SECHS

Christian öffnet die Beifahrertür des schwarzen Audi SUV, und ich steige ein. Was für ein Riesengefährt! Er hat bis jetzt kein Wort über die Sache im Aufzug verloren. Soll ich damit anfangen? Sollen wir darüber reden oder so tun, als wäre nichts geschehen? Fast erscheint er mir nicht real, mein erster hemmungsloser Kuss. Als die Minuten verstreichen, verbanne ich ihn ins Reich der Mythen, der Artussage, des untergegangenen Atlantis. Er ist nie passiert. Vielleicht habe ich mir alles nur eingebildet. Nein. Ich berühre meine Lippen, die von seinem Kuss geschwollen sind. Er ist definitiv passiert. Der Kuss hat mich verändert. Ich will diesen Mann, und er will mich.

Ich sehe ihn an. Christian wirkt wie üblich höflich und ein wenig distanziert.

Mann, wie verwirrend.

Er lässt den Motor an, fährt rückwärts aus dem Parkplatz und schaltet die Stereoanlage ein. Sogleich wird das Innere des Wagens vom engelsgleichen Gesang zweier Frauen erfüllt. Puh! In meinem konfusen Zustand berührt mich diese Musik derart, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Christian lenkt den Audi lässig und selbstbewusst auf die Southwest Park Avenue.

»Was hören wir da gerade?«

»Das ›Blumenduett‹ von Delibes, aus der Oper Lakmé. Gefällt es dir?«

»Es ist wunderschön.«

»Ja, nicht wahr?« Er grinst mich an. Einen kurzen Moment wirkt er so jung, wie er tatsächlich ist, unbekümmert und atemberaubend schön. Ist Musik der Schlüssel zu seinem Wesen? Ich lausche den verführerischen Stimmen.

»Kann ich das nochmal hören?«

»Natürlich.« Christian betätigt einen Knopf, und schon umschmeichelt mich der Gesang erneut.

»Magst du klassische Musik?«, frage ich, weil ich mir dadurch einen seltenen Blick in sein Wesen erhoffe.

»Mein Geschmack ist breit gefächert, Anastasia. Ich mag alles von Thomas Tallis bis zu den Kings of Leon. Das hängt von meiner Stimmung ab. Und du?«

»Mir geht es ähnlich. Aber Thomas Tallis sagt mir nichts.«

Er sieht kurz zu mir herüber. »Irgendwann spiele ich dir was von ihm vor. Er war ein britischer Komponist des sechzehnten Jahrhunderts, Tudorzeit, hat hauptsächlich Motetten geschrieben. Ich weiß, das klingt esoterisch, doch seine Musik ist magisch.«

Er drückt auf einen Knopf, und die Kings of Leon erklingen. Hm … das kenne ich. Sex on Fire. Wie passend! Doch dann wird die Musik von Handyklingeln übertönt. Christian betätigt einen Schalter am Lenkrad.

»Grey«, bellt er in den Lautsprecher. Er kann wirklich sehr schroff sein.

»Mr. Grey, Welch hier. Ich habe die Information, die Sie wollten«, höre ich eine raue Stimme sagen.

»Gut. Mailen Sie sie mir. Sonst noch was?«

»Nein, Sir.«

Christian beendet das Gespräch, und wieder ertönt die Musik. Kein Auf Wiedersehen oder Dankeschön. Gott sei Dank habe ich nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, für ihn zu arbeiten. Schon bei der Vorstellung überläuft mich ein Schauder. Sein Kontrollbedürfnis ist übermächtig, und seine Untergebenen behandelt er schrecklich kühl. Erneut wird die Musik durch das Klingeln des Handys unterbrochen.

»Grey.«

»Man hat Ihnen die Verschwiegenheitsvereinbarung gemailt, Mr. Grey.« Eine Frauenstimme.

»Gut. Das wäre alles, Andrea.«

»Auf Wiederhören, Sir.«

Christian betätigt abermals den Knopf am Lenkrad. Die Musik erklingt sehr kurz, bevor das Handy ein weiteres Mal klingelt. Gütiger Himmel, sieht sein Leben so aus – permanent nervende Anrufe?

»Grey«, knurrt er ins Telefon.

»Hallo, Christian. Na, hattest du eine heiße Nacht?«

»Hallo, Elliot. Das Telefon ist laut geschaltet. Ich bin nicht allein im Wagen.« Christian seufzt.

»Wer ist bei dir?«

Christian verdreht die Augen. »Anastasia Steele.«

»Hi, Ana!«

Ana?

»Hallo, Elliot.«

»Hab schon eine Menge von dir gehört«, erklärt Elliot mit kehliger Stimme.

»Glaub kein Wort von dem, was Kate sagt.«

Elliot lacht.

»Ich bringe Anastasia gerade nach Hause. Soll ich dich dann mitnehmen?«

»Gern.« »Bis gleich.« Christian beendet das Gespräch, und wieder erklingt die Musik.

»Warum nennst du mich die ganze Zeit Anastasia?«

»Weil du so heißt.«

»Mir ist Ana lieber.«

»Ach, tatsächlich?«

Wir sind fast vor meinem Haus. Das ist schnell gegangen. »Anastasia«, wiederholt er. Ich mache ein finsteres Gesicht, das er ignoriert. »Was vorhin im Aufzug passiert ist, wird nicht mehr geschehen, jedenfalls nicht ohne vorherige Absprache.«

Erst vor dem Apartment fällt mir auf, dass er mich nicht gefragt hat, wo ich wohne – trotzdem weiß er es. Nun, er hat die Bücher geschickt; natürlich weiß er, wo ich wohne. Das ist so bei geschickten Stalkern, die Anrufe zurückverfolgen und einen Helikopter besitzen.

Warum will er mich nicht mehr küssen? Ich begreife es nicht und mache einen Schmollmund. Der Familienname Kryptisch würde besser zu ihm passen als Grey. Er steigt aus und eilt auf meine Seite, um mir die Tür zu öffnen – wie immer ganz der Gentleman, abgesehen von seltenen, kostbaren Momenten in Aufzügen. Ich erröte bei der Erinnerung an seinen Kuss, und nachträglich wird mir bewusst, dass ich ihn nicht berühren konnte. Gern hätte ich ihm mit den Fingern die widerspenstigen Haare noch mehr zerzaust, aber ich war nicht in der Lage, meine Hände zu bewegen. Im Nachhinein frustriert mich das.

»Mir hat das im Aufzug gefallen«, sage ich beim Aussteigen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein tiefes Luftholen höre, während ich die Stufen zur Eingangstür hinaufgehe.

Kate und Elliot sitzen an unserem Esstisch. Die superteuren Erstausgaben sind Gott sei Dank verschwunden. Auf Kates Gesicht liegt ein für sie höchst untypisches Grinsen, und sie sieht auf sexy Art müde aus. Christian folgt mir ins Wohnzimmer. Trotz ihres Grinsens, das von einer tollen Nacht zeugt, beäugt sie ihn argwöhnisch.

»Hi, Ana.« Sie springt auf, um mich zu umarmen, und tritt dann einen Schritt zurück, damit sie mich besser begutachten kann.

»Guten Morgen, Christian«, sagt sie anschließend ein wenig feindselig.

»Miss Kavanagh«, erwidert er in seiner steifen, förmlichen Art.

»Christian, sie heißt Kate«, brummt Elliot.

»Kate.« Christian bedenkt sie mit einem höflichen Nicken und Elliot mit einem wütenden Blick.

Elliot steht schmunzelnd auf, um mich ebenfalls mit einer Umarmung zu begrüßen. »Hi, Ana.« Seine blauen Augen strahlen.

Ich mag ihn sofort. Offenbar ist er anders als Christian, aber sie sind ja auch nur Adoptivbrüder.

»Hallo, Elliot.« Als ich sein Lächeln erwidere, merke ich, dass ich auf meiner Lippe kaue.

»Elliot, wir sollten gehen«, sagt Christian.

»Ja.« Elliot wendet sich Kate zu, nimmt sie in die Arme und küsst sie lange und intensiv.

Gott … sucht euch irgendwo ein Zimmer. Ich starre verlegen auf meine Füße. Als ich den Blick hebe, merke ich, dass Christian mich genauestens beobachtet. Meine Augen verengen sich. Warum kannst du mich nicht so küssen? Ohne seine Lippen von den ihren zu lösen, reißt Elliot Kate von den Beinen und schultert sie, so dass ihre Haare den Boden berühren.

»Ciao, ciao, Baby.«

Kate schmilzt dahin. So habe ich sie noch nie erlebt – mir fallen Worte wie »anmutig« oder »zahm« ein. Kate – und zahm? Junge, Junge, Elliot muss wirklich was auf dem Kasten haben. Christian verdreht die Augen und sieht mich mit unergründlicher Miene an. Er streicht eine Haarsträhne, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hat, hinter mein Ohr. Ich halte den Atem an, als ich seine Berührung spüre, und drücke meinen Kopf leicht gegen seine Hand. Sein Blick wird weicher, und er lässt seinen Daumen über meine Unterlippe gleiten. Das Blut pocht in meinen Adern. Leider endet die Liebkosung viel zu schnell.

»Ciao, ciao, Baby«, murmelt er, und ich muss lachen, weil das so gar nicht zu ihm passt. Obwohl ich weiß, dass es ironisch gemeint ist, bringt es tief in mir etwas zum Klingen.

»Ich hole dich um acht ab.« Er wendet sich zum Gehen, öffnet die Haustür und tritt hinaus.

Elliot folgt ihm zum Wagen. Unterwegs dreht er sich um und wirft Kate eine Kusshand zu, was mir einen eifersüchtigen Stich versetzt.

»Und, habt ihr?«, fragt Kate neugierig, während wir ihnen nachsehen.

»Nein«, herrsche ich sie verärgert an, in der Hoffnung, dass sie das von weiteren Fragen abhält. »Ihr aber offenbar schon.« Ich kann meinen Neid nicht verhehlen. Kate schafft es immer, die Männer in ihren Bann zu schlagen. Sie ist unwiderstehlich, schön, sexy, witzig … alles, was ich nicht bin. Das Grinsen, das sie mir zur Antwort gibt, ist ansteckend.

»Und ich sehe ihn heute Abend wieder.« Sie klatscht in die Hände und springt vor Aufregung auf und ab wie ein kleines Mädchen. Ich muss mich einfach mit ihr freuen. Eine glückliche Kate … das wird interessant.

»Christian bringt mich heute Abend nach Seattle.«

»Nach Seattle?«

»Ja.«

»Vielleicht dort

»Ich hoffe es.«

»Dann stehst du also auf ihn?«

»Ja.«

»Genug, um zu …?«

»Ja.«

Sie hebt die Augenbrauen. »Wow. Ana Steele verguckt sich doch noch in einen Mann, und ausgerechnet in Christian Grey, einen sexy Milliardär.«

»Genau, es geht mir bloß ums Geld.« Ich verziehe verächtlich den Mund, und wir brechen beide in Kichern aus.

»Ist das eine neue Bluse?«, erkundigt sie sich, und ich erzähle ihr die weniger interessanten Ereignisse der vergangenen Nacht.

»Hat er dich schon geküsst?«, fragt sie beim Kaffeekochen.

Ich werde rot. »Einmal.«

»Einmal!«, wiederholt sie spöttisch.

Ich nicke verlegen. »Er ist sehr zurückhaltend.«

Sie runzelt die Stirn. »Merkwürdig.«

»Gelinde ausgedrückt.«

»Heute Abend musst du unwiderstehlich aussehen«, sagt sie entschlossen.

O nein … Das klingt nach Zeitaufwand, Erniedrigung und Schmerz.

»Ich muss in einer Stunde in der Arbeit sein.«

»Mit einer Stunde lässt sich schon was anfangen. Komm.« Kate ergreift meine Hand und zerrt mich in ihr Zimmer.

Bei Clayton’s zieht sich der Tag hin, obwohl viel los ist. Wir sind jetzt in der Sommersaison, was bedeutet, dass ich nach Ladenschluss zwei Stunden lang Regale auffüllen muss. Hirnlose Arbeit, die mir viel Zeit zum Grübeln lässt. Dazu hatte ich den ganzen Tag über keine Gelegenheit.

Unter Kates unermüdlicher und ziemlich aufdringlicher Anleitung wurden meine Beine und Achseln glatt rasiert, meine Augenbrauen gezupft, und außerdem wurde ich am ganzen Körper auf Hochglanz poliert. Eine ausgesprochen unangenehme Prozedur. Kate versicherte mir dabei, dass Männer das heutzutage erwarten. Was wird er sonst noch erwarten? Ich muss Kate davon überzeugen, dass es mein freier Wille ist, denn sie misstraut ihm, möglicherweise weil er so steif und förmlich ist. Sie behauptet, sie könne sich ihre Abneigung selbst nicht so genau erklären. Ich habe ihr versprochen, ihr eine SMS zu schicken, sobald ich in Seattle bin. Von dem Hubschrauber habe ich ihr nichts erzählt, sonst wäre sie wahrscheinlich ausgeflippt.

Und dann ist da noch die Sache mit José. Er hat drei Nachrichten und sieben Anrufe in Abwesenheit auf meinem Handy hinterlassen. Und zweimal zuhause angerufen. Kate hat auf seine Frage, wo ich sei, ausweichend geantwortet. Er weiß bestimmt, dass etwas im Busch ist, denn normalerweise hält Kate sich nicht so bedeckt. Ich habe beschlossen, ihn schmoren zu lassen, weil ich ziemlich sauer auf ihn bin.

Außerdem hat Christian etwas von Papierkram erwähnt. Ich habe keine Ahnung, ob das ein Scherz war oder ob ich tatsächlich etwas unterschreiben muss. Ich finde das frustrierend. Dazu kommen meine Angst, meine Aufregung und meine Nerven. Diese Nacht wird die Nacht aller Nächte! Bin ich nach all den Jahren bereit? Meine winzig kleine innere Göttin tippt ungeduldig mit ihren Füßchen auf den Boden. Sie ist seit Jahren bereit, und mit Christian Grey sowieso bereit zu allem, obwohl ich nach wie vor nicht begreife, was er in mir sieht … in dem Mäuschen Ana Steele.

Natürlich wartet er schon auf mich, als ich Clayton’s verlasse. Er steigt aus dem hinteren Teil des Audi aus, um mir die Tür zu öffnen, und begrüßt mich mit einem freundlichen Lächeln.

»Guten Abend, Miss Steele.«

»Mr. Grey.« Ich nicke ihm zu.

Taylor chauffiert den Wagen.

»Hallo, Taylor«, sage ich.

»Guten Abend, Miss Steele.« Er klingt höflich und professionell.

Christian steigt auf der anderen Seite ein und drückt meine Hand. Die Berührung löst ein sanftes Beben in meinem Körper aus.

»Wie war die Arbeit?«, erkundigt er sich.

»Sie hat sich hingezogen«, antworte ich. Meine Stimme klingt zu sehnsuchtsvoll.

»Für mich war es auch ein langer Tag.«

»Was hast du gemacht?«, frage ich.

»Ich war mit Elliot wandern.« Sein Daumen streicht über meine Fingerknöchel, vor und zurück, und mein Herz setzt einen Schlag aus. Wie macht er das bloß? Er berührt nur einen winzigen Teil meines Körpers, und trotzdem explodieren die Hormone.

Die Fahrt zum Hubschrauberlandeplatz dauert nicht lange. Bevor ich mich’s versehe, sind wir da. Ich frage mich, wo der sagenhafte Helikopter wartet, denn wir befinden uns in einer dicht bebauten Gegend der Stadt, und sogar ich weiß, dass Hubschrauber Platz zum Starten und Landen brauchen. Taylor stellt den Wagen ab, steigt aus und hält mir die Tür auf. Christian ist sofort neben mir und nimmt wieder meine Hand.

»Bereit?«, fragt er.

Ich nicke. Am liebsten würde ich sagen: zu allem. Doch dazu bin ich zu nervös und aufgeregt.

»Taylor.« Christian nickt seinem Fahrer kurz zu, bevor wir uns in das Gebäude begeben, geradewegs zu den Aufzügen. Aufzüge ! Ich habe den ganzen Tag an nichts anderes gedacht als an unseren Kuss im Lift. Zweimal musste Mr. Clayton meinen Namen rufen, um mich in die Realität zurückzuholen. Zu behaupten, ich sei nicht bei der Sache gewesen, wäre die Untertreibung des Jahres gewesen. Christian sieht mich an, ein leichtes Lächeln spielt um seine Mundwinkel. Ha! Also denkt auch er daran.

»Es sind nur drei Stockwerke«, bemerkt er trocken, doch seine Augen funkeln belustigt.

Ich bemühe mich um eine ausdruckslose Miene, als wir den Aufzug betreten. Sobald die Türen geschlossen sind, ist da wieder dieses merkwürdige Knistern zwischen uns. Ich schließe die Augen in dem vergeblichen Versuch, es zu ignorieren. Er umfasst meine Hand fester, und fünf Sekunden später öffnen sich die Türen zum Dach des Gebäudes. Da steht er, der weiße Helikopter mit der Aufschrift GREY ENTERPRISES HOLDINGS, INC. in blauen Buchstaben, daneben das Firmenlogo. Missbrauch von Firmeneigentum fällt mir dazu ein.

Er führt mich zu einem kleinen Büro, in dem ein älterer Mann hinter einem Schreibtisch sitzt.

»Ihr Flugplan, Mr. Grey. Alle äußeren Vorflugkontrollen sind durchgeführt. Fertig und startklar, Sir. Sie können jederzeit losfliegen.«

»Danke, Joe.« Christian schenkt ihm ein freundliches Lächeln.

Oh, jemand, der einer höflichen Behandlung durch Christian würdig zu sein scheint. Vielleicht ist er kein Angestellter von ihm. Ich empfinde Hochachtung für den alten Mann.

»Lass uns gehen«, sagt Christian und dirigiert mich zum Helikopter. Er ist viel größer, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich hatte so etwas wie eine Roadster-Version für zwei erwartet, aber in dem Ding befinden sich mindestens sieben Sitze. Christian öffnet die Tür und weist mir einen der Plätze vorn zu.

»Setz dich – und lass die Finger von den Armaturen«, ermahnt er mich, als er hinter mir hineinklettert.

Dann knallt er die Tür zu. Ich bin froh, dass es hier oben Flutlicht gibt, denn sonst fiele es mir schwer, mich im Cockpit zurechtzufinden. Ich setze mich, und er geht neben mir in die Hocke, um mir den Gurt anzulegen. Es handelt sich um einen Vier-Punkt-Gurt, bei dem alle Teile an der Mittelschnalle zusammenlaufen. Er zurrt die beiden oberen Gurte fest, so dass ich mich kaum bewegen kann. Wenn ich mich ein wenig nach vorne beugen könnte, wäre meine Nase in seinen Haaren. Er riecht sauber, frisch, einfach himmlisch, doch ich bin mehr oder weniger bewegungsunfähig. Er hebt amüsiert den Blick. Seine Augen glühen. Gott, wie verführerisch.

»Du bist sicher, hast keine Fluchtmöglichkeit«, flüstert er mir zu, während er auch die unteren Gurte festzurrt. »Vergiss das Atmen nicht, Anastasia«, fügt er hinzu, hebt die Hand, streichelt meine Wange, lässt seine langen Finger zu meinem Kinn gleiten, nimmt es zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann beugt er sich vor und drückt mir einen kurzen, keuschen Kuss auf den Mund, der mir die Sinne raubt.

»Das Geschirr gefällt mir«, gesteht er mit leiser Stimme.

Wie bitte?

Er setzt sich neben mich und schnallt sich ebenfalls an. Anschließend folgt eine langwierige Prozedur des Überprüfens, Umlegens von Hebeln und Drückens von Knöpfen an dem blinkenden Armaturenbrett vor mir.

»Setz die Kopfhörer auf«, weist er mich an.

Ich tue ihm den Gefallen. Die Rotorblätter beginnen sich mit ohrenbetäubendem Lärm zu drehen. Er setzt ebenfalls die Kopfhörer auf und legt weitere Schalter um.

»Ich mache nur alle nötigen Kontrollen vor dem Start«, informiert Christian mich über Kopfhörer.

»Weißt du auch, was du tust?«, frage ich.

»Ich habe den Pilotenschein seit vier Jahren, Anastasia. Du bist in sicheren Händen.« Er grinst wölfisch. »Jedenfalls solange wir in der Luft sind«, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Christian zwinkert mir zu!

»Bereit?«

Ich nicke.

»Okay, Tower. Charlie Tango Golf-Golf Echo Hotel an PDX, Startfreigabe bitte bestätigen.«

»Charlie Tango – Start frei. Steigen Sie auf viertausend, Kurs null eins null.«

»Roger, Tower, Charlie Tango bereit, Ende. Los geht’s«, fügt er an mich gewandt hinzu, und der Helikopter erhebt sich langsam in die Luft.

Portland verschwindet unter uns, als wir aufsteigen, doch mein Magen weigert sich, von Oregon Abschied zu nehmen. Puh! All die bunten Lichter schrumpfen, bis sie nur noch schwach flimmern. Es ist, als würde man aus einem Goldfischglas hinausschauen. Weiter oben gibt es nicht viel zu sehen. Dort ist es pechschwarz; nicht einmal der Mond erhellt den Himmel. Woher weiß Christian, wohin wir fliegen?

»Unheimlich, was?«, höre ich seine Stimme über Kopfhörer. »Woher weißt du, dass du in die richtige Richtung fliegst?« »Hier.« Er deutet mit seinem langen Zeigefinger auf einen elektronischen Kompass. »Dies ist ein EC135 Eurocopter, eines der sichersten Modelle seiner Klasse, nachtflugtauglich.« Christian grinst zu mir herüber. »Auf dem Gebäude, in dem ich wohne, ist ein Hubschrauberlandeplatz. Der ist unser Ziel.«

Natürlich gibt es auf seinem Haus einen Hubschrauberlandeplatz. Mann, er spielt wirklich in einer komplett anderen Liga als ich. Sein Gesicht wird sanft von den Lichtern am Armaturenbrett erhellt. Er lässt die Instrumente daran nicht aus den Augen. Ich mustere ihn verstohlen. Er hat ein unglaubliches Profil. Gerade Nase, kantiges Kinn – ich hätte Lust, meine Zunge über seinen Kiefer gleiten zu lassen. Er ist nicht rasiert; der Bartschatten macht ihn noch verführerischer. Hm … Ich würde gern das raue Gefühl an meiner Zunge spüren, an meinen Fingern, meinem Gesicht.

»In der Nacht fliegt man blind. Man muss den Instrumenten vertrauen«, erklärt er und reißt mich aus meinen erotischen Träumen.

»Wie lange dauert der Flug?«, frage ich.

»Weniger als eine Stunde – wir haben Rückenwind.«

Weniger als eine Stunde nach Seattle … Nicht schlecht. Kein Wunder, dass wir fliegen.

Und weniger als eine Stunde bis zur großen Enthüllung. In meinem Unterleib ziehen sich sämtliche Muskeln zusammen. In meinem Bauch wimmelt es von Schmetterlingen. Mein Gott, was mich wohl erwartet?

»Alles in Ordnung, Anastasia?«

»Ja.« Mehr bringe ich in meiner Nervosität nicht heraus.

Ich habe das Gefühl, dass er lächelt, doch in der Dunkelheit ist das schwer zu beurteilen. Christian legt erneut einen Schalter um.

»Charlie Tango an PDX, jetzt auf viertausend.« Er tauscht Informationen mit dem Tower aus. In meinen Ohren klingt das hoch professionell. Soweit ich das verstehe, wechseln wir vom Portlander Luftraum in den des Seattle International Airport. »Verstanden, Sea-Tac, bleibe auf Frequenz.«

»Schau, da drüben.« Er deutet auf einen kleinen Lichtpunkt in der Ferne. »Das ist Seattle.«

»Beeindruckst du die Frauen immer so? Indem du sie zu einem Flug in deinem Helikopter einlädst?«, frage ich.

»Ich habe noch nie eine Frau mit hier herauf genommen, Anastasia. Wieder eine Premiere.« Er klingt ernst.

Eine unerwartete Antwort. Wieder eine Premiere? Ach so, wahrscheinlich meint er das gemeinsame Schlafen in seinem Bett.

»Bist du denn beeindruckt?«

»Zutiefst, Christian.«

Er lächelt.

»Zutiefst?« Und ein weiteres Mal wirkt er einen Moment lang so jung, wie er tatsächlich ist.

Ich nicke. »Du bist so … kompetent.«

»Danke fürs Kompliment, Miss Steele.«

Ich glaube, meine Bemerkung freut ihn, aber sicher bin ich mir nicht.

Eine Weile fliegen wir schweigend in der Dunkelheit dahin. Der helle Punkt – Seattle – wird größer.

»Sea-Tac Tower an Charlie Tango. Flugplan nach Escala liegt vor. Bleiben Sie auf Frequenz.«

»Charlie Tango an Sea-Tac, verstanden. Bleibe auf Frequenz.«

»Das scheint dir Spaß zu machen«, murmle ich.

»Was?«

»Das Fliegen«, antworte ich.

»Dafür sind Kontrolle und Konzentration erforderlich … ich muss es einfach lieben. Aber noch lieber mag ich das Segelfliegen.«

»Segelfliegen?«

»Ja.«

»Oh.« Teure Hobbys. Ich erinnere mich: Das hat er in dem Interview erwähnt. Wieder einmal fühle ich mich fehl am Platz. Ich lese gern und gehe ab und zu ins Kino.

»Charlie Tango, bitte kommen.« Die körperlose Stimme der Flugverkehrskontrolle reißt mich aus meinen Überlegungen. Christian antwortet. Er klingt, als hätte er alles im Griff.

Seattle kommt näher. Wir sind jetzt über den Randbezirken, und es sieht absolut atemberaubend aus. Seattle in der Nacht, von oben …

»Schön, was?«, fragt Christian mit leiser Stimme.

Ich nicke begeistert. Es wirkt nicht real, irgendwie nicht von dieser Welt. Ich fühle mich wie in einer riesigen Filmkulisse, vielleicht in der von Josés Lieblingsstreifen Blade Runner. Dabei fällt mir Josés Kussversuch wieder ein. Allmählich komme ich mir ein wenig grausam vor, weil ich ihn nicht zurückrufe. Ach was, das kann bis morgen warten.

»Wir sind in ein paar Minuten da«, informiert mich Christian.

Das Blut pocht in meinen Ohren, mein Puls beschleunigt sich, ein Adrenalinstoß durchzuckt meinen Körper. Er spricht wieder mit dem Tower, aber ich höre nicht mehr zu. Ich fürchte, gleich ohnmächtig zu werden. Mein Schicksal liegt in seinen Händen.

Wir fliegen zwischen Wolkenkratzern hindurch; vor uns erkenne ich einen mit Hubschrauberlandeplatz. Das Wort »Escala« steht in weißen Lettern oben auf dem Gebäude. Es wird größer und größer … wie meine Angst. Gott, hoffentlich enttäusche ich ihn nicht. Bestimmt entspreche ich nicht seinen Erwartungen. Hätte ich doch nur auf Kate gehört und mir eines ihrer Kleider ausgeliehen, aber ich mag nun mal lieber meine schwarze Jeans, und dazu trage ich eine minzgrüne Bluse und Kates schwarzen Blazer. Das finde ich schick genug. Ich umklammere den Rand meines Sitzes fester und fester. Ich schaffe das. Ich schaffe das. Das sage ich mir immer wieder vor, während der Wolkenkratzer näher kommt.

Die Rotorblätter des Helikopters drehen sich langsamer; Christian setzt auf dem Hubschrauberlandeplatz auf. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich weiß nicht, ob das an meiner nervösen Vorfreude liegt, an der Erleichterung darüber, dass wir heil gelandet sind, oder an meiner Versagensangst. Christian schaltet den Motor aus, und die Rotorblätter kommen zum Stillstand. Jetzt ist es so leise, dass ich nur noch meinen eigenen unregelmäßigen Atem höre. Christian nimmt die Kopfhörer ab und zieht mir auch die meinen von den Ohren.

»Wir sind da«, verkündet er.

Sein Blick ist sehr intensiv, so halb im Schatten und halb im grellen Licht der Landelichter. Schwarzer und weißer Ritter – eine passende Metapher für Christian. Er wirkt angespannt. Seine Kiefer mahlen, und er kneift die Augen zusammen. Er löst zuerst seinen Sicherheitsgurt und dann meinen, dabei ist sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.

»Du musst nichts tun, was du nicht möchtest. Das weißt du doch, oder?« Er klingt sehr ernst, fast verzweifelt, und seine Augen glühen. Seine Worte überraschen mich.

»Ich würde nie etwas machen, was ich nicht will, Christian.« Kaum habe ich das über die Lippen gebracht, bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher, denn im Moment würde ich vermutlich alles für diesen Mann tun. Meine Antwort scheint ihn zufrieden zu stellen.

Trotz seiner Größe gelingt es ihm, sich anmutig zur Tür des Helikopters zu drehen und sie zu öffnen. Er springt hinaus und nimmt meine Hand, als ich hinausklettere. Hier oben auf dem Gebäude geht ein sehr starker Wind. Es macht mich nervös, dass ich mindestens dreißig Stockwerke hoch an einem nicht durch Mauern geschützten Ort stehe. Christian legt den Arm um meine Taille und zieht mich zu sich heran.

»Komm«, ruft er mir über den heulenden Wind hinweg zu, dirigiert mich zum Aufzug und gibt den Sicherheitscode ein. Sofort öffnen sich die Türen. Drinnen ist es warm; alle Wände sind aus Spiegelglas. Darin sehe ich Christian in endloser Wiederholung und mich daneben. Er gibt einen weiteren Code ein, woraufhin sich die Türen schließen und der Lift sich nach unten in Bewegung setzt.

Wenig später erreichen wir einen weißen Empfangsbereich. In der Mitte befindet sich ein runder, dunkler Holztisch, auf dem ein großer Strauß mit weißen Blumen steht. An den Wänden hängen überall Gemälde. Christian öffnet eine Doppeltür. Die Farbe Weiß setzt sich jenseits eines breiten Flurs mit dem Eingang zu einem gewaltigen Raum fort. Dies ist der Wohnbereich, doppelte Raumhöhe. »Riesig« ist ein zu kleines Wort dafür. Die Wand am anderen Ende besteht aus Glas und führt auf einen Balkon mit Blick auf Seattle.

Rechts steht ein imposantes U-förmiges Sofa, auf dem bequem zehn Erwachsene sitzen könnten. Ihm gegenüber befindet sich ein hochmoderner Edelstahlkamin – vielleicht ist er auch aus Platin, was weiß ich schon. Das Feuer knistert leise vor sich hin. Links von uns, beim Eingang, ist der Küchenbereich, ebenfalls ganz in Weiß mit dunklen Holzarbeitsflächen und einer Frühstückstheke für sechs Personen.

Vor der Glaswand steht ein Esstisch mit sechzehn Stühlen, und in einer Ecke entdecke ich einen schwarzen Flügel. Wahrscheinlich spielt Christian auch noch Klavier. An den Wänden hängen Kunstwerke in allen Formen und Größen. Das ist weniger eine Wohnung als eine Kunstgalerie.

»Darf ich dir die Jacke abnehmen?«, fragt Christian.

Ich schüttle den Kopf, weil mir von dem Wind auf dem Hubschrauberlandeplatz kalt ist.

»Möchtest du was trinken?«, erkundigt er sich.

Ich blinzle. Nach letzter Nacht? Soll das ein Scherz sein? Einen Moment lang spiele ich mit dem Gedanken, ihn um einen Margarita zu bitten – aber den Mumm besitze ich nicht.

»Ich werde mir ein Glas Weißwein genehmigen. Leistest du mir Gesellschaft?«

»Ja, gern.«

Ich fühle mich in dem riesigen Raum fehl am Platz und gehe hinüber zu der Glaswand, deren untere Hälfte sich ziehharmonikaförmig auf den Balkon öffnet. Seattle liegt hell und belebt unter uns. Anschließend kehre ich in den Küchenbereich zurück – das dauert ein paar Sekunden –, wo Christian eine Flasche Wein öffnet. Er hat seine Jacke ausgezogen.

»Ist dir Pouilly Fumé recht?«

»Ich kenne mich mit Wein nicht aus, Christian. Er ist bestimmt gut.« Meine Stimme klingt zögernd. Am liebsten würde ich weglaufen. Christian ist superreich. Reich wie Bill Gates. Was mache ich hier? Du weißt ganz genau, was du hier machst, spottet mein Unterbewusstsein. Ja, ich will in Christian Greys Bett.

»Hier.« Er reicht mir ein Glas Wein.

Sogar die Gläser zeugen von seinem Reichtum … schweres, modernes Kristall. Ich nehme einen Schluck. Der Wein ist leicht, spritzig, einfach köstlich.

»Du bist sehr still, wirst nicht einmal mehr rot. Ich glaube, so blass habe ich dich noch nie gesehen, Anastasia«, stellt er fest. »Hast du Hunger?«

Ich schüttle den Kopf. Jedenfalls nicht nach Essen. »Du hast eine sehr große Wohnung.«

»Groß?«

»Ja, groß.«

»Stimmt«, pflichtet er mir bei. Seine Augen funkeln belustigt.

Ich trinke noch einen Schluck Wein und deute dann mit dem Kinn in Richtung Flügel. »Spielst du?«

»Ja.«

»Gut?«

»Ja.«

»Natürlich. Gibt es eigentlich irgendetwas, was du nicht gut kannst?«

»Ja … so einiges.« Er trinkt seinerseits einen Schluck Wein, ohne den Blick von mir zu wenden, während ich mich in dem riesigen Raum umsehe. »Raum« ist einfach das falsche Wort. Das hier ist ein Statement.

»Möchtest du dich setzen?«

Ich nicke. Er ergreift meine Hand und führt mich zu der cremefarbenen Couch. Als ich Platz nehme, komme ich mir wie Tess Durbeyfield vor, als sie sich das neue Haus des berüchtigten Alec d’Urberville ansieht. Der Gedanke lässt mich schmunzeln.

»Was ist so komisch?« Christian setzt sich neben mich und wendet mir sein Gesicht zu.

»Warum hast du mir ausgerechnet Tess von den d ’Urbervilles geschenkt?«, frage ich.

Meine Frage scheint ihn zu wundern. »Du hast gesagt, du magst Thomas Hardy.«

»Ist das der einzige Grund?« Sogar ich höre die Enttäuschung in meiner Stimme.

Er presst die Lippen zusammen. »Es schien mir passend. Ich könnte ein unerreichbar hohes Ideal in dir sehen wie Angel Clare oder dich erniedrigen wie Alec d’Urberville«, erklärt er mit leiser Stimme, und seine Augen blitzen dunkel und gefährlich.

»Wenn es nur zwei Wahlmöglichkeiten gibt, entscheide ich mich für die Erniedrigung«, flüstere ich und blicke ihm in die Augen. Mein Unterbewusstsein starrt mich verblüfft an, und er schnappt nach Luft.

»Anastasia, bitte kau nicht immerzu auf deiner Lippe. Das verwirrt mich. Du weißt nicht, wovon du sprichst.«

»Deshalb bin ich hier.«

Er runzelt die Stirn. »Ja. Würdest du mich einen Augenblick entschuldigen?« Er verschwindet durch eine breite Tür auf der anderen Seite des Raums. Einige Minuten später kehrt er mit einem Schriftstück zurück.

»Dies ist eine Verschwiegenheitsvereinbarung.« Er zuckt ein wenig verlegen mit den Achseln. »Mein Anwalt besteht darauf.« Er reicht mir das Dokument.

Ich bin total verwirrt.

»Wenn du dich für Alternative zwei, die Erniedrigung, entscheidest, musst du das unterschreiben.«

»Und wenn ich nicht unterschreiben will?«

»Dann geht’s um hohe Ideale à la Angel Clare, jedenfalls den größten Teil des Buches.«

»Was hat diese Vereinbarung zu bedeuten?«

»Dass du kein Sterbenswörtchen über uns verraten darfst. Niemandem.«

Ich starre ihn ungläubig an. So ein verdammter Mist. Es ist also übel, richtig übel. Aber jetzt will ich es natürlich erst recht wissen.

»Okay, ich unterschreibe.«

Er reicht mir einen Stift.

»Willst du’s nicht zuerst lesen?«

»Nein.«

»Anastasia, du solltest nichts unterschreiben, ohne es gelesen zu haben«, ermahnt er mich.

»Christian, ich würde sowieso mit niemandem über uns sprechen. Nicht mal mit Kate. Also spielt’s keine Rolle, ob ich die Vereinbarung unterzeichne oder nicht. Wenn es dir und deinem Anwalt so viel bedeutet, mit dem du offenbar sprichst, soll mir das recht sein. Ich unterschreibe.«

Er nickt ernst. »Ein berechtigter Einwand, Miss Steele.«

Ich unterzeichne mit großer Geste auf der gepunkteten Linie beider Blätter und gebe ihm eines zurück. Das andere falte ich zusammen und stecke es in meine Handtasche. Ich nehme einen großen Schluck Wein. Mein Unterbewusstsein starrt mich immer noch verblüfft an, denn ich gebe mich sehr viel mutiger, als ich es tatsächlich bin.

»Heißt das, dass du heute Nacht mit mir schlafen wirst, Christian?« Äh, habe ich das gerade gesagt?

Ihm bleibt der Mund offen stehen, aber er fängt sich schnell wieder. »Nein, Anastasia, das heißt es nicht. Erstens: Ich schlafe nicht mit jemandem. Ich ficke … hart. Zweitens: Wir haben noch eine Menge Papierkram vor uns. Und drittens: Du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Möglicherweise wirst du die Beine in die Hand nehmen und abhauen. Komm, ich zeige dir mein Spielzimmer.«

Mir fällt die Kinnlade herunter. Er fickt hart! Gott, klingt das … heiß. Aber wieso soll ich mir sein Spielzimmer ansehen?

»Hast du eine Xbox?«, frage ich etwas ratlos.

Er lacht schallend. »Nein, Anastasia, keine Xbox, keine Playstation. Komm.« Er steht auf und streckt mir die Hand entgegen.

Ich lasse mich von ihm zum Flur zurückführen. Rechts von der Doppeltür, durch die wir hereingekommen sind, führt eine andere zu einer Treppe. Wir gehen in den ersten Stock und wenden uns nach rechts. Christian nimmt einen Schlüssel aus seiner Tasche, schließt eine weitere Tür auf und fährt sich mit seinen Händen nervös durchs Haar.

»Du kannst jederzeit gehen. Der Hubschrauber steht bereit. Du kannst aber auch die Nacht hier verbringen und am Morgen heimfliegen. Es liegt bei dir.«

»Nun mach die verdammte Tür schon auf, Christian.«

Er öffnet die Tür und tritt einen Schritt beiseite. Ich sehe ihn ein letztes Mal an. Was verbirgt sich nur hinter dieser Tür? Ich hole tief Luft und gehe hinein.

Und fühle mich ins sechzehnte Jahrhundert zurückversetzt, zur Spanischen Inquisition.

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