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Sie waren auf der Autobahn nach Neapel unterwegs. In der letzten halben Stunde hatten sie schweigend nebeneinandergesessen. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach.

Schließlich brach Pier das Schweigen.»Wie lange möchtest du bei meiner Mutter bleiben?«fragte sie.

«Drei bis vier Tage, wenn das möglich ist.«

«Natürlich ist das möglich.«

Robert hatte nicht die Absicht, dort mehr als eine oder zwei Nächte zu verbringen. Aber er behielt seine Absichten für sich.

«Ich freue mich darauf, meine Familie wiederzusehen«, sagte Pier.

«Du hast nur einen Bruder?«

«Ja — Carlo. Er ist jünger als ich.«

«Erzähl mir von deiner Familie, Pier.«

Sie zuckte mit den Schultern.»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Mein Vater hat sein Leben lang im Hafen gearbeitet. Als ich fünfzehn war, ist er von einem Kran erschlagen worden. Meine Mutter ist krank gewesen, und ich habe sie und Carlo unterstützen müssen. Ein Freund in Cinecitta hat mir kleine Filmrollen verschafft. Die Gagen sind minimal gewesen, und ich habe mit dem Regieassistenten schlafen müssen. Dann habe ich gemerkt, daß auf der Straße mehr Geld zu verdienen ist. Jetzt arbeite ich mal hier, mal dort.«

«Pier., weißt du bestimmt, daß deine Mutter nichts dagegen hat, wenn du einen Fremden mit nach Hause bringst?«

«Natürlich hat sie nichts dagegen! Wir verstehen uns sehr gut. Mutter wird sich freuen, mich wiederzusehen. Liebst du sie sehr?«

Robert sah überrascht zu ihr hinüber.»Deine Mutter?«

«Die Frau, von der du im Schlaf gesprochen hast. Du hast in der Trattoria mit ihr telefoniert, nicht wahr?«

«Wie kommst du darauf, daß ich sie liebe?«fragte Robert brüsk.

Sie schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie:»Versprichst du mir, nicht böse auf mich zu sein, wenn ich dir was erzähle?«

«Versprochen!«

Mit leiser Stimme sagte sie:»Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, glaub’ ich.«

«Pier.«

«Ich weiß, daß es dumm ist. Aber das hab’ ich noch zu keinem Mann gesagt. Ich will, daß du das weißt.«

Robert wußte nicht, was er sagen sollte.»Danke… Pier.«

«Du machst dich nicht über mich lustig?«

Er schüttelte den Kopf. Er sah auf die Benzinuhr.

Knapp eine Viertelstunde später bog Robert an einer Raststätte ab.»Wir müssen tanken«, sagte er.

«Und ich kann inzwischen daheim anrufen«, meinte Pier lächelnd,»und Mutter sagen, daß ich einen attraktiven Mann mitbringe.«

Robert hielt an einer Zapfsäule. »Pieno, per favore«, wies er den Tankwart an.

«Si, Signore.«

Pier küßte Robert auf die Wange.»Bin gleich wieder da!«

Robert beobachtete, wie sie Telefonmünzen kaufte. Sie ist wirklich sehr hübsch, überlegte er sich. Und intelligent. Ich muß aufpassen, daß ich sie nicht verletze.

Dann stand Pier am Wandapparat und wählte. Sie drehte sich nach Robert um und nickte ihm lächelnd zu. Als die Vermittlung sich meldete, flüsterte sie hastig:»Geben Sie mir Interpol. Subito!«

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