XV Der Sturm bricht los

Überraschenderweise wehte der Wind stetig weiter, und zwanzig Stunden nach Probys Vorhersage klatschte der Anker der Phalarope in das klare, tiefe Wasser zwischen einigen flachen, einsamen kleinen Inseln.

Kurz vor Einbruch der Nacht war es sinnlos, einen Landgang zu versuchen. Doch die Boote wurden ausgeschwenkt, gefiert und mit Wasserfässern beladen, damit sie am Morgen gleich einsatzbereit waren. Und mit dem ersten Tageslicht, lange bevor die Sonne den Rand des Horizonts erleuchtete, knirschten die ersten Boote auf dem schmalen, sanft ansteigenden Strand der ihnen zunächstliegenden Insel.

Bolitho zwängte sich durch das dichte, dunkle Buschwerk oberhalb des Strands und verfolgte von dort die geschäftigen Vorbereitungen. Die Boote pullten bereits wieder zur Fregatte, um noch mehr Leute zu holen. Die bereits herübergebrachten standen dicht gedrängt beieinander, als fürchteten sie die leere

Ungastlichkeit der Insel. Ein paar Matrosen schwankten wie betrunken. Ihre Beine waren so an das Stampfen und Rollen eines Schiffes gewöhnt, daß das feste Land ihnen das Gleichgewicht raubte.

Maate bellten Befehle und hakten ihre Namenslisten ab. Und als der nächste Haufen Männer an Land war und sich zu den am Ufer wartenden Seeleuten gesellte, griffen die ersten Trupps nach ihren Fässern und Geräten und stolperten landeinwärts.

Leutnant Okes tauchte am hohen Uferrand auf und führte die Hand an den Hut.»Alle Arbeitstrupps bereit, Sir. «Er wirkte beunruhigt.

Bolitho nickte.»Sie kennen Ihre Order, Mr. Okes. Folgen Sie der Karte, die ich Ihnen gezeichnet habe, und Sie werden das Frischwasser ohne Schwierigkeiten finden. Treiben Sie die Leute an. Sie werden jeden verfügbaren Mann brauchen, um die vollen Fässer zum Ufer zu schaffen.»

Er sah den Küfer Trevenen an der Spitze einer anderen Abteilung forteilen, begleitet von Zimmermann Ledward, der seinen Holzvorrat zu ergänzen hoffte. Hier wird er nicht viel finden, dachte Bolitho düster. Diese kleinen Inseln waren öde. Bis auf gelegentliches Wasserfassen kam hier niemand an Land. Der Erdboden war unter ganzen Lagen verrottender Vegetation verborgen, deren scharfer Geruch sich mit dem von Möwenkot und kleinen Pilzkolonien mischte.

Weiter im Inneren erhoben sich ein paar rundrückige Hügel, von deren Kuppen aus man in jeder Richtung das Meer sah.

Okes folgte seinen Leuten. Vor dem grünen Buschwerk zeichnete sich flüchtig Farquhars schlanke Gestalt ab, ehe auch er verschwand. Bolitho hatte den Fähnrich vorsätzlich an Okes' Seite befohlen. Es würde beiden gut tun, beim Kommando der Hauptgruppe zusammenzuarbeiten, und sei es auch nur, um die Gespanntheit zwischen ihnen abzubauen. Man hatte den Eindruck, daß Farquhar eine Art Spiel mit Okes trieb. Seit Farquhar von der Andiron entkommen war, hatte er kein Wort mehr mit Okes gesprochen. Doch anscheinend reichte schon Farquhars bloße Anwesenheit, um den Zweiten Leutnant in ständige Aufregung zu versetzen.

Okes hatte während des Rückzugs von der Insel Mola übereilt gehandelt. Aber so lange er das nicht offen eingestand, lag wenig Sinn darin, die Angelegenheit zu verfolgen, dachte

Bolitho. Er verstand Farquhar durchaus und fragte sich, wie er unter solchen Umständen reagiert hätte. Farquhars gesunder Instinkt sagte ihm offenbar, daß eine Laufbahn aus mehr als billigen Triumphen bestehen mußte. Sein Herkommen, die Sicherheit, die eine einflußreiche Familie gab, und sein Selbstvertrauen befähigten ihn, seine Zeit abzuwarten.

Herrick kam die Böschung herauf und fragte:»Kehren wir zum Schiff zurück, Sir?»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Wir wollen noch ein Stück weiter ins Land, Mr. Herrick. «Er zwängte sich durch verdorrtes Gebüsch. Sie entfernten sich vom Ufer. Herrick ging schweigend neben Bolitho und dachte über die Fremdartigkeit der Landschaft nach. Hier fehlte das leise Rauschen der See, statt dessen war die Luft schwer von fremden Gerüchen.

Nach einer Weile sagte Bolitho:»Hoffentlich treibt Okes die Leute zur Arbeit an. Jede Stunde kann kostbar sein.»

«Denken Sie an die Franzosen, Sir?»

Bolitho wischte sich den Schweiß vom Gesicht und nickte.»De Grasse kann inzwischen gut und gern aufgebrochen sein. Wenn er sich so verhält, wie es Sir George Rodney vermutet, dürfte seine Flotte bereits nach Jamaika unterwegs sein. «Seine Blicke wanderten verdrossen von den schlaffen Blättern zum wolkenlosen Himmel.»Kein Lufthauch. Nichts. Wir können von Glück sagen, daß uns die Brise bis hierher gebracht hat.»

Herrick atmete schwer.»Mein Gott, Sir, ich spüre die Anstrengung. «Er tupfte sich das Gesicht ab.»Seit Falmouth habe ich kein Land mehr unter den Füßen gehabt. Ich wußte gar nicht mehr, wie das ist.»

Falmouth. Der Name weckte eine Flut von Erinnerungen in Bolitho, während er blicklos durch das dicke Gestrüpp schritt. Sein Vater würde noch immer warten, sich Gedanken machen und den Schmerz nähren, den ihm Hugh bereitet hatte. Bolitho fragte sich, was geschehen wäre, wenn er bei jenem ersten fürchterlichen Zusammentreffen seinen Bruder im Heck der Andiron gesehen und erkannt hätte. Hätte er dann den Angriff genauso stürmisch vorgetragen? Wenn er Hughs Tod bewirkt hätte, wäre die Navy zufrieden gewesen. Aber im tiefsten Innern wußte Bolitho, daß diese Tatsache den Kummer seines Vaters nur gesteigert und sein Gefühl des Verlustes nur noch erhöht hätte.

Vielleicht führte Hugh bereits ein anderes Schiff. Bolitho wischte den Gedanken fort. Einem Mann, der es zuließ, daß die Andiron in die von ihr selbst gestellte Falle ging, würden die Franzosen nicht noch einmal ein Prisenschiff anvertrauen. Und die amerikanische Rebellenregierung besaß zu wenig Schiffe. Nein, Hugh hatte in diesem Augenblick genug eigene Probleme.

Bolitho dachte auch an Vibart, in dessen Obhut die Fregatte augenblicklich war. Merkwürdig, wie Evans' Ermordung den Ersten berührt hatte. Bolitho hatte Evans für einen Speichellecker gehalten, aber nie und nimmer für Vibarts Freund. Doch Vibart schien durch Evans' Tod einen Vertrauten verloren zu haben, durch den seine Isoliertheit gemildert worden war. Bolitho wußte, daß Vibart ihm Evans' Tod ankreidete und daß er Allday als den offensichtlichen Täter haßte. Vibart betrachtete Menschlichkeit als Sentimentalität. Beides galt ihm als nutzloses Hindernis bei der Pflichterfüllung.

Bolitho wußte auch, daß er mit Vibart nie über etwas einer Meinung sein würde. Seine Leute menschenwürdig zu behandeln, Verständnis für ihre Probleme zu haben und ihre Loyalität zu gewinnen, das stand für Bolitho obenan. Zugleich aber wußte er, daß er mit diesem schwierigen und verbitterten Mann auskommen mußte, denn das Kommando eines Kriegsschiffs ließ wenig Raum für persönliche Abneigung unter den Offizieren.

Bolitho blieb plötzlich stehen und deutete mit der Hand auf einen Punkt.»Ist das ein Seesoldat?»

Herrick blieb neben ihm stehen, er atmete schwer. Zwischen den schlaffen Blättern blitzten rote Röcke auf. Und gerade als Bolitho hinüber wollte, tauchte Sergeant Garwood an der Spitze eines Zuges schwitzender Seesoldaten auf.»Was tun Sie hier an Land, Sergeant?«fragte Bolitho scharf.

Garwood fixierte einen Punkt hinter Bolithos Schulter.»Mr. Vibart hat alle Seesoldaten ausgeschickt, Sir. «Er schluckte schwer.»Allday ist entflohen, Sir. Wir sollen ihn wieder festnehmen.»

Herrick rang nach Luft. Schweiß lief ihm über das Gesicht. Es verriet Schrecken und Enttäuschung.

«Ach so. «Bolitho unterdrückte die aufsteigende Wut und fragte ruhig:»Und wo ist Hauptmann Rennie?»

«Auf der anderen Seite der Insel, Sir. «Garwood sah nicht gerade glücklich aus.»Die Ablösung entdeckte, daß der Posten vor der Zelle mit einer Keule niedergeschlagen worden war. Er lag bewußtlos da, und der Gefangene war weg. Die Fesseln sind ihm abgenommen worden.»

«Also ist noch ein anderer beteiligt. «Bolitho fixierte das bronzefarbene Gesicht des Sergeanten.»Wer fehlt noch?»

Der Seesoldat holte tief Luft.»Ihr Schreiber, Sir, Ferguson.»

Bolitho wandte sich ab.»Nun ja. Ich nehme an, Sie suchen besser weiter, da Sie nun einmal hier sind. «Er blickte dem sich erleichtert entfernenden Mann nach und sagte dann gepreßt:»Es war übereilt von Mr. Vibart, alle Seesoldaten an Land zu schicken. Sollte die Phalarope vor Anker von einem feindlichen Schiff überrascht werden, reicht die Bemannung zur Abwehr nicht aus. «Er machte abrupt kehrt.»Kommen Sie, wir gehen zurück zum Ufer.»

Herrick sagte geknickt:»Ich bin ganz unglücklich, Sir. Ich habe das Gefühl, mehr Tadel denn je zu verdienen. Ich habe Allday vertraut und Ferguson ausgewählt.»

«Wie sich erwiesen hat, haben wir uns beide geirrt, Mr. Herrick«, sagte Bolitho tonlos.»Ein Unschuldiger flüchtet nicht. «Danach setzte er hinzu:»Und Mr. Vibart hätte seine Urteilsfähigkeit nicht durch seinen Zorn trüben lassen dürfen. Allday wird auf dieser Insel bestimmt umkommen. Er wird verrückt werden, wenn das Schiff fortgesegelt ist, und Ferguson für seine Rettung aus der Zelle nicht danken.»

Sie eilten über den Strand. Die dösenden Gasten in der Gig fuhren hoch, als die zwei Offiziere an Bord kletterten. Die Gig glitt langsam über das stille Wasser. Bolitho hob die Hand an die Augen und blickte zu der vor Anker liegenden Phalarope. Die Sonne kam eben über den nächstgelegenen Hügel, und die Rahen und Masttopps schimmerten wie Gold.

«Was werden Sie tun, Sir, wenn die Seesoldaten Allday fangen?»

«Diesmal werde ich ihn an die Rah hängen, Mr. Herrick. Um der Aufrechterhaltung der Disziplin willen bleibt mir gar keine andere Wahl. «Bolitho sah zum Land zurück.»Darum hoffe ich, daß sie ihn nicht finden.»

Der Buggast macht die Gig fest, und Bolitho zog sich durch die Schanzpforte.»Warum haben Sie die Gig nicht angerufen, Mann?«fragte Herrick, der ihm dichtauf folgte, ungewöhnlich barsch.

Der Matrose am Fallreep stotterte:»Entschuldigen Sie, Sir. Ich — ich. . «Er ließ den Satz fallen und starrte zum Achterdeck, wo eine dichte Gruppe Matrosen stand. Gerade als Bolitho klar wurde, was geschehen war, rückten die Matrosen vor, und die aufgehende Sonne funkelte auf ihren erhobenen Musketen.

Herrick stieß Bolitho beiseite und wollte den Degen ziehen, doch ein großer Matrose hob eine Pistole und rief:»Rühren Sie keinen Finger, Mr. Herrick. «Er deutete zum Achterdeck.»Sonst geht es dem da schlecht.»

Im Niedergang tauchten zwei Mann auf. Zwischen sich schleppten sie den um sich schlagenden Fähnrich Neale. Einer der beiden Matrosen zog ein Messer aus dem Gürtel, setzte es Neale an die Kehle und grinste dabei zu den beiden Offizieren hinunter.

Der hochgewachsene Matrose — Onslow, wie Bolitho jetzt erkannte — kam langsam über das Hauptdeck. Die Pistole war noch immer auf Herrick gerichtet.»Werfen Sie Ihren Degen fort, Mr. Herrick. «Er grinste.»Wenn nicht, dann. .»

«Tun Sie, was er sagt, Mr. Herrick!«Das Funkeln in Onslows Augen verriet Bolitho, daß der Mann nur darauf wartete, jemanden zu töten. Er konnte die aufgestaute Wildheit kaum noch im Zaum halten. Eine falsche Bewegung, und jede Aussicht, das Blatt zu wenden, war dahin.

Der Degen knallte auf die Planken. Onslow stieß ihn beiseite und rief scharf:»Nehmt euch der Gigbesatzung an und schafft die Brüder zu den anderen Knaben. «Er klopfte mit der Pistole an seine Nase.»Entweder schließen sie sich uns an, oder die Fische fressen sie. «Einige lachten, ein wüster, explosiver Laut und brüchig vor Spannung.

Bolitho musterte Onslow. Der erste Schock machte abwägender Vorsicht Platz. Jeder Kapitän fürchtete solche Situationen. Manche verdienten sie, andere gerieten durch unkontrollierbare Umstände hinein. Jetzt war es ihm passiert und der Phalarope.

Es war Meuterei.

Onslow wartete, bis die Leute der Gig nach unten getrieben worden waren, ehe er sagte:»Wir lichten Anker, sowie ein bißchen Wind weht. Wir haben den Steuermann unten.

Entweder er oder Sie bringen das Schiff ins offene Wasser.»

«Sie sind wahnsinnig«, sagte Herrick heiser.»Dafür wird man Sie hängen.»

Der Pistolenlauf sauste herab, und Herrick brach in die Knie. Seine Hände fuhren zur Stirn. Bolitho sah Blut über Herricks Finger sickern und sagte kalt:»Und wenn kein Wind aufkommt, Onslow? Was machen Sie dann?»

Onslow nickte. Er musterte Bolitho.»Eine gute Frage. Nun, wir haben ein gutes kleines Schiff unter den Füßen. Wir können jedes Boot, das uns entern will, in den Grund bohren, meinen Sie nicht?»

Bolitho verzog keine Miene. Er sah klar, daß Onslow Anlaß zur Zuversicht hatte. Obwohl ihm die anderen Seeleute und Rennies Seesoldaten zahlenmäßig überlegen waren, war Onslow hier der König. Wurden die Kanonen mit Kartätschen geladen, konnte eine Handvoll Männer die Boote auf Abstand halten. Er blickte nach der Sonne. Es würde noch Stunden dauern, bis Okes sich an den Rückmarsch zum Ufer machte.»Dann geht also alles auf Ihr Konto?«fragte er langsam.

Ein kleiner Matrose, der nach Rum stank, hüpfte um die beiden Offiziere herum.»Er hat's getan! Genau wie er versprochen hat.»

«Halt's Maul, Pook«, fauchte Onslow. Dann sagte er zu Bolitho gewandt:»Ihr Schreiber hat mir Bescheid gesagt, als wir in der Nähe von Land waren. Ich brauchte also bloß noch Salz in die Frischwasserfässer zu schütten. «Er lachte, die Einfachheit des Planes belustigte ihn.»Dann, als Sie hierher steuerten, brachte ich diese Ratte Evans um.»

«Sie müssen sich vor Allday ziemlich gefürchtet haben, daß Sie ihm einen Mord in die Schuhe schoben«, stellte Bolitho fest.

Onslows Blicke flogen über das Deck.»Das war einfach notwendig. Solange die Seesoldaten an Bord sind, sagte ich mir, haben ein paar von meinen ängstlicheren Freunden vielleicht nicht den Mut, das Schiff zu übernehmen. «Er zuckte mit den Schultern.»Darum habe ich Allday befreit, und die dämlichen Seesoldaten sind ihm dann auch richtig nachgehetzt, ganz wie ich's erwartete.»

«Sie haben sich selbst ans Messer geliefert, Onslow. «Bolitho ließ sich keinerlei Erregung anmerken.»Aber denken Sie auch an die anderen. Wollen Sie denn, daß alle baumeln?»

«Seien Sie still!«rief Onslow.»Und danken Sie Gott, daß ich Sie noch nicht an die Großrah geknüpft habe. Ich tausche das Schiff gegen unsere Freiheit ein. Danach kriegt uns keine verfluchte Marine mehr in die Klauen.»

«Sie sind ein Narr, wenn Sie das glauben«, sagte Bolitho noch schroffer, um seine steigende Verzweiflung zu verbergen.

Der Kopf flog ihm nach hinten, als Onslow mit dem Handrücken zuschlug.»Still!«Auf den Ausruf hin drängten sich noch mehr Männer um die Offiziere. Sie zerrten Herrick hoch und fesselten ihm die Hände auf dem Rücken. Er war noch benommen, und über sein Gesicht strömte Blut.

«Warum setzen Sie die Offiziere nicht an Land?«schlug Bolitho vor.»Sie nutzen Ihnen doch nichts.»

«Na, Kapitän, da irren Sie sich aber. «Onslows gute Laune kehrte zurück.»Geiseln! Für Sie kriege ich vielleicht auch einen guten Preis. «Er lachte.»Aber. .»

«Warum nicht lieber gleich umbringen?«brüllte Pook und schwenkte sein Entermesser.»Überlaß sie mir!»

Onslow sah Bolitho an.»Da sehen Sie es, nur ich kann Sie retten.»

«Was haben Sie mit dem Ersten Leutnant gemacht?«Bolitho bemerkte, wie Pook einen Matrosen anstieß.»Haben Sie ihn umgebracht?»

Pook kicherte.»Kaum. Den sparen wir uns für später auf, für eine kleine Volksbelustigung.»

«Er hat genug von uns auspeitschen lassen, Kapitän«, sagte Onslow.»Nun wollen wir mal sehn, wie die Neunschwänzige seinem fetten Hintern gefällt.»

«Überlegen Sie, was Sie tun, Mann«, stammelte Herrick.»Sie verkaufen das Schiff dem Feind.»

«Sie sind mein Feind!«Onslows Nasenflügel blähten sich.»Ich mache mit dem Schiff, was ich will, und mit Ihnen auch.»

«Immer mit der Ruhe, Mr. Herrick«, sagte Bolitho.»Sie können nichts tun.»

«Gesprochen wie ein wahrer Gentleman. «Onslow grinste.»Immer das Beste, wenn man einsieht, daß man geschlagen ist. «Dann rief er scharf:»Schließt sie unten ein, Jungs. Und den ersten Schweinehund, der was versucht, legt ihr um.»

Einige grollten unzufrieden, sie lechzten nach Blut. Doch sie waren alle verdammt. Bolitho erkannte klar, daß sie, vom Rum umnebelt, Onslows sorgfältigen Plan nur zur Hälfte begriffen.

«Sowie es auffrischt, segeln wir, Jungs«, sagte Onslow.»Überlaßt den Rest ruhig Harry Onslow.»

Herrick und Bolitho wurden über das Deck und in die finstere Enge eines kleinen Laderaums gestoßen. Gleich darauf wurden Fähnrich Neale und Steuermann Proby hineingeschoben. Dann schlug die Tür zu. Ziemlich hoch in der Bordwand befand sich ein kleines rundes Loch. Es diente zur Lüftung der normalerweise hier lagernden Vorräte, die, wie Bolitho annahm, die Meuterer für den eigenen Gebrauch woanders hingeschafft hatten.

«Es… Es tut mir leid, Sir«, schluchzte Neale.»Ich habe meine Pflicht schlecht erfüllt. Ich hatte die Wache, als es passierte.»

«Es war nicht Ihre Schuld, mein Junge«, sagte Bolitho.»Diesmal stand alles gegen Sie. Es ist die reine Ironie: Onslow blieb auf dem Schiff, weil man ihm an Land nicht traute.»

«Mr. Vibart war in seiner Kajüte«, sagte Neale gebrochen.»Sie hätten ihn beinahe umgebracht. Onslow hat es in letzter Sekunde verhindert.»

«Nur aufgeschoben«, sagte Herrick trübe, um dann voller Wut hinzuzusetzen:»Diese Narren! Die Franzosen und Spanier denken nicht daran, mit Onslow etwas auszuhandeln. Das haben sie auch gar nicht nötig. Sie entern einfach die Fregatte und nehmen die ganze Bande gefangen.»

«Mir ist das ebenso klar wie Ihnen, Mr. Herrick«, sagte Bolitho.»Aber wenn auch die Meuterer dahinterkommen, haben sie keinen Grund mehr, uns am Leben zu lassen.»

«Verstehe, Sir. «Herrick versuchte, Bolitho im Dunkel zu erkennen.»Und ich dachte. .»

«Sie dachten, ich hätte die Hoffnung aufgegeben?«Bolitho atmete langsam aus.»Noch nicht. Nicht kampflos. «Er stieg auf eine leere Kiste und spähte durch das kleine Lüftungsloch. Das Schiff war vor Anker ein wenig geschwelt, und er sah ein Stück Strand und dahinter einen niedrigen Hügel. Aber keinen Menschen. Er hatte es auch nicht erwartet.

«Zwei der Meuterer kenne ich gut«, stotterte Proby.»Tüchtige Leute, haben nicht den geringsten Grund, solchem Abschaum wie Onslow und Pook zu folgen. «Dann, gepreßt:»Wird ihnen aber nichts nützen. Man wird sie fangen und mit den übrigen aufknüpfen. »

Herrick rutschte aus und fluchte.»Verdammt!«Er tastete mit den Fingern herum.»Ranzige Butter, stinkt wie Bilgenwasser.»

Bolitho legte den Kopf nach hinten und lauschte auf das Stampfen der Füße und das gellende Gelächter.»Sie haben sich nicht nur Butter genommen, Mr. Herrick. Sie werden bald so betrunken sein, daß sie. . «Er dachte daran, wie das Messer an Neales Kehle gefunkelt hatte. Der zweite Akt würde gleich folgen. Bloß zu trinken, das würde die Meuterer bald langweilen. Sie würden sich beweisen wollen — durch Töten.

«Versuchen Sie doch mal, ob Sie zu mir heraufsteigen können, Neale. «Er merkte, wie der Fähnrich zu ihm auf die Kiste kletterte.»Was meinen Sie, kommen Sie durch das Lüftungsloch?»

Neale blinzelte in den Sonnenstrahl, der durch das Loch fiel.»Es ist sehr eng, Sir«, sagte er zweifelnd, setzte dann aber entschlossen hinzu:»Ich will es versuchen, Sir.»

«Was haben Sie vor, Sir?«fragte Proby.

Bolitho fuhr mit den Händen um die kreisrunde Öffnung. Ein Durchlaß von kaum zehn Zoll. Er drängte die aufkeimende Erregung zurück. Es mußte einfach versucht werden.

Er sagte:»Wenn Neale da durchkäme.. «Er unterbrach sich.»Die Butter. Schnell, Neale, raus aus Ihren Sachen!«Er stieß Herrick an.»Wir schmieren ihn mit Butter ein, Herrick, dann gleitet er hindurch wie ein Wischer durchs Kanonenrohr.»

Neale zog sich aus und stand ungelenk in der Mitte des Laderaums. Im schwachen Licht des Lüftungslochs schimmerte sein schlanker Körper wie eine Statue. Bolitho füllte sich die Hände mit ranziger Butter und schmierte Neales Schultern ein. Herrick beteiligte sich an der Arbeit.

«Wo stecken die loyalen Leute, Neale?«fragte Bolitho.

«Im Kabelgatt, Sir. «Neale klapperte laut mit den Zähnen.»Der Arzt und einige der Älteren auch.»

«Das habe ich mir gedacht. «Bolitho trat zurück und wischte sich die Hände an der Hose ab.»Hören Sie, Neale. Wenn wir Sie durch das Loch kriegen, können Sie dann am Bugstag entlangklettern?»

Neale nickte.»Ich werde es versuchen, Sir.»

«Die anderen sind im Kabelgatt eingesperrt. Während ich die Wachen ablenke, öffnen Sie die Tür und lassen sie heraus. «Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter.»Aber wenn Sie entdeckt werden, dann vergessen Sie, was ich gesagt habe. Springen Sie über Bord und schwimmen Sie um Ihr Leben an Land. So schnell holt Sie niemand ein. «Und zu den anderen:»So, und nun helfen Sie mir!»

Neale war so glitschig wie ein Fisch, und beim ersten Versuch hätten sie ihn fast fallengelassen. Herrick schlug vor:»Zuerst den einen Arm, Neale, dann den Kopf. «Sie versuchten es nochmals. Der Laderaum lag in totaler Finsternis, während sie den sich windenden Fähnrich durch das Lüftungsloch preßten. Er stöhnte vor Schmerzen, und Proby sagte:»Welch ein Glück, daß er nicht dicker ist.»

Noch ein letzter Ruck, dann war er hindurch. Sie warteten ein paar bange Sekunden auf einen Anruf von Deck. Dann erschienen Neales Augen in der Lüftungsluke. Sein Gesicht war hochrot, und seine aufgescheuerte Schulter blutete. Aber er wirkte seltsam entschlossen.

«Machen Sie alles in Ruhe, Neale. Und riskieren Sie nichts Unnötiges!«sagte Bolitho leise.

Neale verschwand, und Herrick sagte:»Nun ist er wenigstens aus dem Ganzen heraus, falls es zum Schlimmsten kommt.»

Bolitho blickte ihn scharf an. Es war beinahe, als habe Herrick seine Gedanken gelesen. Er erwiderte ruhig:»Eher schicke ich die Phalarope zur Hölle, als daß ich sie dem Feind in die Hände fallen lasse, Mr. Herrick. Darüber seien Sie sich klar.»

Danach setzte er sich hin und wartete stumm.

John Allday lehnte sich erschöpft gegen einen großen Felsbrocken und rang nach Atem. Ein paar Schritte entfernt lag Bryan Ferguson wie eine Leiche. Kopf und Schultern tauchten in den kleinen Teich, während er in tiefen Zügen trank und nur innehielt, um keuchend Luft zu holen. Alldays Blicke tasteten den Dschungel niedriger Bäume ab, durch den sie gekommen waren. Noch kein Zeichen irgendwelcher Verfolger, doch er zweifelte nicht daran, daß man bereits Alarm geschlagen hatte.

«Ich habe dir noch gar nicht gedankt, Bryan«, sagte er.»Was du getan hast, war unbesonnen.»

Ferguson rollte sich auf die Seite und sah ihn mit glasigen Augen an.»Ich mußte es tun. Ich mußte es einfach.»

«Jetzt geht's auch um deinen Kopf, Bryan. «Allday betrachtete ihn kummervoll.»Aber zumindest sind wir frei. Und solange man frei ist, kann man hoffen.»

Er hatte in seiner finsteren Zelle gelegen und auf die vertrauten Geräusche gelauscht: Boote füllten sich mit Männern und stießen vom Rumpf der Fregatte ab. Stille auf dem leeren Schiff. Dann plötzlich ein Schreckensschrei. Ein Körper schlug schwer gegen die Tür. Ferguson zerrte sie auf. Seine Hände zitterten, als er die Handschellen aufschloß, und sein Mund war schlaff vor Furcht, als er kaum verständlich von Flucht stammelte.

Kurz vor Anbruch der Dämmerung waren sie geräuschlos in das kühle Wasser geglitten. Wie so viele Seeleute, konnte Allday kaum schwimmen. Aber Ferguson, von verzweifelter Angst getrieben, half ihm. Hustend und keuchend erreichten sie endlich die Sicherheit des Ufers. Fast wortlos rannten sie los, krochen durch dichtes Gebüsch, kletterten über herabgestürzte Felsen, ohne auch nur einmal anzuhalten, um zurückzublicken oder zu lauschen. Jetzt befanden sie sich zwischen zwei niedrigen Hügeln, und die Erschöpfung hatte sie zu einem Halt gezwungen.

«Komm«, sagte Allday,»wir müssen weiter. Den Hügel hinauf. Dort sind wir sicherer. Von der Spitze sieht man bestimmt meilenweit.»

Ferguson starrte Allday noch immer an.»Du hattest recht, Onslow ist ein schlechter Kerl. Ich dachte, er meinte es gut mit mir, und habe ihm gesagt, was im Logbuch des Kapitäns stand. Ich habe ihm erzählt, wo sich das Schiff befand. «Er kam taumelnd auf die Füße und folgte Allday langsam den Abhang hinauf.»Jetzt wird mir keiner mehr glauben. Ich bin genauso schuldig wie er.»

«Wenigstens weißt du, daß ich den Zahlmeister nicht umgebracht habe. «Allday blinzelte in die Sonne.»Viel weiter kommen wir nicht mehr. Bald Zeit, daß wir uns verstecken.»

«Onslow hat damit geprahlt. «Ferguson überlief von neuem ein Schauder.»Nachdem sie dich eingelocht hatten, hörte ich, daß er mit Pook und Pochin darüber sprach. Er rühmte sich damit, wie er Evans umgebracht hatte.»

Allday zog Ferguson in ein Gestrüpp.»Da!«Er deutete auf die langsam weiterrückende Linie roter Punkte auf einem entfernten Abhang.»Sie suchen uns schon.»

Ferguson stieß einen leisen Schrei aus:»Ich werde nie wieder nach Hause kommen! Ich werde Grace nie wiedersehen.»

Allday sah ihn ernst an.»Hör auf, Bryan. Noch sind wir nicht erledigt. Vielleicht kommt eines Tages ein anderes Schiff hierher, denen erzählen wir dann einfach, daß wir Schiffbrüchige sind.»

Die Seesoldaten entfernten sich nach rechts. In ihrem festen Schuhzeug und mit der schweren Ausrüstung sind sie für solche Suchaktionen nicht geeignet, dachte Allday. Selbst in den nackten Hügeln Cornwalls wäre er ihnen entkommen. Hier war es noch leichter, weil das dichte Buschwerk Deckung bot.»Jetzt ist die Luft rein«, sagte er.»Sie suchen nach der anderen Seite. Komm weiter, Bryan.»

Sie kletterten die Bergflanke hinauf, bis Allday neben herabgestürzten Felsbrocken ein Gewirr von Büschen entdeckte. Er warf sich ins Dickicht und blickte hinaus über die leere Wasserwüste.»Hier sind wir sicher, Bryan. Wenn das Schiff fort ist, bauen wir uns eine Hütte, so wie meine in den Hügeln von Falmouth. Mach dir keine Sorgen.»

Ferguson stand da und blickte aus weit aufgerissenen Augen zu seinem Freund hinunter.»Onslow will das Schiff übernehmen, er hat es mir gesagt. Er wußte, daß ich nichts dagegen machen konnte, daß ich ebenso schuldig bin wie die anderen.»

Allday versuchte zu grinsen.»Du bist erschöpft. Wie kann Onslow die Fregatte übernehmen?«Sein Grinsen schlug in einen Ausdruck des Schreckens um, als ihm die tiefere Bedeutung dämmerte. Er sprang auf und packte Ferguson beim Arm.»Willst du sagen, daß Onslow das alles geplant hat? Das mit dem Frischwasser, dem Mord und meiner Flucht?«Er wartete nicht auf die Antwort. Fergusons Gesichtsausdruck sagte ihm genug. Er stöhnte auf.»Mein Gott, Bryan, was sollen wir tun?»

Ferguson sagte leise:»Ich wollte es dir erzählen. Aber es war keine Zeit dazu. Sie hätten dich sowieso umgebracht.»

Allday nickte.»Ich weiß, Bryan, ich weiß. «Erstarrte auf die Erde.»Ich habe es vorhergesagt. «Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar.»Meuterei. Damit will ich nichts zu tun haben. «Er sah Ferguson entschlossen an.»Wir müssen zurück und sie warnen.»

«Es ist zu spät. «Ferguson verkrampfte die Hände ineinander.»Ich kann jedenfalls nicht zurück. Begreifst du denn nicht? Ich bin einer von ihnen. «Tränen rannen ihm übers Gesicht.»Ich könnte die Peitsche nicht ertragen, John. Bitte, ich kann nicht.»

Allday wandte dem anderen den Rücken zu, um sein Gesicht zu verbergen. Er blickte über das Meer, dessen scharfe Kimmlinie alle Entfernung auslöschte.

Du armer kleiner Angsthase. Was mußte es Ferguson gekostet haben, den Posten niederzuschlagen und die Zelle zu öffnen! Über die Schulter hinweg sagte er ruhig:»Ich weiß, Bryan. Laß mir bloß Zeit, über alles nachzudenken.»

Also alles vergeblich. Sein Entschluß, das Leben zu nehmen, wie es kam, sein Vorsatz, Gefahren und Schwierigkeiten so durchzustehen, daß er eines Tages heimkehren konnte, alles umsonst. Wie merkwürdig, daß gerade Ferguson, der am meisten zu verlieren hatte, durch seine Informationen die Meuterei mit ausgelöst hatte.

Ein Unglück ist es, sagte er sich grimmig. Die Suche nach einem Meuterer gaben sie nie auf, ganz gleich, wie lange sie dauerte. Er hatte einige Meuterer in Plymouth baumeln sehen, verfaulende, augenlose Kadaver. Futter für die Möwen und eine Warnung für alle anderen.

Weit draußen auf dem glitzernden Meer bewegte sich etwas und störte die stille Leere des Horizonts. Allday ließ sich auf ein Knie nieder und hielt die Hände über die Augen. Sie waren blind vor Schweiß. Er blinzelte und blickte dann wieder in die Richtung. Monate auf See als Ausguck hatten ihm den Seemannsinstinkt vermittelt, mehr zu erkennen, als dem bloßen Auge sichtbar war. Er drehte ganz leicht den Kopf. Noch ein Punkt, viel kleiner. Wahrscheinlich eine Meile hinter dem anderen.

«Was ist?»

Allday setzte sich auf einen Felsbrocken.»Draußen sind zwei Fregatten, Bryan. «Er sah Ferguson nachdenklich an.»Große Schiffe, dem Aussehen nach wahrscheinlich Franzosen. «Er ließ die Worte wirken und sagte dann:»Deine Frau in Falmouth, Bryan, heißt sie nicht Grace?»

Ferguson nickte stumm. Er begriff nicht, worauf der andere hinauswollte.

Allday nahm Fergusons Hand und umschloß sie fest.»Sie würde bestimmt nicht gern an einen Meuterer denken, wenn sie sich an dich erinnert, Bryan, nicht wahr?«Er sah, daß Ferguson kurz den Kopf schüttelte, und bemerkte die Tränen auf den sonnenverbrannten Wangen.»Und ebenso ungern würde sie an dich als den Mann denken, der sein Schiff dem Feind in die Hand fallen ließ, ohne einen Finger zu rühren. «Er stand langsam auf und zog Ferguson hoch.»Wirf einen Blick auf diese Schiffe, Bryan, und dann sage mir, was zu tun ist. Du hast mir das Leben gerettet. Dafür zumindest bin ich in deiner Schuld.»

Ferguson starrte auf die tanzenden Spiegelungen, durch Furcht und Schrecken zu verwirrt, um den Sinn hinter Alldays leisen Worten zu begreifen.»Du möchtest, daß ich mit dir zurückgehe?«Es klang sehr verloren, doch er mußte es wiederholen.»Mit dir zurückgehe. .?»

Allday nickte. Seine Blicke ruhten noch immer auf Fergusons zerquältem Gesicht.»Wir müssen zurück, Bryan. Du begreifst das jetzt, nicht wahr?«Er legte Ferguson die Hand auf den Arm, ließ einige Sekunden verstreichen und ging dann den Abhang hinab, ohne sich umzublicken. Er wußte, daß Ferguson ihm folgte.

Bolitho merkte, daß sich sein Nackenhaar leicht bewegte. Er erhob sich, sah zu dem Lüftungsloch hoch und sagte nach einigen Sekunden:»Spüren Sie es? Der Wind!»

«Okes kann nie und nimmer rechtzeitig zurück sein«, sagte Herrick.»Und selbst wenn, dann. .»

Bolitho legte einen Finger auf seine Lippen.»Still! Es kommt jemand. «Er ergriff hastig Neales Kleidungsstücke und stopfte sie durch das Lüftungsloch.

Die Tür knarrte, und Pook spähte hinein. Er fuchtelte mit einer Pistole.»An Deck. Alle!«Seine Augen glänzten, und sein Hemd war voller Rumflecken. Dann blickte er sich suchend um und brüllte:»Wo, zum Teufel, ist der Kleine?»

«Durch das Lüftungsloch«, sagte Bolitho.»An Land geschwommen.»

«Wird ihm auch nichts nützen«, lallte Pook.»Verhungert er eben mit den übrigen.»

Fluchend und mit sich selbst redend trieb er die drei Offiziere an Deck. Onslow und einige seiner Getreuen standen beim Ruder.»Reizen Sie ihn nicht«, flüsterte Bolitho Herrick zu.»Er sieht schon so gefährlich genug aus.»

Onslow war die Anspannung anzumerken. Als Bolitho und die anderen die Achterdeckreling erreichten, bellte er:»Also los! Bringen Sie das Schiff in Fahrt. «Er zielte auf Herricks Leib und setzte drohend hinzu:»Ich erschieße ihn, wenn Sie mich hinters Licht führen wollen.»

Bolithos Blicke flogen über das Hauptdeck, und er merkte, daß seine Zuversicht schwand. Etwa zwanzig Mann starrten herauf. Alle, die von der Cassius gekommen waren, und einige von der Phalarope, die als vertrauenswürdig gegolten hatten. Wie er zu Neale gesagt hatte: Pech, daß gerade diese Männer an Bord blieben, während verläßlichere Leute mit den Wasserfässern an Land kommandiert worden waren. Normalerweise hätte es nichts ausgemacht. Er biß sich auf die Lippen. Diesmal jedoch entschied es über Tod und Leben.

Er nickte Proby zu.»Bramsegel und Klüver, Mr. Proby. «Und zu Onslow:»Wir brauchen mehr Leute, um den Anker zu lichten.»

Onslow bleckte die Zähne.»Ganz gut, der Versuch, aber nicht gut genug. Ich werde die Kette kappen. «Er schwenkte die Pistole.»Für die Segel reichen die Leute. «Sein Kinn schob sich vor.»Noch so ein Trick, und ich lege den Leutnant um. «Er zielte wieder auf Herrick.»Machen Sie weiter — Sir!»

Bolitho spürte die Sonne auf dem Gesicht und bemühte sich, mit dem überwältigenden Gefühl der Niederlage fertigzuwerden. Er konnte nichts machen. Neales Leben hatte er schon aufs Spiel gesetzt.»Na gut, Onslow«, sagte er tonlos.»Aber ich hoffe, daß Sie es noch bedauern.»

Von vorn riefjemand:»Da! Am Strand sind welche!»

Onslow fuhr herum. Seine Augen funkelten.»Bei Gott, ein Boot legt ab.»

Bolitho sah zum Ufer. Die Jolle der Phalarope kam vom Strand klar und bewegte sich auf das Schiff zu. Es saßen nur zwei Mann im Boot. Sicher war bei der Landungsabteilung Panik ausgebrochen, als die Leute sahen, daß die Phalarope ohne sie lossegeln wollte. Mehrere Meuterer waren bereits aufgeentert, und ein Klüversegel flatterte ungeduldig in der auffrischenden Brise. Bolitho bemerkte, daß immer mehr Leute am grünen Rand des hohen Ufers auftauchten. Die Klinge eines gezogenen Degens blitzte.

Onslow sagte langsam:»Laßt das Boot so nahe herankommen, daß wir es mit einem Neunpfünder beharken können. «Er grinste.»Holt den verdammten Mr. Vibart herauf. Wir wollen den Hunden ein Abschiedsgeschenk machen, an das sie sich erinnern!«Und zu Bolitho:»Gehenkt wird doch, und wer wäre da besser?»

Vier Mann waren nötig, um den Ersten Leutnant vom Niedergang heranzuschleifen. Seine Kleidungsstücke hingen in Fetzen. Das Gesicht war vor Schlagwunden kaum noch erkennbar. Einige Sekunden lang stierte er auf die Schlinge, die von der Großrah baumelte. Dann wandte er sich um und blickte zum Achterdeck hinauf. Erst jetzt bemerkte er Bolitho und die anderen. Eines seiner Augen war geschlossen, das andere richtete sich ohne Furcht oder Hoffnung fest auf Onslow.

«Na, Mr. Vibart«, rief Onslow,»dann wollen wir mal sehen, wie Sie zu unserer Melodie tanzen. «Einige lachten, als er hinzufügte:»Von da oben werden Sie einen hübschen Ausblick haben. »

«Lassen Sie ihn in Ruhe«, sagte Bolitho.»Sie haben mich, Onslow. Reicht Ihnen das nicht?»

Aber Vibart rief:»Sparen Sie Ihre Bitten für sich selber auf. Ich brauche Ihr verdammtes Mitleid nicht.»

Plötzlich brüllte jemand:»He, die in der Jolle sind Allday und Ferguson.»

Mehrere rannten zum Schanzkleid, und einer fing sogar an, Hurra zu rufen. Doch Onslow befahl heiser:»Bleibt bei der Kanone. Die beiden brauchen wir hier nicht.»

Bolitho beobachtete jede Bewegung. Ein anderer großer Matrose löste sich vom Ruder. Er kam näher und knurrte:»Das laß mal! Es ist Allday. Der war immer ein guter Kumpel. «Er blickte zum Hauptdeck hinunter.»Was sagt ihr, Jungs?»

Zustimmendes Gemurmel erklang, und Pochin sagte:»Ruft das Boot längsseits.»

Bolitho schlug das Herz wie ein Schmiedehammer. Die Jolle stieß an den Rumpf der Fregatte. Alles schwieg, während Allday und Ferguson an Bord kletterten. Dann beugte sich Pochin über die Querreling und rief:»Willkommen, John! Segeln wir also doch zusammen.»

Aber Allday blieb unter der Steuerbordlaufplanke stehen. Auf seinem emporgewandten Gesicht lag hell die Sonne.»Mit dem segle ich nicht!«Er deutete auf Onslow.»Er hat Evans ermordet und es mir in die Schuhe geschoben. Ohne Bryans Hilfe wäre ich am Galgen geendet.»

«Aber jetzt bist du frei«, entgegnete Onslow ruhig.»Ich habe nie vorgehabt, dich umzubringen. «Schweiß stand ihm auf der Stirn, und die Knöchel der Hand, die die Pistole umspannte, waren weiß.»Du kannst bei uns bleiben und bist willkommen.»

Allday schenkte ihm keine Beachtung. Er wandte sich an die Leute an Deck.»Da draußen sind zwei französische Fregatten, Jungs. Soll die Phalarope ihnen wegen dieses mörderischen Schweins in die Hände fallen?«Seine Stimme wurde lauter.»Und du, Pochin. Bist du so mit Blindheit geschlagen, daß du in deinen eigenen Tod rennst?«Er packte einen Mann beim Arm.»Und du, Ted, willst du das für den Rest deines Lebens mit dir rumschleppen?»

Alle redeten durcheinander, und selbst von oben kamen die Leute wieder herunter, um sich an der Auseinandersetzung zu beteiligen.

Bolitho warf Herrick einen Blick zu. Jetzt oder nie, zumal er zwei bewaffnete Matrosen nach achtern kommen sah, die wissen wollten, was los war: wahrscheinlich die Bewacher der übrigen Gefangenen. Doch Vibart handelte als erster. Die Matrosen um ihn herum hatten auf den zerschlagenen, blutenden Ersten Leutnant einen Augenblick nicht geachtet, als er auch schon aufbrüllend um sich hieb und seine Wächter zu Boden streckte. In der gleichen Sekunde brüllte Bolitho:»Neale! Jetzt, um Gottes willen!»

Noch während er rief, warf er sich von der Seite her mit aller Kraft gegen Onslow. Ineinander verklammert und mit Händen und Füßen aufeinander einhämmernd, rollten sie über das Deck.

Pook brüllte vor Wut auf, als Herrick ihm die Beine unter dem Leib wegschlug. Die Pistole an sich reißen und feuern, war für Herrick eins. Die Kraft des Schusses riß Pook von den Knien hoch und schleuderte ihn gegen die Karronade. Eine Gesichtshälfte und das Kinn waren nur noch blutige Fetzen.

Irgendwie gelang es Onslow, sich freizukämpfen. Mit einem gewaltigen Sprung über die Querreling landete er mitten unter den anderen Matrosen. Seit dem Pistolenschuß standen sie erstarrt wie Salzsäulen. Onslow packte ein Entermesser und rief:»Los, Jungs. Bringt die Hunde um!»

Bolitho ergriff Onslows Pistole, feuerte auf den Mann am Ruder und keuchte:»Nach achtern, Mr. Proby. Holen Sie Waffen!»

Auf der Back ertönte eine unregelmäßige Salve, und die verdutzten Meuterer wichen über das Hauptdeck zurück, als Seeleute durch die Luken herauf quollen; sie wurden von Steuermannsmaat Belsey geführt, dessen verwundeter Arm fest bandagiert war, während er mit der gesunden Hand eine Enteraxt schwang.

«Die Boote kommen, Sir«, rief Herrick. Er schleuderte die leere Pistole nach einem Meuterer und packte das Entermesser, das Proby ihm hinhielt.»Mein Gott, endlich die Boote!»

«Mir nach!«rief Bolitho. Er schwang das Entermesser wie eine Sense, stürmte den Niedergang hinunter und holte mit aller Kraft aus, als ein Mann mit einer Pieke auf ihn eindrang. Die starke Klinge des Entermessers grub sich dem Angreifer in den Hals, und Bolitho fühlte, wie ihm das warme Blut über das Gesicht spritzte.

Häßlich und verzerrt blendeten Gesichter auf, gingen jedoch in Schreien unter, als er sich quer über das Deck eine Gasse hieb, bis er bei Vibart anlangte, der gegen drei Meuterer kämpfte. Gerade als sein Entermesser einem Meuterer in die Schulter fuhr, sah er ein Messer in der Sonne aufblitzen und hörte Vibart vor Schmerz aufbrüllen. Er sank zu Boden. In eben dem Augenblick stürzten sich die aus dem Kabelgatt befreiten Männer in das Gefecht. Einige Meuterer warfen die Waffen hin und hoben die Hände. Bolitho glitt in einer Blutlache aus. Jemand half ihm auf die Füße. Es war Allday. Er dankte ihm keuchend.

Aber Allday blickte an ihm vorbei zur anderen Schiffsseite. Eingekreist von erhobenen Waffen und verlassen von seinen Mitverschworenen, stand Onslow mit dem Rücken gegen eine Kanone, das Entermesser noch in der Hand.

«Der gehört mir, Sir«, sagte Allday.

Bolitho wollte etwas erwidern, da hörte er Vibarts Stimme. Mit drei großen Schritten war er neben dem Ersten. Belsey und Ellice hielten Vibart bei den Schultern. Bolitho kniete sich neben den Verwundeten, dem ein dünner Blutfaden aus einem Mundwinkel rann. Vibart blickte zu Bolitho hoch. Er sah plötzlich alt und gebrechlich aus.

«Bleiben Sie still liegen, Mr. Vibart«, sagte Bolitho.»Das kriegen wir bald wieder hin.»

Vibart hustete. Das Blut floß ihm immer stärker über das Kinn.»Das nicht. Diesmal hat es mich erwischt. «Er wollte die Hand heben, schaffte es aber nicht. Der Arzt, den er nicht sehen konnte, schüttelte den Kopf. Nichts mehr zu machen.

«Sie haben sich tapfer gehalten«, sagte Bolitho.

Man hörte das Klirren von Stahl. Bolitho blickte über das Deck. Allday und Onslow umkreisten einander mit blanken Entermessern. Die anderen sahen stumm zu. Das war kein Kriegsgericht. Das war die Rechtsprechung des Unterdecks.

Bolitho blickte wieder zu Vibart hinunter.»Kann ich etwas für Sie tun?»

Schmerz verzerrte das Gesicht des Sterbenden.»Nichts. Sie nicht und auch kein anderer. «Er hustete wieder. Diesmal hörte der Blutstrom nicht auf. Vibart starb, als die zurückkehrenden Boote längsseits kamen und sich die Gangways mit atemlosen Leuten füllten.

Bolitho erhob sich langsam und betrachtete den Toten. Irgendwie typisch für Vibart. Es paßte zu ihm, daß er bis zur letzten Sekunde unzugänglich geblieben war.

Bolitho sah hoch. Hauptmann Rennie und Fähnrich Farquhar stiegen über Verwundete hinweg. Ihre Gesichter waren vor Entsetzen grau und verzerrt. Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken, um seine Erregung zu verbergen.

«Setzen Sie diese Männer fest, Mr. Farquhar. Und dann machen Sie sofort mit der Übernahme von Frischwasser weiter. Wir segeln, sowie alle Fässer an Bord sind. «Er ging langsam zur anderen Schiffsseite. Die Leute traten auseinander, um ihn hindurchzulassen, und sein Blick fiel auf Onslow, dessen Augen bereits gebrochen waren.

Bolitho fühlte sich plötzlich so elend und beschmutzt, als hätte er durch die Meuterei den Aussatz bekommen. Er sagte rauh:»Ich hoffe nur, daß wir uns beim Kampf gegen die Franzosen ebensogut halten wie beim Kampf gegeneinander. «Danach drehte er sich um und ging nach achtern.

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