23

Gneiss von den Daewars lief durch die verwinkelten Gassen und Pfade zwischen den eilig errichteten Bauernhütten, die sich an den Wänden der östlichen Ackerhöhlen entlangzogen. Die Zwerge werden keine Luft mehr bekommen, hatte er gesagt. Auch wenn er zugab, daß dieser Einwand übertrieben war, kam ihm der Gedanke jedesmal, wenn er die Ackerhöhlen betrat.

Die achthundert Menschenflüchtlinge hatten sich schnell zurechtgefunden. Die kleinsten Kinder, die nicht mit den Männern auf den Feldern waren, rannten zwischen den Hütten herum, wobei ihre lauten, schrillen Rufe von den Höhlenwänden zurückhallten und bis zur viele hundert Fuß entfernten Decke der Höhle emporstiegen. Frauen versorgten die Tiere: die paar Dutzend Pferde, die sie zum Pflügen brauchten, eine laute Ziegenherde und viel zu viele Hühner und Enten.

Der verflixte Ort sah aus wie eine lumpige Grenzstadt am Rande von Nirgendwo! Eine gewisse, zurückhaltende Bewunderung schlich sich in die Gedanken des Daewars ein. Bei Reorx, sie hatten sich schnell von ihrem langen Marsch durch die Außenwelt erholt.

Obwohl die Felder ganz und gar nicht dem entsprachen, woran diese Menschenbauern gewöhnt waren, hatten sie sich schnell an die ebenen Äcker mit der schweren, schwarzen Erde angepaßt, die die Zwerge vor vielen Jahren in die Höhlen gebracht und jährlich aus dem Tal vor Südtor aufgefrischt und nachgefüllt hatten. Kein Stein verdarb die Pflugscharen; kein noch so kleiner Hang forderte besondere Kraft von Pferden und Pflügern.

Gneiss hielt am Rand eines frisch bestellten Feldes an. Im Licht der vielen Kristallstäbe hoch oben glänzte die dunkle Erde. Jungen mit großen, schweren Saatbeuteln aus Leintuch über den Schultern folgten den sorgfältig gezogenen Furchen und säten beim Gehen nach rechts und links aus. Bald würde die fruchtbare schwarze Erde von einem zartgrünen Teppich aus jungem Weizen bedeckt sein. Jenseits dieses Feldes bauten sie Mais an, und in der Höhle dahinter würden bald Hirse und Gras für die Tiere wachsen.

Ja, sie machten ihre Sache gut, die Menschen von Goldmond. Man sollte fast meinen, daß Mesalax ihre Arbeit segnete. Man sollte fast meinen, daß die Frau aus den Ebenen wirklich in der Gunst der Göttin stand.

Fast. Gneiss schnaubte. Er hatte noch nie davon gehört, daß Mesalax ihren Klerikern die Fähigkeit verlieh, Lehnsherren zu verzaubern. Und Hornfell war verzaubert. Derzeit schien er mehr Zeit hier bei den flüchtigen Bauern zu verbringen als oben in den Städten.

Und ich, dachte der Daewar, ich muß jedesmal wie ein Laufbursche hier runterrennen, wenn ich mit ihm reden will! Verbündete gewinnen, sagt er. Verbündete bekommt man am leichtesten, wenn man sie kennt, sagt er. Hah! Was für Verbündete sollen diese zerlumpten Flüchtlinge abgeben? Verdammt schwächliche, würde ich meinen.

Ein heiseres, schrilles Kinderlachen ging dem Mädchen voraus, das mit gesenktem Kopf und rudernden Armen hinter einer Hütte hervorschoß und in Gneiss hineinrannte, bevor der Daewar sich umdrehen konnte. Er geriet ins Stolpern, und das Mädchen fiel hin.

Er nahm es an den Ellbogen und stellte es ohne Umschweife wieder auf die Beine. »Immer langsam mit deinem wilden Gerenne, Kleine! Du hast zwei Augen – benutze sie!«

Diese beiden Augen starrten Gneiss groß und himmelblau an, bevor das Mädchen sich in Richtung Feld davonmachte.

So magere Beinchen, dachte Gneiss. Jemand sollte das Ding mal füttern. Und womit haben sie ihr die Haare geschnitten? Wahrscheinlich mit einer Säge, so wie es aussieht. »Halt mal kurz still, ja?«

Das Mädchen blieb wie angewurzelt stehen und strich sich das unbändige, schwarze Haar aus dem Gesicht.

»Ich suche Goldmond und – «, er lächelte böse, »– ihren Gefangenen, Hornfell. Wo sind sie?«

»Gefangener?« Die Augen des Mädchens wurden noch größer (falls das möglich war) vor Entzücken. »Oh, du machst Witze, Opa.«

»Opa!«

Mit ihrem verschmierten Finger zeigte sie auf seinen langen, schon leicht ergrauten Bart.

Gneiss kniff die Augen zusammen, weil er ein Lächeln unterdrücken mußte. Unverschämte kleine Gören sollte man nicht ermutigen, unter keinen Umständen.

Das Gesicht der unverschämten Göre verzog sich zu einem Grinsen. »Ich weiß, wo sie sind. Ich bring’ dich hin.«

»Genau«, grummelte der Zwerg, »und danach gehst du besser mal zu deiner Mutter, damit sie dich wäscht und kämmt, hm?«

Sie schüttelte den Kopf und zuckte unglaublich selbstverständlich mit den Schultern. »Geht nicht, Opa.«

»Geht nicht? Wieso nicht?«

»Lady Goldmond sagt, meine Mutter und mein Vater sind zu Mishakal gegangen.« Der Gesichtsausdruck des Kindes verdüsterte sich. »Ich glaube, sie sind tot.«

Mit diesen Worten hüpfte das Kind davon, und Gneiss mußte sich sputen, ihm zu folgen. Kriegskinder sind Fatalisten, erinnerte er sich. Das hatte er oft genug gesehen, ohne sich daran gewöhnen zu können, obwohl er doch selbst ein Krieger war. Gneiss folgte dem Kind durch die neuen, gewundenen Gassen zu einer einfachen Hütte mit niedrigem Dach, die sich in nichts von den anderen unterschied. In dieser winzigen Hütte fand er Hornfell und die Frau aus den Ebenen. Der Halb-Elf hockte an der Tür, weil es keinen anderen Sitzplatz mehr gab. Mit der selbstverständlichen Fertigkeit eines Mannes, der seine Aufgabe als Zeitvertreib und gleichermaßen als Notwendigkeit ansieht, fertigte er Pfeile an. Obwohl der rothaarige Tanis und Goldmond als Anführer der Flüchtlinge oft gemeinsam zu sehen waren, gab es das Gerücht, daß irgendwo ein großer, finsterer Mann aus den Ebenen herumlief, der Goldmond rechtmäßig seine Lady nennen durfte. Die Gruppe, die die Sklaven aus Verminaards Minen befreit hatte, bestand aus insgesamt neun Leuten. Gneiss hatte allerdings nur den Halb-Elf und Goldmond kennengelernt. Die anderen sieben hatten entweder eigene Angelegenheiten zu erledigen oder waren froh, diesen beiden die Verhandlungen überlassen zu können.

Auch gut, dachte Gneiss. Er hatte gehört, daß ein Hügelzwerg aus dem berüchtigten Clan Feuerschmied zu der Gruppe gehörte. Ihm fehlte jedes Interesse daran, mit einem Hügelzwerg zu reden oder auch nur im selben Raum mit jemandem zu sein, dessen Großvater in der Zwergentorkriegen gegen die Bergzwerge gekämpft hatte.

Ja, und hier sitzt Hornfell, dachte der Daewar, und trinkt Schnaps mit Fremden! Als ob er und der Rat sich um nichts anderes zu kümmern hätten als darum, wie man den Nachmittag am schönsten verbringt!

Gneiss bereute sein Urteil, als er die Augen seines Freundes sah. Die dunklen Schatten in den Augen des Hylaren verrieten ihm, daß hier schwerwiegende Dinge besprochen wurden.

Goldmond lächelte und winkte Gneiss in die Hütte, als würde das winzige Gebäude ihr gehören, als wäre sie die stolze Gastgeberin.

»Sucht Ihr Euren Freund? Nennt mich ruhig selbstsüchtig, Lehnsherr Gneiss. Ich nehme ihn zuviel in Anspruch.«

Der Titel Häuptlingstochter stand ihr zu. Gneiss dachte, daß er gern ihren Vater gekannt hätte, nur um den Mann zu sehen, der Goldmond so gut zum Herrschen erzogen hatte.

»So ist es, Lady. Wir brauchen ihn. Hornfell«, sagte er, »es gibt Neuigkeiten von der Grenze. Guyll Fyr.« Er hatte die zwergischen Worte verwendet und war überrascht, als der Elf reagierte.

»Buschbrand?« Mit aufmerksamen, grünen Augen wandte Tanis sich an Gneiss. »Wo?«

»Er kommt von den Hügeln westlich der Ebene der Toten herunter. Zwei Grenzpatrouillen haben das Feuer heute nacht entdeckt. Der Wind treibt es von hinten an, so daß es schnell vorwärts kommt.«

Schneller als der Wind, vor dem es hertrieb, dachte Gneiss. In der Morgendämmerung hatte er das Feuer von den Mauern von Nordtor beobachtet. Grelles Licht war zum leuchtenden Himmel aufgestiegen. Das Guyll Fyr hatte wie ein Flammenmeer ausgesehen, dessen Wellen gegen den Wald am Fuß des Gebirges brandeten wie gegen eine Küste. Dichter, schwarzer Rauch stieg in dicken Säulen zum Himmel auf oder wurde von den übermütigen, kalten Windströmungen über die Ebene der Toten hinweg vor den tobenden Flammen hergetragen. Der grelle Schein und der tödliche Rauch hatten das Licht der Dämmerung blaß und kränklich wirken lassen.

Gneiss sprach zu Hornfell: »Du wirst im Ratssaal gebraucht, mein Freund. Diese und andere Angelegenheiten warten auf dich.«

Goldmond stand von dem wackligen Tisch auf, an dem sie gesessen hatte. »Das Feuer.«

Gneiss nickte kurz angebunden. »Ja, Lady?«

»Wodurch ist es entzündet worden? Wißt Ihr das?«

»Nein, Lady, aber Ihr und die Euren seid hier sicher.« Er sah Hornfells Grimasse und zuckte mit den Schultern. »War das Eure Sorge?«

»Nein«, sagte sie leise. »Ich weiß, daß wir hier sicher sind. Ich weiß aber auch, was geschieht, wenn ein Buschbrand über die Ebenen rast. Ich habe das erlebt, aber nie so spät im Jahr.«

»Ihr denkt an Verminaards Drachen, nicht wahr?«

»Richtig.«

»Doch, ja, ich hatte denselben Gedanken, Lady.« Um Hornfells willen, weil sein Freund diese Frau aus den Ebenen, diese angebliche Klerikerin von Mesalax, zu schätzen schien, bemühte sich Gneiss um einen höflichen Ton. »Lady Goldmond, das ist eine Angelegenheit für den Rat. Ich hoffe, Ihr gestattet uns zu gehen.«

Goldmond sagte nichts, doch als Hornfell und Gneiss die enge, kleine Hütte verließen, begleitete Tanis sie. Hornfell sagte nichts dagegen, und Gneiss erhob keine Einwände, sondern lief einfach etwas voraus, während er sich damit beschäftigte, warum seine Worte sich so ungehobelt angehört hatten.


Thorbardin bestand aus sechs kleinen, tief im Berg gelegenen Städten. Diese Städte waren durch zahlreiche Straßen und Transportschächte sowohl untereinander als auch mit diversen Nebenhöhlen und den zwei großen Toren verbunden. Die beiden Zwerge kannten sich überall aus. Sie gingen durch diese Straßen, ohne nachzudenken, wie man es tut, wenn man an einem Ort geboren ist und sein ganzes Leben dort verbracht hat. Der Lärm aus dem Geschäftsviertel und die Stille der Gärten umgaben sie wie Sonnenlicht und Schatten.

Tanis folgte den beiden Lehnsherren schweigend und beschäftigte sich mit seinen Beobachtungen. Als die drei an einer kurzen, schmalen Brücke über die abgrundtiefe Haupthöhle anhielten, in der die Städte lagen, sah Gneiss sich um, weil er hörte, wie der Halb-Elf leise seufzend Luft holte.

Auf der Brücke, deren gewölbtes Dach und breiter Boden aus quadratischem hellen und dunklen Granit bestanden, war niemand zu sehen. Von der Promenade vor ihnen drangen Rufe und Gelächter von spielenden Zwergenkindern zu ihnen hin. Die zurückliegenden Gärten harrten still im Schatten. »Was ist los?« flüsterte Gneiss.

Tanis hob eine Hand und lauschte mit gesenktem Kopf. Sie hörten, wie Ledersohlen über Stein liefen. Der Halb-Elf griff nach seinem Kurzschwert. Hornfells Finger schlossen sich um den Griff des kleinen Dolches an seiner Hüfte. »Im Schatten«, sagte der Hylar.

Noch während er das sagte, trat aus den Schatten, die von der unten gähnenden Höhle bis zum Rand der Brücke reichten, eine Gestalt hervor. Schauer lief Gneiss über den Nacken. Er kannte den Zwerg, der aus der Dunkelheit trat und die Promenade betrat, als hätte er sie nicht gesehen. Ein Theiwar, einer von Realgars Derro-Zauberlingen. Tanis’ Daumen streichelte abwesend das Heft seines Kurzschwerts. Er sah von Hornfell zu Gneiss. »Wer war das?«

»Den Namen weiß ich nicht«, raunzte Gneiss. »Dhegan«, sagte Hornfell. »Genau, Dhegan. Einer von Realgars – Untertanen.«

Er hätte genausogut ›Assassinen‹ sagen können, dachte Gneiss. Er strich sich den Bart und hielt auf die helle Promenade zu.

Beim Gehen fiel dem Daewaren auf, daß Hornfell Tanis nichts erklärte. Das machte ihm bewußt, daß der Halb-Elf sie nicht begleitete, um die Stadt kennenzulernen. Irgendwann gestern oder heute nacht mußte Hornfell den beiden Anführern der Flüchtlinge die politische Lage im Zwergenkönigreich erklärt haben. Tanis, der Halb-Elf, Ausländer und Fremder, begleitete sie nicht nur als Weggefährte, sondern auch als Leibwächter.

Genau, ja, sie vertreten ihre Interessen. Das erste, was der verdammte Theiwar macht, wenn seine Revolution anfängt, ist, diese Flüchtlinge loszuwerden.

Plötzlich wollte der Daewar Licht sehen und fühlen. Bald würde er kämpfen müssen. Er wollte nicht im Dunkeln kämpfen.


Nachtschwarz hatte keine Freude am Feuerschein. Realgar beachtete sein ungeduldiges Fauchen nicht weiter, sondern drehte der Fackel an der Wand den Rücken zu. Sein schwarzer, verzerrter Schatten sprang vor ihm über den rauhen Steinboden der Drachenhöhle. Ein heftiger Wutausbruch hatte den Theiwar gepackt. Seine rechte Hand griff nach dem Schwert, das an seiner Hüfte hing, die Finger betasteten die Versilberung und das Muster der in das Heft gebetteten Saphire. Als ob er einen ruhespendenden Talisman berührt hätte, legte sich sein Zorn. Er winkte den beiden Wachen, die hinter ihm im Dunkeln warteten. Gemeinsam zogen sie eine schwere, reglose Last ins Licht.

Totes Fleisch! Nachtschwarz grollte, ein grimmiger, wütender Protestlaut. In der kleinen Nachbarhöhle lag außer Reichweite besseres Futter: der einhändige Zwerg und das Menschenmädchen, die Realgar am Morgen gefangengenommen hatte. Der Drache dachte an das lebende Fleisch, um dann die Leiche einer toten Zwergenwache zu beäugen.

»Soll ich das etwa essen?«

Realgar lachte, ein Geräusch wie knisterndes Eis. »Bist du denn immer noch hungrig? Waren eine Ziege und ein Kalb nicht genug? Ach, Drache, du bist wirklich unersättlich.« Mit flammenden Augen kam er auf Nachtschwarz zu. »Der Waldläufer ist weg! Ich habe den hier in der Zelle gefunden, wo er hätte sein sollen! Hast du Hunger? Schön und gut. Friß erst mal diese Leiche und dann finde den Waldläufer. Danach bekommst du besseres Fleisch. Vorher nicht.«

Nachtschwarz schlängelte seinen Hals nach vorn und weitete die großen Nüstern. Aas war eine Zumutung, aber sein Magen rebellierte vor Hunger. Er senkte seine messerscharfen Zähne in die Schulter des toten Zwergs, biß fest zu und knackte die Knochen.

Realgar nahm keine Notiz davon, sondern entließ die beiden Wachen mit einem kurzen Wort. Dabei drehte er dem Drachen und dem Toten zu seinen Füßen den Rücken zu. Er zog das Königsschwert aus der Scheide.

Öliger Fackelrauch strömte über das juwelenbesetzte Heft.

Das vom Gott berührte Herz der Klinge pochte im flackernden Licht der Flamme schneller. Realgar hob das Schwert mit beiden Händen hoch und senkte es langsam auf Augenhöhe. Der Stahl lief von seinen kurzen, raschen Atemzügen an. Durch den Schleier glühte das tiefrote Herz nach wie vor weiter.

Als Königsschwert trug Sturmklinge keinerlei Rune oder Zeichen.

»Die«, flüsterte er dem Schwert zu, »kommen später, um davon zu künden, was ich vollbracht habe. Prinzregent?« Seine Augen wurden zu Schlitzen. »Nein. Hochkönig.«

Kein Prinzregent, dachte er jetzt, als er die Klinge herunternahm. Kein Statthalter auf dem Thron des Hochkönigs, der bis ans Ende seiner Tage darauf wartet, daß ein sagenumwobener Streithammer gefunden wird. Ich werde Hochkönig!

Nachtschwarz reckte seinen Hals wieder und brachte seinen Kopf so tief, daß er fast den feuchten Stein bei dem Zwerg berührte. Das Auge des Ungeheuers war praktisch auf der gleichen Höhe mit Realgars. »Wozu bewache ich sie, Fürst, wenn nicht für mich selbst?«

Realgar lächelte kalt, während seine Augen von dem Königsschwert zu den Gefangenen wanderten, die immer noch da im Dunkeln lagen, wo seine Wachen sie hingeworfen hatten. Sein Schlafspruch würde bald nicht mehr wirken. Wieder lächelte er, als er daran dachte, wie sie unter den Augen eines hungrigen Drachen erwachen würden. Stanach, der Lehrling des Schwertschmieds, und das Menschenmädchen sollten für Besseres als für den Magen von Nachtschwarz aufbewahrt werden.

Für meine Krönung, dachte er, wo ich ihnen danken werde, daß sie mir das Königsschwert gebracht haben, nur um ihnen danach das Herz herauszuschneiden, weil sie es mir vorenthalten wollten. Zu dem Drachen sagte er nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern.

Nachtschwarz hob den Kopf. Seine langen Zähne geiferten, und sein Atem stank nach seinen letzten Morden. »Fürst?«

Realgar blieb ruhig, obwohl er eine Gänsehaut bekam, als die Drachenzähne so nah an seinem Hals waren. »Du bewachst sie auf meinen Befehl. Das sollte Grund genug sein.«

Der Drache begnügte sich damit, sich auszumalen, mit welcher Zufriedenheit Verminaard das Schwert im Thronsaal von Pax Tarkas über dem Schädel dieses arroganten kleinen Fürsten aufhängen würde.

Realgar witterte den Sieg wie ein Wolf seine Beute. Er war so nah, daß er ihn nur noch packen mußte. Seine Assassine belauerten die anderen Lehnsherren, rangniedere Wölfe, aber ebenso hungrig. Nachtschwarz rollte seinen Schwanz fest an seine Flanken und verzog sein lippenloses Maul zu schweigendem Lachen.

Auch diesen Jägern würde die Beute verwehrt werden, bis Realgar das Kommando zum Schlachten gab. Dieses Kommando würde erst fallen, wenn Hornfell tot war.

Der Drache sah zu, wie Realgar, der die Gefangenen schon wieder vergessen hatte, das Schwert der Flamme entgegenhielt und wie seine Augen dem Licht folgten, das sich in der Klinge spiegelte.

Bald würde der Hylar Realgars finsteren Plänen zum Opfer fallen. Genau, du Feigling, höhnte der Drache, du tötest deinen größten Feind in Finsternis und Schatten. Heimlich stichst du ihm das Schwert in den Rücken. Glaubst du wirklich, daß das denen, die in diesem armseligen Königreich überleben, deinen Mut beweisen kann?

Realgar steckte das Schwert mit langsamen, fast feierlichen Bewegungen wieder in die Scheide. Mit einem seltsamen, wissenden Lächeln auf den Lippen drehte er sich zu dem Drachen um. »Du liest meine Gedanken, nicht wahr, Sevrist?«

Nachtschwarz streckte seine Flügel aus, wie um sich zu putzen.

»Doch, du liest sie, und das ist gut so. Hör weiter zu. Du wirst noch einmal für mich fliegen müssen, bevor wir hier fertig sind, und es ist gut möglich, daß ich dich nicht anders rufen kann.«

Während er seine Flügel eng an seine schlanken schwarzen Flanken legte, umzüngelte der Drache ununterbrochen seine Zähne. »O ja, Fürst. Ich stehe wie immer zu deinen Diensten.«

Realgar sah ihm nach, lauschte der zuversichtlichen Stimme in seinen Gedanken und bekam nicht den leisesten Zweifel an seinen eigenen Plänen oder an den lauteren Absichten des Drachen. Er dachte daran, Hochkönig zu werden, und er dachte an die dunkle Straße, die zu seinem Ziel führte.

Schön und gut, dachte Nachtschwarz, indem er Realgars Wendung benutzte. Mit den Klauen fuhr er kratzend über den Steinboden, saugte an dem halb aufgefressenen Leichnam der Zwergenwache und stellte sich vor, die Knochen zwischen seinen mächtigen Kiefern wären die von Realgar.

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