menschen zu sagen.“
„Am meisten freue ich mich über meinen Gewinn, weil ich nun nicht nötig habe, mein Gut zu verkaufen. Ich kann Margot die hundertundfünfzigtausend Franken geben und behalte dennoch eine bedeutende Summe übrig. Das macht mich so glücklich, wie ich es im ganzen Leben noch nicht gewesen bin.“
„Ich gönne es dir. Wann willst du ihr das Geld geben?“
„Morgen gleich.“
„Schön. Laß dir das Geld in Papier umwechseln, daß du es bequemer tragen kannst, übrigens wirst du Wort halten, und mich um halb drei Uhr abholen?“
„Das versteht sich, Exzellenz.“
„Und du denkst nicht, daß die Alte, ihre Mutter, Sperenzien machen wird?“
„Ich glaube es nicht.“
„Ich wollte es ihr auch nicht geraten haben. Einem Kerl, der vor lauter Liebe anderthalbhunderttausend Franken opfert, kann man seine Tochter schon geben. Also ein Vater ist nicht da?“
„Nein, aber ein Bruder, wie ich Eurer Exzellenz ja bereits erzählt habe“, antwortete der Lieutenant. Und zögernd fügte er hinzu: „Sie kennen ihn bereits.“
„Ah! Wo hätte ich ihn denn gesehen?“
„Wir haben ihn unter für ihn allerdings nicht sehr günstigen Umständen kennengelernt. Es ist derjenige, den ich ohrfeigte.“
„Donnerwetter! Und du willst der Schwager dieses Kerls werden?“
„Der Stiefschwager“, verbesserte Königsau.
„Das ist egal. Schwager ist Schwager, und wenn der Halunke zehnmal stief ist. Ja, diesem Kerl traue ich alles zu, was du mir von ihm erzählt hast. Ein Mensch, der einem die Genugtuung verweigert, ist auch fähig, sein Vermögen zu verschachern. Na, ich hoffe, daß er uns morgen nicht in die Quere läuft, sonst würde ich ihn kurieren, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Aber sage mir, mein Junge, wo ist denn die Bude, in der du wohnst?“
„Ganz in der Nähe. Das dritte Haus von hier.“
„So wohnst du also nicht weit von mir. Na, komm. Man hat mich heute im Biribi ganz gehörig gerupft; das will ich verschlafen.“
Vor der Wohnung des Lieutenants angekommen, gab er ihm das Geld, welches er getragen hatte, und verabschiedete sich in leutseliger Weise von ihm.
Als Königsau in seiner Stube Licht gemacht hatte, breitete er seinen Gewinn auf dem Tisch aus, um ihn zu zählen. Er war mit einem Schlag zu einem Vermögen gekommen. Es war, als hätte Gott ihn heute mit dem Marschall zusammengeführt, um ihm das Opfer, welches er der Geliebten bringen wollte, zu erleichtern. Das ungeheure Glück, welches er gehabt hatte, dünkte ihm das Ja und Amen zu sein, welches die Vorsehung zu seiner Liebe sagte. Und als er sich schlafen legte, tat er es in dem Bewußtsein, morgen ein Glück zu erlangen, an welches er noch vor ganz kurzer Zeit nicht gedacht hatte.
Als er am nächsten Morgen sich das Geld hatte umwechseln lassen, besaß er in seiner Brieftasche den Talisman, die Sorgen der Geliebten und ihrer Mutter zu beenden. Er konnte den Nachmittag kaum erwarten und machte bereits große Toilette, lange bevor die Zeit gekommen war.
Blücher empfing ihn in voller Uniform. Er hatte Wort gehalten und sich ‚in Wichs und Glanz geschmissen‘. Die beiden Männer sahen aus, als ob sie bei der Königsparade zu erscheinen hätten.
„Da bist du ja, mein Sohn“, sagte der Marschall. „Es ist punkt halb drei Uhr, wir müssen aufbrechen, und ich weiß wahrhaftig noch nicht, was ich sagen soll. Eine Anrede an meine Soldaten fällt mir immer ein; sie ist sofort da, sobald ich sie brauche; aber mit einer Werbung ist es denn doch ein anderes Ding. Ich habe mir schon fast den Kopf zerbrochen, aber noch nicht ein einziges Wort gefunden. Das wird eine schöne Geschichte werden, wenn ich dastehe, wie Toffel vor dem Pfarrer und keine Silbe hervorbringe!“
„Oh“, sagte Königsau lächelnd, „Exzellenz dürfen nur drauf gehen wie auf den Feind.“
„Hat sich was mit draufgehen! Es ist mir angst und bange bei der Geschichte. Ich glaube, ich reiße aus, wenn es losgehen soll. Der Teufel hole die Heiratsanträge! Ja, wenn ich diese Margot für mich haben wollte, da müßte es nur so pfeifen; aber für einen anderen die Kastanien aus dem Feuer holen, dabei kann man sich leicht die Finger verbrennen. Na, ich habe mich einmal mit dieser Geschichte eingelassen, und so muß sie auch ausgepatscht werden. Komm, Junge; wir wollen gehen!“
Sie machten sich auf den Weg. Als sie ihr Ziel erreichten und von dem Mädchen eingelassen wurden, kam Margot ihnen entgegengeeilt. Aus ihrem schönen Gesicht leuchtete die Freude, und sie hielt die Arme erhoben, um den Geliebten zu umfangen; als sie aber den Alten erblickte, ließ sie dieselben wieder fallen.
„Na, na, nehmt euch immer beim Kopfe!“ sagte er. „Ich bin verschwiegen und rede es nicht aus!“
Sie wurde ob dieser gutmütigen derben Anrede sichtlich verlegen, und diese Verlegenheit steigerte sich, als Königsau ihr in seinem Begleiter den berühmten Feldmarschall vorstellte, von dessen Eigenschaften man sich so wunderbare Dinge erzählte.
Sie traten in den Salon. Blücher blickte forschend umher, und dann auf das Mädchen, klopfte dem Lieutenant auf die Achsel und sagte:
„Junge, ich bin zufrieden mit dir! Diese Margot ist ein verteufelt hübsches Kind. Weiß Gott, das Maul möchte einem wässerig werden, wenn man sie ansieht. Das wird eine Frau, mit der du dich nicht zu schämen brauchst!“
Königsau erfuhr, daß die Mutter sich leidlich wieder erholt habe und bald erscheinen werde. Als sie eintrat, sah sie allerdings noch angegriffen aus. Auch sie wunderte sich, daß Königsau nicht allein gekommen war; als sie aber hörte, wer der andere Besucher sei, flog es doch wie eine stolze Genugtuung über ihr Gesicht.
Das Gespräch erstreckte sich zunächst auf allgemeines und ging dann auf das gestrige Ereignis über. Blücher freute sich, daß die beiden Damen Deutsch verstanden, und unterhielt sich in einer Weise mit ihnen, als ob sie alte Freundinnen von ihm seien. So verging über eine Stunde, ohne daß er des eigentlichen Grundes seiner Anwesenheit gedacht hätte; er schien den rechten Anfang noch nicht gefunden zu haben.
Da klingelte es draußen. Man hörte, daß das Mädchen den Vorsaal öffnete und den Kommenden eintreten ließ. Es war der Baron de Reillac.
Er stutzte, als er die beiden Offiziere erblickte. Er hatte Blücher gesehen und kannte ihn also. Als er den Namen Königsau nennen hörte, wußte er sogleich, daß dieser der Offizier sei, welcher Albin Richemonte geohrfeigt hatte. Er fragte sich, was die beiden Herren hier wohl zu suchen hätten, und fand keine andere Erklärung, als die, daß sie eben dieser Angelegenheit wegen gekommen seien. Sie hatten den Kapitän nicht gefunden, und waren deshalb bei dessen Mutter eingetreten. So dachte er.
Blücher hingegen wußte beim Nennen des Namens des Franzosen sofort, daß es jener Baron sei, welcher sich den Besitz Margots erzwingen wollte; darum schenkte er ihm nicht die mindeste Beachtung und erwiderte nicht einmal seinen Gruß.
„Sie suchen den Kapitän Richemonte?“ fragte Reillac.
„Woraus schließen Sie das?“ fragte Königsau kalt.
„Aus Ihrer Anwesenheit, Monsieur.“
„Da irren Sie sich. Der Kapitän hat sich nicht geneigt erklärt, sich mit meiner Person zu beschäftigen. Meine Anwesenheit gilt den Damen.“
„Ah!“ rief der Franzose überrascht. „Sie kennen einander?“
„Wie Sie sehen.“
Da kam dem Baron ein Gedanke. Die Anwesenheit des Lieutenants galt jedenfalls mehr der Tochter als der Mutter. Hatte er etwa Absichten auf Margot? Eine fürchterliche Eifersucht erfaßte den Mann. Er wollte Gewißheit haben und fragte daher:
„Kennen Sie einander schon längere Zeit?“
„Interessieren Sie sich dafür?“ lächelte der Deutsche.
„Allerdings. Ich zähle mich zu den Freunden dieser Damen und nehme also teil an allem, was sie betrifft.“
„Nun, dann will ich Ihnen mitteilen, daß wir uns zwar erst seit kurzem kennen, daß ich aber die Überzeugung hege, daß unsere Bekanntschaft sehr lange dauern, ja, wie ich hoffe, nur mit dem Leben enden wird.“
Das war deutlich geantwortet. Der Deutsche hatte Absichten auf Margot, das wußte der Baron jetzt. Er nahm sich vor, ihm sofort alle Hoffnungen zu nehmen und sagte darum:
„Welcher Umstand berechtigt Sie zu dieser Überzeugung?“
Königsau warf ihm einen erstaunten Blick zu, zuckte die Achseln und antwortete:
„Mir scheint, Sie wollen mich examinieren!“
Der Baron ließ sich durch diese abweisende Frage nicht irre machen.
„Ein wenig“, antwortete er. „Das Wohl von Madame und Mademoiselle liegt mir zu sehr am Herzen, als daß es mir gleichgültig sein sollte, welche neue Bekanntschaft sie macht. Es ist da sehr notwendig, vorher zu prüfen.“
„Ah! Haben sie etwa die Absicht, mich zu beleidigen?“
„Nicht im geringsten.“
„Das wollte ich dem Kerl auch nicht geraten haben!“ rief da Blücher.
Er hatte, halb abgewendet, der Unterhaltung zugehört. Er ärgerte sich über die Zudringlichkeit des Franzosen und hielt es endlich für angemessen, auch ein Wort zu sagen.
Madame Richemonte blickte den Alten erschrocken an. Es wurde ihr angst. Sie befand sich in den Händen des Barons. Wurde dieser hier beleidigt, so ließ er es sie ganz sicher entgelten, ohne alle Rücksicht darauf, ob sie daran schuld sei oder nicht.
Auch der Baron warf einen raschen, aber mehr erstaunten, als erschrockenen Blick auf den Marschall. Er war reich, und der Reichtum pflegt ein gewisses Gefühl der Sicherheit, des Selbstvertrauens zu geben.
„Was meinen Exzellenz mit diesen Worten?“ fragte er rasch.
„Ich meine, daß Ihnen ein heiliges Donnerwetter auf den Hals fahren soll, wenn Sie fortfahren, solche unverschämten Fragen auszusprechen“, antwortete der Alte.
„Monsieur, ich bin ein Edelmann!“ rief der Franzose in fast drohendem Ton.
„Wie? Was?“ fragte Blücher, indem er sich erhob. „Moßieh nennen Sie mich? Moßieh! Donnerwetter, ich will Sie bei Moßieh! Ich bin der Feldmarschall von Blücher, Fürst von Wahlstatt, verstanden? Sie haben mich Exzellenz oder Durchlaucht zu nennen: mit Ihrem Moßieh aber bleiben Sie mir gefälligst ergebenst vom Leib! Moßieh, nein, da hört denn doch alles und verschiedenes auf! Sie selbst mögen Moßieh sein; die Franzosen mögen Moßieh sein, ich aber nicht! Und einen Edelmann nennen Sie sich? Ich sehe nichts davon, gar nichts. Wenn Sie Edelleute sehen wollen, so nehmen sie doch gefälligst einmal das Fernrohr, stecken Sie es sich in das Gesicht und gucken Sie uns beide an! Blüchers hat es gegeben schon zu Karl des Großen Zeiten, und die Königsau sind auch nicht jünger; Sie aber sind erst von Ihrem Napoleon adelig gequetscht worden; Sie sind noch warm und neubacken, daß die Butter davon herunterläuft. Geben Sie sich, um Gottes willen, nicht eher für einen Edelmann aus, als bis Sie gelernt haben, sich als ein solcher zu betragen! Ihre Meriten kennt man. Bei mir kommen Sie an den Rechten. Ihren ganzen Adel blase ich in die Luft; er ist keinen Dreier wert!“
Das kam alles so schnell und gewaltig unter dem grauen Schnurrbart des Alten hervor, daß an eine Unterbrechung oder gar Entgegnung nicht zu denken war.
Königsau lächelte still vor sich hin; auch Margot blieb ruhig. Frau Richemonte aber fürchtete den Baron, und daher schlug sie unwillkürlich die Hände zusammen. Sie befürchtete das Schlimmste. Der Baron war zunächst wie vom Donner gerührt. Die Wortflut des Marschalls drang so kräftig und mächtig auf ihn ein, daß an einen augenblicklichen Widerstand nicht zu denken war; als sie aber ihr Ende erreicht hatte, da fuhr er von seinem Sitz empor und sagte:
„Gut, ich will Sie Exzellenz nennen! Aber sagen Sie gefälligst, was Sie mit meinen Meriten meinen und mit den Worten, daß Sie mich kennen! Sie haben mich gegenwärtig auf die eklatanteste Weise beleidigt, und ich hoffe, daß Sie sich nicht weigern werden, mir volle Genugtuung zu geben!“
„Genugtuung?“ fragte Blücher mit blitzenden Augen. „Sind Sie verrückt? Sie sind Armeelieferant; das heißt, Sie haben der Armee das Schlachtvieh, die Ochsen und Schafe geliefert, und weil diese Ochsen mehr Knochen hatten als Fleisch, sind Sie ein reicher Mann geworden. Und weil diese Schafe Ihnen Ihre akademische Bildung mitgeteilt haben, hat Sie Napoleon mit dem Adelsbrief versehen. Nun machen Sie Familien unglücklich, weil Sie auf die Töchter spekulieren. Sie verführen die Väter und Söhne; Sie turbieren die Mütter und Töchter; Sie drohen mit Schuldhaft und anderem Elend, um eine Frau zu erhalten. Pfui Teufel! Und das nennt sich einen Edelmann! Das will Genugtuung von mir haben! Hören Sie, Moßieh, ja, Moßieh, und abermals Moßieh, ich werde Ihnen Genugtuung geben und geben lassen, aber nicht mit dem Säbel, sondern mit der Peitsche oder mit dem Stallbesen!“
Das war eine Szene, wie sie die Damen noch nicht erlebt hatten. Sie waren aufgesprungen, denn beide hielten es für unvermeidlich, daß die beiden Männer tätig gegeneinander werden würden. Auch Königsau hatte sich langsam erhoben und an die Seite des Marschalls gestellt, um nötigenfalls augenblicklich bei der Hand zu sein.
Der Baron war bleich wie der Tod geworden. Er erzitterte vor Grimm. Er hätte sich am liebsten auf Blücher stürzen mögen, aber die gewaltige Erscheinung des alten Kriegshelden machte doch einen solchen Eindruck auf ihn, daß es nicht dazu kam. Er fühlte sich nicht imstande, den Sprecher Lügen zu strafen; das verdoppelte seine Wut; er wagte nicht, dieselbe an den beiden Deutschen auszulassen, und darum wendete er sich als echter Feigling an die beiden Damen:
„Ah, Sie haben geplaudert!“ stieß er knirschend hervor.
„Ich nicht“, antwortete die Mutter ängstlich.
„Aber ich“, sagte Margot mutig.
„Zu wem?“
„Zu Herrn von Königsau.“
„Wann?“
„Gestern.“
„Ah! Sind Sie so vertraut mit ihm, daß Sie ihm bereits solche Geheimnisse mitteilen?“
„Danach hat der Kerl zwar den Teufel zu fragen“, fiel hier Blücher ein, „aber er soll dennoch eine Antwort haben, damit er nur sieht, daß er ganz umsonst im trüben gefischt hat.“ Und sich an den Franzosen wendend, fuhr er fort: „Ja, diese beiden Leutchen sind allerdings bereits sehr vertraut miteinander, nämlich so vertraut, daß ich gekommen bin, Madame Richemonte um ihr Jawort zu bitten.“
„Ah!“
Dieser Ruf des Erstaunens wurde von zweien ausgesprochen, nämlich von dem Baron und auch von Margots Mutter, welche von ihrer Tochter noch nicht erfahren hatte, was gestern abend zwischen ihr und Königsau vorgekommen war.
Der Baron blickte den Sprecher erstaunt an, so erstaunt, als ob er es gar nicht für möglich halte, daß er die Wahrheit gehört habe. Er fragte, zu Margot gewendet: „Sie werden eiligst zugeben, daß ich jetzt falsch gehört habe?“
„Papperlapapp!“ rief da Blücher. „Nichts wird zugegeben! Wer kann denn wissen, was der Mann gehört hat? Wissen wir denn, ob sich seine Ohren in Ordnung befinden? Aber sehen soll er doch, daß es mein Ernst ist. Komm, mein Sohn; nimm dein Mädchen bei der Hand, und höre, was ich eurer Mama sagen werde!“
Blücher faßte dabei Königsau und Margot an, legte ihr Hände ineinander, schob beide zur Mutter hin, stellte sich kerzengerade vor die letztere auf, machte ein Honneur, als ob er vor einem Landesherrn stehe und sagte:
„Madame – erstens haben sich diese beiden lieb; zweitens wollen sie sich heiraten, und drittens bitte ich um Ihr Jawort dazu. Wer etwas dawider hat, der mag es mir sagen; ich werde ihn bei der Parabel nehmen, daß er die lieben Engel im Himmel geigen und pfeifen hören soll!“
Diese Werbung kam Frau Richemonte so unerwartet, daß sie für den Augenblick gar keine Antwort fand. Sie hätte jedoch auch gar keine Zeit dazu gehabt, sie zu geben, denn ehe sie nur sprechen konnte, trat der Baron näher und sagte:
„Ich sehe, daß man hier Komödie spielen will; da ich meine Rolle nicht erst auswendig zu lernen brauche, so halte ich es nicht für nötig, den stummen Zuschauer abzugeben. Madame, ich ersuche Sie, Ihre Entscheidung zurückzuhalten, bis auch ich gesprochen habe!“
Er griff in die Tasche, zog ein Portefeuille hervor, öffnete dasselbe, nahm einige Papiere heraus und hielt sie Frau Richemonte entgegen. Dann fuhr er höhnisch fort:
„Madame, ich gebe mir die Ehre, Ihnen diese Wechsel zur Zahlung zu präsentieren. Wird die Summe nicht augenblicklich entrichtet, so wandern Sie ins Schuldgefängnis.“
„Mein Gott!“ rief die geängstigte Frau. „Das kommt alles so plötzlich über mich; ich weiß ja gar nicht, was ich tun oder sagen soll!“
„Sie brauchen gar nichts zu sagen oder zu tun, als nur zu zahlen“, sagte der Baron.
„Schurke!“ meinte der Marschall.
„Gilt dies etwa mir?“ fragte der Baron.
„Ja, Moßieh, wem sonst?“ antwortete Blücher. „Es befindet sich außer Ihnen ja kein Schurke hier.“
„Darüber werden wir später sprechen“, lachte der Franzose verlegen. „Jetzt aber will ich Zahlung haben.“
„Die werden Sie erhalten“, antwortete Königsau.
Er streckte die Hand nach den Papieren aus, der Baron zog sie jedoch schnell zurück, blickte ihn höhnisch an und fragte:
„Wollen Sie vielleicht für Madame zahlen?“
„Ich hoffe, daß Madame mir gestattet, ihr den Betrag zur Verfügung zu stellen!“
Der Baron stieß ein lautes Lachen aus und rief:
„Das ist lustig! Ahnen Sie, wie hoch sich die Summe beläuft?“
„Einhundertfünfzigtausend Franken“, antwortete der Deutsche gleichmütig.
„Allerdings. Sie scheinen von Mademoiselle sehr genau unterrichtet worden zu sein. Aber wissen Sie auch, daß der Betrag augenblicklich bezahlt werden muß?“
„Er steht zur Verfügung!“
Bei diesen Worten griff Königsau in die Tasche, zog sein Portefeuille hervor, entnahm demselben ein Paket Banknoten und legte es auf den Tisch. Der Baron trat hinzu, öffnete dasselbe und zählte. Sein Gesicht verfinsterte sich. Er hatte geglaubt, einen Haupttreffer zu machen, und fühlte sich jetzt so ganz und gar unerwartet aus seiner bisher für so vorteilhaft gehaltenen Position herausgedrängt.
„Einhundertundfünfzigtausend Franken“, sagte er langsam; „es stimmt!“
„Nun also, so nehmen Sie das Geld und verduften Sie sich!“ sagte Blücher.
Diese Worte riefen den ganzen Widerstand des Barons wach.
„Verduften?“ meinte er. „Exzellenz gebrauchen Ausdrücke, welche unter gebildeten Leuten sonst nicht gebräuchlich sind!“
„Da haben Sie recht“, meinte der Marschall ruhig; „aber glauben Sie etwa, daß es mir einfällt, Sie unter die Gebildeten zu rechnen? Sie stehen zu mir in einem solchen Rang, wie zum Beispiel früher Ihre Schafe und Ochsen zu Ihnen gestanden haben. Für Sie paßt kein Wort besser als verduften, und ich hoffe, daß Sie es sofort befolgen!“
„Sie werden mir doch erlauben müssen, noch etwas länger zu bleiben. Ich habe nämlich diesen Damen zu sagen, daß ich noch Papiere ihres Sohnes in den Händen habe, und daß ich sie ihm präsentieren werde. Kann er nicht zahlen, so –“
„So tun Sie mit ihm, was Ihnen beliebt. Nicht wahr, Mama?“ fiel Margot ein.
„Ich habe keine Veranlassung, ihn zu bedauern“, antwortete die Gefragte.
„Da hören Sie!“ sagte Blücher zum Baron. „Geben sie die Wechsel her!“
„Nur dann, wenn ich das Geld von Madame selbst erhalte“, antwortete dieser. „Noch weiß ich ja nicht, ob sie gewillt ist, diese Summe von dem Herrn Lieutenant anzunehmen.“
Er spielte jetzt seine letzte Karte aus, obwohl er recht gut einsah, daß sein Spiel verloren sei. Die Mutter wendete sich an Königsau:
„Sie sehen mich von allem, was ich heute höre und erfahre, im höchsten Grad überrascht, Herr Lieutenant“, sagte sie. „Seine Exzellenz bittet mich um die Hand meiner Tochter für Sie. Ich hätte das für unmöglich gehalten, denn ich weiß ja, welch eine kurze Zeit Sie sich erst kennen.“
Da legte Königsau den Arm um Margot und sagte:
„Madame, die Liebe fragt nie nach der Zeit; sie kommt, sie ist da, plötzlich, vollständig und allmächtig; man kann ihr nicht widerstehen. Ich habe erkannt, daß Margot mein Herz, mein ganzes Leben gehört. Sie ist Ihr bestes, Ihr einziges Gut, Madame; ich komme nicht, es Ihnen zu rauben, sondern es soll Ihnen gehören für immerdar; nur sollen Sie zu der Tochter noch einen Sohn nehmen, dessen größte Aufgabe es sein wird, Sie beide glücklich zu machen.“
„Und du, Margot, du liebst ihn wirklich?“ fragte die Mutter ihre Tochter.
„Oh, wie sehr, Mama“, antwortete diese, indem sie den Geliebten innig umarmte. „Er hat sein ganzes Vermögen geopfert, um uns zu retten!“
„Dann kann ich die Summe nicht annehmen“, sagte die Mutter.
„Du irrst, Margot“, fiel Königsau ein. „Ich habe kein Opfer zu bringen; ich brauche meine Besitzung nicht zu verkaufen, wie ich noch gestern für nötig hielt. Ich werde dir später erzählen, wie ich in den Besitz dieser Summe gekommen bin; aber Exzellenz wird mir beistimmen, daß Mama alles nehmen kann, ohne mir den mindesten Schaden oder Verlust zuzufügen.“
„Ja, das bestätige ich“, sagte der Fürst. „Dieser verteufelte Junge ist zu dem Geld gekommen wie Adam zur Eva, nämlich geradezu im Schlaf. Er kann es verschenken, oder zum Fenster hinauswerfen, ganz wie es ihm gefällig ist und ohne daß er sich dann eine Entbehrung aufzulegen braucht.“
„Aber eine solche Summe, Herr Lieutenant!“ sagte sie. „Ich muß Ihnen sagen, daß es mir unmöglich sein wird, sie Ihnen zurückzuerstatten.“
„Diese Summe hat für mich ja nicht den Wert, welchen ich auf ihre Freundschaft lege“, antwortete Königsau. „Wenn Sie die Güte haben wollen, unsere Liebe zu billigen, so erhalte ich von Ihnen ein Glück, welches ich für Millionen nicht verkaufen möchte. Ich bleibe also Ihr Schuldner und bitte Sie von ganzem Herzen, mit dem, was ich Ihnen so herzlich gern biete, Ihren Gläubiger zu befriedigen und sich von der Sorge zu befreien, welche Ihnen bisher das Leben in so arger Weise verbittert hat.“
Da reichte sie ihm die Hand und sagte, mit Tränen der Rührung und Freude in den Augen:
„Sie sind ein edler Mann, Herr von Königsau, und es wäre eine große Undankbarkeit von mir, Sie dadurch zu betrüben, daß ich Ihr Anerbieten zurückweise. Ich nehme es also an und lege Ihnen dafür mein liebes, mein einziges Kind an das Herz. Gott segne Sie und lasse Sie das Glück finden, welches ich täglich für Sie von ihm erbitten werde. Ich werde Ihnen, da Sie keine Eltern mehr haben, eine treue Mutter sein und mich reich fühlen, neben der Tochter einen Sohn zu besitzen, wie Sie es sind.“
Sie legte die Hände der beiden zusammen und segnete sie. Margot umschlang sie innig und vergoß Tränen des Glücks, Königsau fühlte, daß er heute eine Seligkeit erobert habe, wie sie größer auf Erden nicht geboten werden kann; Blücher aber sagte:
„Kinder, nehmt auch meinen Segen; er wird vielleicht nicht viel wert sein, aber Schaden kann er euch wohl auch nicht bringen. Sie aber, Moßieh Edelmann, haben nun gesehen, wie ihre Angelegenheit steht. Sie sind überflüssig. Nehmen Sie das Geld, geben Sie die Wechsel heraus, und dann verschwinden Sie hinter den Kulissen, sonst passiert etwas, was Ihnen schon längst hätte passieren sollen.“
Die Augen des Barons funkelten vor Grimm. Er steckte das Geld zu sich und sagte:
„Ah, Sie glauben, gesiegt zu haben? Sehen Sie sich vor, daß Sie sich nicht irren. Was ich einmal erlangen will, das pflege ich nicht so leicht aufzugeben. Noch ist Margot nicht die Frau eines Deutschen. Man wird sehen, was die Zukunft bringt.“
„Was, du willst noch drohen!“ rief Blücher, indem er auf ihn zutrat. „Trappe schleunigst ab, sonst zeige ich dir das Loch, Moßieh Schurke!“
Der Franzose warf die Wechsel wütend in die Stube und ging. Er sah ein, daß gegenwärtig nichts mehr zu tun sei, aber er nahm sich vor, das Spiel noch nicht aufzugeben. Als er die Treppe hinabstieg, kam ein anderer dieselbe herauf. Es war der Kapitän, Margots Stiefbruder.
„Ah, Sie hier, Baron?“ fragte der letztere. „Wollen Sie zu mir?“
„Ich war bei Ihrer Mutter“, lautete die Antwort.
Die Worte wurden wie atemlos und in einem Ton gesprochen, welcher dem Kapitän auffallen mußte; darum fragte er:
„Was haben Sie? Ist Ihnen etwas Unangenehmes begegnet?“
„Nein, o nein, sondern im Gegenteil etwas sehr Angenehmes!“
„Was? Sie sind ja ganz und gar echauffiert.“
„Ihre Mutter hat mich bezahlt.“
„Bezahlt?“ meinte Richemonte erstaunt. „Unmöglich!“
„Nicht möglich, sondern wirklich. Ich habe soeben mein Geld erhalten.“
„Alles?“
„Alles!“
„Sie foppen mich! Woher will Mutter hundertundfünfzigtausend Franken nehmen?“
„Von dem Liebhaber ihrer Tochter.“
„Unsinn! Margot hat keinen Liebhaber.“
„Gehen Sie hinein, wenn Sie Lust haben, ihre Verlobung zu feiern!“
Der Kapitän blickte den anderen forschend an.
„Wie kommen Sie mir vor, Baron“, sagte er. „Verlobung? Sie sind doch nicht krank oder verrückt, sonst würde ich denken, daß Sie entweder im Fieber oder im Wahnsinn sprechen!“
„Ich bin auch im Fieber, aber im Fieber des Grimms und der Wut. Ich phantasiere trotzdem nicht, denn es ist die volle Wahrheit, daß Margot soeben verlobt worden ist.“
„Ah! Welch eine Nachricht! Verlobt, ohne mich! Mit wem denn?“
„Sie werden sich unendlich freuen, wenn Sie es hören. Raten Sie, Kapitän.“
„Pah, treiben wir keine Narrenspossen! Wer ist der Kerl?“
„Ein guter Bekannter von Ihnen.“
„Den Namen! Rasch!“
„Den kennen Sie bereits. Der Mann steht Ihnen sehr nahe, denn seine Hand ist bereits mit Ihren Wangen in eine sehr intime Berührung gekommen.“
Da stutzte der Kapitän.
„Sie wollen doch nicht sagen –“, meinte er. „Sprechen Sie von jenem Deutschen?“
„Ja.“
„Von dem Lieutenant von Königsau?“
„Ja.“
„Dieser Mensch ist bei meiner Mutter?“
„Versteht sich.“
„Er kennt Margot?“
„Er hat soeben um ihre Hand angehalten, und Ihre Mutter hat ihm das Jawort gegeben.“
Da fuhr der Kapitän zurück, als ob er ein Gespenst gesehen habe.
„Baron, Sie befinden sich dennoch im Delirium!“ rief er.
„Oh, ich bin im Gegenteil sehr bei Verstand. Sehen Sie sich die Szene doch selbst an!“
„Donnerwetter, Sie reden also doch die Wahrheit? Da muß ich allerdings schleunigst dazwischenplatzen wie eine Bombe. Ein jeder soll meine Schwester bekommen, nur dieser Mensch nicht! Er soll mir Rechenschaft geben, auf welche Weise er sie überlistet hat!“
„Sehr einfach! Er hat ihr das Geld gegeben, mich zu bezahlen.“
„Ah, von ihm ist es?“
„Von ihm.“
„So gehe ich gleich zu Mama. Hier ist mein Schlüssel, Baron. Treten Sie einstweilen bei mir ein; warten Sie auf mich. Ich bin überzeugt, daß ich Ihnen die Nachricht bringen werde, diesen Deutschen zur Treppe hinabgeworfen zu haben.“