FÜNFUNDZWANZIG
Meine Mutter drückt mich fest an sich.
»Hör auf dein Herz, Schatz, und bitte, bitte versuch, nicht alles zu Tode zu analysieren. Sei locker und hab Spaß. Du bist noch so jung, meine Süße. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Wehr dich nicht dagegen, sondern lebe einfach. Du verdienst nur das Beste«, flüstert sie mir ins Ohr. Ihre aufrichtig empfundenen Worte trösten mich ein wenig. Sie küsst mich.
»Oh, Mom.« Ich klammere mich an sie, und meine Augen füllen sich mit heißen Tränen.
»Du kennst doch das alte Sprichwort, Schatz. Man muss viele Frösche küssen, bevor man einen Prinzen findet.«
Ich verziehe das Gesicht zu einem bittersüßen Grinsen. »Ich glaube, einen Prinzen habe ich schon geküsst, Mom. Ich hoffe nur, er verwandelt sich nicht in einen Frosch.«
Sie schenkt mir ein wunderbares mütterliches Lächeln voll bedingungsloser Liebe, und wieder einmal kann ich nur über die Tiefe meiner Gefühle für sie staunen.
»Ana, dein Flug wird aufgerufen«, sagt Bob besorgt.
»Kommst du mich bald besuchen, Mom?«
»Aber natürlich, Schatz. Ganz bald. Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch.«
Ungeweinte Tränen brennen in meinen Augen, als sie sich von mir löst. Ich hasse Abschiede. Ich umarme Bob, dann wende ich mich ab und gehe zum Gate – heute bleibt mir keine Zeit für die Firstclass-Lounge. Ich zwinge mich, einfach weiterzugehen und mich nicht umzudrehen, aber dann tue ich es doch. Bob hat den Arm um meine Mutter gelegt, die bitterlich weint. Jetzt kann auch ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. Mit gesenktem Kopf gehe ich zum Gate, den Blick eisern auf den glänzenden, weiß gefliesten Boden geheftet, der vor meinen tränenblinden Augen verschwimmt.
An Bord gehe ich zu meinem Platz in der ersten Klasse, rolle mich auf dem weichen Sitz zusammen und versuche, mich ein wenig zu beruhigen. Die Abschiede von meiner Mutter sind jedes Mal fürchterlich schmerzhaft. Mom mag zerstreut und chaotisch sein, aber diesmal habe ich sie einfühlsamer erlebt als je zuvor. Und ihre Liebe für mich ist bedingungslos – genau das, was jedes Kind von seinen Eltern verdient. Entschlossen verdränge ich meine tiefsinnigen Gedanken, ziehe meinen BlackBerry heraus und blicke bedrückt auf das Display.
Was versteht Christian von der Liebe? Nach allem, was ich weiß, hat er in den frühen Jahren seiner Kindheit keineswegs die bedingungslose Liebe bekommen, die er verdient hat. Mir blutet das Herz, als ich daran denke, und die Worte meiner Mutter kommen mir wieder in den Sinn: Lieber Himmel, Ana, was brauchst du denn noch? Ein Leuchtschild auf seiner Stirn? Sie ist fest davon überzeugt, dass Christian mich liebt. Andererseits muss sie das auch. Schließlich ist sie meine Mutter. Sie findet, ich verdiene nur das Beste. Ich runzle die Stirn. Sie hat Recht. In einem kurzen Moment absoluter Klarheit wird mir klar, was hier passiert. Im Grunde ist es ganz einfach: Ich will seine Liebe. Ich brauche sie. Christian Grey muss mich lieben. Das ist der Grund, weshalb ich im Hinblick auf unsere Beziehung so zurückhaltend bin – weil mir bewusst ist, dass tief in mir das unbezwingbare Bedürfnis schlummert, geliebt und gemocht zu werden.
Und da ich weiß, dass ich es mit einem Menschen mit mindestens fünfzig unterschiedlichen Facetten zu tun habe, bin ich nicht bereit, mich ihm mit ganzem Herzen und in allerletzter Konsequenz hinzugeben. Diese BDSM-Sache ist nur eine Ablenkung vom eigentlichen Problem. Der Sex mit Christian ist Wahnsinn, er ist steinreich und sieht gut aus, aber all das ist völlig wertlos ohne seine Liebe, und das Schmerzhafte daran ist, dass ich nicht sicher bin, ob er wirklich zu wahrer Liebe fähig ist. Er schafft es ja noch nicht einmal, sich selbst zu lieben. Ich muss wieder daran denken, mit welchem Selbsthass er über sich gesprochen hat; darüber, dass Mrs. Robinsons Liebe die einzig annehmbare Form für ihn gewesen sei. Eine Liebe, die daraus bestand, bestraft, ausgepeitscht, geschlagen und Gott weiß was noch alles zu werden. Er scheint zu glauben, er verdiene es nicht, geliebt zu werden. Aber warum? Wie kommt er nur darauf? Seine Worte kommen mir wieder in den Sinn. Es ist sehr schwer, in einer perfekten Familie aufzuwachsen, wenn man selbst nicht perfekt ist.
Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, wie schmerzhaft all das für ihn sein muss, doch es gelingt mir nicht einmal annähernd. Erschaudernd denke ich daran, was ich im Schlaf preisgegeben haben könnte. Was habe ich gesagt? Welche Geheimnisse habe ich enthüllt?
Ich halte den BlackBerry in der Hand und starre auf das Display, in der vagen Hoffnung, dass es mir vielleicht Antworten auf meine Fragen gibt. Aber wie nicht anders zu erwarten, entpuppt er sich als wenig hilfreich. Da wir noch am Boden sind, beschließe ich, Christian eine Mail zu schicken.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Auf dem Heimweg
Datum: 3. Juni 2011, 12:53 Uhr EST
An: Christian Grey
Sehr geehrter Mr. Grey,
wieder einmal sitze ich in der ersten Klasse, wofür ich mich bei Ihnen bedanken muss. Ich zähle bereits die Minuten, bis ich Sie heute Abend wiedersehen und Ihnen möglicherweise unter
Gewaltanwendung die Wahrheit über meine nächtlichen Geständnisse entlocken kann.
Ana X
Von: Christian Grey
Betreff: Auf dem Heimweg
Datum: 3. Juni 2011, 09:58 Uhr
An: Anastasia Steele
Anastasia, ich freue mich schon, dich bald wiederzusehen.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Stirnrunzelnd lese ich seine Antwort – so knapp und förmlich; keine Spur von seinem gewohnt witzig-spritzigen Stil.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Auf dem Heimweg
Datum: 3. Juni 2011, 13:01 Uhr EST
An: Christian Grey
Liebster Mr. Grey,
ich hoffe, mit der »Situation« ist alles in Ordnung. Der Tonfall Ihrer Mail macht mir etwas Sorgen.
Ana
Von: Christian Grey
Betreff: Auf dem Heimweg
Datum: 3. Juni 2011, 10:04 Uhr
An: Anastasia Steele
Anastasia,
es könnte besser laufen. Ist die Maschine schon abgeflogen? Wenn ja, solltest du keine Mails mehr schreiben. Du bringst dich selbst in Gefahr, was einen klaren Verstoß gegen die Regeln zu deiner persönlichen Sicherheit darstellt. Was ich über die Strafe gesagt habe, war ernst gemeint.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Mist. Okay. Was hat ihn jetzt schon wieder verärgert? Vielleicht ist ja »die Situation« schuld. Vielleicht hat Taylor ihn hängen lassen, oder aber er hat eine Million Dollar auf dem Aktienmarkt verloren, keine Ahnung.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Überreagiert
Datum: 3. Juni 2011, 13:06 Uhr EST
An: Christian Grey
Sehr geehrter Mr. Miesepeter,
die Türen sind noch geöffnet. Wir haben Verspätung, aber nur zehn Minuten. Mein Wohlergehen – und das meiner Mitpassagiere – ist also gewährleistet. Sie können Ihre juckende Hand also vorläufig noch in der Hosentasche lassen.
Miss Steele
Von: Christian Grey
Betreff: Entschuldigung – Juckende Hand verstaut
Datum: 3. Juni 2011, 10:08 Uhr
An: Anastasia Steele
Sie und Ihr vorlautes Mundwerk fehlen mir, Miss Steele. Kommen Sie sicher nach Hause zurück.
CHRISTIAN GREY
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Entschuldigung angenommen
Datum: 3. Juni 2011, 13:10 Uhr EST
An: Christian Grey
Gerade werden die Türen geschlossen.Von mir hörst du keinen Mucks mehr – was bei deiner Schwerhörigkeit nicht weiter schwierig werden sollte.
Ciao, ciao
Ana
Ich schalte den BlackBerry aus.Trotz allem gelingt es mir nicht, mein Unbehagen abzuschütteln. Irgendetwas stimmt mit Christian nicht. Vielleicht ist »die Situation« ja aus dem Ruder gelaufen. Ich sehe zum Gepäckfach hinauf. Mit Moms Hilfe habe ich es heute Morgen noch geschafft, Christian ein kleines Geschenk zu kaufen, als Dankeschön für das Upgrade und den Ausflug zum Segelfliegen. Das Segelfliegen – was für ein Morgen. Ich muss lächeln, als ich daran denke. Noch bin ich nicht sicher, ob ich ihm mein albernes Geschenk überhaupt geben soll. Vielleicht findet er es ja kindisch – oder er kann nicht darüber lachen, weil er wieder einmal miese Laune hat. Einerseits freue ich mich darauf, nach Hause zu kommen, andererseits ist mir nicht wohl beim Gedanken daran, was mich dort vielleicht erwartet. Eine ganze Reihe von Szenarien, wie sich die »Situation« darstellen könnte, kommt mir in den Sinn. Dabei wird mir bewusst, dass auch jetzt der Platz neben mir als einziger in der Firstclass frei ist. Vielleicht hat Christian ja beide Sitze reserviert, um zu verhindern, dass ich mit jemandem rede, doch die Vorstellung erscheint mir zu absurd. Kein Mensch kann so kontrollsüchtig und eifersüchtig sein. Ich schließe die Augen, als die Maschine zur Startbahn rollt.
Acht Stunden später betrete ich den Ankunftsbereich des Flughafens Sea-Tac. Taylor erwartet mich bereits mit einem Schild in der Hand. MISS A. STEELE. Also wirklich! Trotzdem freue ich mich, ihn zu sehen.
»Hallo, Taylor.« »Miss Steele«, begrüßt er mich förmlich. Trotzdem sehe ich den Anflug eines Lächelns in seinen dunkelbraunen Augen aufblitzen. Wie gewohnt ist er wie aus dem Ei gepellt – gut geschnittener dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd und eine graue Krawatte dazu.
»Sie hätten kein Schild mitbringen müssen, Taylor. Ich weiß doch, wie Sie aussehen. Außerdem wünschte ich, Sie würden Ana zu mir sagen.«
»Darf ich Ihnen das Gepäck abnehmen, Ana? Bitte.«
»Nein, es geht schon. Vielen Dank.«
Er presst unübersehbar frustriert die Lippen aufeinander.
»Aber … aber wenn Sie sich wohler fühlen … bitte«, stammle ich.
»Danke.« Er nimmt meinen Rucksack und mein nagelneues Rollköfferchen mit den Sachen, die mir meine Mutter gekauft hat. »Hier entlang, Ma’am.«
Ich seufze. Er ist so wahnsinnig höflich. Unwillkürlich muss ich daran denken, dass dieser Mann mir sogar Unterwäsche gekauft hat – obwohl ich froh wäre, wenn ich diese Erinnerung für immer aus meinem Gedächtnis streichen könnte. Am schlimmsten ist, dass er der einzige Mann ist, der das bisher für mich getan hat. Selbst Ray blieb diese Peinlichkeit erspart. Schweigend gehen wir zu Christians schwarzem Audi SUV, und Taylor öffnet mir die Tür. Ich steige ein und frage mich flüchtig, ob es eine gute Idee war, in meinem kurzen Rock nach Seattle zurückzufliegen. In der Hitze Georgias war er das perfekte Kleidungsstück, wohingegen ich mir hier vorkomme, als würde ich halb nackt herumlaufen. Taylor verstaut mein Gepäck im Kofferraum und setzt sich hinters Steuer.
Es herrscht dichter Feierabendverkehr. Taylor sieht stur geradeaus auf die Straße. Ihn als wortkarg zu bezeichnen wäre eine blanke Untertreibung.
Irgendwann ertrage ich die Stille keine Sekunde länger.
»Wie geht es Christian, Taylor?«
»Mr. Grey hat im Moment sehr viel um die Ohren, Miss Steele.«
Oh, er spricht offenbar von der »Situation«. Aha. Offenbar bin ich auf eine Goldader gestoßen.
»Sehr viel um die Ohren?«
»Ja, Ma’am.«
Ich mustere ihn stirnrunzelnd. Taylor begegnet meinem Blick im Rückspiegel. Er verfällt wieder in Schweigen. Du meine Güte, der Kerl kann genauso verstockt sein wie Mr. Kontrollfreak selbst.
»Geht es ihm gut?«
»Ich denke schon, Ma’am.«
»Fühlen Sie sich wohler, wenn Sie mich Miss Steele nennen können?«
»Ja, Ma’am.«
»Okay.«
Tja, damit sind wir bereits beim Ende unserer Unterhaltung angelangt. Abermals senkt sich Stille über das Wageninnere. Allem Anschein nach war Taylors Bemerkung von gestern Vormittag, Christian sei nur schwer zu ertragen gewesen, ein einmaliger Ausrutscher. Vielleicht ist es ihm unangenehm, und er hat Angst, seinem Boss gegenüber illoyal gewesen zu sein. Die Stille im Wagen hat etwas Bleiernes.
»Würden Sie bitte Musik einlegen?«
»Gewiss, Ma’am. Was möchten Sie gern hören?«
»Etwas Ruhiges.«
Ich sehe ein Lächeln um Taylors Lippen spielen, als sich unsere Blicke flüchtig im Rückspiegel begegnen.
»Ja, Ma’am.«
Er drückt ein paar Knöpfe am Lenkrad, woraufhin die sanften Klänge von Pachelbels Kanon die Stille erfüllen. O ja … das ist genau das Richtige.
»Danke.« Ich lehne mich auf dem Rücksitz zurück, während wir langsam, aber stetig über die Interstate nach Seattle kriechen.
Fünfundzwanzig Minuten später hält er vor der eindrucksvollen Fassade des Escala an.
»Bitte sehr, Ma’am«, sagt er und hält mir die Tür auf. »Ich bringe Ihr Gepäck sofort.« Seine Miene ist freundlich, sanft, beinahe onkelhaft.
Du meine Güte … Onkel Taylor. Was für ein Gedanke.
»Danke fürs Abholen.«
»War mir ein Vergnügen, Miss Steele.« Er lächelt.
Ich trete durch die Tür. Der Portier winkt mir zu.
Auf dem Weg in den dreißigsten Stock spüre ich, wie tausend Schmetterlinge in meinem Bauch hektisch ihre Flügel ausbreiten. Wieso bin ich bloß so angespannt? Aber ich kenne die Antwort längst – weil ich nicht weiß, in welcher Stimmung ich Christian gleich vorfinden werde. Mir ist durchaus klar, auf welche Gemütsverfassung meine innere Göttin hofft, meinem Unterbewusstsein und mir hingegen flattern die Nerven vor Beklemmung.
Die Aufzugtüren öffnen sich. Es ist ein seltsames Gefühl, ausnahmsweise nicht von Taylor in Empfang genommen zu werden. Ich betrete das Wohnzimmer, wo Christian mit seinem BlackBerry am Ohr vor den riesigen Panoramafenstern steht und auf die frühabendliche Skyline von Seattle hinausblickt. Er trägt einen grauen Anzug, dessen Jackett aufgeknöpft ist, und rauft sich das Haar. Er ist sichtlich aufgebracht. Mein Gott, was ist passiert? Aufgebracht hin oder her – bei seinem Anblick stockt mir der Atem. Wie kann ein Mann nur so … faszinierend sein?
»Keine Spur … Okay … Ja.« Er dreht sich zu mir um, und ich kann sehen, wie die Anspannung unvermittelt einer tiefen Erleichterung weicht. Und noch etwas anderem: Der Blick, den er mir zuwirft, ist so voller sexueller Lust und Begierde, dass meine innere Göttin schlagartig sämtliche Beklommenheit vergisst.
Mein Mund fühlt sich trocken an, und das Verlangen durchströmt mich … wow.
»Ich will auf dem Laufenden gehalten werden«, stößt er barsch hervor, klappt das Telefon zu und kommt mit entschlossenen Schritten auf mich zu. Wie gelähmt stehe ich da und sehe ihm in die Augen, die mich zu verschlingen scheinen. Doch irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Ich bemerke den besorgten Zug um seinen Mund. Er streift sich das Jackett von den Schultern, löst seine Krawatte und wirft beides auf die Couch, ohne seine Schritte zu verlangsamen. Dann steht er vor mir, schlingt die Arme um mich und zieht mich an sich, wild und ungestüm. Er packt meinen Pferdeschwanz und zieht meinen Kopf nach hinten, um mich mit einer Leidenschaft zu küssen, als hinge sein Leben davon ab. Was um alles in der Welt ist nur mit ihm los? Brutal zerrt er das Gummiband aus meinem Haar, doch es kümmert mich nicht. Sein Kuss hat etwas Verzweifeltes, Raues, Ursprüngliches. Er braucht mich jetzt, aus welchem Grund auch immer. Noch nie habe ich mich so begehrt gefühlt. Sein Kuss ist düster und sinnlich, dennoch macht er mir Angst. Ich erwidere ihn mit derselben Hingabe und fahre mit meinen Fingern durch sein Haar. Unsere Zungen finden sich zu einem wilden Tanz, während die Leidenschaft und die Lust gleichermaßen in uns erwachen. Er schmeckt göttlich, heiß, sexy. Sein Geruch – nach dieser magischen Mischung aus Duschgel und Christian – erregt mich. Er löst sich von mir und starrt mich für einen Moment an, doch ich kann nicht sagen, was er empfindet.
»Was ist los?«, stoße ich atemlos hervor.
»Ich bin so froh, dass du wieder hier bist. Geh mit mir duschen – jetzt gleich.«
Ich bin nicht sicher, was das ist – eine Bitte oder ein Befehl.
»Ja«, flüstere ich.
Er nimmt meine Hand und führt mich aus dem Wohnzimmer, quer durch sein Schlafzimmer ins Bad.
Er dreht den Wasserhahn in der riesigen Dusche auf, dann wendet er sich wie in Zeitlupe zu mir um und mustert mich. Sein Blick ist verschleiert vor Gier.
»Dein Rock gefällt mir. Sehr kurz«, stellt er leise fest. »Du hast tolle Beine.«
Er schlüpft aus seinen Schuhen, bückt sich, um sich die Socken von den Füßen zu ziehen, ohne den Blick von mir zu wenden. Der hungrige Ausdruck in seinen Augen raubt mir den Atem. Ich streife mir die flachen Sandalen von den Füßen. Unvermittelt streckt er die Hände nach mir aus, drückt mich mit dem Rücken gegen die Wand und küsst mein Gesicht, meinen Hals, meinen Mund. Ich spüre die Fliesen im Rücken, als er sich gegen mich presst, eingezwängt zwischen der Hitze seines Körpers und der Kühle der Keramik. Zögernd lege ich meine Finger um seine Oberarme und drücke leicht zu. Ein Stöhnen entfährt ihm.
»Ich will dich. Jetzt. Hier. Schnell, hart«, stößt er hervor. Seine Hände wandern zu meinen Schenkeln und ziehen meinen Rock hoch. »Hast du noch deine Tage?«
»Nein.« Ich werde rot.
»Gut.«
Er schiebt beide Daumen unter den Saum meines weißen Baumwollhöschens, dann lässt er sich auf die Knie sinken und zieht es nach unten. Mein Rock bauscht sich in meiner Taille, so dass ich von den Hüften abwärts nackt bin. Schwer atmend stehe ich da und warte. Er drückt mich erneut gegen die Wand und beginnt, die Innenseite meiner Schenkel zu küssen, während er mit einer Hand meine Beine spreizt. Ein lautes Stöhnen entfährt mir, als seine Zunge meine Klitoris umkreist. Oh. Ich lege den Kopf in den Nacken. Ein weiteres Stöhnen dringt aus meiner Kehle. Meine Finger verkrallen sich in seinem Haar.
Seine Zunge kennt kein Erbarmen. Wieder und wieder umkreist sie beharrlich die empfindsamste Stelle meines Körpers. Die Intensität des Gefühls ist lustvoll und beinahe an der Grenze zum Schmerz. Mein Körper spannt sich an. Unvermittelt lässt Christian von mir ab. Was? Nein! Mein Atem geht stoßweise. Ich blicke auf ihn hinab, kann es kaum noch erwarten. Er steht auf, legt die Hände um mein Gesicht und zwängt seine Zunge in meinen Mund, so dass ich meine eigene Erregung schmecken kann. Dann zieht er den Reißverschluss seiner Hose herunter, befreit sich, umfasst meine Schenkel und hebt mich hoch.
»Schling deine Beine um mich, Baby«, sagt er eindringlich.
Ich gehorche und lege meine Arme um seinen Hals. Mit einer heftigen Bewegung bohrt er sich in mich. Ah! Er schnappt nach Luft. Ich stöhne. Er hält meine Hinterbacken fest. Seine Finger krallen in mein weiches Fleisch, dann beginnt er sich zu bewegen, langsam zuerst, in einem bedächtigen, stetigen Rhythmus, doch dann wird er schneller, heftiger, tiefer. Aaah! Er stößt zu, immer schneller und härter, und ich spüre, wie mein Körper zu fliegen scheint … immer weiter dem Höhepunkt entgegen, bis ich in einem unglaublichen Orgasmus explodiere. Mit einem dumpfen Grollen versenkt er sich ein letztes Mal laut ächzend in mir, als auch er seine Erlösung findet.
Schwer atmend küsst er mich, noch immer in mir, während ich ihm blinzelnd in die Augen sehe. Als es mir endlich gelingt, seine Züge auszumachen, zieht er sich behutsam aus mir zurück und stellt mich vorsichtig auf die Füße. Inzwischen ist das Badezimmer von heißem Dunst erfüllt. Ich bin zwar halb nackt, trotzdem habe ich das Gefühl, viel zu viel anzuhaben.
»Du scheinst dich ja mächtig zu freuen, mich zu sehen.« Ich lächle verschämt.
Seine Lippen zucken. »Ja, Miss Steele, ich glaube, meine Freude ist unübersehbar. Und jetzt ab unter die Dusche.«
Er löst die Manschettenknöpfe an seinem Hemd, zieht es sich über den Kopf und lässt es auf den Boden fallen. Dann streift er seine Hose und die Boxershorts ab und tritt beides zur Seite. Er macht sich an den Knöpfen meiner Bluse zu schaffen, während ich ihn ansehe und das Bedürfnis unterdrücke, über seine Brust zu streichen.
»Wie war dein Flug?«, erkundigt er sich beiläufig. Inzwischen wirkt er wesentlich ruhiger, als wäre die Anspannung von ihm abgefallen, vertrieben von unserem heißen, gnadenlosen Sex.
»Gut, danke«, erwidere ich, immer noch atemlos. »Nochmal danke für das Upgrade. Es ist wirklich wesentlich angenehmer, so zu reisen.« Ich lächle ihn an. »Übrigens habe ich Neuigkeiten«, füge ich nervös hinzu.
»Ach ja?« Er sieht mich an, öffnet den letzten Knopf, streift mir die Bluse über die Arme und wirft sie zu den anderen Sachen auf den Haufen.
»Ich habe einen Job.«
Er hält kurz inne, dann lächelt er. Der Ausdruck in seinen Augen ist warm und weich. »Glückwunsch, Miss Steele. Und darf ich jetzt auch erfahren, wo?«
»Weißt du das etwa nicht?«
Er schüttelt den Kopf. »Woher sollte ich?«
»Bei deinen Stalker-Fähigkeiten hätte ich gedacht …« Ich halte inne, als ich sein finsteres Gesicht sehe.
»Anastasia, ich würde nicht einmal im Traum daran denken, mich in deine Karriere einzumischen. Es sei denn, natürlich, du bittest mich darum.« Er wirkt gekränkt.
»Also hast du keine Ahnung, wo ich anfangen werde?«
»Nein. Ich weiß, dass es in Seattle vier Verlage gibt, deshalb wird es wohl einer davon sein.«
»SIP.«
»Oh, der kleinste also. Sehr gut. Gut gemacht.« Er beugt sich vor und küsst meine Stirn. »Kluges Mädchen. Wann fängst du an?«
»Am Montag.«
»So schnell? Dann sollte ich mir wohl lieber alles nehmen, was ich von dir kriegen kann, solange ich noch Gelegenheit dazu habe. Dreh dich um.«
Sein beiläufiger Befehl bringt mich zwar ein wenig aus dem Konzept, trotzdem gehorche ich. Er öffnet den Verschluss meines BHs und zieht den Reißverschluss meines Rocks herunter. Als er ihn über meine Schenkel streift, küsst er meine Schulter und legt die Hände auf meine Gesäßbacken, dann beugt er sich vor, verbirgt die Nase in meinem Haar und holt tief Luft, während er beide Backen fest zusammendrückt.
»Sie berauschen mich, Miss Steele, und gleichzeitig gelingt es Ihnen, dass ich in Ihrer Gegenwart ruhiger werde. Was für eine betörende Mischung.« Er ergreift meine Hand und zieht mich unter die Dusche.
»Aua«, quieke ich. Das Wasser ist beinahe kochend heiß. Christian grinst, als der Strahl auf mich niederprasselt.
»Es ist doch nur ein bisschen heißes Wasser.«
Eigentlich hat er Recht. Es fühlt sich herrlich an, den Schmutz des Morgens in Georgia und die Klebrigkeit unseres Liebesspiels von mir abzuwaschen.
»Dreh dich um«, ordnet er an, woraufhin ich mich mit dem Gesicht zur Wand umdrehe. »Ich will dich waschen.« Er nimmt das Duschgel und drückt einen kleinen Klecks in seine Hand.
»Ich muss dir noch etwas sagen«, murmle ich, als seine Hände über meine Schultern gleiten.
»So?« Sein Tonfall ist milde.
Ich hole tief Luft und wappne mich. »Die Vernissage meines alten Freunds José findet am Donnerstag in Portland statt«, sage ich, wobei ich bewusst die Betonung auf die Worte »alter Freund« lege.
Er hält inne. Einen kurzen Moment verharren seine Hände auf meinen Brüsten. »Und was ist damit?«, fragt er streng.
»Ich habe versprochen, dass ich kommen werde. Willst du mitkommen?«
Nach einer gefühlten Ewigkeit nehmen seine Hände ihre Tätigkeit wieder auf. »Um wie viel Uhr?«
»Um halb acht geht’s los.«
Er küsst mein Ohr. »Okay.«
Mein Unterbewusstsein entspannt sich und sackt in einem alten Lehnsessel zusammen.
»Hattest du Angst, mich zu fragen?«
»Ja. Woher weißt du das?«
»Anastasia, dein ganzer Körper hat sich schlagartig entspannt, als ich Ja gesagt habe«, gibt er trocken zurück.
»Na ja, du scheinst eher der … eifersüchtige Typ zu sein.«
»Das bin ich auch«, bestätigt er finster. »Und es ist nur klug, dass du das nicht vergisst. Aber danke, dass du mich gefragt hast. Wir werden mit Charlie Tango hinfliegen.«
Oh, der Hubschrauber. Natürlich. Wie dumm von mir, nicht daran zu denken. Schon wieder fliegen … toll. Ich grinse.
»Darf ich dich auch waschen?«, frage ich.
»Nein.« Er küsst meinen Nacken, um dem Wort etwas von seiner Schärfe zu nehmen.
Schmollend starre ich die geflieste Wand vor mir an, während er meinen Rücken einseift. »Wirst du mir jemals erlauben, dich anzufassen?«, frage ich geradeheraus.
Wieder verharren seine Hände für einen kurzen Moment auf meinem Körper. »Stütz dich an der Wand ab, Anastasia. Ich werde dich noch einmal nehmen«, murmelt er in mein Ohr und umfasst meine Hüften – ein unmissverständliches Signal, dass die Diskussion damit beendet ist.
Später sitzen wir in Bademänteln an der Frühstückstheke und verschlingen Mrs. Jones’ hervorragende Spaghetti alle Vongole.
»Noch etwas Wein?«, fragt Christian. Seine grauen Augen leuchten.
»Ein kleines Glas, bitte.«
Der Sancerre schmeckt köstlich und frisch. Christian schenkt zuerst mir, dann sich selbst ein Glas ein.
»Was ist mit der … Situation, die dich gezwungen hat, nach Seattle zurückzufliegen?«, erkundige ich mich vorsichtig.
»Leider ist sie völlig aus dem Ruder gelaufen«, antwortet er verbittert. »Aber das ist nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen musst, Anastasia. Ich habe für heute Abend Pläne mit dir.«
»Ach ja?«
»Ja. Ich will dich in einer Viertelstunde in meinem Spielzimmer sehen.« Er steht auf. »Du kannst dich in deinem eigenen Zimmer fertig machen. Im begehbaren Schrank hängen inzwischen jede Menge Sachen für dich. Und ich will kein Wort darüber hören.« Er kneift die Augen zusammen, als warte er nur darauf, dass ich Einwände erhebe. Als ich schweige, geht er in Richtung seines Arbeitszimmers davon.
Ich? Einwände erheben? Gegen etwas, was Sie angeordnet haben, Mr. Fünfzig-Facetten? Dafür ist mir mein Hintern eindeutig zu schade. Einen Moment lang sitze ich wie betäubt auf meinem Barhocker. Diese Neuigkeiten muss ich erst einmal verdauen. Er hat mir also Sachen zum Anziehen gekauft. Im sicheren Wissen, dass er mich nicht sehen kann, verdrehe ich übertrieben die Augen – Auto, Telefon, Computer … Klamotten. Fehlt nur noch eine eigene Wohnung, dann steht einem Dasein als Mätresse ja nichts mehr im Wege.
Haha! Mein Unterbewusstsein hat das Gesicht zu seinem typisch höhnischen Grinsen verzogen. Ich beachte es nicht, sondern gehe nach oben in mein Zimmer. Es ist also immer noch meines … wieso? Ich dachte, er sei damit einverstanden, dass ich in seinem Bett schlafe. Vermutlich ist er nicht daran gewöhnt, jemanden so dicht an sich heranzulassen; andererseits gilt dasselbe auch für mich. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich wenigstens einen Ort habe, an dem ich ihm für eine Weile entfliehen kann.
Ich stelle fest, dass die Tür zwar ein Schloss hat, aber weit und breit kein passender Schlüssel zu sehen ist. Ob Mrs. Jones einen Ersatzschlüssel hat? Ich nehme mir vor, sie danach zu fragen. Ich öffne die Schranktür und knalle sie sofort wieder zu. Großer Gott … er hat ein halbes Vermögen ausgegeben. Dieser Schrank könnte es ohne Weiteres mit Kates aufnehmen – massenhaft Anziehsachen, allesamt fein säuberlich auf Bügeln. Und mein Instinkt sagt mir, dass mir jedes Stück davon passen wird. Aber ich habe keine Zeit, alles anzuprobieren. Ich muss in ein paar Minuten in der Kammer der Qualen knien – die sich hoffentlich heute Abend als Kammer der Lust entpuppt.
Nur mit meinem Höschen bekleidet, kauere ich auf Knien direkt neben der Tür. Mein Herz hämmert. Meine Güte, eigentlich hätte ich gedacht, dass Christian nach unseren Begegnungen im Badezimmer genug hätte. Aber dieser Mann ist unersättlich. Vielleicht sind ja alle Männer so, keine Ahnung, schließlich fehlt mir der Vergleich. Ich schließe die Augen und versuche, mich zu beruhigen und die Sub in mir heraufzubeschwören. Ich weiß, dass sie da ist, irgendwo hinter meiner inneren Göttin versteckt.
Vorfreude durchströmt mich, prickelnd wie Champagnerbläschen. Was hat er mit mir vor? Ich hole tief Luft, um meine Aufregung in den Griff zu bekommen, trotzdem kann ich nicht leugnen, dass ich erregt, längst feucht bin. Das hier ist – das Wort verkehrt kommt mir in den Sinn, aber aus irgendeinem Grund ist es nicht verkehrt. Für Christian ist es richtig. Es ist genau das, was er will. Und nach allem, was in den letzten Tagen passiert ist, was er getan hat, muss ich mich zusammennehmen und mich mit allem arrangieren, was er will, was er zu brauchen glaubt.
Die Erinnerung an seinen Blick, als ich heute Abend hereingekommen bin, an die Sehnsucht in seinen Augen und an die Entschlossenheit in seinen Schritten ist wie eine Oase in einer endlosen Wüste für mich. Ich würde fast alles dafür tun, um diesen Blick noch einmal sehen zu dürfen. Ich presse die Schenkel zusammen, als ich mir die köstliche Erinnerung ins Gedächtnis rufe, doch dann fällt mir ein, dass ich sie ja spreizen muss, also schiebe ich meine Beine wieder auseinander. Wie lange will er mich noch warten lassen? Das Warten macht mich nervös. Ein dunkles, qualvolles Verlangen durchströmt mich. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen – das Kreuz, der Tisch, die Couch, die Bank … das Bett. Riesig und drohend steht es in der Ecke, bereits mit roter Bettwäsche bezogen. Welche Teile seiner vielen Instrumentarien wird er heute benutzen?
Die Tür geht auf, und Christian kommt herein. Doch er beachtet mich nicht. Eilig senke ich den Blick, richte ihn auf meine Hände, die auf meinen nackten Schenkeln ruhen. Er legt etwas auf die Kommode neben der Tür und schlendert gemächlich zum Bett. Ich gestatte mir einen kurzen Blick auf ihn und spüre, wie mir beinahe das Herz stehen bleibt. Bis auf seine zerrissenen Jeans, deren obersten Knopf er geöffnet hat, ist er nackt. Er sieht so verdammt heiß aus. Mein Unterbewusstsein fächelt sich hektisch Luft zu, während meine innere Göttin in einem lustvollen Rhythmus vor Erregung zu zucken beginnt. Sie ist bereit, so bereit. Reflexartig fahre ich mir mit der Zunge über die Lippen. Das Blut pulsiert in meinen Venen, dick und zähflüssig vor Begierde. Was wird er mit mir anstellen?
Er dreht sich um, schlendert zu der Kommode, öffnet eine Schublade, nimmt irgendwelche Gegenstände heraus und legt sie darauf. Die Neugier droht mich zu übermannen, doch ich besiege den unwiderstehlichen Drang, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Schließlich tritt er vor mich. Ich kann seine nackten Füße sehen und würde am liebsten jede Zehe einzeln küssen … meine Zunge über sie gleiten lassen, sie in den Mund nehmen und daran saugen. Verdammt!
»Du siehst hübsch aus«, raunt er.
Ich halte den Kopf gesenkt, wohl wissend, dass er mich anstarrt, während ich praktisch nackt vor ihm knie. Ich spüre die Röte, die sich auf meinem Gesicht ausbreitet. Er beugt sich herab und hebt mein Kinn an, so dass ich gezwungen bin, ihn anzusehen.
»Du bist eine bildschöne Frau, Anastasia. Und du gehörst mir ganz allein«, sagt er leise. »Steh auf.« Seine Stimme ist weich, voll sinnlicher Verheißung.
Zitternd komme ich auf die Füße.
»Sieh mich an.«
Ich blicke in seine grauen Augen, die mich zu durchbohren scheinen. Das ist sein Dom-Blick – kalt, hart, verdammt sexy, sieben Facetten der Sünde in einem einzigen Blick. Mein Mund fühlt sich staubtrocken an. Ich weiß, dass ich alles tun werde, was er von mir verlangt. Ein fast grausames Lächeln spielt um seine Lippen.
»Noch haben wir unseren Vertrag nicht unterschrieben, Anastasia. Aber die Grenzen haben wir bereits festgelegt. Und ich will dich an unsere Safewords erinnern.«
Verdammte Scheiße … was hat er mit mir vor, dass ich möglicherweise die Safewords brauchen könnte?
»Wie lauten sie?« Sein Tonfall ist autoritär.
Ich runzle leicht die Stirn, woraufhin sich seine Züge verhärten.
»Wie lauten die Safewords, Anastasia?«, fragt er langsam und betont.
»Gelb«, murmle ich.
»Und?« Er presst die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.
»Rot«, hauche ich.
»Vergiss sie nicht.«
In diesem Moment kann ich mich nicht länger beherrschen, ich hebe den Kopf, um ihn daran zu erinnern, dass ich immerhin einen Uni-Abschluss habe, doch ein Blick in seine frostig grauen Augen lässt mich innehalten.
»Zügeln Sie Ihr vorlautes Mundwerk, solange wir hier drin sind, Miss Steele, sonst werde ich es Ihnen mit meinem Schwanz stopfen, während Sie vor mir knien. Verstanden?«
Ich schlucke reflexartig. Okay. Ich blinzle mehrmals schnell hintereinander. Offen gestanden, flößt mir eher sein Tonfall Respekt ein als die Drohung selbst.
»Und?«
»Ja, Sir«, sage ich eilig.
»Braves Mädchen. Ich habe nicht die Absicht, etwas zu tun, wofür du das Safeword benutzen musst, weil du Schmerzen hast. Was ich mit dir vorhabe, wird intensiv werden, sogar sehr intensiv. Und du musst mich anleiten. Verstehst du das?«
Nicht so ganz. Intensiv? Wow.
»Diesmal werde ich dich berühren, Anastasia. Du wirst mich weder sehen noch hören können. Dafür umso deutlicher spüren.«
Ich runzle die Stirn. Ich werde ihn nicht hören können? Wie soll das gehen? Er dreht sich um. Mein Blick fällt auf ein kleines, flaches, mattschwarzes Kästchen über der Kommode, das mir bisher nicht aufgefallen ist. Er wedelt kurz mit der Hand, woraufhin sich die schwarze Oberfläche teilt und ein CD-Player mit diversen Tasten zum Vorschein kommt. Christian drückt mehrere nacheinander. Im ersten Moment geschieht gar nichts, doch er scheint zufrieden zu sein. Mir hingegen ist das Ganze ein Rätsel. Als er sich mir zuwendet, spielt wieder dieses geheimnisvolle, wissende Lächeln um seine Lippen.
»Ich werde dich jetzt an dieses Bett fesseln, Anastasia. Aber zuerst werde ich dir die Augen verbinden, und« – er hält seinen iPod in die Höhe – »du wirst mich nicht hören, sondern nur die Musik, die ich für dich spiele.«
Okay. Ein musikalisches Vorspiel. Nicht gerade das, was ich erwartet hatte. Aber tut er überhaupt jemals, was ich von ihm erwarte? O Gott, ich hoffe nur, er hat keinen Rap ausgesucht.
»Komm her.« Er nimmt meine Hand und führt mich zu dem antik aussehenden Himmelbett. An allen vier Ecken sind Fesseln angebracht, schmale Ketten mit Ledermanschetten daran, die silbrig auf der roten Satinbettwäsche schimmern.
O Mann, ich glaube, mir springt gleich das Herz aus der Brust. Gleichzeitig fühlt es sich an, als würde ich von innen heraus zerschmelzen, als das Verlangen heiß durch meinen Körper strömt.
»Stell dich hier hin.«
Ich gehorche.
Er beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr: »Warte hier. Sieh immer auf das Bett. Stell dir vor, du liegst darauf. Gefesselt und mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.«
Oh.
Er verschwindet, und ich höre, wie er zur Tür geht, um irgendetwas zu holen. All meine Sinne sind hellwach und geschärft. Es ist, als könnte ich jedes noch so winzige Geräusch deutlich hören. Er hat etwas aus dem Regal mit den Peitschen und Paddles neben der Tür genommen. Was um alles in der Welt hat er vor?
Ich spüre, wie er hinter mich tritt. Er nimmt mein Haar und flicht es zu einem Zopf.
»Ich mag es zwar, wenn du Zöpfe trägst, Anastasia, aber ich kann es kaum erwarten, dich endlich zu nehmen, deshalb wird einer genügen müssen.« Seine Stimme ist leise und weich.
Während er mein Haar zu einem Zopf bindet, streifen seine Finger hier und da die nackte Haut meines Rückens – bei jeder einzelnen Berührung durchzuckt mich ein köstlicher elektrischer Schlag. Er befestigt das Ende mit einem Haarband und zieht vorsichtig daran, so dass ich gezwungen bin, einen Schritt nach hinten zu treten. Unsere Körper berühren sich. Er zieht ein weiteres Mal an meinem Zopf. Gehorsam neige ich den Kopf leicht zur Seite, um ihm ungehinderten Zugang zu meinem Hals zu gewähren, dann beugt er sich vor und beginnt, meinen Hals mit Küssen zu bedecken. Behutsam bahnt er sich mit Zunge und Zähnen einen Weg von meinem Ohrläppchen bis zu meiner Schulter. Dabei gibt er ein leises Summen von sich, das auf meiner Haut vibriert, quer durch meinen ganzen Körper, bis ganz nach unten … tief in meinem Unterleib. Unwillkürlich entfährt mir ein leises Stöhnen.
»Still«, sagt er leise, ohne die Lippen von meiner Haut zu lösen. Er streckt die Hände vor, so dass sich unsere Arme berühren. In seiner Rechten hält er einen Flogger. Ich erinnere mich an den Namen von meinem ersten Besuch in diesem Raum.
»Fass ihn an«, fordert er mich leise auf. Er klingt wie Satan höchstpersönlich.
Die Hitze flackert durch meinen Körper. Zögernd strecke ich die Hand vor und streiche über die Peitsche, die aus zahlreichen weichen Wildlederriemen mit kleinen Perlen an den Enden besteht.
»Gleich werde ich sie benutzen. Es wird nicht wehtun, sondern nur die Durchblutung fördern und deine Haut dadurch empfindsamer machen.«
Oh. Es wird also nicht wehtun.
»Wie lauten die Safewords, Anastasia?«
»Äh … gelb und rot, Sir.«
»Braves Mädchen. Und denk daran, die größte Angst ist die in deinem Kopf.«
Er lässt den Flogger aufs Bett fallen und legt die Hände um meine Taille.
»Das wirst du nicht brauchen«, sagt er leise, schiebt die Finger unter den Rand meines Höschens und streift es mir über die Beine. Eine Hand um den Bettpfosten gelegt, trete ich umständlich heraus.
»Steh still«, befiehlt er, küsst mein Hinterteil und kneift mich zweimal kurz nacheinander zärtlich. Ich versteife mich. »Jetzt leg dich hin, mit dem Gesicht nach oben«, fügt er hinzu und verpasst mir einen kräftigen Schlag, der mich zusammenzucken lässt.
Eilig krabble ich auf die harte, unnachgiebige Matratze und sehe ihn an. Der Satinstoff fühlt sich kühl und glatt auf meiner Haut an. Seine Miene ist ausdruckslos, mit Ausnahme seiner Augen, in denen die mühsam beherrschte Begierde flackert.
»Hände über den Kopf«, ordnet er an. Ich gehorche.
O Gott, ich sehne mich bereits mit jeder Faser meines Körpers nach ihm. Ich will ihn. Jetzt schon.
Er wendet sich ab. Aus den Augenwinkeln registriere ich, dass er zur Kommode geht und mit dem iPod und einer Art Augenmaske zurückkehrt, die so ähnlich aussieht wie die, die ich auf dem Flug nach Atlanta aufhatte – eine schöne Erinnerung, trotzdem scheinen meine Lippen nicht gehorchen und sich zu einem Lächeln verziehen zu wollen. Ich bin viel zu aufgeregt und gespannt, was als Nächstes kommt. Mit regloser Miene und weit aufgerissenen Augen blicke ich zu ihm hoch.
Er setzt sich auf die Bettkante und zeigt mir den iPod, an den eine merkwürdig aussehende Antenne und Kopfhörer angeschlossen sind. Wie seltsam. Ich runzle die Stirn.
»Hiermit wird das, was auf dem iPod gespielt wird, auf die Anlage übertragen«, beantwortet Christian meine unausgesprochene Frage. »Ich höre, was du hörst, und kann es mit einer Fernbedienung steuern.« Wieder tritt dieses wissende Lächeln auf seine Züge, als er ein kleines, flaches Ding in die Höhe hält, das wie ein supermoderner Taschenrechner aussieht. Er beugt sich über mich, steckt mir behutsam die Ohrstöpsel in die Ohren und legt den iPod irgendwo über mir aufs Bett.
»Heb den Kopf«, befiehlt er.
Ohne zu zögern, gehorche ich.
Langsam legt er mir die Maske aufs Gesicht und schiebt das elastische Band über meinen Hinterkopf. Und dann bin ich blind. Das Gummiband gewährleistet, dass die Ohrstöpsel nicht herausfallen. Ich höre, wie er aufsteht, wenn auch nur gedämpft. In der nahezu vollständigen Stille ist das Geräusch meiner eigenen Atemzüge – schnell und flach, ein Spiegel meiner Aufregung – geradezu ohrenbetäubend laut. Christian nimmt meinen linken Arm, zieht ihn nach links oben und legt die Ledermanschette um mein Handgelenk, dann streichen seine langen Finger über die Innenseite meines Arms. Oh! Die Berührung durchzuckt mich wie ein winziger delikater Stromstoß. Ich höre, wie er langsam auf die andere Seite geht und mir auch dort die Ledermanschette anlegt. Wieder wandert sein Finger an meinem Arm entlang. O Gott … ich halte es schon jetzt fast nicht mehr aus. Wieso um alles in der Welt ist all das so unglaublich erotisch?
Er tritt ans Fußende und umfasst meine Fußgelenke.
»Heb noch einmal den Kopf«, sagt er.
Ich gehorche. Er zieht mich so weit nach unten, dass meine Arme vollständig ausgestreckt sind. Ich kann sie nicht mehr bewegen, verdammte Scheiße. Ein beklommener Schauder überläuft mich, vermischt mit Erregung. Ich spüre, wie ich noch feuchter werde. Ein Stöhnen entfährt mir. Er spreizt meine Beine und fesselt zuerst meinen rechten, dann meinen linken Knöchel mit den Ledermanschetten, bis ich mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Bett liege, verletzlich und hilflos ausgeliefert. Es passt mir überhaupt nicht, dass ich ihn nicht sehen kann. Ich lausche … was macht er jetzt? Bis auf meine Atemzüge, den schnellen Schlag meines Herzens und das Rauschen meines Blutes in den Ohren höre ich nichts.
Unvermittelt wird die Stille von einem Zischen und Knacken durchbrochen, als der iPod zum Leben erwacht. Eine engelsgleiche Stimme in meinem Kopf hebt zum Gesang an – eine süße, scheinbar endlose Note, dann setzt eine zweite Stimme ein, gefolgt von weiteren … ein Kirchenchor, der ein altertümliches Kirchenlied singt. Was um alles in der Welt ist das? So etwas habe ich noch nie vorher gehört. Etwas fast unerträglich Weiches streicht über die Haut an meinem Hals, bewegt sich müßig über meine Kehle, über meine Brüste, liebkost mich … zieht behutsam an meinen Brustwarzen. Ich habe keine Ahnung, was es sein könnte, aber es schweift federleicht über meine Haut. Es fühlt sich so ungewohnt an! Es ist ein Fell! Ein Pelzhandschuh?
Genüsslich und ohne jede Eile lässt Christian seine Hand über meinen Bauch streifen. Er umkreist meinen Nabel, während ich mir vorstelle, welche Körperstelle als Nächstes an der Reihe ist … Doch die Musik, es ist, als wäre sie in meinem Kopf … Sie zieht mich mit sich … Das Fell fährt über den schmalen Streifen meines Schamhaars … zwischen meine Beine, an meinen Schenkeln entlang, am einen hinab … am anderen wieder herauf … fast kitzelnd … aber nur ganz leicht … Noch mehr Stimmen fallen ein, der himmlische Chor mit all den engelsgleichen Stimmen, die in einer Melodie verschmelzen, schöner und harmonischer als alles, was ich je in meinem Leben gehört habe. Ein einzelnes Wort – deus – löst sich aus dem melodiösen Gewirr, und mir wird bewusst, dass sie auf Latein singen. Währenddessen umschmeichelt das Fell unablässig meinen Körper, meine Arme, meine Taille … wieder zurück über meine Brüste. Meine Brustwarzen richten sich auf … Mein Atem beschleunigt sich … Mit einem Mal ist das Fell verschwunden, stattdessen spüre ich die langen Riemen des Floggers, die über meine Haut streichen und demselben Weg über meinen Körper folgen. Es fällt mir unendlich schwer, mich zu konzentrieren, da ständig die Musik in meinem Kopf erklingt. Es ist, als wehten hundert Stimmen in meinem Kopf umher, die einen hauchzarten Teppich aus feinen Gold- und Silberfäden weben, vermischt mit dem Gefühl der weichen Lederriemen auf meiner Haut, die umherstreichen … Aber … oh, plötzlich sind sie verschwunden. Sekunden später spüre ich einen scharfen, brennenden Schmerz auf meinem Bauch.
»Aaaah!«, schreie ich vor Schreck, aber eigentlich tut es nicht weh. Es ist eher wie ein Prickeln, das meinen Körper erfasst. Er schlägt ein zweites Mal zu, diesmal fester.
»Aaah!«
Ich will mich bewegen, mich winden, mich den Schlägen entziehen … oder sie willkommen heißen – ich kann es nicht sagen. Es ist ein überwältigendes Gefühl … Ich kann meine Arme nicht bewegen, meine Beine sind gefesselt … ich bin gefangen … Wieder lässt er den Flogger herabsausen, diesmal auf meine Brüste, und erneut schreie ich auf. Doch es ist ein süßer Schmerz, an der Grenze des Erträglichen … fast angenehm, nein, nicht im ersten Moment, doch als meine Haut mit jedem Hieb im perfekten Kontrapunkt mit der Musik in meinem Kopf zu singen beginnt, spüre ich ihn, diesen unwiderstehlichen Sog. Er zieht mich in jenen tief verborgenen Teil meines Selbst, der sich dieser höchst erotischen Empfindung ergibt. Ja – jetzt verstehe ich endlich. Er lässt den Flogger auf meine Hüften knallen, gefolgt von einer Reihe kurzer Schläge über mein Schamhaar und meine Schenkel, an der Innenseite meiner Schenkel entlang … und wieder zurück … über meine Hüften. Er macht weiter, bis die Musik zum Höhepunkt gelangt und abrupt endet, genauso wie er. Dann setzt der Gesang erneut ein … baut sich immer weiter auf, während er im selben Rhythmus die Schläge auf meine Haut niederregnen lässt. Ich stöhne und winde mich vor Lust. Dann hört es erneut auf. Alles ist still, bis auf meine raschen, abgehackten Atemzüge … und mein ungezügeltes Verlangen. Was passiert jetzt? Was tut er als Nächstes? Die Spannung ist schier unerträglich. Doch inzwischen bin ich rettungslos verloren, versunken in einer Welt der dunklen, wollüstigen Begierde.
Ich spüre, wie das Bett nachgibt, als er über mich hinwegklettert, dann setzt die Musik von neuem ein. Das Ganze beginnt von vorn, nur dass nun seine Lippen an die Stelle des Fells treten … Sie küssen meinen Hals, meine Kehle und … meine Brüste. Ah! Abwechselnd necken sie meine Brustwarzen … Seine Zunge umkreist die eine, während seine Finger erbarmungslos die zweite reizen … Ich stöhne – laut, glaube ich, bin mir aber nicht sicher, weil ich mich nicht hören kann. Ich verliere mich. Verliere mich in ihm … in den astralen, engelsgleichen Stimmen … in all den Empfindungen, denen ich mich nicht entziehen kann … Ich bin auf Gedeih und Verderb seinen erfahrenen, kundigen Händen ausgeliefert.
Er wendet sich meinem Bauch zu – seine Zunge umkreist meinen Nabel, folgt dem Weg des Floggers und des Fells … Abermals stöhne ich auf. Er küsst, saugt, knabbert, immer weiter abwärts … und dann gelangt seine Zunge an jene Stelle, wo sich meine Beine begegnen. Ich werfe den Kopf zurück und schreie auf, als ich um ein Haar in einem Orgasmus explodiere … ich bin kurz davor. Und er hält inne.
Nein! Wieder gibt das Bett unter mir nach. Dann kniet er zwischen meinen Beinen und beugt sich in Richtung Bettpfosten. Plötzlich ist die Ledermanschette um meinen Knöchel verschwunden. Ich ziehe mein Bein an. Er beugt sich in die andere Richtung, um auch meinen zweiten Knöchel zu befreien, und beginnt mit geübten Bewegungen, meine Beine zu kneten und zu drücken, um die Blutzirkulation anzuregen. Er hebt mein Becken an, so dass nur noch meine Schultern auf der Matratze liegen. Was soll das? Er richtet sich auf und stößt mit einer einzigen flüssigen Bewegung in mich hinein … Scheiße … wieder entfährt mir ein lauter Schrei. Ich spüre das Beben des nahenden Orgasmus. Er hält inne. Das Beben verebbt … Scheiße, nein … er wird mich weiter foltern.
»Bitte«, wimmere ich.
Er packt mich noch fester. Soll das eine Warnung sein? Keine Ahnung. Seine Finger graben sich in das weiche Fleisch meines Hinterns, während ich mich ihm schwer atmend entgegenwölbe … in vollkommener Reglosigkeit gefangen. Ganz langsam beginnt er, sich erneut zu bewegen … hinein und wieder heraus … Und als immer mehr Stimmen einfallen und der Choral in meinem Kopf anzuschwellen beginnt, beschleunigt er seine Bewegungen in kaum merklichen Schritten, kontrolliert … und perfekt im Rhythmus mit der Hymne. Ich ertrage es keine Sekunde länger.
»Bitte«, flehe ich.
Er lässt mich zurück aufs Bett sinken und liegt auf mir, die Hände neben meinen Brüsten aufgestützt, und stößt wild und ungestüm zu. Als die Musik ihren Höhepunkt erreicht, bin ich plötzlich schwerelos … stürze im freien Fall … geradewegs in den intensivsten, qualvollsten Orgasmus hinein, den ich je erlebt habe … Augenblicke später folgt mir Christian … noch drei weitere Stöße, dann verharrt auch er abrupt, ehe er über mir zusammensackt.
Als ich allmählich wieder zu Bewusstsein komme, zieht er sich aus mir zurück. Die Musik ist verklungen. Ich spüre, wie er die Ledermanschette um mein rechtes Handgelenk löst. Ich keuche auf, als meine Hand endlich befreit ist. Eilig macht er sich an der linken Manschette zu schaffen, zieht mir behutsam die Maske vom Gesicht und nimmt die Ohrstöpsel heraus. Ich blinzle im weichen Dämmerlicht und sehe ihn an, in seine durchdringenden grauen Augen.
»Hi«, sagt er leise.
»Hi«, hauche ich schüchtern.
Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Er beugt sich vor und küsst mich zärtlich.
»Gut gemacht«, raunt er. »Dreh dich um.«
O Gott – was hat er jetzt vor? Ein weicher Ausdruck tritt in seine Augen.
»Ich will nur deine Schultern massieren.«
»Oh, okay.«
Steif drehe ich mich auf den Bauch. Ich bin völlig erledigt. Christian setzt sich rittlings auf mich und massiert mit geübten Bewegungen meine Schultern.
»Was war das für eine Musik?«, murmle ich, doch die Worte wollen kaum über meine Lippen kommen.
»Das Stück heißt Spem in Alium und ist eine vierzigstimmige Motette von Thomas Tallis.«
»Es war … absolut überwältigend.«
»Ich wollte schon immer mal dazu vögeln.«
»Also eine weitere Premiere für Sie, Mr. Grey?«
»Allerdings.«
»Für mich war es auch das erste Mal, dass ich dazu gevögelt habe«, erwidere ich schläfrig.
»Hm, wir werden einander noch viele weitere Premieren schenken, du und ich«, sagt er mit sachlicher Stimme.
»Was habe ich im Schlaf gesagt, Chris… äh, Mr. Grey?«
Seine Hände verharren einen Moment reglos auf meiner Haut.
»Viele Dinge, Anastasia. Du hast von Käfigen und Erdbeeren gesprochen, davon, dass du mehr willst und dass du mich vermisst.«
Gütiger Gott, ich danke dir.
»Ist das alles?«, frage ich mit unüberhörbarer Erleichterung.
Christian beendet seine himmlische Massage, legt sich neben mich, stützt den Kopf auf den Ellbogen und mustert mich mit gerunzelter Stirn. »Was dachtest du denn, was du gesagt hast?«
Mist.
»Dass ich dich für einen potthässlichen, arroganten Mistkerl halte, der noch dazu schlecht im Bett ist.«
Die Furchen auf seiner Stirn vertiefen sich. »Tja, all das bin ich natürlich. Aber jetzt haben Sie meine Neugier endgültig geweckt, Miss Steele. Was verbergen Sie vor mir?«
Ich blinzle unschuldig. »Gar nichts.«
»Du bist eine hoffnungslos schlechte Lügnerin, Anastasia.«
»Ich dachte, Sie wollten mich nach dem Sex grundsätzlich zum Lachen bringen, Mr. Grey. Aber so wird Ihnen das wohl kaum gelingen.«
Ein Lächeln spielt um seine Mundwinkel. »Leider kann ich keine Witze erzählen.«
»Es gibt also allen Ernstes etwas, was Sie nicht können, Mr. Grey?« Ich grinse ihn an, und er grinst zurück.
»Ja. Ich bin ein hoffnungslos schlechter Witzeerzähler.« Er scheint so stolz darauf zu sein, dass ich unwillkürlich kichern muss.
»Ich auch.«
»Ich liebe es, dieses Kichern zu hören«, sagt er leise, beugt sich vor und küsst mich. »Und du verbirgst etwas vor mir, Anastasia. Vielleicht muss ich dich ja foltern, damit du es mir verrätst.«