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Wo ist das Schwert?

Hart und kalt wie schwarzer Obsidian wurde die Stimme zu Finsternis. Die Finsternis wurde zur Stimme. Hauk wußte nicht, ob er den Zwerg wirklich sah oder ihn wie einen gestaltangenommenen Alptraum im Geist fühlte.

Wo ist das Schwert?

Hauk antwortete vorsichtig. Der Zwerg konnte seine Gedanken lesen. Oder in seinen Gedanken sein. »Ich weiß – ich weiß es nicht.«

Das Verhör war zu einer Art Rückzugsgefecht geworden. Parade, Abwehr, Rückzug, dann wieder Parade. Wie ein Kämpfer mit dem Rücken zum Abgrund wußte Hauk, daß er nicht mehr weiter zurückweichen konnte. Seine Antwort war korrekt. Er wußte nicht, wo das Schwert jetzt war.

Wer hat das Schwert?

»Ich weiß es nicht.« Das stimmt, sagte er sich. Ich weiß ihren Namen nicht. Er verwahrte das Bild des rothaarigen Schankmädchens hinter der Mauer seines Willens.

Das gehört mir, sagte er sich wieder und wieder. Das ist meine Erinnerung. Meine! Er vergrub sie ganz tief, wie ein Geizhals, der einen unendlich wertvollen Schatz vergräbt.

Realgars Lachen brandete ekelhaft gegen die Ränder von Hauks Seele. Wie ein Bergmann mit einem scharfen Pickel grub und kratzte der Zauberer in Hauks Geist herum und hob jede Erinnerung in kaltes, weißes Licht.

Hauk roch den Rauch in der Luft eines Schankraums.

Realgar lachte wieder. Das weiße Licht verschwand, sein Widerschein pulsierte. Zwischen einem Herzschlag und dem nächsten flammte es auf, eine Feuersäule. Stürmischer Wind heulte.

Hauk schmeckte Bier in seinem Mund und den Geschmack nach Galle in der Kehle. Ein silberner Blitz durchschnitt den Rauch. Er sah Tyorls blaue Augen, die die Dummheiten seines jungen Freundes amüsiert und duldsam betrachteten.

Die Stahlklinge seines Dolches zitterte genau in der Mitte eines Tabletts. Der Klang der Schwingung stieg an, wurde hoch und summend, und Hauk spürte sie. Der Boden der Zelle bebte, als wenn ein Erdbeben den Stein erschütterte.

Finsternis überfiel ihn, und Hauk ließ sich mit zitterndem Herzen überschwemmen und sagte sich, daß die Finsternis gut war. Sie verbarg Schätze.

Realgars Lachen wurde zu dem lauten Stimmengewirr im Schankraum der Taverne. Hauk hatte Tyorl in seinem Gedächtnis gefunden und klammerte sich an das Bildnis seines Freundes. Er füllte seine Gedanken mit Erinnerungen an all die Jahre, in denen er als Junge und Mann den Elf gekannt hatte.

Blut tropfte auf den Stein. Es floß über einen in Schatten getauchten Felsboden. Tyorl lag tot zu Hauks Füßen. Die steifen, toten Finger des Elfen lagen noch verkrampft um die tödliche Wunde in seinem Bauch.

Sturmklinges Saphire atmeten wie weiches Dämmerlicht, als das Schwert von Hauks Hand herunterhing und Blut an der Klinge herunterströmte.

Wo ist das Schwert?

Hauk warf den Kopf zurück und heulte vor Trauer, Wut und Protest.

Nie erlaubte er sich, auch nur einen Augenblick an das Mädchen mit den kupferroten Zöpfen und den smaragdgrünen Augen zu denken. Sie war für ihn kein wirkliches Mädchen mehr. Sie war nur eine helle, lichte Erinnerung in der Finsternis. Diese Erinnerung gehörte ihm, und er klammerte sich daran wie ein Ertrinkender, der sich an die letzte zersplitterte Planke eines gekenterten Schiffes klammert. Er hatte nichts anderes.

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