Die Untertassen-Beobachter fuhren ohne Behinderung in Vandenberg zwei ein — wie Arbeiter, die zur Nachtschicht in die Fabrik kommen.
Der Maschendrahtzaun, der noch vor einer Stunde unter Wasser gestanden hatte, war unbewacht. Das große Haupttor stand weit offen und wurde nicht wie sonst üblich von Scheinwerfern angestrahlt. Das einzig Bemerkenswerte war eigentlich nur die fünfzehn Zentimeter hohe Schlammschicht, die alles bedeckte. Deshalb fuhren sie einfach durch — die meisten waren allerdings ausgestiegen, weil die beiden Wagen sonst nicht vorangekommen wären — und krochen die Rampe hinauf, die zu dem Hochplateau führte.
Hunter fuhr den Thunderbird. Auf dem Rücksitz, der im Grunde genommen etwas zu klein für sie war, lag Wanda ausgestreckt und atmete schwer. Nicht einmal Wojtowicz war es gelungen, ihr den neuen Herzanfall auszureden.
Mrs. Hixon steuerte den Lieferwagen, weil Bill Hixon den Himmel beobachten wollte, wo der Fremde und der Wanderer jetzt fast genau im Zenit standen — und weil ihr die beiden komischen Planeten völlig gleichgültig waren, was sie mehr als einmal beteuert hatte. Sie saß allein im Führerhaus — Pop hatte bleiben wollen, aber sie hatte ihn hinausgeworfen, weil sie den Alten nicht leiden konnte.
Auf der Ladefläche des Wagens befanden sich Ray Hanks und Ida; sie pflegte jetzt nicht nur sein gebrochenes Bein, sondern auch noch ihren geschwollenen Knöchel. Da sie nichts von Schlaftabletten hielt, fütterte sie sich und den schwach protestierenden Ray Hanks mit Aspirin in größeren Mengen.
»Zerkauen Sie die Tabletten langsam«, empfahl sie ihm. »Der bittere Geschmack bringt Sie auf andere Gedanken.«
Die übrigen Mitglieder der Gruppe gingen zu Fuß. Sie hatten schon dreimal schieben müssen, um den Sportwagen wieder flottzumachen. Einmal war sogar der Lieferwagen steckengeblieben. Deshalb waren sie jetzt von Kopf bis Fuß mit Schlamm bespritzt; die Reifen des Lieferwagens trugen eine so dicke Schmutzschicht, daß die Ketten nicht mehr rasselten.
Am Himmel zuckte es plötzlich blau auf. Harry McHeath, der die beiden Planeten gespannt beobachtet hatte, rief aus: »Es hat wieder angefangen! Diesmal sind beide daran beteiligt!«
Vier gerade blaue Strahlen gingen von dem Fremden aus und erstreckten sich über den Himmel bis zu dem Wanderer. Aber diesmal trafen sie auf seiner Oberfläche zusammen. Und trotzdem schienen sie seine äußere Hülle nicht zu berühren, sondern wurden kurz vorher reflektiert.
»Wahrscheinlich treffen sie auf eine Art Abschirmung«, vermutete der kleine Mann.
Gleichzeitig kamen drei violette Strahlen aus dem Wanderer, erreichten den Fremden und wurden ebenfalls reflektiert.
»Jetzt geht es los!« rief Hixon aufgeregt. »Das mußt du dir ansehen!« forderte er Mrs. Hixon auf. »Es ist wirklich verblüffend.«
»Du mußt das Feuerwerk auch für mich beobachten, Billy — ich fahre den Wagen!« antwortete Mrs. Hixon laut. Sie hupte den Thunderbird an, der zu bremsen schien.
Aber Hunter fuhr nur etwas langsamer. Er hatte einen raschen Blick zu den beiden Planeten hinaufgeworfen, war aber trotzdem noch immer davon überzeugt, daß sie versuchen mußten, so weit wie möglich in das Hauptquartier von Vandenberg zwei vorzudringen, solange die Aufregung anhielt. Wenn sie das schafften, konnte er die Impulspistole endlich abliefern — in dieser Beziehung hatte er sich tatsächlich von Margos Entschlossenheit anstecken lassen. Margo, die links neben dem Wagen herging, war offensichtlich noch immer der gleichen Meinung.
Als sie endlich nach rechts abbogen, wo die Straße über das Plateau verlief, stießen sie auf andere Menschen — drei Soldaten, die ihre Gewehre an eine Wellblechhütte gelehnt hatten. Anstatt Wache zu stehen, starrten sie gespannt zum Himmel hinauf.
Als die beiden Fahrzeuge langsamer weiterrollten, ging Margo zu den drei Posten hinüber.
Am Himmel waren unterdessen drei weitere blaue und zusätzlich zwei violette Strahlen zu erkennen, so daß vor dem schiefergrauen Hintergrund ein kompliziertes Muster entstand.
Margo tippte den ersten Soldaten auf die Schulter. Als er nicht reagierte, griff sie zu und schüttelte ihn kräftig. Er sah sich um.
»Wo ist Professor Morton Opperly?« fragte sie. »Wo stecken die Wissenschaftler?«
»Keine Ahnung«, antwortete der Posten. »Die Eierköpfe sind irgendwo dort drüben.« Er wies nach rückwärts. »Stören Sie mich jetzt nicht mehr!« Er sah wieder nach oben und klopfte einem seiner Kameraden auf den Rücken.
»Tony!« sagte er aufgeregt. »Ich wette zwei Dollar, daß der Goldene die Kanonenkugel zum Teufel jagt!«
»Du spinnst ja!«
Margo ging weiter. Mrs. Hixon hupte nochmals. Hunter fuhr langsam hinter Margo her.
Vor ihnen leuchteten Scheinwerfer auf und strahlten eine weiße Mauer an. In dem Licht war ein Dutzend Männer zu erkennen — scharf umrissene Gestalten in kleinen Gruppen zu zweit oder zu dritt. Keiner von ihnen bewegte sich, während sie nach oben starrten.
Zwei weitere blaue Strahlen schossen auf den Wanderer zu. Diesmal kamen sie allerdings nicht von der Oberfläche des Fremden, sondern aus dem Raum — vielleicht schwebten dort riesige Schlachtschiffe. Einer der beiden Strahlen drang durch die Abschirmung des Wanderers und riß ein gewaltiges schwarzes Loch in seine violett-goldene Außenseite.
»Mommy, jetzt haben sie dem Wanderer etwas getan!« rief Ann schluchzend.
Pop knurrte zufrieden vor sich hin: »Nur weiter so! Bringt euch nur gegenseitig um!«
Plötzlich breiteten die neuen blauen Strahlen sich auf der Oberfläche des Wanderers aus und erzeugten dabei einen fast undurchsichtigen Lichtnebel, durch den der Planet nur noch undeutlich zu erkennen war. Die violetten Strahlen verschwanden ganz.
Die Fahrzeuge und die Fußgänger hatten unterdessen schon fast die beleuchtete Mauer erreicht. Ein junger Mann rannte an Margo vorbei, griff nach dem Arm eines Majors und brüllte ihm ins Ohr: »Opperly läßt Ihnen ausrichten, Sie sollen die verdammten Scheinwerfer abschalten. Das Licht stört unsere Beobachtungen!«
Hunter dachte sofort an Archimedes, der den römischen Legionär ermahnt hatte: »Störe meine Kreise nicht!«
Der Legionär hatte Archimedes umgebracht, aber der Major nickte heftig, während er sich umdrehte. Hunter erkannte Buford Humphreys, dessen Bekanntschaft er vor zwei Tagen gemacht hatte. Gleichzeitig wurde Humphreys auf ihn, Rama Joan, Ann und die anderen ›Verrückten‹ aufmerksam, die er nicht nach Vandenberg eingelassen hatte. Seine Augen schienen aus den Höhlen zu quellen, aber dann zuckte er nur schicksalsergeben mit den Schultern, warf einen Blick zum Himmel und brüllte: »Der Teufel soll Sie holen, Snyder, machen Sie doch endlich die verdammten Scheinwerfer aus!«
Inzwischen hatte Margo den jungen Mann angehalten, bevor er wieder verschwinden konnte. »Bringen Sie uns zu Professor Opperly«, befahl sie ihm. »Wir bringen ihm eine wichtige Nachricht. Sehen Sie hier — ich habe eine Mitteilung von ihm.«
»Wird gemacht«, antwortete er, ohne einen Blick auf den verkrumpelten Zettel zu werfen. »Kommen Sie mit.« Er zeigte auf die beiden Fahrzeuge. »Aber schalten Sie zuerst die Lichter aus!«
Mrs. Hixon und Hunter schalteten die Scheinwerfer aus; im gleichen Augenblick wurden auch die anderen gelöscht. In dem jetzt entstandenen ungewissen Halbdunkel stolperte Hunter hinter Margo und dem jungen Mann her. Vor sich erkannte er Radarschirme und ein Teleskop, das im Freien aufgebaut war.
Der Lichtnebel um den Wanderer war unterdessen verschwunden, als die blauen Strahlen des Fremden ihre Farbe veränderten, bis sie weiß glühten. Jetzt war deutlich zu erkennen, daß die Oberfläche des violett-goldenen Planeten an hundert Stellen riesige schwarze Löcher aufwies, aus denen es rot glühte. Aber dann schoß ein wesentlich stärkerer grüner Lichtstrahl auf den Fremden zu, der im gleichen Augenblick mit unvorstellbarer Geschwindigkeit seine Position veränderte. Der Abstand zwischen den beiden feindlichen Planeten hatte sich dadurch auf einen Monddurchmesser verringert.
Dann verschwand der Wanderer.
Eine blaue Breitseite des Fremden verpuffte wirkungslos an der Stelle, an der eben noch der Wanderer geschwebt hatte.
»Völlig zerstört!« kreischte Pop begeistert.
»Nein, der Wanderer ist kurz vorher verschwunden«, verbesserte der kleine Mann ihn sofort. »Sie müssen besser aufpassen!«
Der Fremde, dessen stahlgraue Oberfläche keine Löcher, aber braune und grüne Streifen aufwies, hing zwei, drei, vier, fünf Sekunden am Himmel; dann verschwand er ebenfalls — wie eine trübe Glühbirne, wenn der Lichtstrahler betätigt wird.
»Der Wanderer ist in den Hyperraum entkommen«, stellte Harry McHeath fest.
»Vielleicht, aber er ist trotzdem geliefert«, meinte Hixon. »Er war schwer beschädigt, und der Fremde hat die Verfolgung aufgenommen. Jetzt hat er keine Aussichten mehr.«
»Das können wir nicht beurteilen«, warf Hunter ein. »Vielleicht entkommt er immer wieder rechtzeitig.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. Wie der Fliegende Holländer, überlegte er sich.
»Wir wissen nicht einmal, ob sie wirklich verschwunden sind«, sagte Wojtowicz nervös. »Vielleicht sind sie inzwischen schon wieder auf der anderen Seite der Erde aufgetaucht.«
»Möglich«, stimmte der kleine Mann zu, »aber wir haben keine Bewegung gesehen ... sie sind einfach verschwunden. Und ich habe das Gefühl ...«
Erst in diesem Augenblick, in dem sie allmählich zu erfassen begannen, was sie gesehen hatten, fiel ihnen auf, daß sie alle unbeweglich in der tintenschwarzen Dunkelheit standen. Hunter hatte den Zündschlüssel des Sportwagens nach links gedreht. Jetzt hörte er auch den Motor des Lieferwagens nicht mehr. Am Himmel tauchten nacheinander Sterne auf — die vertrauten Sterne, die drei Nächte lang nicht mehr an dem schiefergrauen Himmel gestanden hatten.
Don und Paul starrten auf den vorderen Bildschirm des Mondschiffes, der jetzt nur noch die verschwindenden Laserstrahlen und einzelne Sterne vor einem tiefschwarzen Hintergrund zeigte.
Sie waren beide angeschnallt. Paul drückte sich ein Taschentuch gegen seine blutende Wange. Don beobachtete das Außenthermometer und den Radarschirm, auf dem jetzt Südkalifornien und der Pazifik sichtbar wurden. Obwohl sie noch nicht in die Erdatmosphäre eingetreten waren, hatte Don bereits einmal die Triebwerke arbeiten lassen — vor allem deshalb, weil er feststellen wollte, ob sie wirklich wieder funktionierten.
»Jetzt sind sie also verschwunden«, stellte Don lakonisch fest.
»In den Sturm«, fügte Paul hinzu. »Der Wanderer war nur noch ein Wrack.«
»Ein Planet, der noch in den Hyperraum eintreten kann, ist bestimmt kein Wrack«, widersprach Don. Er lächelte Paul aufmunternd zu. Als die Sterne langsam über den Bildschirm wanderten, ließ er die Steuerdüsen an Backbord kurz arbeiten, bis die normale Fluglage wieder erreicht war.
»Vielleicht treibt der Wanderer auf einen anderen Kosmos zu«, murmelte Paul nachdenklich. »Vielleicht ist das die beste Methode: keine bewußte Anstrengung, sondern nur wie ein leckes Schiff mit der Strömung treiben und sich von dem Sturm davontragen lassen.«
Don warf ihm einen fragenden Blick zu. »Sie hat dir wohl ziemlich viel erzählt? Ich frage mich nur, ob sie den Wanderer noch rechtzeitig erreicht hat.«
»Natürlich«, antwortete Paul kurz. »Sogar die kleinen Schiffe erreichen Lichtgeschwindigkeit. Wahrscheinlich sind sie sogar noch schneller.«
»Deine Backe blutet wirklich nicht schlecht«, stellte Don fest und fügte dann rasch hinzu: »Ich habe dort oben keine großen Romanzen erlebt.« Er ließ die Steuerdüsen an Backbord nochmals arbeiten und runzelte die Stirn, als er die Anzeige des Außenthermometers beobachtete. Dann fuhr er lebhaft fort: »Und ich glaube, daß ich dort unten auch keine mehr zu erwarten habe. Margo ist anscheinend wirklich in diesen komischen Hunter verknallt, schätze ich.«
Paul zuckte mit den Schultern. »Was macht dir das schon aus? Du bist immer lieber für dich allein gewesen.«
Don nickte langsam. »Du hast Margo wahrscheinlich mehr als ich geliebt«, meinte er nachdenklich. »Das habe ich von Anfang an geahnt.«
»Selbstverständlich«, antwortete Paul. »Jetzt ist sie bestimmt böse auf mich, weil ich Miau nicht wieder zurückgebracht habe.«
Die Untertassen-Beobachter standen in der Dunkelheit unter dem strahlenden Sternenhimmel. Dann wurde unmittelbar vor ihnen eine Lampe eingeschaltet, in deren Lichtschein sie einen mit Papieren überladenen Tisch sahen, hinter dem ein Mann saß, dessen scharfe Gesichtszüge an einen Pharao erinnerten. Margo ging sofort auf ihn zu, ohne auf den jungen Mann zu achten, der sie hierher geführt hatte. Hunter stieg aus dem Thunderbird und folgte ihr.
Der Mann hinter dem Tisch sah nach links. Dort sagte jemand: »Die Magnetfelder beider Planeten sind verschwunden, Oppie. Jetzt herrschen wieder normale Verhältnisse.«
»Professor Opperly, wir suchten seit zwei Tagen nach Ihnen«, begann Margo laut. »Ich habe hier eine Pistole, die aus einer Untertasse gefallen ist. Sie verleiht allen Gegenständen einen Impuls. Unserer Meinung nach sind Sie der einzige Mann, der etwas damit anfangen kann. Leider haben wir auf dem Weg hierher die ganze Ladung aufgebraucht.«
Opperly sah zu ihr auf und warf dann einen raschen Blick auf die Pistole, die Margo in der ausgestreckten Hand hielt. Dann verzog er den Mund zu einem spöttischen Lächeln.
»Aus welchem Spielzeugladen haben Sie das Ding geklaut?« wollte er wissen. Dann wandte er sich wieder dem anderen Mann zu: »Wie steht es mit den Funkstörungen, Denison? Können wir bald ...«
Margo schob den kleinen Hebel an der Unterseite der Pistole zurück, zielte dann auf den Tisch und drückte auf den Feuerknopf. Opperly und der junge Mann wollten nach ihr greifen, ließen aber die Hände sinken. Einige Zettel schwebten auf die Pistole zu dann folgten Büroklammern und ein silberner Drehbleistift, der auf den Zetteln gelegen hatte. Das alles hing mehrere Sekunden lang an der Mündung der grauen Pistole und fiel dann zu Boden.
»Anscheinend elektrostatisch«, sagte der junge Mann und beobachtete neugierig die Zettel, die langsam nach unten schwebten.
»Es funktioniert aber auch, wenn die Gegenstände aus Metall sind«, fügte Denison hinzu, der die Büroklammern beobachtet hatte. »Induktion?«
»Irgend etwas hat an meiner Hand gezogen! Das habe ich ganz deutlich gespürt«, sagte Opperly und spreizte dabei die Finger der Hand, mit der er nach der Pistole gegriffen hatte. Er sah nochmals zu Margo auf. »Ist das Ding wirklich aus einer Untertasse gefallen?«
Sie lächelte wortlos und reichte ihm die Pistole.
»Wir bringen Ihnen außerdem eine Nachricht von Leutnant Don Merriam«, warf Hunter ein. »Er landet hier in ...«
Opperly drehte sich nach einem seiner Assistenten um. »Gehört dieser Merriam nicht zu denen, die auf dem Mond umgekommen sind?«
»Er lebt noch«, sagte Margo nachdrücklich, »und ist in einem der Mondschiffe gestartet. Dann war er auf dem neuen Planeten. Jetzt will er hier landen — vielleicht ist er schon im Anflug.«
»Ich soll Ihnen noch etwas von ihm bestellen, Professor Opperly«, fügte Hunter hinzu. »Der neue Planet verfügt über Linearbeschleuniger mit zwölftausend Kilometer Länge und ein Zyklotron mit gleichem Durchmesser.«
Opperly legte die graue Pistole auf den Tisch. »Kommen Sie bitte mit«, sagte er zu Margo und Hunter. »Wir müssen den Landeplatz benachrichtigen, damit alles vorbereitet wird.«
»Augenblick«, warf Margo ein. »Wollen Sie die Impulspistole einfach hier liegenlassen?«
»Oh«, sagte Opperly entschuldigend. Er griff danach und drückte Margo die Pistole in die Hand. »Heben Sie mir das Ding lieber auf, sonst verliere ich es doch noch«, bat er.
Margo nickte wortlos. Hunter grinste ironisch.
Barbara Katz sah auf das blaue Wasser, in dem die Albatros jetzt trieb. Nur gelegentlich schlug eine höhere Welle gegen das Boot. Die Sonne ging über der Küste auf, an der sturmzerzauste und abgebrochene Palmen zu sehen waren. Der Strand lag kaum drei Kilometer entfernt. Hester saß auf der Kabinentreppe und hielt das Baby im Arm.
»Benjy«, sagte Barbara, »hinter der Kabine liegt die Ersatzteilkammer. Und wir haben jedenfalls die Decken, wenn sich dort kein Segel findet. Glauben Sie, wir könnten einen kleinen Mast aufrichten und ein Behelfssegel ...«
»Natürlich können wir das, Miß Barbara«, versicherte er ihr. Dann gähnte er ungeniert und reckte sich. »Aber zuerst schlafe ich mich gründlich aus«, fügte er hinzu.
Margo und Hunter standen Arm in Arm in der Dunkelheit am Rand des Landeplatzes, der im Nordteil von Vandenberg zwei lag.
»Machst du dir Sorgen wegen des Zusammentreffens mit Don und Paul?« flüsterte er ihr zu. »Eigentlich dürfte ich jetzt gar nicht danach fragen, solange wir alle noch gespannt darauf warten, ob die beiden es überhaupt schaffen.«
»Nein«, antwortete Margo und legte ihre Hand auf seine. »Ich freue mich nur, wenn sie wieder gesund zurückkommen. Und weshalb sollte ich ängstlich sein? — ich habe schließlich dich.«
Ja, das hat sie wirklich, überlegte Hunter sich. Der Gedanke daran machte ihm allerdings keine ausgesprochene Freude. Und jetzt mußte er sein Leben dieser Eroberung anpassen. Konnte er Wilma und die beiden Jungen einfach aufgeben? Bestimmt nicht ohne weiteres, das war ihm bereits klar.
Dann fiel ihm etwas anderes ein.
»Und jetzt hast du auch noch Morton Opperly«, flüsterte er Margo zu.
Sie grinste und fragte: »Was soll das wieder heißen, Ross?«
»Das mußt du selbst am besten beurteilen können«, antwortete er.
Rechts und links neben ihnen standen die übrigen Untertassen-Beobachter. Der Lieferwagen und der Thunderbird waren hinter ihnen geparkt.
Wenige Schritte von Hunter und Margo entfernt stand Opperly mit einigen seiner Assistenten. Der Kontrollturm hatte vor wenigen Minuten Funkverbindung mit dem ›Baba Yaga‹ aufgenommen.
Am Himmel über ihnen leuchteten die vertrauten Sterne der nördlichen Erdhalbkugel zwischen den Konstellationen Skorpion und Großer Bär, aber im Westen war eine längliche Ansammlung neuer Himmelskörper zu erkennen, die teilweise schwächer und zum Teil heller als Sirius leuchteten — die glitzernden Überreste des Mondes.
»Eigentlich ein komisches Gefühl, wenn man daran denkt daß wir in Zukunft keinen Mond mehr haben«, meinte Hixon nachdenklich.
»Die Mythologie ist plötzlich um hundert Götter ärmer«, stellte Rama Joan fest.
»Für jeden Gott, der seine Existenzberechtigung verloren hat, tauchen bestimmt zwei neue auf«, sagte Hunter. »Davon bin ich fest überzeugt.«
McHeath sagte, als sei er eben erst zu diesem Schluß gekommen: »Kein Mond — keine Gezeiten.«
»Doch, denn die Sonne erzeugt ebenfalls Ebbe und Flut«, widersprach der kleine Mann. »Die Gezeitenunterschiede sind dann allerdings wesentlich geringer.«
»Ich frage mich nur, was aus den Überresten des Mondes wird«, sagte Margo und sah nach Westen. »Bleiben sie ewig dort oben?«
Opperly hatte ihre Frage gehört und antwortete: »Nein, das ist ausgeschlossen. Nachdem ihr Schwerefeld mit dem Wanderer verschwunden ist, breiten die Trümmer sich mit der Geschwindigkeit nach allen Seiten aus, die sie in der Kreisbahn um den Planeten gehabt haben — mit ungefähr acht Sekundenkilometer. Einige werden in schätzungsweise zehn Stunden in die Erdatmosphäre eintreten. Dann kommt es zu einem Meteorschauer, der aber vermutlich keine großen Schäden anrichten wird. Der Ring aus Mondtrümmern hat sich auf einer Ebene über unserem Nordpol bewegt, deshalb ist anzunehmen, daß die Mehrzahl der jetzt entstehenden Meteore nicht in bewohnten Landstrichen niedergeht. Einige werden sogar in eine langgestreckte elliptische Kreisbahn um die Erde eintreten und erst allmählich in der Lufthülle verglühen.«
»Toll«, meinte Wojtowicz fröhlich, »das ist fast so, als ob Doc wieder hier wäre, um uns alles genau zu erklären.«
»Wer ist Doc?« fragte Opperly.
Die Gruppe schwieg einen Augenblick lang. Dann sagte Rama Joan: »Oh ... ein Mann.«
In der gleichen Sekunde flammte im Zenit ein gelber Lichtpunkt auf und wurde rasch zu einem langgestreckten Feuerstrahl, der senkrecht nach unten sank. Gleichzeitig ertönte ein allmählich lauter werdendes Brausen wie in einem offenen Kamin, wenn das trockene Holz Feuer fängt. Der ›Baba Yaga‹ setzte mit heulenden Triebwerken in der Mitte des Landeplatzes auf. Dann erstarb die gelbe Flamme, während am Kontrollturm die ersten Scheinwerfer aufleuchteten.