VIERUNDZWANZIG
Christian steht vor einem Stahlkäfig. Er trägt seine zerschlissenen Jeans, sein Oberkörper und seine Füße sind nackt, und er starrt mich an. Bewundernd lasse ich den Blick über seinen Körper wandern. Dieses typisch amüsierte Grinsen spielt um seinen wunderschönen Mund, seine Augen schimmern wie flüssiger Stahl. In der Hand hält er eine Schale Erdbeeren. Anmutig schlendert er vor den Käfig und sieht mich eindringlich an, dann nimmt er eine dicke, reife Erdbeere und streckt die Hand durch die Gitterstäbe.
»Iss«, sagt er. Das Wort fließt mit sinnlicher Langsamkeit über seine Zunge, seine Lippen.
Ich versuche, die Erdbeere zu erreichen, doch ich kann mich nicht bewegen. Meine Hände sind mit irgendetwas gefesselt, das mich daran hindert, zu Christian zu gelangen. Loslassen!
»Komm, iss«, lockt er. Dieses verführerische Lächeln spielt um seine Mundwinkel.
Ich ziehe und zerre … loslassen! Am liebsten würde ich schreien, doch kein Laut dringt aus meiner Kehle. Ich bin stumm. Er beugt sich etwas weiter vor, so dass die Erdbeere meine Lippen berührt.
»Iss, Anastasia.« Seine Lippen liebkosen genüsslich jede einzelne Silbe meines Namens.
Ich öffne den Mund und beiße zu. Mit einem Mal ist der Käfig verschwunden, meine Hände sind frei. Ich strecke sie aus, will durch sein Brusthaar streichen.
»Anastasia.«
Nein. Ich stöhne.
»Komm schon, Baby.«
Nein. Ich will dich anfassen.
»Wach auf.«
Nein. Bitte. Für den Bruchteil einer Sekunde heben sich meine Lider, ohne dass ich es will. Ich liege im Bett. Jemand knabbert an meinem Ohrläppchen.
»Wach auf, Baby«, flüstert er. Seine Stimme durchströmt mich wie warmer, geschmolzener Karamell.
Es ist Christian. Draußen ist es noch dunkel, und die Bilder aus meinem Traum, erotisch und verwirrend zugleich, lassen mich nicht los.
»Nein«, stöhne ich. Ich will wieder zurück, zu seiner Brust, zu meinem Traum. Wieso weckt er mich? Es ist mitten in der Nacht. Zumindest fühlt es sich so an. Mist. Will er etwa Sex – jetzt?
»Zeit aufzustehen, Baby. Ich mache jetzt das Licht auf dem Nachttisch an.«
»Nein«, stöhne ich erneut.
»Ich will die Dämmerung mit dir verjagen«, sagt er und bedeckt mein Gesicht mit Küssen, meine Lider, meine Nasenspitze, meine Lippen. Ich schlage die Augen auf. Die Nachttischlampe brennt. »Guten Morgen, meine Schöne«, sagt er.
Abermals entfährt mir ein Stöhnen.
Er grinst. »Du bist nicht gerade ein Morgenmensch, was?«
Ich blinzle gegen das Licht an. Christians Gesicht schwebt über mir. Belustigt. Er amüsiert sich über mich. Und er ist angezogen. Ganz in Schwarz.
»Ich dachte schon, du willst Sex«, knurre ich.
»Ich will immer Sex mit dir, Anastasia. Und es wärmt mir das Herz, dass es dir offenbar ebenfalls so geht«, gibt er trocken zurück.
Allmählich gewöhnen sich meine Augen an die Helligkeit. Er scheint immer noch belustigt zu sein – Gott sei Dank.
»Natürlich geht es mir genauso. Aber nicht so spät.«
»Es ist nicht spät, sondern früh. Los, komm schon, steh auf. Wir müssen los. Den Sex vertagen wir auf später.«
»Ich habe gerade so schön geträumt«, jammere ich.
»Wovon denn?«, fragt er geduldig.
»Von dir.« Ich werde rot.
»Und was habe ich diesmal getan?«
»Du hast versucht, mich mit Erdbeeren zu füttern.«
Der Anflug eines Lächelns erscheint auf seinem Gesicht. »Dr. Flynn wäre außer sich vor Begeisterung, wenn er das hören würde. Los jetzt, zieh dich an. Die Dusche kannst du dir schenken, das können wir später nachholen.«
Wir!
Ich setze mich auf. Das Laken rutscht herunter und entblößt meine Brüste. Er steht auf. Seine Augen sind dunkel vor Begierde.
»Wie spät ist es?«
»Halb sechs.«
»Für mich fühlt es sich wie drei Uhr morgens an.«
»Die Zeit drängt. Ich habe dich so lange wie möglich schlafen lassen. Komm.«
»Kann ich nicht zuerst duschen?«
Er seufzt. »Wenn du jetzt duschen gehst, will ich mitkommen, und wir wissen beide, wie das endet – damit, dass wir den Tag vergessen können. Komm jetzt.«
Er ist völlig außer Rand und Band, wie ein kleiner Junge, der vor Aufregung und Vorfreude beinahe platzt. Ich muss lächeln.
»Was machen wir überhaupt?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich eine Überraschung für dich habe.«
»Okay.« Ich stehe auf und mache mich auf die Suche nach meinen Sachen. Natürlich liegen sie ordentlich zusammengefaltet auf einem Stuhl neben dem Bett. Er hat auch Boxershorts aus Jersey danebengelegt – Ralph Lauren. Ich ziehe sie an, und er grinst. Hm. Noch ein weiteres Stück aus Christians Unterwäscheschrank – eine Trophäe für meine Sammlung, zu der bereits der Audi, der BlackBerry, der Mac, sein schwarzes Jackett und drei Bände einer seltenen Erstausgabe gehören. Beim Gedanken an seine Großzügigkeit kann ich nur den Kopf schütteln. In diesem Moment kommt mir eine Szene aus Tess in den Sinn: die Erdbeer-Szene. Sie hat offenbar meinen Traum ausgelöst. Pfeif auf Dr. Flynn – Freud wäre außer sich vor Begeisterung. Und am Ende würde er sich vermutlich für den Rest seiner Tage an Christian die Zähne ausbeißen.
»Ich lasse dich jetzt eine Weile allein«, sagt er und verzieht sich ins Wohnzimmer, während ich ins Badezimmer gehe, um mir wenigstens das Gesicht zu waschen. Sieben Minuten später stehe ich mit gekämmtem Haar, geputzten Zähnen, in Jeans, meinem neuen Top und Christians Unterhose im Wohnzimmer. Christian sitzt an dem kleinen Esstisch und sieht von seinem Frühstück auf. Frühstück! Um diese Uhrzeit! Großer Gott!
»Iss«, sagt er.
O Gott. Mein Traum. Ich starre ihn an und muss an seine Zunge denken. Seine geschickte Zunge, die nur allzu genau weiß, was sie tut.
»Anastasia«, sagt er streng und reißt mich aus meiner Trance.
Es ist noch viel zu früh für mich. Aber wie soll ich ihm das klarmachen?
»Ich möchte nur ein bisschen Tee. Kann ich mir ein Croissant für später mitnehmen?«
Er beäugt mich misstrauisch. Ich setze mein hinreißendstes Lächeln auf.
»Verdirb mir nicht die Laune, Anastasia«, warnt er leise.
»Ich werde später etwas essen, wenn mein Magen wach ist. Gegen halb acht … okay?«
»Okay.«
Es kostet mich gewaltige Mühe, ihm keine Grimasse zu schneiden.
»Am liebsten würde ich jetzt die Augen verdrehen.«
»Tu’s ruhig. Du würdest mir eine Riesenfreude damit bereiten«, erwidert er streng.
Ich blicke gen Zimmerdecke.
»Eine kleine Runde über dem Knie würde mich bestimmt aufwecken.« Ich schürze die Lippen, als würde ich ernsthaft darüber nachdenken.
Christian bleibt der Mund offen stehen.
»Andererseits will ich nicht, dass dir allzu heiß wird und du dich überanstrengst. Schließlich bist du nicht an die Hitze hier unten gewöhnt.« Mit gespielter Lässigkeit habe ich die Achseln.
Christian klappt den Mund zu und bemüht sich um eine finstere Miene, was ihm jedoch kläglich misslingt. Ich sehe die Belustigung in seinen Augen glitzern.
»Sie schaffen es doch immer wieder, mich an meine Grenzen zu bringen, Miss Steele. Und jetzt trink deinen Tee.«
Ich registriere das Twinings-Schildchen, das aus der Kanne hängt, und juble innerlich. Du bedeutest ihm also doch etwas, sagt mein Unterbewusstsein. Ich setze mich und betrachte ihn. Wie schön er ist. Werde ich mich jemals an ihm sattsehen können?
Beim Hinausgehen wirft Christian mir ein Sweatshirt zu.
»Hier, das wirst du brauchen.«
Ich sehe ihn verwirrt an.
»Vertrau mir.« Grinsend drückt er mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund, nimmt mich bei der Hand und zieht mich hinter sich her nach draußen.
In der relativen Kühle vor der Morgendämmerung reicht der Hoteldiener Christian die Schlüssel zu einem schicken Sportcabrio. Ich hebe viel sagend eine Braue.
»Manchmal macht es einfach Spaß, Christian Grey zu sein«, sagt er mit einem verschwörerischen, wenn auch leicht blasierten Grinsen, das ich nur erwidern kann – er ist unwiderstehlich, wenn er so sorglos und unbeschwert ist. Mit einem übertriebenen Diener hält er mir die Tür auf. Ich kann über seine gute Laune nur staunen.
»Wohin fahren wir überhaupt?«
»Das wirst du schon sehen.« Grinsend lässt er den Wagen an und fährt auf den Savannah Parkway. Er programmiert das GPS und betätigt einen Knopf am Lenkrad, woraufhin Orchesterklänge das Wageninnere erfüllen.
»Was ist das?«, frage ich, als uns die liebliche Süße von hundert Geigen umschmeichelt.
»Das ist aus La Traviata, einer Oper von Verdi.«
Es ist wunderschön.
»La Traviata? Davon habe ich schon mal irgendwo gehört, allerdings weiß ich nicht, wo. Was bedeutet es?«
Christian wirft mir einen Blick zu. »Na ja, wörtlich übersetzt heißt es ›die vom rechten Weg abgekommene Frau‹. Die Geschichte basiert auf Alexandre Dumas’ Roman Die Kameliendame .«
»Ah. Den habe ich gelesen.«
»Das dachte ich mir fast.«
»Die dem Untergang geweihte Kurtisane.« Ich verlagere unbehaglich mein Gewicht auf dem Sitz. Versucht er, mir irgendetwas damit zu sagen? »Eine ziemlich deprimierende Geschichte«, füge ich leise hinzu.
»Zu deprimierend? Willst du lieber etwas anderes hören? Ich habe meinen iPod dabei.« Wieder spielt dieses geheimnisvolle Lächeln um seine Lippen.
Ich kann seinen iPod nirgends entdecken. Er tippt auf den Bildschirm im Armaturenbrett vor uns – und siehe da, eine Playlist erscheint.
»Such dir etwas aus.« Seine Mundwinkel zucken.
Das ist ein Test.
Christians iPod. Das könnte interessant werden. Ich scrolle den Touchscreen hinunter, bis ich den perfekten Song gefunden habe, und drücke auf »Play«. Ich hätte nicht gedacht, dass er gern Britney Spears hört. Die Clubmix-Techno-Klänge dröhnen aus den Boxen. Christian dreht die Lautstärke herunter. Vielleicht ist es ja noch ein bisschen früh. Britney ist jedenfalls in Hochform.
»Toxic, ja?« Christian grinst.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, erwidere ich mit Unschuldsmiene.
Er dreht die Lautstärke noch ein wenig herunter, während ich mir innerlich auf die Schulter klopfe. Meine innere Göttin steht bereits auf dem obersten Podest und wartet darauf, die Goldmedaille umgehängt zu bekommen. Er hat die Musik heruntergedreht. Sieg!
»Ich habe diesen Song nicht auf meinen iPod geladen«, erklärt er beiläufig und tritt das Gaspedal durch, so dass ich in meinen Sitz gepresst werde.
Was? Das hat er mit Absicht getan, dieser elende Mistkerl. Wer war es dann? Und ich darf mir jetzt endlos Britneys Gedudel anhören. Wer dann? Wer?
Endlich ist der Song vorüber, und Damien Rices traurige Stimme erklingt. Wer? Wer? Ich starre aus dem Fenster. Mein Magen verkrampft sich. Wer?
»Es war Leila«, sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Wie macht er das bloß?
»Leila?«
»Eine Ex. Sie hat den Song auf meinen iPod geladen.«
Damien klagt im Hintergrund sein Leid, während ich wie erstarrt dasitze. Eine Ex … Exsub? Exwas?
»Eine von den fünfzehn?«
»Ja.«
»Was ist aus ihr geworden?«
»Wir haben Schluss gemacht.«
»Wieso?«
Oje, es ist noch viel zu früh für so ein Gespräch. Aber er wirkt so entspannt, beinahe glücklich und, was noch viel wichtiger ist, redselig.
»Sie wollte mehr.« Seine Stimme ist leise, fast so, als würde er zu sich selbst sprechen. Der Satz hängt zwischen uns, und wieder ist es dieses kurze gewichtige Wort, das im Raum steht.
»Aber du nicht?«, frage ich, bevor ich die Schranke zwischen Gehirn und Mund herunterlassen kann. Scheiße. Will ich das wirklich wissen?
Er schüttelt den Kopf. »Bis ich dir begegnet bin, wollte ich nie mehr.«
Ich schnappe nach Luft. Ist es nicht genau das, was ich mir die ganze Zeit gewünscht habe? Er will mehr. Er will es also auch! Meine innere Göttin hat einen Rückwärtssalto vom Podest gemacht und arbeitet sich Rad schlagend quer durchs Stadion. Er will es auch!
»Und was ist aus den anderen vierzehn geworden?«, frage ich.
Er ist in Redelaune, das muss ich ausnutzen.
»Willst du eine Liste haben? Geschieden, geköpft, gestorben?«
»Du bist nicht Heinrich VIII.«
»Okay. Abgesehen von Elena hatte ich nur vier längere Beziehungen.«
»Elena?«
»Mrs. Robinson für dich.« Wieder erscheint dieses Grinsen auf seinem Gesicht, als amüsiere er sich innerlich über etwas.
Elena! Scheiße. Damit hat das Böse einen Namen, und noch dazu einen, der überaus exotisch klingt. Ein atemberaubender Vamp mit bleicher Haut, rabenschwarzem Haar und rubinroten Lippen taucht vor meinem inneren Auge auf. Sie muss eine Schönheit sein. Denk nicht darüber nach. Nicht darüber nachdenken.
»Und was ist mit den vier passiert?«, frage ich, um mich abzulenken.
»So neugierig, Miss Steele«, tadelt er scherzhaft.
»Ja. Mr. Wann-bekommst-du-deine-Periode.«
»Ein Mann muss über solche Dinge Bescheid wissen, Anastasia.«
»Ach ja?«
»Ich schon.«
»Wieso?«
»Weil ich nicht will, dass du schwanger wirst.«
»Das will ich auch nicht. Zumindest während der nächsten paar Jahre nicht.«
Christian blinzelt erschrocken, dann entspannt er sich sichtlich. Okay. Christian will also keine Kinder. Überhaupt keine oder nur jetzt im Moment nicht? Dieser unvorhergesehene Anfall von Offenheit ist neu für mich und bringt mich ein wenig aus dem Konzept. Vielleicht liegt es ja an der frühen Tageszeit. Oder ist irgendetwas im hiesigen Trinkwasser? Oder in der Luft? Was will ich sonst noch von ihm wissen? Ich muss die Gunst der Stunde nutzen.
»Wir waren bei den vier anderen. Was ist mit ihnen passiert?«
»Eine hat sich in jemand anderen verliebt. Und die anderen drei wollten … mehr. Aber ich war nicht bereit dafür.«
»Und der Rest?«, bohre ich nach.
»Es hat eben nicht funktioniert.«
Du meine Güte, das ist ja eine ganze Wagenladung an Informationen. Ich werfe einen Blick in den Außenspiegel und sehe, wie sich der Horizont in weichen Rosa- und Aquamarintönen zu färben beginnt. Die Dämmerung ist uns auf den Fersen.
»Wohin fahren wir?« Vor uns erstreckt sich die Interstate 95. Wir fahren in südliche Richtung, mehr weiß ich nicht.
»Zu einem Flugplatz.«
»Aber wir fliegen doch nicht nach Seattle zurück, oder?«, frage ich erschrocken. Ich habe mich nicht einmal von meiner Mutter verabschiedet. Außerdem erwartet sie uns heute zum Abendessen. Er lacht. »Nein, Anastasia. Jetzt werden wir meiner zweitliebsten Freizeitbeschäftigung nachgehen.«
»Zweitliebste?«
»Ja. Meine liebste habe ich dir ja heute Morgen schon verraten.«
Mein Blick gleitet über sein atemberaubendes Profil, während ich mir das Hirn zermartere.
»Mich mit Ihnen zu vergnügen, Miss Steele. Das steht ganz oben auf meiner Liste. Auf jede erdenkliche Art und Weise.«
Oh.
»Das hat auf der Liste meiner perversen Freizeitbeschäftigungen auch einen der obersten Plätze«, murmle ich und werde rot.
»Freut mich zu hören.«
»Wir fahren also zu einem Flugplatz?«
Er grinst. »Wir gehen segelfliegen.«
Ich erinnere mich, dass er schon einmal von seiner Leidenschaft gesprochen hat.
»Wir werden die Dämmerung verjagen, Anastasia.« Er wendet sich mir zu, während die Stimme aus dem GPS eindringlich mahnt, nach rechts abzubiegen. Schließlich hält er vor einem großen weißen Industriegebäude mit einem Schild: BRUNS-WICK SEGELFLUGSCHULE.
»Bist du bereit?«, fragt er und stellt den Motor aus.
»Und du fliegst?«
»Ja.«
»Ja! Bitte«, sage ich, ohne eine Sekunde zu zögern. Grinsend beugt er sich herüber und küsst mich.
»Noch eine Premiere, Miss Steele«, sagt er und steigt aus dem Wagen.
Premiere? Was für eine Premiere? Dass er zum ersten Mal selbst ein Segelflugzeug fliegt? Das kann nicht sein. Er hat erwähnt, dass er es schon früher getan hat. Er tritt um den Wagen herum und öffnet mir die Tür. Mittlerweile hat der Horizont eine beigegraue Färbung angenommen, mit vereinzelten, wie von Kinderhand gezeichneten Wölkchen. Nicht mehr lange bis Tagesanbruch.
Christian nimmt meine Hand und führt mich um das Gebäude herum zu einem breiten, asphaltierten Rollfeld, auf dem diverse Flugzeuge stehen. Neben einem von ihnen warten Taylor und ein wild aussehender Typ mit kahl rasiertem Schädel.
Taylor! Macht Christian eigentlich irgendeinen Schritt ohne ihn? Ich strahle ihn an, woraufhin er freundlich lächelt.
»Mr. Grey, das ist Mark Benson, der Pilot Ihres Schleppflugzeugs«, stellt Taylor den Kahlköpfigen vor. Christian und Benson schütteln einander die Hand und beginnen, über Wind, Flugrichtungen und andere technische Details zu fachsimpeln.
»Hallo, Taylor«, sage ich schüchtern.
»Miss Steele.« Er nickt mir zu. »Ana«, korrigiert er sich. »Er war in den letzten Tagen nur schwer zu ertragen. Bloß gut, dass wir endlich hier sind«, sagt er mit Verschwörermiene.
Ach ja? Wieso? Wohl kaum meinetwegen! Das sind ja ganz neue Töne. Heute ist offenbar der Tag der großen Enthüllungen. Scheinbar ist tatsächlich irgendetwas im Trinkwasser von Savannah, das die Männer redselig macht.
»Komm, Anastasia.« Christian streckt die Hand nach mir aus.
»Bis dann.« Ich lächle Taylor zu, der zackig salutiert, ehe er sich auf den Weg zurück zum Parkplatz macht.
»Mr. Benson, das ist meine Freundin, Anastasia Steele.«
»Freut mich«, sage ich und gebe ihm die Hand.
Benson strahlt mich an. »Gleichfalls«, sagt er mit einem unüberhörbar britischen Akzent.
Ich spüre, wie ich ganz aufgeregt werde. Segelfliegen! Wow. Wir folgen Mark Benson zur Startbahn, während die Männer sich weiter unterhalten. Nach allem, was ich heraushöre, werden wir mit einer Blanik L-23 fliegen, die offenbar mehr taugt als die L-13, obwohl man darüber geteilter Meinung sein kann. Benson wird uns mit einer Piper Pawnee auf Flughöhe schleppen.
Er fliegt seit fünf Jahren Spornradflugzeuge. Für mich sind all das böhmische Dörfer, aber Christian so zu sehen, unübersehbar voll in seinem Element, ist eine wahre Freude.
Das Flugzeug selbst ist schnittig, mit orangefarbenen Streifen an der Seite; es besitzt ein Cockpit mit zwei hintereinander angeordneten Sitzen und ist mit einem weißen Kabel mit einer Ein-Propeller-Maschine verbunden. Benson klappt eine große Plexiglaskuppel auf und tritt beiseite, um uns ins Cockpit steigen zu lassen.
»Als Erstes müssen wir den Fallschirm anlegen«, sagt er.
Fallschirm!
»Das übernehme ich.« Christian nimmt ihm das Geschirr aus der Hand.
»Ist ja schließlich deine Lieblingsbeschäftigung«, bemerke ich trocken.
»Du hast ja keine Ahnung, wie gern ich das tue. Du musst einfach nur reinsteigen.«
Eine Hand auf seine Schulter gestützt, trete ich zwischen die Gurte, woraufhin er den Fallschirm nach oben zieht, so dass ich sie mir über die Schultern streifen kann. Beherzt lässt er die Verschlüsse einrasten und zieht die Gurte stramm.
»So«, sagt er sanft, doch das Funkeln in seinen Augen lässt keinen Zweifel daran, was hinter seiner Stirn vorgeht. »Hast du deinen Haargummi noch?«
Ich nicke.
»Soll ich sie zusammenbinden?«
»Ja.«
Eilig gehorche ich.
»Gut. Und jetzt rein mit dir«, erklärt er im Befehlston.
Ich mache Anstalten, auf den hinteren Sitz zu klettern.
»Nein, auf den vorderen. Der Pilot sitzt hinten.«
»Aber kannst du so überhaupt etwas sehen?«
»Mehr als genug.« Er grinst.
Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals so glücklich gesehen zu haben – trotz seines Befehlstons. Ich klettere in die Maschine und lasse mich in den weichen Ledersitz sinken, der sich als erstaunlich bequem entpuppt. Christian beugt sich über mich, zieht das Geschirr über meine Schultern, dann greift er zwischen meine Beine, um den unteren Teil des Gurts herauszuziehen, schiebt ihn in den Verschluss und lässt ihn einrasten, ehe er die restlichen Gurte festzurrt.
»Hm. Gleich zweimal an einem Morgen. Ich bin ein echter Glückspilz«, sagt er leise und gibt mir einen Kuss. »Es wird nicht allzu lange dauern. Zwanzig Minuten, höchstens eine halbe Stunde. Um diese Uhrzeit ist die Thermik nicht besonders gut, der Ausblick aber absolut sensationell. Ich hoffe, du hast keine Angst.«
»Nein, ich bin nur aufgeregt«, erwidere ich und strahle ihn an.
Wieso um alles in der Welt grinse ich so dämlich?, frage ich mich, denn in Wahrheit macht sich ein Teil von mir vor Angst in die Hose. Und meine innere Göttin kauert längst mit einer Decke über dem Kopf unterm Sofa.
»Gut.« Er grinst ebenfalls, streicht mir ein letztes Mal über die Wange und verschwindet.
Ich spüre ein Rumpeln, als er hinter mir auf seinen Sitz klettert. Natürlich hat er die Gurte so festgezurrt, dass ich mich nicht umdrehen kann … typisch. Uns trennt nur ein kleines Stück vom Boden. Unmittelbar vor mir befindet sich ein Armaturenbrett mit diversen runden Anzeigen, Schaltern und Hebeln, von denen ich allerdings schön die Finger lasse.
Mark Benson erscheint neben mir und überprüft ein letztes Mal meine Gurte und den Cockpitboden, wo sich, soweit ich weiß, der Ballast befindet.
»Okay, alles bestens. Ist das Ihr erstes Mal?«, fragt er.
»Ja.«
»Sie werden begeistert sein.«
»Danke, Mr. Benson.«
»Sagen Sie ruhig Mark zu mir.« Er wendet sich an Christian. »Okay?«
»Ja. Los geht’s.«
Ich bin nur froh, dass ich aufs Frühstück verzichtet habe. Meine Aufregung wächst mit jeder Sekunde, und ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Magen die Mischung aus Essen, Anspannung und der Tatsache, dass ich gleich keinen Boden mehr unter den Füßen haben werde, sonderlich gut verkraftet hätte. Wieder einmal lege ich mein Schicksal in die erfahrenen Hände dieses Mannes. Mark schließt das Cockpit, geht zu seinem Schleppflugzeug und steigt ein.
Der Einzelpropeller der Piper erwacht zum Leben, und mein nervöser Magen macht sich für einen kurzen Moment selbstständig. O Mann … jetzt gibt es kein Zurück mehr. Marks Maschine setzt sich in Bewegung, bis Zug auf das weiße Kabel kommt. Mit einem Ruck werden wir nach vorn gerissen. Los geht’s. Stimmen dringen aus dem Funkgerät neben mir. Ich glaube, das ist Mark, der mit dem Tower kommuniziert – allerdings verstehe ich kein Wort von dem, was er sagt. Die Piper gewinnt an Geschwindigkeit. Wir ebenso. Wir holpern über den Asphalt. Die Schleppmaschine ist immer noch am Boden. Meine Güte, fliegen wir eigentlich jemals los? In diesem Augenblick löst sich mein Magen aus meiner Kehle und sackt im freien Fall abwärts. Wir fliegen!
»Los geht’s, Baby!«, schreit Christian hinter mir – wir sind ganz allein, nur er und ich in unserer Plexiglasblase. Die einzigen Geräusche sind das Pfeifen des Winds und das leise Summen der Piper in der Ferne.
Mit beiden Händen klammere ich mich an meinem Sitz fest, so sehr, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten. Wir fliegen in westliche Richtung, gen Landesinneres, weg von der aufgehenden Sonne. Wir gewinnen immer mehr an Höhe, schweben über Felder und Waldstücke, über Wohnhäuser und die Interstate 95.
Das ist der absolute Wahnsinn. Über uns ist nichts als der Himmel. Auch das Licht ist unglaublich, ganz weich und gedämpft. Mir fällt wieder ein, wie José von der »magischen Stunde« geschwärmt hat, von dieser Tageszeit, die Fotografen so lieben – unmittelbar nach Sonnenaufgang. Und ich bin hier, mittendrin, mit Christian.
Unvermittelt kommt mir Josés Vernissage in den Sinn. Ich muss Christian erzählen, dass ich nächste Woche eingeladen bin. Einen Moment lang frage ich mich, wie er darauf reagieren wird. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich deswegen Gedanken zu machen. Ich genieße den Flug. Meine Ohren gehen zu, als wir weiter aufsteigen und der Boden unter uns in weite Ferne rückt. Es ist so friedlich hier oben. Inzwischen kann ich nachvollziehen, weshalb Christian so gern hoch oben in den Lüften ist – weit weg von seinem BlackBerry und den Belastungen seiner Arbeit.
Wieder erwacht das Funkgerät zum Leben. Mark sagt irgendetwas von dreitausend Fuß. Wow, das ist ziemlich hoch. Ich riskiere einen Blick, doch mittlerweile ist der Boden unter uns zu einer undefinierbaren Masse verschwommen.
»Okay. Loslassen«, befiehlt Christian über Funk. In diesem Augenblick verschwindet die Piper und mit ihr das Ziehen, und wir schweben. Wir schweben in luftiger Höhe über Georgia hinweg.
Mein Gott – es ist der reine Wahnsinn. Der Flügel neigt sich zur Seite, woraufhin sich die Maschine zu drehen beginnt. Kreiselnd steigen wir auf, der Sonne entgegen. Wie Ikarus! Ich fliege zur Sonne, ganz dicht, doch diesmal ist er bei mir, führt mich. Was für ein erhebender Gedanke. Kreiselnd steigen wir immer weiter auf. Der Ausblick im frühen Licht des Morgens ist spektakulär.
»Halt dich fest!«, schreit er. Wieder neigen wir uns zur Seite, nur dass er diesmal die Maschine nicht abfängt. Ehe ich mich’s versehe, hänge ich kopfüber in meinem Sitz und blicke durch das Plexiglasdach geradewegs auf die Erde hinunter.
Kreischend reiße ich instinktiv die Arme hoch und presse mit den Händen gegen die Scheibe, um nicht zu fallen. Ich höre ihn hinter mir lachen. Elender Dreckskerl! Aber seine Freude ist ansteckend, und auch ich breche in Gelächter aus, als er die Maschine wieder umdreht.
»Nur gut, dass ich nicht gefrühstückt habe!«, schreie ich.
»Ja, rückblickend betrachtet schon, weil ich das gleich noch einmal machen werde.«
Er dreht die Maschine ein zweites Mal, so dass wir wieder kopfüber am Himmel hängen. Diesmal jedoch bin ich darauf vorbereitet und hänge in meinem Geschirr – grinsend und kichernd, als wäre ich nicht ganz bei Trost.
»Klasse, was?«, ruft Christian und bringt die Maschine wieder in die Gerade.
»Ja.«
Mit majestätischer Grazie gleiten wir durch die frühmorgendliche Luft und lauschen dem Pfeifen des Windes. Gibt es etwas Schöneres?
»So, und jetzt übernimmst du.«
O nein. Er will, dass ich das Flugzeug fliege. Nein!
»Los, Anastasia, nimm den Steuerknüppel«, drängt er.
Zögernd greife ich nach dem Steuerknüppel und spüre die Bewegungen des Höhen- und Seitenruders oder womit man dieses Ding auch immer navigiert.
»Halt ihn fest und ganz gerade. Siehst du die Anzeige vor dir? Die Nadel muss genau in der Mitte sein.«
Mir springt fast das Herz aus der Kehle. O Gott. Ich steuere ein Segelflugzeug …
»Braves Mädchen«, lobt Christian.
»Es wundert mich, dass du mir die Kontrolle überlässt!«, brülle ich.
»Du würdest staunen, was ich dir sonst noch so alles überlassen würde. Aber jetzt übernehme ich wieder.«
Ich spüre, wie sich der Steuerknüppel abrupt bewegt, und lasse los. Kreiselnd verlieren wir an Höhe, und meine Ohren gehen mit einem Ploppen wieder auf. Mit beängstigender Geschwindigkeit nähern wir uns dem Boden. Lieber Gott.
»BG N Papa Drei Alpha an BMA Tower. Gegenanflug für die null sieben Gras.« Der gewohnte autoritäre Tonfall liegt wieder in Christians Stimme. Der Tower erteilt quäkend irgendwelche Anweisungen, die ich jedoch nicht verstehen kann. Wir beschreiben einen großen Kreis, während wir langsam an Höhe verlieren. Ich kann den Flugplatz und die Landebahn bereits erkennen, dann taucht die Interstate 95 unter uns auf.
»Gut festhalten, Baby. Könnte ein bisschen ruppig werden.«
Die Maschine beschreibt einen weiteren Kreis, dann rumpelt es, und wir sind am Boden und schlittern im Affenzahn übers Gras. Meine Zähne schlagen klappernd aufeinander, als das Flugzeug über die Erde holpert, bis es schließlich zum Stehen kommt und nach rechts kippt. Ich holte tief Luft. Christian klappt den Cockpitdeckel hoch, klettert heraus und streckt sich.
»Und? Wie fandest du es?«, fragt er. Ein silbriges Glitzern liegt in seinen Augen, als er sich vorbeugt, um mich aus meinem Geschirr zu befreien.
»Unglaublich. Danke«, flüstere ich.
»War es mehr?«, fragt er mit unüberhörbarer Hoffnung in der Stimme.
»Viel mehr.«
Er grinst. »Komm.« Er reicht mir die Hand und hilft mir heraus.
Kaum stehe ich auf dem Boden, schlingt er die Arme um mich und zieht mich an sich. Seine Hand vergräbt sich in meinem Haar, während seine zweite mein Rückgrat entlangfährt. Er küsst mich innig und voller Leidenschaft. Seine Zunge drängt sich in meinen Mund. Seine Atemzüge beschleunigen sich … O Mann … Ich spüre seine Erektion. Du liebe Güte, wir stehen mitten auf einem Feld. Aber das ist mir egal. Ich packe ihn bei den Haaren. Ich will ihn, hier, gleich hier auf dem Boden. Er löst sich von mir und sieht mich an. Seine Augen glühen dunkelgrau im frühmorgendlichen Licht, und ich sehe die unverbrämte, arrogante Sinnlichkeit in seinem Blick. Der Anblick raubt mir den Atem.
»Frühstück«, raunt er und schafft es, selbst dieses banale Wort köstlich erotisch klingen zu lassen.
Wie kann jemand Eier und Speck wie verbotene Früchte klingen lassen? Ich kenne niemanden, der diese Gabe besitzt. Er zieht mich zum Wagen.
»Was ist mit dem Flugzeug?«
»Darum kümmert sich gleich jemand«, sagt er mit einer abfälligen Geste. »Wir werden jetzt erst einmal etwas essen.« Sein Tonfall lässt keinen Widerspruch zu.
Essen! Er spricht vom Frühstücken, obwohl ich doch nur einen Gedanken habe – ich will dich.
»Komm.« Er lächelt mich an.
So habe ich ihn noch nie erlebt. Hand in Hand gehen wir nebeneinander her, während sich erneut dieses dämliche Idiotengrinsen auf meinem Gesicht ausbreitet – wie damals, als ich zehn Jahre alt war und mit Ray einen ganzen Tag in Disneyland verbracht habe. Es war ein perfekter Tag, und es sieht ganz so aus, als würde der heutige ähnlich unvergesslich werden.
Über die Interstate 95 fahren wir in Richtung Savannah zurück, als mein Handywecker läutet. Ach ja … meine Pille.
»Was ist denn das?«, fragt Christian neugierig.
Ich krame die Schachtel aus meiner Handtasche.
»Das Signal für meine Pille.«
Ein Lächeln spielt um seine Mundwinkel. »Sehr schön. Gut gemacht. Ich hasse Kondome.«
Schon wieder dieser herablassende Tonfall.
»Ich fand es schön, dass du mich Mark als deine Freundin vorgestellt hast«, sage ich leise.
»Wieso? Bist du das denn nicht?« Er hebt eine Braue.
»Bin ich das? Ich dachte, du willst eine Sklavin.«
»Das dachte ich auch, Anastasia, und daran hat sich nichts geändert. Aber ich habe dir ja bereits gesagt, dass ich mir auch noch etwas anderes wünsche. Mehr.«
Endlich spricht er es aus! Ich spüre einen Hoffnungsschimmer.
»Es freut mich sehr, dass du mehr willst«, stoße ich atemlos hervor.
»Wir wollen doch, dass Sie zufrieden sind, Miss Steele.« Grinsend biegt er von der Straße ab und hält vor dem International House of Pancakes an.
»IHOP.« Ich grinse ebenfalls. Nicht zu fassen. Wer hätte gedacht, dass Christian Grey einen Fuß in eine IHOP-Filiale setzen würde?
Es ist halb neun Uhr früh, trotzdem herrscht wenig Betrieb. Es riecht nach Pfannkuchenteig, Frittierfett und Desinfektionsmittel. Nicht sonderlich verführerisch. Christian geht vor mir her zu einer Nische.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du in solchen Restaurants isst«, sage ich, als ich ihm gegenüber auf meinen Platz rutsche.
»Mein Dad hat uns immer mitgenommen, wenn meine Mom bei einem Kongress war. Das war unser Geheimnis.« Er grinst verschmitzt, streicht sich sein wirres Haar glatt und greift nach der Speisekarte.
Oh, wie gern würde ich ihm durchs Haar streichen. Ich werfe einen Blick auf die Speisekarte und stelle fest, dass ich einen Bärenhunger habe.
»Ich weiß schon, was ich will«, raunt er mit rauer Stimme.
Ich hebe den Kopf. Er mustert mich mit diesem Blick, unter dem sich sämtliche Muskeln in meinem Unterleib zusammenziehen, und in seinen Augen liegt wieder dieses lodernde Flackern. Gütiger Gott! Ich sehe ihn an und spüre, wie mein Blut in Wallung gerät.
»Ich will das, was du willst«, hauche ich.
Er saugt scharf den Atem ein. »Hier?«, fragt er und lächelt anzüglich, während sich seine Zungenspitze zwischen seine Zähne schiebt.
Sex in einem Pfannkuchen-Schnellrestaurant? Das Grau seiner Augen verdunkelt sich.
»Nicht auf der Lippe kauen«, warnt er. »Nicht hier. Nicht jetzt.« Für einen kurzen Moment wird der Ausdruck in seinen Augen stählern, was ihn immer so herrlich gefährlich aussehen lässt. »Reiz mich nicht auch noch, wenn ich dich hier drin schon nicht haben kann.«
»Hi, ich bin Leandra. Was kann ich … Ihnen … an diesem schönen Morgen … bringen?« Beim Anblick des bildschönen Mannes entfällt ihr glatt ihr Sprüchlein. Sie läuft tiefrot an. Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich fast dankbar für ihr Auftauchen, weil es mir gestattet, mich für einen kurzen Moment seinem sinnlichen Blick zu entziehen.
»Anastasia?«, sagt er, ohne sie zu beachten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand meinen Namen lüsterner aussprechen könnte als er.
Ich schlucke und bete, dass mein Gesicht nicht dieselbe Farbe annimmt wie das der armen Leandra.
»Ich habe doch schon gesagt, dass ich dasselbe will wie du«, sage ich leise. Sein gieriger Blick ruht auf mir. Liebe Güte, säuselt meine innere Göttin, schaffe ich es, dieses Spielchen mitzuspielen?
Leandra sieht von einem zum anderen. Inzwischen hat ihr Teint dieselbe Farbe wie ihr leuchtend rotes Haar.
»Brauchen Sie vielleicht noch ein paar Minuten?«
»Nein. Wir wissen, was wir wollen.« Ein sexy Lächeln spielt um Christians Mundwinkel. »Wir nehmen zwei Portionen Buttermilchpfannkuchen mit Ahornsirup, dazu eine Extraportion Speck, zwei Gläser Orangensaft, schwarzen Kaffee mit Magermilch und einen English Breakfast Tea, falls Sie welchen haben.«
»Danke, Sir. Sonst noch etwas?«, wispert Leandra, sorgsam darauf bedacht, uns bloß nicht anzusehen. Wir wenden uns ihr zu, woraufhin sich ihr Gesicht noch dunkler färbt und sie eilig den Rückzug antritt.
»Es ist absolut unfair«, sage ich, um einen lässigen Tonfall bemüht, und fahre mit dem Finger das Muster auf der Resopaltischplatte nach.
»Was ist unfair?«
»Wie du die Leute um dich herum außer Gefecht setzt. Frauen. Mich.«
»Setze ich dich etwa außer Gefecht?«
Ich schnaube. »Ununterbrochen.«
»Reine Optik, das ist alles, Anastasia«, sagt er milde.
»Nein, Christian, es ist mehr als das.«
Er runzelt die Stirn. »Dabei sind Sie diejenige, die mich außer Gefecht setzt, Miss Steele. Ihre Unschuld, die aus der Masse der Gewöhnlichkeit hervorsticht.«
»Hast du deine Meinung deshalb geändert?«
»Meine Meinung geändert?«
»Ja. Über … äh … über uns.«
Er streicht sich mit seinen langen Fingern übers Kinn. »Ich glaube nicht, dass ich generell meine Meinung geändert habe. Wir mussten nur unsere Parameter neu festlegen, unsere Kampflinien neu ziehen, wenn man so will. Inzwischen bin ich ziemlich sicher, dass es mit uns funktionieren wird. Ich will, dass du dich mir innerhalb meines Spielzimmers unterordnest, und ich werde dich bestrafen, wenn du gegen die Regeln verstößt. Abgesehen davon kann man über alles reden. Das sind meine Voraussetzungen. Was sagst du dazu?«
»Also werde ich auch weiterhin mit dir schlafen? In deinem Bett?«
»Willst du das?«
»Ja.«
»Einverstanden. Außerdem schlafe ich sehr gut, wenn du neben mir liegst. Das hätte ich nicht gedacht.«
»Ich dachte, du verlässt mich, wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was du dir vorstellst«, flüstere ich.
»Ich werde dich nicht verlassen, Anastasia. Außerdem …« Er hält nachdenklich inne. »Wir halten uns an deinen Vorschlag – den Kompromiss. So wie es in deiner Mail an mich stand. Und bisher komme ich gut damit klar.«
»Ich freue mich sehr darüber, dass du auch mehr willst«, sage ich.
»Ich weiß.«
»Woher?«
»Ich weiß es einfach.«
Er verschweigt mir irgendetwas. Aber was?
In diesem Augenblick kommt Leandra mit unserem Frühstück. Zufrieden sieht Christian zu, wie ich meinen Teller bis auf den letzten Krümel leeresse.
»Darf ich mich revanchieren?«, frage ich.
»Wofür?«
»Indem ich fürs Frühstück bezahle.«
Er schnaubt verächtlich. »Ganz bestimmt nicht.«
»Bitte. Ich möchte es aber gern.«
»Versuchst du, mich zu kastrieren?«
»Das ist wahrscheinlich das einzige Restaurant, in dem ich’s mir leisten kann, die Rechnung zu übernehmen.«
»Das ist sehr lieb von dir, Anastasia, wirklich, aber, nein.«
Ich schürze die Lippen.
»Vorsicht«, mahnt er und funkelt mich drohend an.
Natürlich fragt er mich nicht nach der Adresse meiner Mutter. Er kennt sie bereits. Schließlich ist er der König der Stalker. Als er vor dem Haus anhält, verkneife ich mir eine Bemerkung. Es würde ohnehin nichts nützen.
»Willst du mit reinkommen?«, frage ich.
»Ich muss arbeiten, Anastasia, aber wir sehen uns heute Abend. Um wie viel Uhr?«
Verblüfft registriere ich den Anflug von Enttäuschung. Wieso bin ich so versessen darauf, jede Sekunde des Tages mit einem kontrollsüchtigen Sexgott zu verbringen? Ach, stimmt ja – ich habe mich in ihn verliebt, außerdem kann er Flugzeuge und Hubschrauber fliegen.
»Danke … für das mehr.«
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Anastasia.« Er küsst mich.
Ich sauge tief seinen köstlichen Duft in meine Lunge.
»Wir sehen uns später.«
»Darauf kannst du wetten.«
Ich stehe im herrlichen Sonnenschein eines Südstaaten-Morgens und winke ihm nach. Noch immer trage ich sein Sweatshirt, in dem mir allmählich warm wird.
Ich finde meine Mutter völlig aufgelöst in der Küche. Schließlich hat sie nicht jeden Tag einen Multimillionär zum Abendessen im Haus, und diese Tatsache macht ihr schwer zu schaffen.
»Na, Schatz, wie geht es dir?«, fragt sie.
Ich laufe rot an – sie weiß garantiert, was ich gestern getan habe.
»Gut. Christian hat mich heute Morgen zum Segelfliegen mitgenommen«, antworte ich, in der Hoffnung, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Segelfliegen? In so einem winzigen Flugzeug ohne Motor?«
Ich nicke.
»Wow.« Sie ist sprachlos – eine echte Premiere. Sie sieht mich völlig verblüfft an, erholt sich jedoch schnell wieder und knüpft genau an der Stelle an, wo sie gestern Abend aufgehört hat.
»Und habt ihr geredet? Gestern Abend, meine ich?«
Ach du liebe Güte. Ich laufe tiefrot an.
»Haben wir. Gestern Abend und heute Morgen auch. Und es hat geholfen.«
»Gut.« Sie wendet sich wieder den vier Kochbüchern zu, die aufgeschlagen auf dem Küchentisch liegen.
»Mom, wenn du willst, kann ich mich auch ums Essen kümmern.«
»Oh, Schatz, das ist sehr lieb von dir, aber ich mache es lieber selbst.«
»Okay.« Ich schneide eine Grimasse. In Küchenfragen herrscht bei meiner Mutter das Prinzip »Topp oder Flop«. Vielleicht hat sie ja Fortschritte gemacht, seit sie mit Bob nach Savannah gezogen ist. Es gab Zeiten, in denen ich nicht einmal meinen schlimmsten Feind von ihr hätte bekochen lassen – außer vielleicht … Mrs. Robinson … Elena. Bei ihr würde ich wohl eine Ausnahme machen. Werde ich dieses verdammte Miststück eigentlich auch mal persönlich kennen lernen?
Ich beschließe, Christian eine kurze Mail zu schicken und mich zu bedanken.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Durch die Lüfte
Datum: 2. Juni 2011, 10:20 Uhr EST
An: Christian Grey
Manchmal verstehst du es wirklich, einem Mädchen zu zeigen, wie man sich anständig amüsiert.
Danke.
Ana X
Von: Christian Grey
Betreff: Durch die Lüfte
Datum: 2. Juni 2011, 10:24 Uhr EST
An: Anastasia Steele
Und definitiv besser, als dir beim Schnarchen zuzuhören. Ich habe mich auch gut amüsiert.
Aber das tue ich ja immer, wenn du bei mir bist.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Von: Anastasia Steele
Betreff: SCHNARCHEN
Datum: 2. Juni 2011, 10:26 Uhr EST
An: Christian Grey
ICH SCHNARCHE NICHT.
Und falls doch, ist es höchst ungalant, es mir aufs Brot zu schmieren.
Sie sind kein Gentleman, Mr. Grey! Und das, obwohl Sie mitten im guten alten Süden zu Gast sind.
Ana
Von: Christian Grey
Betreff: Somniloquie
Datum: 2. Juni 2011, 10:28 Uhr EST
An: Anastasia Steele
Ich habe nie behauptet, ein Gentleman zu sein, Anastasia, was ich, wenn ich mich recht entsinne, im Rahmen zahlloser Gelegenheiten auch bewiesen habe.
Von deinen marktschreierischen GROSSBUCHSTABEN lasse ich mich jedenfalls nicht einschüchtern, allerdings bin ich bereit, eine kleine Lüge einzugestehen: Nein, du schnarchst nicht, aber dafür sprichst du im Schlaf. Und es ist höchst faszinierend. Was ist aus meinem Kuss geworden?
CHRISTIAN GREY
CEO & Flegel, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Verdammter Mist. Ich weiß, dass ich im Schlaf spreche. Das hat Kate schon oft erzählt. Aber was zum Teufel habe ich gesagt?
Von: Anastasia Steele
Betreff: Raus mit der Sprache
Datum: 2. Juni 2011, 10:32 Uhr EST
An: Christian Grey
Du bist tatsächlich ein Flegel und ein übler Schurke – definitiv kein Gentleman.
Also, was habe ich gesagt? Los, raus damit, sonst ist Schluss mit Küssen!
Von: Christian Grey
Betreff: Schlafende Schönheit mit Kommunikationsbedürfnis
Datum: 1. Juni 2011, 10:35 Uhr EST
An: Anastasia Steele
Es wäre höchst ungalant, es zu verraten, außerdem wurde ich dafür ja bereits gemaßregelt. Aber wenn du brav bist, erzähle ich es dir vielleicht heute Abend. Jetzt habe ich einen Termin. Ciao, ciao, Baby.
CHRISTIAN GREY,
CEO & Flegel & übler Schurke, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Ja, sonst noch was! Ich soll also bis zum Abend schön stillhalten. Ich schäume vor Wut. O Mann! Was, wenn ich im Schlaf gesagt habe, dass ich ihn hasse, oder, viel schlimmer noch, dass ich ihn liebe. O Gott, hoffentlich nicht. Ich bin einfach noch nicht bereit, es laut auszusprechen, und ich bin sicher, er ist noch nicht bereit, es zu hören, falls er es überhaupt jemals sein sollte. Ich beschließe spontan, ein Brot zu backen. Meinen Frust am Teig auszulassen hilft bestimmt, mich wieder besser zu fühlen.
Mom hat sich für eine Gazpacho und Steaks vom Grill entschieden, die sie in einer Mischung aus Olivenöl, Knoblauch und Limonen mariniert. Christian isst gern Fleisch, außerdem ist es einfach zuzubereiten. Bob wird den Grill höchstpersönlich übernehmen. Wieso sind Männer eigentlich so wild auf alles, was mit Feuer zusammenhängt?, frage ich mich, als ich meiner Mutter mit dem Einkaufswagen durch den Supermarkt folge.
Als wir an der Fleischtheke vorbeikommen, läutet mein Handy. Ich krame es heraus. Bestimmt ist es Christian, aber ich erkenne die Nummer nicht.
»Hallo?«, frage ich atemlos.
»Anastasia Steele?«
»Ja.«
»Hier ist Elizabeth Morgan von SIP.«
»Oh, hi.«
»Ich rufe an, weil ich Ihnen den Job als Assistentin von Mr. Hyde anbieten wollte. Könnten Sie am Montag anfangen?«
»Wow. Das ist ja toll. Vielen Dank!«
»Das Gehalt ist in Ordnung?«
»Ja. Ja … das heißt, ich nehme, was Sie mir angeboten haben. Ich würde schrecklich gern für Sie arbeiten.«
»Wunderbar. Dann sehen wir uns am Montag um halb neun.«
»Ja, gern. Und nochmals vielen Dank.«
Ich lege auf und strahle meine Mutter an.
»Du hast einen Job?«
Ich nicke begeistert, woraufhin sie einen spitzen Schrei ausstößt und mir mitten im Supermarkt um den Hals fällt.
»Glückwunsch, Schatz! Wir müssen dringend Champagner kaufen!« Sie klatscht in die Hände und hüpft vor Freude auf und ab. Wie alt ist sie? Zweiundvierzig oder zwölf ?
Stirnrunzelnd blicke ich auf das Display meines Handys. Ein Anruf in Abwesenheit. Von Christian. Eilig rufe ich zurück.
»Anastasia«, meldet er sich beim ersten Läuten mit leiser Stimme.
»Hi.«
»Ich muss nach Seattle zurück. Es gibt ein Problem. Ich bin schon auf dem Weg zum Flughafen. Bitte sag deiner Mutter, dass es mir äußerst leidtut, aber ich kann nicht zum Abendessen kommen.« Er klingt sehr geschäftsmäßig.
»Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.«
»Es gibt da eine Situation, um die ich mich kümmern muss. Ich sehe dich morgen. Ich schicke Taylor, damit er dich vom Flughafen abholt, falls ich es selbst nicht schaffen sollte.« Er klingt eisig. Beinahe wütend. Aber zum ersten Mal gehe ich nicht automatisch davon aus, dass es etwas mit mir zu tun hat.
»Okay. Ich hoffe, du bekommst die Situation in den Griff. Guten Flug.«
»Dir auch, Baby«, erwidert er sanft. Da ist er wieder – mein Christian. Er legt auf.
Ach du liebe Güte! Die letzte »Situation« war meine Jungfräulichkeit. Ich hoffe nur, diesmal ist es nichts in dieser Richtung. Ich sehe meine Mutter an, deren überschwängliche Begeisterung inzwischen in Besorgnis umgeschlagen ist.
»Das war Christian. Er muss nach Seattle zurück. Es tut ihm leid, aber er kann heute Abend nicht kommen.«
»Oh, wie schade, Schatz. Aber grillen können wir ja trotzdem. Außerdem haben wir ja etwas zu feiern – deinen neuen Job! Du musst mir alles darüber erzählen!«
Es ist später Nachmittag. Mom und ich liegen am Pool. Nun, da klar ist, dass Mr. Superkohle nicht zum Abendessen kommen wird, befindet sich meine Mutter in einem Zustand beinahe komatöser Tiefenentspannung. Während wir in der Sonne brutzeln, wandern meine Gedanken zu gestern Abend und heute Morgen. Ich denke an Christian, und prompt habe ich wieder dieses alberne Grinsen auf dem Gesicht, das einfach nicht weggehen will. Es breitet sich auf meinen Zügen aus, unaufgefordert und irritierend, während ich im Geiste unsere Gespräche und all das Revue passieren lasse, was wir getan haben … was er getan hat.
Christians Einstellung scheint sich von Grund auf geändert zu haben. Zwar streitet er es ab, aber er gibt immerhin zu, dass er versucht, mir mehr zu geben. Was könnte diesen Sinneswandel ausgelöst haben? Was hat sich seit seiner langen, offenen Mail und unserem Wiedersehen gestern Abend verändert? Was hat er getan? Ich setze mich so abrupt auf, dass meine Limonade um ein Haar überschwappt. Er war mit ihr Abendessen … mit Elena.
Verdammte Scheiße!
Meine Kopfhaut beginnt zu prickeln. Hat sie ihm irgendetwas eingeredet? Oh, hätte ich bei ihrem Essen doch nur eine harmlose Fliege an der Wand sein können. Ich wäre geradewegs in ihre Suppe oder in ihr Weinglas geflogen und hätte dafür gesorgt, dass ihr das Zeug im Hals stecken bleibt.
»Was ist denn los, Schatz?«, fragt meine Mutter, die ich offenbar aus ihrer Sonnenanbeterstarre gerissen habe.
»Mir ist nur gerade etwas eingefallen, Mom. Wie spät ist es?«
»Kurz vor halb sieben, Schatz.«
Hm, er kann noch nicht in Seattle gelandet sein. Kann ich ihn danach fragen? Sollte ich es vielleicht sogar tun? Aber vielleicht hat sie auch gar nichts damit zu tun. Ich hoffe es inbrünstig. Was habe ich im Schlaf gesagt? Bestimmt irgendetwas Unbedachtes, als ich gerade von ihm geträumt habe. Was auch immer der Auslöser gewesen war – ich kann nur hoffen, dass der Wunsch nach diesem grundlegenden Wandel in ihm selbst gereift und die Idee nicht auf ihrem Mist gewachsen ist.
Ich bin schweißgebadet. Diese verdammte Hitze. Ich muss dringend nochmal in den Pool springen.
Später, als ich in meinem Zimmer bin und mich bettfertig mache, fahre ich den Computer hoch. Ich habe nichts mehr von Christian gehört. Nicht einmal eine kurze Meldung, dass er sicher gelandet ist.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Gut angekommen?
Datum: 2. Juni 2011, 22:32 Uhr EST
An: Christian Grey
Sehr geehrter Mr. Grey,
bitte lassen Sie mich wissen, ob Sie sicher gelandet sind. Ich mache mir allmählich Sorgen. Und denke ständig an Sie.
Ana X
Drei Minuten später kommt seine Antwort.
Von: Christian Grey
Betreff: Tut mir leid
Datum: 2. Juni 2011, 19:36 Uhr
An: Anastasia Steele
Sehr geehrte Miss Steele,
ja, ich bin gut angekommen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich nicht schon früher gemeldet habe. Es war nicht meine Absicht, dass Sie sich Sorgen um mich machen. Aber es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass Ihnen mein Wohlergehen am Herzen liegt. Ich denke auch ständig an Sie und freue mich schon, Sie morgen wiederzusehen.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Ich seufze. Er ist wieder mal im Förmlichkeitsmodus.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Die Situation
Datum: 2. Juni 2011, 22:40 Uhr EST
An: Christian Grey
Sehr geehrter Mr. Grey,
ich denke, es liegt auf der Hand, dass Sie mir sehr viel bedeuten. Wie könnten Sie Zweifel daran haben?
Ich hoffe, Ihre »Situation« ist mittlerweile unter Kontrolle.
Ana
PS: Wollen Sie mir vielleicht jetzt verraten, was ich im Schlaf gesagt habe?
Von: Christian Grey
Betreff: Verfassungsmäßiges Recht auf Aussageverweigerung
Datum: 2. Juni 2011, 19:45 Uhr
An: Anastasia Steele
Sehr geehrte Miss Steele,
es ist ein schöner Gedanke, dass ich Ihnen etwas bedeute. Leider ist die »Situation« hier nach wie vor nicht bereinigt.
Was Ihr PS angeht – die Antwort lautet Nein.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Plädiere auf Unzurechnungsfähigkeit
Datum: 2. Juni 2011, 22:48 Uhr EST
An: Christian Grey
Ich hoffe nur, es war etwas Lustiges. Aber Sie sollten wissen, dass ich für das, was im Schlaf über meine Lippen kommt, nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Höchstwahrscheinlich haben Sie mich nicht richtig verstanden.
Männer in den reiferen Jahren neigen ja bekanntermaßen zur Schwerhörigkeit.
Von: Christian Grey
Betreff: Schuldig im Sinne der Anklage
Datum: 2. Juni 2011, 19:52 Uhr
An: Anastasia Steele
Sehr geehrte Miss Steele,
könnten Sie bitte etwas lauter sprechen? Ich kann Sie so schlecht hören.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Plädiere erneut auf Unzurechnungsfähigkeit
Datum: 2. Juni 2011, 22:54 Uhr EST
An: Christian Grey
Sie treiben mich in den Wahnsinn.
Von: Christian Grey
Betreff: Das hoffe ich …
Datum: 2. Juni 2011, 19:59 Uhr
An: Anastasia Steele
Sehr geehrte Miss Steele,
genau das hatte ich mir für Freitagabend vorgenommen. Ich freue mich schon darauf. ;)
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Grrr
Datum: 2. Juni 2011, 23:02 Uhr EST
An: Christian Grey
Hiermit erkläre ich offiziell, dass ich sauer auf Sie bin.
Gute Nacht
Miss A. R. Steele
Von: Christian Grey
Betreff: Wildkatze
Datum: 2. Juni 2011, 20:05 Uhr
An: Anastasia Steele
Fauchen Sie mich etwa an?
Ich habe bereits eine Katze, die das erledigt.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Eine Katze? Ich habe noch nie eine Katze in seiner Wohnung gesehen. Nein, ich werde nicht darauf antworten. Dieser Mann kann einem manchmal dermaßen auf den Geist gehen. Nervtötend in fünfzig verschiedenen Facetten. Ich lege mich ins Bett und starre an die Zimmerdecke, während sich meine Augen allmählich an die Dunkelheit gewöhnen. In diesem Moment ertönt das nächste Ping. Ich werde nicht nachsehen. Auf keinen Fall. Nein, ich werde nicht nachsehen. Verdammt! Natürlich kann ich nicht widerstehen.
Von: Christian Grey
Betreff: Deine Worte im Schlaf
Datum: 2. Juni 2011, 20:20 Uhr
An: Anastasia Steele
Anastasia,
was du im Schlaf gesagt hast, würde ich lieber im Wachzustand aus deinem Mund hören. Deshalb will ich es dir nicht verraten. Und jetzt schlaf. Für das, was ich morgen mit dir vorhabe, musst du ausgeruht sein.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
O nein! Was habe ich nur gesagt? Es muss etwas Schlimmes sein; genau wie ich befürchtet habe.