TYRION

Die Binsen fühlten sich unter seinen nackten Füßen rau an. »Mein Vetter hat eine eigenartige Zeit für einen Besuch gewählt«, sagte Tyrion dem verschlafenen Podrick Payn, der zweifelsohne erwartet hatte, geröstet zu werden, weil er seinen Herrn geweckt hatte. »Führe ihn in mein Solar und teile ihm mit, ich sei in Kürze unten.«

Mitternacht musste längst vorüber sein, schätzte er angesichts der Dunkelheit vor seinem Fenster. Denkt Lancel, er würde mich wegen der späten Stunde müde und schwer von Begriff vorfinden?, fragte er sich. Nein, Lancel denkt überhaupt nicht, das übernimmt Cersei. Seine Schwester würde enttäuscht sein. Selbst im Bett arbeitete er noch, und zwar für gewöhnlich bis weit in die Morgenstunden hinein. Beim flackernden Licht einer Kerze las er, führte sich die Berichte von Varys’ Ohrenbläsern zu Gemüte und studierte Kleinfingers Geschäftsbücher, bis die Zahlen und Buchstaben vor seinen müden Augen tanzten.

Im Becken neben seinem Bett wusch er sich mit lauwarmem Wasser das Gesicht und ließ sich Zeit, während er, wegen der kalten Nachtluft fröstelnd, auf dem Abtritt hockte. Ser Lancel war sechzehn und nicht gerade für seine Geduld bekannt. Mochte er warten und dabei noch nervöser werden. Nachdem Tyrion sich entleert hatte, schlüpfte er in einen Morgenmantel und zerzauste sich das dünne flachsblonde Haar mit den Fingern, bis es aussah, als wäre er gerade aufgestanden.

Lancel schritt vor der Asche im Kamin auf und ab. Er war in ein grelles rotes Samtgewand mit schwarzem Seidenfutter gekleidet, dazu hingen ein juwelenbesetzter Dolch und eine vergoldete Scheide von seinem Schwertgürtel. »Vetter«, begrüßte Tyrion ihn. »Ihr besucht mich zu selten. Welchem Umstand habe ich dies unverdiente Vergnügen zu verdanken? «

»Ihre Gnaden, die Königin Regentin, hat mich geschickt, um Euch zu befehlen, Großmaester Pycelle freizulassen.« Ser Lancel zeigte Tyrion ein scharlachrotes Band, das Cerseis Löwensiegel in goldenem Wachs trug. »Hier ist die Vollmacht. «

»Tatsächlich.« Tyrion tat das Siegel mit einer Handbewegung ab. »Ich hoffe, meine Schwester überschätzt ihre Kräfte nicht, so kurz nach ihrer Erkrankung. Es wäre ein Jammer, wenn sie einen Rückfall erlitte.«

»Ihre Gnaden haben sich erholt«, erwiderte Ser Lancel knapp.

»Das klingt wie Musik in meinen Ohren.« Wenngleich mir diese Melodie nicht sonderlich gut gefällt. Ich hätte ihr eine größere Dosis geben sollen. Tyrion hatte gehofft, einige Tage länger von Cerseis Störungen verschont zu bleiben, dennoch war er über ihre Genesung nicht allzu sehr überrascht. Schließlich war sie Jaimes Zwillingsschwester. Er setzte ein freundliches Lächeln auf. »Pod, zünde das Feuer an, mir ist es hier ein wenig zu kalt. Trinkt Ihr einen Becher mit mir, Lancel? Ich finde, nach ein wenig gewürztem Wein schläft man besser ein.«

»Ich kann auch ohne Wein gut schlafen«, gab Lancel zurück. »Außerdem bin ich auf Geheiß Ihrer Gnaden gekommen und nicht, um mit Euch zu trinken, Gnom.«

Die Ritterschaft hatte den Jungen kühner werden lassen, ging es Tyrion durch den Kopf – und ebenso die traurige Rolle, die er bei dem Mord an Robert gespielt hatte. »Wein birgt so seine Gefahren.« Er lächelte, während er einschenkte. »Was Großmaester Pycelle angeht … wenn meine Schwester sich solche Sorgen um ihn macht, hätte ich gedacht, sie würde persönlich kommen. Stattdessen schickt sie Euch. Was soll ich davon halten?«

»Haltet davon, was Ihr wollt, solange Ihr den Gefangenen freilasst. Der Großmaester ist ein treuer Freund der Königin Regentin und steht unter ihrem persönlichen Schutz.« Ein Hohnlächeln huschte über die Lippen des Jungen; das Ganze machte ihm Spaß. Er lernt seine Lektionen von Cersei. »Ihre Gnaden werden dieser Gräueltat niemals zustimmen. Sie möchte Euch daran erinnern, dass sie Joffreys Regentin ist.«

»Und ich bin Joffreys Hand.«

»Die Hand dient«, teilte ihm der junge Ritter herablassend mit. »Die Regentin herrscht, bis der König das rechte Alter erreicht hat.«

»Vielleicht könntet Ihr mir das aufschreiben, damit ich es nicht vergesse.« Das Feuer im Kamin knisterte fröhlich. »Du darfst gehen, Pod«, sagte Tyrion zu seinem Knappen. Erst nachdem der Junge den Raum verlassen hatte, wandte er sich wieder an Lancel. »Noch etwas?«

»Ja. Ihre Gnaden bitten mich, Euch mitzuteilen, dass Ser Jaslyn Amwasser sich einem Befehl widersetzt hat, der im Namen des Königs erteilt wurde.«

Demnach hat Cersei Amwasser bereits befohlen, Pycelle freizulassen, und wurde abgewiesen. »Ich verstehe.«

»Sie besteht darauf, dass der Mann aus seinem Amt entfernt und wegen Verrats unter Arrest gestellt wird. Ich warne Euch …«

Tyrion setzte den Weinbecher ab. »Von Euch höre ich mir keine Warnungen an, Junge.«

»Ser«, beharrte Lancel steif. Er griff an sein Schwert. Vielleicht wollte er Tyrion daran erinnern, dass er eines trug. »Achtet darauf, wie Ihr mit mir sprecht, Gnom.« Zweifellos wollte er bedrohlich klingen, doch dieser absurde Flaum von einem Schnurrbart verdarb die ganze Wirkung.

»Oh, lasst die Finger von Eurem Schwert. Ich brauche nur zu schreien, und im nächsten Moment ist Shagga hier und bringt Euch um. Mit einer Axt, nicht mit einem Weinschlauch. «

Lancel errötete; war er wirklich so dumm zu glauben, seine Rolle bei Roberts Tod wäre unbemerkt geblieben? »Ich bin ein Ritter …«

»Das ist mir schon aufgefallen. Sagt mir – hat Cersei Euch zum Ritter geschlagen, bevor oder nachdem Ihr das Bett mit ihr geteilt habt?«

Das Flackern in Lancels grünen Augen genügte als Eingeständnis. Also hatte Varys ihm die Wahrheit gesagt. Nun, niemand kann behaupten, meine Schwester würde ihre Familie nicht lieben. »Was denn, keine Antwort? Keine weiteren Warnungen, Ser?«

»Ihr nehmt diese schmutzigen Anschuldigungen zurück, oder …«

»Bitte. Habt Ihr Euch schon einmal Gedanken darüber gemacht, was Joffrey tun wird, wenn ich ihm berichte, dass Ihr seinen Vater ermordet habt, um mit seiner Mutter zu schlafen? «

»So war es überhaupt nicht!«, protestierte Lancel entsetzt.

»Nein? Wie war es denn, bitte schön?«

»Die Königin hat mir den Starkwein gegeben! Euer eigener Vater Lord Tywin hat mir aufgetragen, alles zu tun, was sie mir befiehlt, als ich zum Knappen des Königs ernannt wurde.«

»Hat er Euch auch aufgetragen, sie zu vögeln?« Sieh ihn dir nur an. Nicht ganz so groß, kein so hübsches Gesicht, und sein Haar ist eher sandfarben und glänzt nicht wie gesponnenes Gold, dennoch … sogar ein schlechter Ersatz für Jaime ist besser als ein leeres Bett, nehme ich an. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. «

»Ich wollte nie … ich habe nur getan, was man mir sagte, ich …«

»… Ihr habt jede einzelne Minute verabscheut, wollt Ihr mir das einreden? Ein hoher Rang am Hof, Ritterschaft, und des Nachts macht meine Schwester die Beine für Euch breit. Oh ja, das muss schrecklich für Euch gewesen sein.« Tyrion erhob sich. »Wartet hier. Seine Gnaden werden das hören wollen.«

Lancels Trotz löste sich plötzlich in Luft auf. Der junge Ritter fiel wie ein verängstigter Knabe auf die Knie. »Gnade, Mylord, ich flehe Euch an.«

»Spart Euch das für Joffrey auf. Ihm gefällt es, angebettelt zu werden.«

»Mylord, es geschah nur auf Wunsch Eurer Schwester, der Königin, wie Ihr selbst gesagt habt, aber Seine Gnaden … er würde es nicht verstehen …«

»Soll ich dem König etwa die Wahrheit verschweigen?«

»Um meines Vaters willen! Ich verlasse die Stadt, und dann ist es, als wäre nichts passiert! Ich schwöre, ich werde die Sache beenden …«

Es fiel Tyrion schwer, sich das Lachen zu verkneifen. »Ich glaube nicht.«

Jetzt sah der Junge verwirrt aus. »Mylord?«

»Ihr habt mich gehört. Mein Vater hat Euch aufgetragen, meiner Schwester zu gehorchen? Sehr gut, gehorcht ihr. Bleibt an ihrer Seite, sorgt dafür, dass sie Euch weiterhin vertraut, und stellt sie so oft zufrieden, wie sie es begehrt. Niemand muss irgendetwas erfahren … solange Ihr mir die Treue haltet. Ich will wissen, was Cersei tut. Wohin sie geht, wen sie besucht, worüber sie spricht, was für Pläne sie ausheckt. Alles. Und Ihr werdet derjenige sein, der es mir erzählt, nicht wahr?«

»Ja, Mylord.« Lancel zögerte nicht eine Sekunde. Das gefiel Tyrion. »Das werde ich. Ich schwöre es. Wie Ihr befehlt.«

»Steht auf.« Tyrion füllte den zweiten Becher und drückte ihn dem Jungen in die Hand. »Trinken wir auf unser Abkommen. Ich verspreche, dass es in der Burg keine Keiler gibt.« Lancel hob den Becher und trank, wenn auch steif. »Lächelt, Vetter. Meine Schwester ist eine wunderschöne Frau, und Ihr tut alles nur zum Besten des Reiches. Ihr könntet bei dieser Angelegenheit viel gewinnen. Eine Ritterschaft ist gar nichts. Wenn Ihr Euch klug anstellt, werde ich Euch den Titel eines Lords verleihen.« Tyrion schwenkte den Wein in seinem Becher. »Auf jeden Fall muss Cersei Euch vertrauen. Geht zurück und sagt ihr, ich bitte sie um Verzeihung. Ihr hättet mich eingeschüchtert, ich wolle keinen Streit zwischen uns, und von nun an würde ich nichts mehr ohne ihre Zustimmung veranlassen.«

»Aber … ihre Forderungen …«

»Ach, Pycelle schenke ich ihr.«

»Wirklich?« Lancel war erstaunt.

Tyrion lächelte. »Ich lasse ihn morgen frei. Gern würde ich schwören, dass ihm kein einziges Haar gekrümmt wurde, doch entspricht das nicht ganz der Wahrheit. Immerhin geht es ihm nicht allzu schlecht, auch wenn ich mich für seine Robustheit nicht verbürgen mag. Die schwarzen Zellen sind kein gesunder Aufenthaltsort für einen Mann seines Alters. Mag Cersei ihn als Schoßhündchen behalten oder zur Mauer schicken, mir ist es einerlei, nur möchte ich ihn nicht mehr im Rat sehen.«

»Und Ser Jaslyn?«

»Erzähl meiner Schwester, Ihr glaubt, dass Ihr ihn auf Eure Seite ziehen könnt, wenn sie Euch nur ein wenig Zeit lässt. Das sollte sie für eine Weile zufrieden stellen.«

»Wie Ihr befehlt.« Lancel trank seinen Wein aus.

»Eines noch. Da König Robert tot ist, wäre es höchst peinlich, wenn seine trauernde Witwe plötzlich mit einem Kinde schwanger ginge.«

»Mylord, ich … wir … die Königin hat mir befohlen, nicht zu …« Seine Ohren nahmen das Scharlachrot der Lennisters an. »Ich ergieße meinen Samen auf ihren Bauch, Mylord.«

»Ein hübscher Bauch, daran will ich nicht zweifeln. Befeuchtet ihn, so oft Ihr wünscht … bloß achtet darauf, dass Euer Tau nirgendwo anders landet. Ich möchte keine weiteren Neffen, ist das klar?«

Ser Lancel verneigte sich steif und verließ den Raum.

Tyrion gestattete es sich, einen Augenblick lang Mitleid für den Jungen zu empfinden. Noch so ein Narr, und ein Schwächling dazu, aber was Cersei und ich ihm antun, hat er nicht verdient. Glücklicherweise hatte sein Onkel Kevan noch zwei weitere Söhne, denn dieser würde das Jahr vermutlich nicht überleben. Cersei würde ihn sofort töten lassen, wenn sie von dem Verrat erfuhr. Und falls die Götter Gnade gewährten und Cersei es aus welchem Grund auch immer nicht tat, hätte Lancels letztes Stündchen an dem Tag geschlagen, an dem Jaime Lennister nach Königsmund zurückkehrte. Die Frage war nur, ob Jaime ihn aus Eifersucht ermordete oder Cersei ihn umbrachte, damit Jaime erst gar nicht davon erfuhr. Tyrion würde sein Silber eher auf Cersei setzen.

Ruhelosigkeit hatte ihn gepackt, und er wusste, heute Nacht würde er keinen Schlaf mehr finden. Auf jeden Fall nicht hier. Podrick Payn schlief auf einem Stuhl vor dem Solar, und Tyrion rüttelte ihn an der Schulter. »Ruf Bronn, und dann lauf hinunter zu den Stallungen und lass zwei Pferde satteln.«

Der Knappe riss die verschlafenen Augen auf. »Pferde?«

»Diese großen braunen Tiere, die so gern Äpfel fressen. Bestimmt hast du schon einmal eins gesehen. Vier Beine und ein Schweif. Aber zuerst holst du Bronn.«

Der Söldner erschien kurze Zeit später. »Wer hat Euch denn in die Suppe gepisst?«, fragte er.

»Cersei, wie immer. Man sollte meinen, ich hätte mich inzwischen an diesen Geschmack gewöhnt, aber was soll’s. Meine liebe Schwester scheint mich mit Ned Stark zu verwechseln. «

»Ich habe gehört, der soll etwas größer gewesen sein.«

»Aber nicht mehr, nachdem Joff ihm den Kopf hat abschlagen lassen. Du solltest dich wärmer anziehen, die Nacht ist kalt.«

»Gehen wir aus?«

»Sind alle Söldner so schnell von Begriff wie du?«

Die Straßen der Stadt waren gefährlich, doch mit Bronn an seiner Seite fühlte sich Tyrion sicher. Die Wachen ließen ihn durch ein Seitentor in der Nordmauer hinaus, und sie ritten die Schattengasse hinunter zum Fuß von Aegons Hohem Hügel und dann weiter durch die Schweinestraße vorbei an geschlossenen Fensterläden und Fachwerkhäusern, deren Giebel sich so weit vorneigten, dass sie sich beinah berührten. Der Mond schien ihnen zu folgen und spielte hinter den Schornsteinen mit ihnen Verstecken. Außer einem alten Weib, das eine tote Katze am Schwanz trug, begegneten sie niemandem. Die Alte warf ihnen einen ängstlichen Blick zu, als fürchte sie, die beiden würden ihr Abendessen stehlen, und verschwand ohne ein Wort in einem düsteren Winkel.

Tyrion dachte über die Männer nach, die vor ihm die Hand gewesen waren und die unter Beweis gestellt hatten, dass sie es mit den Listen und Schlichen seiner Schwester nicht aufnehmen konnten. Wie denn auch? Solche Männer … zu ehrlich zum Leben, zu edel zum Scheißen. Cersei verschlingt solche Narren zum Frühstück. Meine Schwester kann man nur schlagen, indem man ihr Spielchen mitspielt, und darauf hätten sich die Herren Lords Stark und Arryn niemals eingelassen. Wen wunderte es da, dass beide tot waren, während sich Tyrion Lennister noch nie zuvor so lebendig gefühlt hatte. Mochten ihn seine verkrüppelten Beine auch zu einem grotesken Narren machen, den beim Erntetanz alle angafften, diesen Tanz beherrschte er.

Trotz der späten Stunde ging es im Bordell noch lebhaft zu. Chataya begrüßte ihn freundlich und geleitete die beiden in den Schankraum. Bronn ging mit einem dunkelhaarigen Mädchen aus Dorne nach oben, doch Alayaya hatte zu tun. »Sie wird sich freuen, dass Ihr hier seid«, sagte Chataya. »Ich lasse das Turmzimmer für Euch vorbereiten. Würde Mylord einen Becher Wein trinken, während er wartet?«

»Er würde«, antwortete er.

Der Wein war im Vergleich zu den edlen Tropfen vom Arbor, die ihm sonst eingeschenkt wurden, ein armseliges Gesöff. »Ihr müsst verzeihen, Mylord«, entschuldigte sich Chataya. »In letzter Zeit bekommt man keinen guten Wein mehr, gleich zu welchem Preis.«

»So ergeht es Euch gewiss nicht allein, fürchte ich.«

Chataya leistete ihm kurz Gesellschaft, ehe sie sich entschuldigte und davonschwebte. Eine wunderbare Frau, dachte Tyrion und sah ihr nach. Selten hatte er bei einer Hure derartige Eleganz und Würde erlebt. Sie selbst betrachtete sich eher als eine Art Priesterin. Vielleicht liegt darin das Geheimnis. Es geht nicht so sehr darum, was wir tun, sondern darum, warum wir es tun. Der Gedanke tröstete ihn.

Einige der anderen Gäste warfen ihm verstohlene Seitenblicke zu. Als er sich das letzte Mal aus der Burg gewagt hatte, hatte ihn ein Mann angespuckt … nun, er hatte es versucht. Stattdessen hatte er Bronn getroffen, und in Zukunft würde er ohne Zähne spucken müssen.

»Fühlen Mylord sich ungeliebt?« Reigen setzte sich auf seinen Schoß und knabberte an seinem Ohr. »Ich wüsste ein Mittel dagegen.«

Lächelnd schüttelte Tyrion den Kopf. »Du bist zu schön für Worte, Süße, aber ich habe mich an Alayayas Kuren gewöhnt. «

»Meine habt Ihr noch nicht probiert. Mylord wählen immer nur Yaya. Sie ist gut, aber ich bin besser, wollt Ihr es nicht ausprobieren?«

»Beim nächsten Mal vielleicht.« Zweifellos hatte Reigen etwas zu bieten. Sie war ein munteres Mädchen mit Sommersprossen und einer Stupsnase, und ihr dichtes rotes Haar hing ihr bis zur Hüfte herab. Doch Shae wartete auf ihn.

Kichernd schob sie die Hand zwischen seine Schenkel und liebkoste ihn durch die Hose. »Ich glaube, er will gar nicht bis zum nächsten Mal warten«, verkündete sie, »er will herauskommen und meine Sommersprossen zählen.«

»Reigen.« Alayaya stand in durchscheinende grüne Seide gehüllt, düster und kühl in der Tür. »Seine Lordschaft möchte zu mir.«

Tyrion löste sich sanft von dem anderen Mädchen und stand auf. Reigen schien es nichts auszumachen. »Nächstes Mal«, erinnerte sie ihn. Sie steckte einen Finger in den Mund und saugte daran.

Während ihn das schwarzhäutige Mädchen die Treppe hinaufführte, erklärte es: »Die arme Reigen. Sie hat noch vierzehn Tage Zeit, um Mylord zu verführen. Sonst verliert sie ihre schwarzen Perlen an Marei.«

Marei war ein kühles, blasses und zartes Mädchen. Tyrion war sie ein oder zwei Mal aufgefallen. Grüne Augen, Haut wie Porzellan, langes glattes, silbriges Haar, sehr hübsch, doch einfach zu ernst. »Es würde mir nicht gefallen, wenn das arme Mädchen meinetwegen seine Perlen verliert.«

»Dann nehmt sie nächstes Mal mit nach oben.«

»Vielleicht tue ich das.«

Sie lächelte. »Ich glaube nicht, Mylord.«

Sie hat Recht, dachte Tyrion, ich werde sie nicht mitnehmen. Shae ist zwar auch nur eine Hure, trotzdem bin ich ihr auf meine Weise treu.

Im Turmzimmer öffnete er die Tür zum Schrank und sah Alayaya neugierig an. »Was machst du eigentlich, während ich unterwegs bin?«

Sie räkelte sich wie eine schlanke schwarze Katze. »Schlafen. Ich bin viel ausgeruhter, seit Ihr begonnen habt, uns zu besuchen, Mylord. Und Marei lehrt uns Lesen, vielleicht werde ich mir bald die Zeit mit einem Buch vertreiben können. «

»Schlafen ist gut«, sagte er, »und Bücher sind noch besser.« Er drückte ihr einen raschen Kuss auf die Wange. Dann stieg er den Schacht hinunter und ging durch den Tunnel.

Als er den Stall auf seinem gescheckten Wallach verließ, hörte er Musik über den Dächern. Dass Menschen inmitten von Gemetzel und Hungersnot noch immer sangen, war schön. Er erinnerte sich an eine Melodie, und einen Augenblick konnte er fast Tysha hören, die sie ihm vor einem halben Leben vorgesungen hatte. Er zügelte das Pferd und lauschte. Die Melodie war falsch, die Worte konnte er nicht verstehen. Vielleicht war es ein anderes Lied. Warum nicht? Seine süße, unschuldige Tysha war von Anfang bis Ende eine Lüge gewesen, nur eine Hure, die sein Bruder Jaime bezahlt hatte, um ihn zum Mann zu machen.

Von Tysha habe ich mich inzwischen befreit. Sie hat mich mein halbes Leben verfolgt, doch jetzt brauche ich sie nicht mehr, nicht mehr als Alayaya oder Reigen oder Marei oder die Hunderte anderen, mit denen ich im Laufe der Jahre ins Bett gestiegen bin. Heute habe ich Shae. Shae.

Das Tor des Anwesens war verrammelt und verriegelt. Tyrion klopfte, bis die verzierte Bronzetürluke geöffnet wurde. »Ich bin es.« Der Mann, der ihm aufmachte, gehörte zu Varys’ besseren Funden, ein Braavosi mit Hasenscharte, schief stehenden Augen und einer ganzen Reihe von Dolchen. Tyrion wollte keine hübschen jungen Wachen für Shae. »Sucht mir hässliche, alte, vernarbte Kerle, die möglichst auch noch impotent sind«, hatte er dem Eunuchen aufgetragen. »Oder solche, die Jungen bevorzugen, meinetwegen auch Schafe.« Mit Schafliebhabern hatte Varys nicht aufwarten können, doch er hatte einen kastrierten Würger und zwei übel riechende Männer aus Ibben aufgetrieben, die ihre Äxte ebenso sehr liebten wie einander. Die anderen waren Söldner von solcher Anmut, wie sie nur ein Kerker entstehen lassen konnte, einer hässlicher als der andere. Varys hatte sie vor ihm aufmarschieren lassen und hatte schon gefürchtet, er sei zu weit gegangen, doch Shae beschwerte sich nie. Warum sollte sie auch? Sie hat sich auch über mich niemals beschwert, und ich bin abstoßender als alle ihre Wachen zusammen. Vielleicht bemerkt sie Hässlichkeit überhaupt nicht.

Trotzdem hätte Tyrion lieber einige seiner Clansmänner aus den Bergen eingesetzt; Chellas Schwarzohren vielleicht oder die Mondbrüder. Er vertraute ihrer eisernen Treue und ihrem Ehrgefühl mehr als der Gier der Söldner. Doch das Risiko war zu groß. Ganz Königsmund wusste, dass die Wildlinge zu ihm gehörten. Würde er die Schwarzohren hierherschicken, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die Stadt von der Konkubine der Hand des Königs erfuhr.

Einer der Männer aus Ibben nahm ihm das Pferd ab. »Hast du sie geweckt?«, fragte Tyrion.

»Nein, Mylord.«

»Gut.«

Das Feuer im Schlafzimmer war heruntergebrannt, doch im Raum war es noch warm. Shae hatte im Schlaf die Decke und Laken zur Seite geworfen. Nackt lag sie auf der Matratze, und die sanften Konturen ihres jungen Körpers zeichneten sich im schwachen Lichtschein ab. Jünger als Marei, süßer als Reigen, schöner als Alayaya. Sie ist alles, was ich brauche. Alles und mehr. Wie konnte eine Hure so rein und anmutig und unschuldig aussehen, fragte er sich.

Er hatte sie nicht stören wollen, doch allein ihr Anblick genügte, um seine Männlichkeit anschwellen zu lassen. So ließ er seine Kleidung auf den Boden fallen, kroch zu ihr ins Bett, drückte sanft ihre Beine auseinander und küsste sie zwischen die Schenkel. Sie murmelte etwas im Schlaf. Er küsste sie erneut, dann leckte er an ihrer geheimen Süße, weiter und weiter, bis sowohl sein Bart als auch ihre Scham feucht waren. Sie stöhnte leise und erschauerte. Er kletterte auf sie, drang in sie ein und kam fast sofort.

Sie hatte die Augen aufgeschlagen, lächelte, streichelte seinen Kopf und flüsterte: »Ich hatte gerade einen wunderschönen Traum, Mylord.«

Tyrion knabberte an ihrer kleinen, harten Brustwarze und legte den Kopf an ihre Schulter. Er zog sich nicht aus ihr zurück; oh, müsste er sich doch niemals aus ihr zurückziehen. »Das ist kein Traum«, versprach er ihr. Es ist wirklich, alles, dachte er, die Kriege, die Intrigen, das ganze große blutige Spiel, und ich mitten darin … ich, der Zwerg, das Ungeheuer, der, den sie verhöhnen und auslachen, doch jetzt halte ich die Macht in Händen, die Stadt, dieses Mädchen. Dafür wurde ich geboren, und mögen die Götter mir vergeben, aber ich liebe es über alles …

Und sie. Und sie.

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