WIE EULENSPIEGEL IN EINEM BIENENKORB SCHLIEF


Einmal war Till mit seiner Mutter in einem Nachbardorf zur Kirchweih. Dort trank der Lümmel so viel Bier, dass er schon am hellen Mittag total betrunken war. Außerdem war er auch müde und suchte sich ein schattiges Plätzchen zum Schlafen.

Dabei geriet er in einen stillen Garten, in dem viele Bienenstöcke standen. Es waren auch leere Stöcke darunter, und in einen der leeren Bienenstöcke legte er sich und schlief ein. Er schlief von Mittag bis gegen Mitternacht. Und Frau Eulenspiegel, die ihren Herrn Sohn überall auf dem Kirchweihrummel gesucht hatte, dachte, er sei schon längst nach Hause gegangen. Stattdessen lag er, wie gesagt, in dem leeren Bienenkorb und schlief seinen Schwips aus. Gegen Mitternacht kamen zwei Diebe in den stillen, abgelegenen Garten und wollten einen Bienenkorb stehlen, um dann den Honig zu verkaufen. »Wir werden den schwersten Korb nehmen«, sagte der eine Dieb. »Je schwerer der Korb ist, umso mehr Honig hat er.«

»In Ordnung«, sagte der andere. Und dann hoben sie die Körbe der Reihe nach hoch. Der schwerste war natürlich der, in dem Eulenspiegel lag. Und deshalb nahmen sie den, luden ihn sich auf die Schultern, schleppten ihn aus dem Garten auf die Straße hinaus und wanderten stöhnend und schwitzend ihrem Dorf zu. Eulenspiegel war natürlich aufgewacht und ärgerte sich, dass ihn die beiden Kerle geweckt hatten und nun auch noch nachts in ein Dorf schleppten, in dem er gar nicht wohnte. Als sie ihn so eine Weile getragen hatten, griff er vorsichtig aus dem Bienenkorb heraus und zog den Vorderen furchtbar an den Haaren. »Aua!«, schrie der Dieb. »Bist du denn ganz verrückt geworden?« Er dachte selbstverständlich, der andere Dieb sei es gewesen, und schimpfte schauderhaft.

Der andere wusste nicht, was los war, und sagte: »Du bist wohl übergeschnappt? Ich schleppe an dem Bienenkorb wie ein Möbelträger, und du bildest dir ein, ich hätte Zeit und Lust, dich an den Haaren zu ziehen! Zu dumm!« Eulenspiegel amüsierte sich königlich, und nach einer Weile rupfte er den Hintermann am Haar, und zwar derartig, dass ihm ein Büschel Haare in der Hand blieb.

»Nun wird mir's aber zu bunt!«, brüllte der Dieb. »Erst träumst du, ich hätte dich an den Haaren gezogen. Und nun reißt du mir fast die Kopfhaut runter! So eine Frechheit!« »Blödsinn!«, knurrte der andere. »Es ist so dunkel, dass ich die Straße kaum sehen kann, und ich halte den Korb mit beiden Händen fest, und da soll ich noch hinter mich greifen und dir Haare herausziehen können? Bei dir piept's ja!« Sie stritten, fluchten und ächzten, dass Till Eulenspiegel beinahe laut gelacht hätte. Aber das ging natürlich nicht. Stattdessen riss er, fünf Minuten später, den Vordermann derartig am Haar, dass der mit dem Schädel an den Bienenkorb krachte, den Korb fallen ließ, sich umdrehte und dem Hintermann wütend mit beiden Fäusten ins Gesicht schlug. Nun ließ auch dieser Dieb den Korb fallen und warf sich mit aller Wucht auf den Vorderen. Im nächsten Augenblick lagen beide am Boden und rangen und schlugen und kratzten sich, bis sie schließlich so übereinander wegpurzelten, dass sie, so wütend waren sie, sich im Dunkeln überhaupt nicht wieder fanden. Eulenspiegel aber blieb gemütlich in seinem Korb liegen und schlief weiter, bis ihn am Morgen die Sonne weckte.

Dann stand er auf und ging seiner Wege. Er kehrte übrigens nicht zu seiner Mutter zurück, sondern verdingte sich bei einem Raubritter als Reitknecht. Obwohl er gar nicht reiten konnte! So ist es kein Wunder, dass ihn der Ritter sehr bald aus seiner Burg hinauswarf.




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