Paul Hagbolt warf einen kurzen Blick auf die Hügel am Horizont, wo der Pacific Coast Highway ins Landesinnere führte und die ersten längeren Steigungen enthielt. Hinter der nächsten Kurve ragte ein Ausläufer des fast hundert Meter höher liegenden Plateaus bis an die Straße und setzte sich auf der anderen Seite fort, so daß ein tiefer Einschnitt entstand. Auf der Hochebene lag Vandenberg zwei, das Hauptquartier des amerikanischen Mondprojekts und gleichzeitig der neueste Raumhafen der Luftwaffe. Die hoch über der Straße und dem Pazifik aufragenden Felsen, der hohe Stacheldrahtzaun und die wenigen roten Lichter, die von unten zu erkennen waren, ließen den Stützpunkt fast wie die Festung eines modernen Raubritters erscheinen.
Das gleichmäßige Fahrgeräusch veränderte sich auffällig, als das Kabriolett über eine Betonbrücke rollte, die an dieser Stelle einen kleinen Fluß überspannte. Margo richtete sich plötzlich auf. Miau zuckte zusammen, aber ihre Herrin kümmerte sich nicht um sie, sondern starrte nach rückwärts. »Langsamer, Paul!«
»Was ist denn los?« fragte Hagbolt, ohne den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Die erste Steigung hatte begonnen.
»Ich könnte fast beschwören«, sagte Margo nachdenklich während sie weiter nach hinten sah, »daß ich ein Schild gesehen habe, auf dem ›Fliegende Untertassen‹ stand.«
Paul zuckte wortlos mit den Schultern.
»Ein ziemlich kleines weißes Schild«, erklärte Margo ihm. »Unmittelbar vor der Brücke. Können wir nicht zurückfahren damit du es auch siehst?«
»Aber wir sind doch schon fast in V-2«, wandte Paul ein. »Willst du den Mond nicht durch ein Teleskop sehen? Wir müssen allerdings das Dach schließen und Miau im Wagen lassen Katzen haben in Vandenberg nichts zu suchen.«
»Nein, ich will nicht«, antwortete Margo. »Das Teleskop interessiert mich überhaupt nicht. Außerdem verabscheue ich jede Organisation, die bestreitet, daß Katzen auch Leute sind!«
»Schon gut, schon gut«, murmelte Paul.
»Am besten kehrst du gleich hier um. Dann sehen wir auch den Mond wieder vor uns.«
Paul gab sich alle Mühe, rasch an dem weißen Schild vorbeizufahren, aber Margo hielt ihn rechtzeitig an. »Dort! Bei der grünen Laterne! Daneben halten!« Als der Wagen auf dem Bankett zum Stehen gekommen war, richtete Miau sich auf und sah sich ohne großes Interesse um.
An dieser Stelle führte eine nicht asphaltierte Nebenstraße zum Strand hinab. Die Abzweigung wurde durch eine Petroleumlampe mit grünem Glas markiert. Auf der anderen Straßenseite war im Licht der Autoscheinwerfer deutlich ein kleines weißes Schild zu erkennen. Die sauber gezeichneten schwarzen Buchstaben ergaben folgenden Text: ZUM SYMPOSIUM ÜBER FLIEGENDE UNTERTASSEN — GÄSTE WILLKOMMEN!
»Das gibt es wirklich nur in Kalifornien«, sagte Paul und schüttelte den Kopf.
»Komm, wir fahren hinunter und sehen uns die Sache selbst an«, schlug Margo vor.
»Kommt nicht in Frage!« sagte Paul energisch. »Du kannst Vandenberg nicht ausstehen, und ich habe etwas gegen Verrückte, die an Fliegende Untertassen glauben.«
»Aber vielleicht sind sie gar nicht verrückt, Paul«, wandte Margo ein. »Die Sache hat irgendwie Stil. Allein die Schrift — das ist Original Baskerville.«
Sie nahm Miau auf den Arm, stieg aus und ging über die Straße.
»Außerdem wissen wir gar nicht, ob die Versammlung heute abend stattfindet«, rief Paul hinter ihr her. »Wahrscheinlich war sie schon früher oder gar letzte Woche. Wer weiß?« Er stand auf. »Ich sehe weder Lichter noch andere Lebenszeichen.«
»Die grüne Laterne beweist, daß die Versammlung heute stattfindet«, antwortete Margo. »Komm, wir fahren hinunter, Paul.«
»Die Laterne hat vielleicht gar nichts mit dem Schild zu tun.«
Margo drehte sich um und hielt im Scheinwerferlicht einen schwarzen Zeigefinger hoch.
»Die Farbe ist noch naß«, sagte sie.
Der Mond zog sich weiter in den Erdschatten zurück und näherte sich dem Punkt, an dem die drei Himmelskörper sich in einer Linie hintereinander befinden würden. Der Mond zerrte wie immer mit den unsichtbaren Fingern seiner Schwerkraft an dem nahen Planeten — die Sonne ebenfalls, aber wesentlich schwächer —, verformte dabei die Felskruste der Erde und ihren etwas elastischeren Kern, löste kaum wahrnehmbare Erdstöße und einige größere Beben aus und brachte die Gewässer der Erde zum Vibrieren, so daß Ozeane und Binnenmeere, Buchten, Kanäle und Fjorde, Seen und Teiche im langsamen Takt der Flut schwankten, deren einzelne Schwingungen etwas länger als einen Tag oder eine Nacht anhalten.