11. November

ARNSIDE — CUMBRIA

Sie hatten wirklich nichts tun können. Sie hatten es alle gewusst. Und alle hatten sich das Gegenteil vorgemacht. Die Küstenwache war im Nebel hinausgefahren, von Walney Island in Richtung Lancaster Sound. Aber von dort aus war es eine weite Strecke bis in die Morecambe-Bucht und noch weiter bis zum Kent Channel. Alatea hätte irgendwo sein können, auch das hatten sie alle gewusst. Wenn es nur die Flutwelle gewesen wäre, hätte Alatea vielleicht eine geringe Chance gehabt. Aber zusammen mit dem dichten Nebel war die Situation von Anfang an aussichtslos gewesen. Sie fanden Alatea nicht.

Nachdem die Flut hoch genug gestiegen war, hatte auch der RNLI ein Boot hinausgeschickt. Aber schon sehr bald war klar geworden, dass sie nach einer Toten suchten, und da es Unsinn war, für eine Tote Menschenleben zu riskieren, waren die Männer wieder umgekehrt. Nur der Wattführer könne ihnen jetzt noch helfen, hatten sie Lynley bei ihrer Rückkehr erklärt, denn dessen Aufgabe in einer solchen Situation bestand darin einzuschätzen, an welcher Stelle die Leiche wahrscheinlich angespült würde. Er würde ihnen helfen, die Leiche so schnell wie möglich zu finden, denn wenn das nicht geschah, sobald der Nebel sich auflöste, würde sie wahrscheinlich nie gefunden. Das Meer würde sie fortspülen, und der Sand würde sie unter sich begraben. Manches verschlinge die Bucht für immer, und manches gebe sie erst nach hundert Jahren wieder preis. So sei die Bucht nun einmal, erklärte der Wattführer. Wild in ihrer Schönheit und unerbittlich in ihrer Vergeltung.

Lynley und Deborah waren schließlich ins Haus gegangen, nachdem sie Stunde um Stunde das Feuer am Lodern gehalten hatten, selbst dann noch, als die Flut längst in die Bucht zurückgekehrt war und alle wussten, dass keine Hoffnung mehr bestand. Aber Nicholas hatte sich nicht von dem Feuer losreißen können, und so hatten sie mit ihm da draußen ausgeharrt. Erst als es dunkel wurde und die Erschöpfung und die Erkenntnis, dass es zwecklos war weiterzumachen, ihm alle Kraft raubten, hatte er endlich aufgegeben. Lynley und Deborah waren ihm unter den mitleidvollen Blicken der Dorfbewohner ins Haus gefolgt.

Dort hatte Lynley Bernard Fairclough angerufen und ihm mitgeteilt, die Frau seines Sohnes werde vermisst und sei wahrscheinlich in der Bucht ertrunken. Anscheinend sei sie zu einem Spaziergang aufgebrochen und von der Flutwelle überrascht worden.

«Wir kommen sofort«, hatte Bernard Fairclough gesagt.»Sagen Sie Nicholas, wir sind unterwegs.«

«Sie kommen, weil sie Angst haben, ich könnte jetzt wieder anfangen, Drogen zu nehmen«, sagte Nicholas benommen, als Lynley ihm die Worte seines Vaters ausrichtete.»Na ja, bei meiner Vergangenheit kann man es ihnen wohl nicht verdenken. «Dann erklärte er, er wolle weder seine Eltern noch sonst irgendjemanden sehen.

Also hatte Lynley gewartet, bis Nicholas’ Eltern eintrafen. Er teilte ihnen die Entscheidung ihres Sohnes mit, hatte sich jedoch entschlossen, Alateas Geheimnis nicht zu verraten. Er würde es mit ins Grab nehmen, und er wusste, dass Deborah es genauso halten würde.

Da es für die Fahrt nach London mittlerweile zu spät war, fuhren Lynley und Deborah zum Crow & Eagle, buchten zwei Zimmer, aßen mehr oder weniger schweigend zu Abend und gingen ins Bett. Am nächsten Morgen überprüfte Lynley sein Handy. Er hatte sieben neue Nachrichten, aber er las keine davon, sondern rief Barbara Havers an.

Er schilderte ihr kurz, was vorgefallen war. Bis auf ein gelegentliches» Ach, verdammt «und» Ach Gott, Sir «hörte sie kommentarlos zu. Er sagte, sie müssten Alateas Angehörige in Argentinien über den Tod der jungen Frau informieren. Ob Barbara die Studentin aus Barcelona noch einmal um ihre Unterstützung bitten könne. Selbstverständlich, antwortete Barbara. Es tue ihr schrecklich leid, wie die Sache ausgegangen war.

«Wie geht es Ihnen, Sir?«, erkundigte sie sich.»Sie klingen gar nicht gut. Kann ich sonst noch irgendwas für Sie tun?«

«Richten Sie Superintendent Ardery aus, dass ich in Cumbria aufgehalten wurde«, sagte er.»In ein, zwei Stunden werde ich mich auf den Weg nach London machen.«

«Soll ich ihr sonst noch was sagen?«, fragte Barbara.»Soll ich ihr mitteilen, was passiert ist?«

Lynley überlegte kurz, dann sagte er:»Nein, lassen wir die Dinge lieber auf sich beruhen.«

«In Ordnung, Sir«, antwortete sie und legte auf.

Auf Barbara konnte er sich verlassen, dachte Lynley. Und dann fiel ihm auf, dass ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, Isabelle anzurufen. Weder am Abend zuvor noch am Morgen, als er nach einer unruhigen Nacht aufgewacht war, hatte er an sie gedacht.

Deborah wartete bereits auf ihn, als er nach unten kam. Sie sah sehr mitgenommen aus. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie ihn sah, und sie räusperte sich, um nicht zu weinen.

Sie saß auf einer hölzernen Bank gegenüber dem Empfangstresen. Lynley setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern. Sie ließ sich gegen ihn sinken und nahm seine andere Hand, und er spürte, wie sie sich beide entspannten.

«Hör auf zu denken, was du denkst«, sagte er.

«Wie soll ich das?«

«Ich weiß es nicht. Aber du darfst das nicht denken.«

«Tommy, sie wäre niemals in die Bucht rausgegangen, wenn ich mich nicht so penetrant in ihr Leben eingemischt hätte. Dabei hatte diese Sache mit der Leihmutter überhaupt nichts mit Ian Cresswells Tod zu tun, genau wie du und Simon es mir gesagt habt. Ich bin schuld.«

«Deb, Liebes, schuld daran sind die, die geschwiegen haben, die Geheimnisse für sich behalten und gelogen haben. Nicht du.«

«Du versuchst nur, nett zu mir zu sein.«

«Nein, ich sage die Wahrheit. Alatea ist in die Bucht gegangen, weil sie es nicht ertragen konnte, ihrem Mann reinen Wein einzuschenken. Aus demselben Grund hat sie heimlich Kontakt zu Lucy Keverne aufgenommen. Du kannst nicht die Verantwortung für ihr Versteckspiel und für ihren Tod auf dich nehmen.«

Deborah schwieg eine Weile. Schließlich murmelte sie:»Aber es gibt Dinge, die man für sich behalten muss, nicht wahr?«

Er dachte über alles nach, was zwischen ihnen unausgesprochen geblieben war und es immer bleiben würde. Dann sagte er:»Wer wüsste das besser als wir beide?«Als er seinen Arm von ihren Schultern nahm, schaute sie ihn an. Er lächelte liebevoll.»London?«, fragte er.

«London«, sagte sie.

ARNSIDE — CUMBRIA

Obwohl Nicholas deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass er allein sein wollte, hatte Valerie darauf bestanden, mit Bernard in Arnside House zu übernachten. Sie hatte Manette angerufen, um ihr die traurige Nachricht zu überbringen, und sie gebeten, sich von Arnside fernzuhalten. Mignon hatte sie ebenfalls informiert, obwohl sie wenig Sorge hatte, dass sie vor der Haustür ihres Bruders auftauchen könnte, denn seit dem großen Familienkrach hatte sie sich in ihrem Turm verkrochen. Mignon war Valerie im Moment auch relativ egal. Sie machte sich Sorgen, wie ihr Sohn auf diese Tragödie reagieren könnte.

Was er ihnen durch den Detective von Scotland Yard hatte ausrichten lassen, war knapp, aber klipp und klar gewesen. Er wünschte niemanden zu sehen. Mehr nicht.

«Aber sie hat doch Verwandte in Argentinien«, hatte Valerie zu Lynley gesagt.»Die müssen wir informieren. Die Formalitäten …«

Lynley hatte ihr versichert, Scotland Yard werde sich darum kümmern und alles Nötige veranlassen. Eine Kollegin habe bereits Kontakt mit Alateas Verwandten aufgenommen. Und was die Formalitäten angehe, solle man vielleicht abwarten, ob die Leiche gefunden werde.

An die Möglichkeit hatte sie noch gar nicht gedacht, dass es womöglich keine Leiche geben werde. Am liebsten hätte sie geantwortet, es müsse eine Leiche geben, schließlich sei jemand gestorben. Wie solle man um jemanden trauern, den man nicht begraben konnte?

Nachdem Lynley mit der Frau, die er ihr als Deborah St. James vorgestellt hatte, abgefahren war, war Valerie nach oben gegangen und hatte an Nicholas’ Tür geklopft.»Wir sind hier«, hatte sie zu der verschlossenen Tür gesagt.»Dein Vater und ich. Du findest uns unten.«

Die ganze Nacht lang hatten sie im Wohnzimmer gesessen. Im Kamin brannte ein Feuer. Gegen drei Uhr meinte Valerie, im ersten Stock ein Geräusch gehört zu haben, aber es war nur der Wind gewesen. Der Wind vertrieb den Nebel und brachte Regen mit, der gegen die Fensterscheiben prasselte. Valerie kam eine Stelle aus ihrem Gebetbuch in den Sinn über die Niedergeschlagenheit während der Nacht, die am Morgen von der Freude abgelöst wird. Doch in diesem schrecklichen Fall trafen die Worte nicht zu. Die meiste Zeit schwiegen sie. Mehrmals versuchte Bernard, ein Gespräch anzufangen, aber sie schüttelte nur den Kopf und hob abwehrend eine Hand.»Herrgott noch mal, Valerie, du kannst dich doch nicht ewig weigern, mit mir zu reden«, sagte Bernard, und da begriff sie, dass er trotz allem, was in den letzten zwölf Stunden vorgefallen war, über sie beide reden wollte. Was war bloß mit dem Mann los? fragte sie sich erschöpft. Andererseits — hatte sie die Antwort auf die Frage nicht schon immer gewusst?

Kurz nach dem Morgengrauen kam Nicholas ins Wohnzimmer. Er bewegte sich so leise, dass sie ihn erst wahrnahm, als er vor ihr stand.

Sie wollte schon aufspringen, doch Nicholas wehrte ab:»Nicht.«

«Nicholas«, sagte sie, aber er schüttelte den Kopf. Er hatte ein Auge geschlossen, als würde das Licht im Raum ihn schmerzen, und er legte den Kopf schief, als könnte er sie so besser sehen.

Er sagte:»Nur eins: Ich habe nicht die Absicht.«

«Was?«, sagte Bernard.»Nick, ich verstehe nicht …«

«Ich habe nicht die Absicht, wieder Drogen zu nehmen«, sagte Nicholas.

«Deswegen sind wir nicht hier«, sagte Valerie.

«Sondern?«Seine Lippen waren so trocken, dass sie ganz spröde waren. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sein blondes Haar klebte ihm am Kopf. Seine Brille war verschmiert.

«Wir sind geblieben, weil wir deine Eltern sind«, sagte Bernard.»Herrgott noch mal, Nick …«

«Es ist meine Schuld«, sagte Valerie.»Wenn ich Scotland Yard nicht gebeten hätte hierherzukommen, wenn diese Leute sich nicht in euer Leben eingemischt hätten, wenn sie Alatea nicht …«

«Wenn hier einer Schuld hat, dann bin ich das«, fiel Bernard ihr ins Wort.»Du darfst deiner Mutter keinen Vorwurf machen. Wenn ich ihr keinen Grund gegeben hätte, um eine Ermittlung zu bitten …«

«Hört auf. «Nicholas hob eine Hand und ließ sie erschöpft wieder sinken.»Ja, ihr seid schuld. Und zwar alle beide. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.«

Er drehte sich auf dem Absatz um und ließ sie allein. Sie hörten ihn den Flur entlangschlurfen und kurz darauf die Treppe hochsteigen.

Sie fuhren nach Hause. Als hätte sie gewusst, dass sie über die hintere Einfahrt kommen würden — wahrscheinlich war sie auf dem Dach ihres Turms gewesen, von wo aus sie, wie Valerie inzwischen wusste, seit Jahren alles und jeden beobachtete —, stand Mignon vor dem Haus und erwartete sie bereits. Klugerweise war sie ohne ihren Rollator gekommen, dieses Spiel war endgültig vorbei. Zum Schutz gegen die Kälte hatte sie sich in einen dicken Wollmantel gewickelt. Es war ein herrlicher Morgen, wie manchmal nach einem heftigen Regen, die Sonne schien wie ein Sinnbild der Hoffnung und tauchte die Wiesen und die Damhirsche, die in der Ferne grasten, in goldenes Herbstlicht.

Mignon kam auf sie zu, als Valerie ausstieg.»Was ist passiert, Mum?«, fragte sie.»Warum seid ihr gestern Abend nicht nach Hause gekommen? Ich war ganz krank vor Sorge. Ich hab die halbe Nacht kein Auge zugetan. Um ein Haar hätte ich die Polizei gerufen.«

«Alatea …«, sagte Valerie.

«Natürlich, Alatea«, sagte Mignon.»Aber warum um Himmels willen seid ihr nicht nach Hause gekommen?«

Valerie sah ihre Tochter verständnislos an. Aber war Mignon ihr nicht schon immer fremd gewesen?

«Ich bin viel zu müde, um jetzt mit dir zu reden«, sagte sie.

«Mum!«

«Mignon, es reicht«, sagte ihr Vater.

Valerie hörte, dass Bernard ihr folgte. Sie hörte Mignon maulen. Sie blieb stehen und drehte sich um.»Du hast gehört, was dein Vater gesagt hat. Es reicht.«

Sie ging ins Haus. Sie war zu Tode erschöpft. Bernard sagte ihren Namen, als sie die Treppe hochgehen wollte. Er klang zögerlich, verunsichert auf eine Art, die sie an Bernard Fairclough noch nie erlebt hatte.

Sie sagte:»Ich lege mich eine Weile hin, Bernard«, und ging nach oben.

Sie wusste, dass sie irgendeine Entscheidung treffen musste. Ihr Leben war ein Scherbenhaufen, und sie würde sich überlegen müssen, wie diese Scherben sich wieder zusammensetzen ließen, welche davon noch zu gebrauchen waren und welche davon in den Müll gehörten. Und sie wusste, dass ein Großteil der Verantwortung für das, was geschehen war, auf ihren Schultern lastete. Sie war schon lange über Bernards Doppelleben im Bilde gewesen, und dieses Wissen und wie sie mit diesem Wissen umgegangen war, das waren ihre Sünden, für die sie bis ans Ende ihrer Tage würde büßen müssen.

Ian hatte ihr natürlich alles erzählt. Obwohl sein Onkel ihm die Finanzen der Firma anvertraut hatte, hatte Ian immer gewusst, wer bei Fairclough Industries wirklich die Macht besaß. Sicher, Bernard kümmerte sich um das Alltagsgeschäft, er traf viele Entscheidungen. Bernard, Manette, Freddie und Ian hatten gemeinsam dafür gesorgt, dass das Unternehmen seine Marktposition ausbauen konnte, hatten es auf eine Weise modernisiert, die Valerie gar nicht erst in den Sinn gekommen wäre. Aber wenn der Vorstand zweimal im Jahr zusammenkam, nahm sie den Platz am Kopfende des Konferenztischs ein, und keiner hatte das je in Frage gestellt, denn so war es immer gewesen. Man konnte die Karriereleiter hochklettern, doch irgendwann stieß man an die Decke, und sie zu durchbrechen, war eine Frage des Bluts und nicht der Kraft.

«Ich habe etwas Seltsames und ziemlich Beunruhigendes entdeckt«, hatte Ian eines Tages zu ihr gesagt.»Ehrlich gesagt wollte ich es dir eigentlich ersparen, Tante Val, weil … na ja, weil du immer gut zu mir gewesen bist, und Onkel Bernie natürlich auch, und eine Zeitlang dachte ich, ich könnte das Geld ein bisschen hin und her schieben und die Ausgaben vertuschen, aber inzwischen sehe ich nicht mehr, wie ich das machen soll.«

Als Ian Cresswell nach dem Tod seiner Mutter aus Kenia zu ihnen gezogen war, war er ein netter Junge gewesen. Und er war zu einem sympathischen Mann herangewachsen. Es war wirklich schade, dass er seine Frau und seine Kinder so tief verletzt hatte, als er sich zu seiner Neigung bekannt und beschlossen hatte, das Leben zu führen, das für ihn bestimmt war. Aber manchmal widerfuhren den Menschen eben solche Dinge, und dann musste man sehen, wie man damit zurechtkam. Jedenfalls hatte Valerie verstanden, was ihm Sorgen bereitet hatte, sie hatte seinen Loyalitätskonflikt akzeptiert, und sie war dankbar gewesen, als er ihr die Ausdrucke gezeigt hatte, die belegten, wohin das ganze Geld floss.

Sein Tod hatte sie schrecklich getroffen. Obwohl es ein Unfall gewesen war, machte sie sich Vorwürfe, weil sie nicht mit genug Nachdruck auf die losen Steine im Steg hingewiesen hatte. Andererseits hatte sein Tod ihr den Vorwand geliefert, auf den sie so lange gewartet hatte. Die einzige Methode, Bernard zu bestrafen, bestand ihrer Meinung nach darin, ihn vor der ganzen Familie zu demütigen. Seine Kinder sollten erfahren, was für ein Mann ihr Vater war. Dann würden sie ihm sagen, er solle sich nach London zu seiner Mätresse und seinem Bastard scheren, und sich schützend um ihre Mutter scharen. Auf diese Weise würde Bernard für seine Sünden bezahlen. Denn die Kinder hatten Fairclough-Blut in den Adern, und sie würden die Obszönitäten ihres Vaters keine Sekunde lang dulden. Später, wenn eine angemessene Zeit verstrichen war, würde sie ihm verzeihen. Was blieb ihr auch anderes übrig nach zweiundvierzig Jahren Ehe?

Sie trat ans Fenster ihres Zimmers, von dem aus man eine herrliche Aussicht auf den See hatte. Zum Glück, dachte sie, konnte sie von hier aus nicht den Fantasiegarten sehen, der jetzt wohl nicht mehr fertiggestellt würde. Sie betrachtete den See, in dessen spiegelglatter Oberfläche sich die Fichten am Ufer, die Felsen gegenüber Ireleth Hall und die dicken, weißen Kumuluswolken spiegelten, die wie immer nach einer stürmischen Nacht gemächlich über den Himmel zogen. Es war ein perfekter Herbsttag, sauber und frisch. Valerie hatte das Gefühl, nicht in diesen Tag hineinzupassen. Sie kam sich alt und verbraucht vor. Ihre Seele erschien ihr beschmutzt.

Sie hörte, dass Bernard ins Zimmer kam, doch sie drehte sich nicht um. Sie hörte, wie er sich ihr näherte, und aus den Augenwinkeln sah sie, dass er ein Tablett mitgebracht hatte, das er auf dem kleinen Tisch zwischen den beiden Fenstern abstellte. Über dem Tisch hing ein großer Spiegel, und darin sah Valerie, dass Bernard ihr Tee, Toast und gekochte Eier gebracht hatte. Und sie sah das Gesicht ihres Mannes.

Er war der Erste, der das Schweigen brach.»Ich habe es getan, weil ich es tun konnte. So ist mein ganzes Leben verlaufen. Ich schätze, es war wie eine Herausforderung. So wie damals, als ich dich erobert habe. So ähnlich wie die Herausforderung, mehr aus der Firma zu machen, als es dein Vater und dein Großvater vermocht hatten. Ich weiß nicht einmal, weshalb mir das Ganze so wichtig gewesen war, und das ist das Schlimmste, denn es lässt mich befürchten, dass ich es wieder tun würde.«

«Was für ein tröstlicher Gedanke«, bemerkte sie sarkastisch.

«Ich versuche, dir gegenüber ehrlich zu sein.«

«Noch so ein tröstlicher Gedanke.«

«Hör zu. Das Verteufelte ist, dass ich nicht behaupten kann, es hätte mir nichts bedeutet, denn das stimmt nicht. Ich weiß nur nicht genau, warum es mir so wichtig gewesen war.«

«Sex«, sagte sie.»Männlichkeit, Bernard. Du wolltest dir beweisen, dass du doch nicht so ein kleiner Wicht bist.«

«Das kränkt mich«, sagte er.

«Das soll es auch. «Sie betrachtete wieder den See. Sie musste einige Dinge in Erfahrung bringen, ehe sie eine Entscheidung traf, also konnte sie das genauso gut jetzt gleich hinter sich bringen.»Hast du es eigentlich immer getan?«, fragte sie.

Er besaß den Anstand, nicht zu fragen, was sie meinte.»Ja«, sagte er.»Na ja, nicht immer. Nur gelegentlich. Na ja, ziemlich häufig. Meistens, wenn ich geschäftlich unterwegs war. In Manchester zum Beispiel. Oder in Birmingham. In Edinburgh. In London. Aber vor Vivienne nie mit einer Angestellten. Und selbst bei ihr war es anfangs genauso wie bei den anderen. Weil ich es konnte. Aber mit der Zeit entwickelte sich mehr zwischen uns, und ich sah die Chance, zwei Leben zu führen.«

«Ganz schön clever«, sagte sie.

«Stimmt, ganz schön clever.«

Sie schaute ihn an. Er war tatsächlich klein. Sie überragte ihn fast um Haupteslänge, und doch hatte sie ihn nie als klein empfunden. Aber er war es. Klein, ein bisschen feingliedrig, frech, mit einem kecken Grinsen … Gott, dachte sie, ihm fehlten nur noch ein Buckel, ein Wams und eine Strumpfhose. Sie hatte sich so leicht verführen lassen wie Lady Anne.»Warum, Bernard?«, fragte sie, und als seine Augen schmal wurden, fügte sie hinzu:»Warum zwei Leben? Für die meisten Menschen ist eins mehr als genug.«

«Das weiß ich«, antwortete er.»Das ist der Fluch, mit dem ich lebe. Ein Leben war mir nie genug. Ein Leben hat mir einfach nicht … Ich weiß auch nicht.«

Aber sie wusste es, und vielleicht hatte sie es von Anfang an gewusst.»Ein Leben hätte nicht gereicht, um dir zu beweisen, dass du mehr bist als Bernie Dexter aus der Blake Street in Barrow-in-Furness.«

Er schwieg. Draußen ertönten Entenrufe, und Valerie wandte sich wieder dem Fenster zu. Etwa ein Dutzend Enten flogen in V-Formation in Richtung Fell Foot Park. Enten, die abhoben oder landeten, dachte sie, wirkten beinahe lächerlich, aber im Flug wirkten sie so elegant wie andere Vögel auch. Nur die Art, wie sie in die Luft gelangten, ließ sie tölpelhaft und schwerfällig erscheinen.

«Ja«, sagte Bernard.»Ich glaube, da hast du recht. Die Blake Street war das Loch, aus dem ich gekrochen bin, aber die Wände waren glitschig. Eine falsche Bewegung, und ich wäre wieder zurück in das Loch gefallen.«

Sie ging zu dem kleinen Tisch zwischen den Fenstern. Er hatte nur ein Gedeck auf das Tablett gestellt. Eine Tasse, eine Untertasse, zwei gekochte Eier, aber nur einen Eierbecher, Besteck für eine Person und eine weiße Serviette. Anscheinend war er sich seiner selbst doch nicht so sicher. Das stimmte Valerie schon etwas gnädiger.

«Wer bist du?«, fragte sie ihn.»Und wer willst du sein?«

Er seufzte.»Valerie, ich möchte dein Mann sein. Ich kann dir nicht versprechen, dass das — du und ich und alles, was wir uns aufgebaut haben — nicht in ein paar Monaten den Bach runtergeht. Aber ich möchte dein Mann sein.«

«Und das ist alles, was du mir anzubieten hast? Nach fast dreiundvierzig Jahren?«

«Das ist alles, was ich anzubieten habe.«

«Warum in aller Welt sollte ich dieses Angebot annehmen? Dich als meinen Mann ohne irgendeine Dreingabe wie Ehrlichkeit, wie Treue, wie …«Sie zuckte die Achseln.»Ich weiß es selbst nicht mehr, Bernard.«

«Was?«

«Was ich von dir will. Ich weiß es nicht mehr. «Sie schenkte sich Tee ein. Er hatte Zitrone und Zucker mitgebracht, keine Milch, so wie sie ihren Tee immer trank. Er hatte Toast ohne Butter mitgebracht, so wie sie ihn immer aß. Er hatte Pfeffer mitgebracht, aber kein Salz, so wie sie ihr gekochtes Ei immer würzte.

Er sagte:»Valerie, wir haben eine gemeinsame Geschichte. Ich habe dir und unseren Kindern ein großes Unrecht angetan, das weiß ich, und das weißt du. Weil ich Bernie Dexter aus der Blake Street bin. Mehr hatte ich dir von Anfang an nicht zu bieten.«

«Was ich alles für dich getan habe«, sagte sie leise.»Um dir zu gefallen, um dich zufriedenzustellen.«

«Ja, das hast du wirklich«, sagte er.

«Was es mich gekostet hat … Das kannst du nicht ahnen, Bernard. Das wirst du nie wissen. Wir müssen eine Abrechnung machen. Verstehst du das? Kannst du das verstehen?«

«Ja«, sagte er.»Das kann ich verstehen.«

Sie führte die Tasse an ihre Lippen, aber er nahm sie ihr aus der Hand und stellte sie vorsichtig wieder auf die Untertasse.

«Bitte, lass mich damit anfangen«, sagte er.

GREAT URSWICK — CUMBRIA

Die Polizei hatte einen Krankenwagen gerufen, der Tim ins Krankenhaus in Keswick gebracht hatte. Manette hatte darauf bestanden, im Krankenwagen mitzufahren, denn auch wenn sie sonst nichts über den Zustand des Jungen und seine Aussichten auf Heilung wusste, so wusste sie doch, dass er von jetzt an immer einen Angehörigen in der Nähe haben musste, und das war in dem Fall sie.

Beim Eintreffen der Polizei hatte die Alarmanlage immer noch geschrillt, als stünde der Jüngste Tag bevor. Manette hatte auf dem Bett gesessen und Tims Kopf auf ihrem Schoß gewiegt, während Freddy versucht hatte herauszufinden, was sich in dem Laden abgespielt hatte. Die Übeltäter waren über alle Berge, die Kamera war fort, und es war keine Spur von einem Computer zu entdecken, aber in ihrer Eile hatten die Beteiligten andere Dinge zurückgelassen: ein Herrenjackett samt Brieftasche, eine Damenhandtasche, die einen Reisepass enthielt, und einen ziemlich schweren Safe. Die Polizei würde bald feststellen, was sich darin befand, dachte Manette.

Tim hatte in seinem benommenen Zustand immer wieder zwei Sätze gemurmelt:»Er hat es versprochen «und» Bitte nichts verraten. «Manette streichelte ihm über den Kopf — sein Haar war lang und ungepflegt — und sagte:»Keine Sorge, Tim. Mach dir keine Sorgen.«

Als den uniformierten Polizisten klar geworden war, womit sie es zu tun hatten, hatten sie die Kollegen von der Sitte verständigt. Und so hatten sich Manette und Freddie erneut Superintendent Connie Calva gegenübergesehen. Sie betrat den Raum und betrachtete die Szenerie: die viktorianische Einrichtung, das offene Fenster, Big Ben im Hintergrund, den Plüschhund am Fußende des Betts, die Kostüme auf dem Boden, Tim, der mit dem Kopf auf Manettes Schoß lag. Dann hatte sie die Constables gefragt:»Haben Sie einen Krankenwagen gerufen?«Und zu Manette hatte sie gesagt:»Tut mir leid, mir waren die Hände gebunden. Ich muss mich an die Vorschriften halten. «Manette hatte sich abgewandt, aber Freddie war der Kragen geplatzt:»Kommen Sie uns nicht mit Ihren verdammten Vorschriften!«Dafür hätte Manette ihn umarmen können, und ihr waren fast die Tränen gekommen vor Verzweiflung darüber, dass sie so dumm gewesen war und Freddie McGhie bis zu diesem Augenblick nie gesehen hatte, wie er wirklich war.

Superintendent Calva ließ sich nicht beirren. Sie schaute Manette an und fragte:»Ich nehme an, Sie sind zufällig hier reingeraten. Sie haben die Alarmanlage gehört, die Sauerei draußen gesehen und Verdacht geschöpft, richtig?«

Manette schaute Tim an, der angefangen hatte zu zittern, und traf eine Entscheidung. Sie räusperte sich und sagte, nein, sie seien nicht zufällig in den Laden gestolpert, auch wenn es sehr freundlich von Superintendent Calva sei, das anzunehmen. Sie und ihr Mann — sie vergaß, Exmann zu sagen — seien mit Gewalt in den Laden eingedrungen. Sie hätten sich über das Gesetz hinweggesetzt und würden die Konsequenzen dafür in Kauf nehmen. Leider seien sie nicht rechtzeitig eingetroffen, um die Vergewaltigung eines Vierzehnjährigen und die Filmaufnahmen für die Perversen in aller Welt verhindern zu können, aber den Rest würden sie der Polizei überlassen, ebenso wie die Entscheidung, auf welche Weise man mit ihr und ihrem Mann — wieder vergaß sie, ihn als ihren Exmann zu bezeichnen — verfahren wolle, nachdem sie in den Laden eingebrochen waren oder wie auch immer die Polizei ihr Vorgehen bezeichnen wolle.

«Als Malheur, würde ich sagen«, hatte Superintendent Calva daraufhin gesagt.»Oder vielleicht als dummen Streich? Auf jeden Fall müssten diese Müllcontainer mit irgendeiner Art Bremsen ausgestattet werden, damit sie nicht in Schaufenster rollen können. «Sie hatte sich noch einmal umgesehen und ihre Leute angewiesen, Beweismittel einzusammeln. Dann hatte sie gesagt:»Wir werden von dem Jungen eine Aussage brauchen.«

«Aber nicht jetzt«, hatte Manette geantwortet.

Dann waren sie zum Krankenhaus gefahren. Die Ärzte und Krankenschwestern im Krankenhaus in Keswick waren sehr behutsam mit Tim umgegangen und hatten ihn schließlich in Manettes Obhut entlassen. Sie und Freddie hatten ihn mit nach Hause genommen, hatten ihn in die Badewanne gesteckt, ihm eine warme Suppe vorgesetzt, noch eine Weile mit ihm am Küchentisch gesessen und ihn schließlich ins Bett verfrachtet. Dann hatten sie sich in ihre Zimmer zurückgezogen. Manette hatte in ihrem Zimmer eine schlaflose Nacht verbracht.

Am frühen Morgen, noch bevor es hell wurde, hatte sie Kaffee aufgesetzt. Sie hatte sich an den Küchentisch gesetzt, und jetzt starrte sie mit leerem Blick ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe an, hinter der noch dunkle Nacht herrschte und irgendwo in der Nacht der See lag, an dessen Ufer die Schwäne noch im Schilf schliefen.

Als Nächstes würden sie wohl Niamh anrufen müssen. Sie hatte Kaveh bereits am Abend zuvor Bescheid gesagt und ihn gebeten, Gracie auszurichten, sie brauche sich keine Sorgen um ihren Bruder zu machen.

Und jetzt musste sie sich irgendwie mit Niamh auseinandersetzen. Als Tims Mutter hatte sie das Recht zu wissen, was vorgefallen war, aber Manette fragte sich, ob es wirklich nötig war, dass Niamh es erfuhr. Was wenn sie nicht reagierte und Tim erfuhr davon? Dann wäre er doch sicher am Boden zerstört, oder? Und hatte er nicht schon genug durchgemacht? Andererseits mussten sie sich irgendwann bei Niamh melden, denn immerhin wusste sie, dass ihr Sohn vermisst wurde.

Manette saß am Küchentisch und zerbrach sich den Kopf, was zu tun war. Tim zu verraten war undenkbar. Zugleich würde er aber auch Hilfe brauchen. Die konnte er in der Margaret Fox School bekommen, wenn er sich dort kooperativ verhielt. Doch wann war Tim jemals kooperativ gewesen? Und wie konnte man von ihm erwarten, dass er nach allem, was ihm widerfahren war, plötzlich kooperativ war? Warum, zum Teufel, sollte er es auch sein? Wem konnte er denn noch trauen?

Gott, war das alles ein Schlamassel, dachte Manette. Sie wusste überhaupt nicht, wie sie dem Jungen helfen sollte.

Sie saß immer noch am Küchentisch, als Freddie nach unten kam. Offenbar war sie auf ihrem Stuhl eingenickt, denn es war taghell, und Freddie war gerade dabei, sich eine Tasse Kaffee einzuschenken, als sie aufschreckte.

«Ah, du lebst ja noch«, bemerkte Freddie. Er schüttete den Inhalt ihrer Kaffeetasse in die Spüle und schenkte ihr frischen Kaffee ein.»Kopf hoch, Kleine«, sagte er und klopfte ihr auf die Schulter.»Nach einem Viertelstündchen auf deinem Laufband fühlst du dich bestimmt wieder viel besser.«

Als er sich ihr gegenüber an den Tisch setzte, fiel Manette auf, dass er seinen besten Anzug anhatte. Genau genommen trug er seine Hochzeits-, Tauf- und Beerdigungskluft, wie er es nannte: der gute Anzug, weißes Hemd mit Manschettenknöpfen und Einstecktuch aus Batist. Er saß da, zufrieden mit sich selbst, von Kopf bis Fuß geschniegelt und gestriegelt, als wäre der vergangene Tag nicht einer der schlimmsten Alpträume gewesen.

Mit einer Kinnbewegung wies er auf das Telefon, das vor ihr auf dem Tisch lag, und sagte:»Hm?«Manette sagte ihm, dass sie Kaveh angerufen habe.»Und was ist mit Niamh?«, wollte Freddie wissen, worauf sie antwortete:»Das ist die große Frage, nicht wahr?«Sie erzählte ihm, dass Tim sie angefleht hatte, seiner Mutter nichts zu verraten, als sie am Abend noch einmal nach ihm gesehen hatte.

«Aber ich sollte sie wenigstens anrufen und ihr Bescheid geben, dass er bei uns ist«, sagte sie.»Auch wenn mir selbst das widerstrebt.«

«Warum?«

«Aus demselben Grund, warum Tim mich gebeten hat, ihr nichts von dem zu erzählen, was gestern passiert ist. Manchmal ist es leichter, die Wahrheit über jemanden nicht so genau zu kennen. Tim kann sich denken — oder besser gesagt, ich kann mir denken —, dass es ihr egal ist oder dass sie nicht reagieren wird oder dass sie sich ärgert, und das war’s. Aber wenn ich sie anrufe, dann werde ich die Wahrheit über Niamh Cresswell erfahren. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte. Und Tim will es mit Sicherheit auch nicht.«

Freddie hörte sich das alles geduldig an. Schließlich sagte er:»Ah, verstehe. Tja, da kann man wohl nichts machen, oder?«Er nahm das Telefon und gab die Nummer ein.»Ist ein bisschen früh, aber gute Nachrichten sind doch immer willkommen, oder?«, murmelte er. Er lauschte eine Weile, dann sagte er:»Hallo Niamh, hier ist Fred. Hoffe, ich hab dich nicht geweckt? … Äh, tut mir leid … Wir hatten eine ziemlich unruhige Nacht … Wirklich? Das freut mich … Hör mal, Niamh, wir haben Tim hier bei uns … Ach, er ist ein bisschen erkältet, weil er sich nachts draußen rumgetrieben hat, der Schlingel … Wir haben ihn zufällig in Windermere aufgegabelt. Manette pflegt ihn schön … Ja, ja, genau. Könntest du in der Schule anrufen und denen Bescheid sagen … Ach so. Na ja, klar. Sicher … Du hast Manette doch auch auf seine Karte gesetzt, oder? Sehr gut … Manette und ich würden Tim und Gracie gern eine Weile bei uns behalten. Was hältst du davon? … Hmm, ja. Großartig, Niamh … Manette wird sich freuen. Sie mag die beiden sehr.«

Das war’s. Freddie beendete das Gespräch, legte das Telefon auf den Tisch und trank einen Schluck Kaffee.

Manette sah ihn entgeistert an.»Was ist denn in dich gefahren?«

«Das muss man doch alles organisieren.«

«Ja, natürlich. Aber bist du verrückt geworden? Wir können die Kinder doch nicht zu uns nehmen!«

«Warum denn nicht?«

«Freddie, unser Leben ist ein einziges Chaos. Und was Tim und Gracie jetzt brauchen, ist Stabilität.«

«Ah, ja, Chaos. Richtig. Ich weiß.«

«Tim dachte, der Mann würde ihn umbringen, Freddie. Er braucht Hilfe.«

«Also, das ist doch nachvollziehbar, oder? Dass er gedacht hat, der Kerl bringt ihn um. Er muss fürchterliche Angst gehabt haben. Er ist da in was reingeraten, was er überhaupt nicht verstanden hat und …«

«Nein, du verstehst das nicht. Er dachte, der Mann würde ihn umbringen, weil das die Abmachung war, die er mit ihm getroffen hatte. Das hat er mir gestern Abend erzählt. Er hat gesagt, er hätte sich unter der Bedingung auf die Filmerei und alles eingelassen, dass dieser Toy4You ihn hinterher umbringen würde. Weil er nicht den Mumm hatte, sich selbst umzubringen. Er wollte es, aber er hat’s nicht über sich gebracht. Und vor allem wollte er nicht, dass Gracie ihn für einen Selbstmörder hielt.«

Freddie hörte ihr ernst zu, das Kinn in die Hand gestützt.»Hm«, sagte er.»Verstehe.«

«Gut. Denn dieser Junge ist in einem derart verwirrten und verletzten Zustand … Gott, mir fehlen die Worte … Ihn hierherzuholen, in diesen Scherbenhaufen … Das können wir ihm doch nicht antun!«

«Erstens«, sagte Freddie, nachdem er einen Moment nachgedacht hatte,»geht er auf eine sehr gute Schule, wo er wieder auf die Beine kommen kann, wenn er dazu bereit ist. Unsere Aufgabe ist es, ihm das klarzumachen. Er wünscht sich eine Mutter und einen Vater, die zu ihm stehen und die an die Möglichkeit glauben, dass man die Scherben seines Lebens einsammeln und er noch einmal von vorne anfangen kann.«

«Das ist ja alles schön und gut, aber wie lange können wir ihm das geben?«

«Wie meinst du das?«

«Ach, komm schon, Freddie, tu doch nicht so«, sagte Manette geduldig.»Du bist ein guter Fang und offenbar sehr begehrt, und früher oder später wird dich eine von deinen Freundinnen angeln. Und dann sind Tim und Gracie schon wieder damit konfrontiert, dass ihre Familie zerbricht. Das können wir ihnen doch nicht zumuten.«

Freddie schaute ihr in die Augen.»Oh. Dann habe ich mich also getäuscht?«

«Inwiefern?«

«In uns. Denn wenn das so ist, geh ich nach oben und zieh meinen Hochzeitsanzug wieder aus.«

Ihre Augen füllten sich mit Tränen.»Freddie … Ach, Freddie … Nein, du hast dich nicht getäuscht.«

«Das heißt also, wir müssen heute zu einer Hochzeit erscheinen, oder? Auf dem nächsten Standesamt, würde ich sagen. Wir brauchen nur noch zwei Trauzeugen. Soll ich Tim wecken?«

«Ja«, sagte Manette.»Und ich rufe Gracie an.«

ST. JOHN’S WOOD — LONDON

Zed Benjamin saß im Auto und betrachtete den Weg, den er zurücklegen musste, um ins Haus seiner Mutter zu gelangen. Er wusste, was ihn da drinnen erwartete, und er war nicht wild darauf. Seine Mutter würde nicht lange brauchen, um spitzzukriegen, dass er seinen Job verloren hatte, und dann würde sie ihm ordentlich die Hölle heißmachen. Außerdem musste er Yaffa gegenübertreten, und die Vorstellung, was sie für ein Gesicht machen würde, wenn sie erfuhr, dass er seine Jahrhundertstory in den Sand gesetzt hatte, war einfach nur deprimierend.

Zu allem Überfluss fühlte er sich hundeelend. Er war am Morgen in einem schäbigen Hotel an einer Raststätte aufgewacht. Am Tag zuvor hatte er gleich nach dem Telefonat mit Rodney Aronson seine Sachen in Windermere abgeholt und sich auf den Heimweg gemacht. Dann war er so lange in Richtung London gefahren, bis ihm fast die Augen zugefallen waren. Das Zimmer, in dem er übernachtet hatte, hatte ihn an diese japanischen Schlafboxen erinnert, über die er einmal gelesen hatte. Er fühlte sich, als hätte er versucht, in einem Sarg zu schlafen.

Am Morgen war er so ausgeruht gewesen, wie man sein konnte, wenn man um drei Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen wurde, weil sich auf dem Hotelkorridor ein paar Typen dermaßen prügelten, dass die Polizei gerufen werden musste. Um halb fünf war er wieder eingeschlafen, aber gegen fünf waren die Leute zur Frühschicht in den verschiedenen Läden und Imbissbuden der Raststätte eingetroffen, hatten ihre Autotüren zugeschlagen und einander lauthals begrüßt, und um halb sechs hatte Zed seine Schlafversuche endgültig aufgegeben und sich in die Miniaturdusche gezwängt.

Wie ein Roboter hatte er sich rasiert, die Zähne geputzt, sich angezogen. Hunger hatte er keinen gehabt, aber er hatte wenigstens einen Kaffee trinken wollen, und als er gerade in der Cafeteria war, wurden die Tageszeitungen geliefert.

Aus lauter Gewohnheit hatte Zed sich die Source geschnappt und mit an seinen Tisch genommen. Die Zeitung brachte eine Fortsetzung von Corsicos weltbewegender Rührstory über das Mischlingskind aus dem dritten Glied der Königsfamilie. Die Story war richtig groß aufgemacht, diesmal mit der Schlagzeile Er gesteht ihr seine Liebe, und begleitet von den entsprechenden Fotos. Das besagte Mitglied der königlichen Familie hatte anscheinend die Absicht, die Mutter des Kindes zu ehelichen, da die Enthüllungsstory dazu geführt hatte, dass sie ihren Job als drittklassige Bollywood-Schauspielerin verloren hatte. Lesen Sie auf Seite drei, wer die Mutter des Kindes ist … Zed befolgte die Anweisung. Und stieß auf ein Foto von einer vollbusigen Schönheit und ihrem königlichen Verehrer, der das Kind auf dem Schoß hielt. Der Mann grinste in die Kamera, als wollte er seinen Geschlechtsgenossen im ganzen Land zeigen:»Seht mal, was ich mir geangelt hab, ihr Wichser!«Und es stimmte sogar. Der Idiot hatte immerhin einen Titel. Ob er auch noch einen dem Titel angemessenen Verstand besaß, war eine andere Frage.

Zed warf die Zeitung auf den Tisch. Was für ein Schwachsinn, dachte er. Aber er wusste, dass bei der Source die Korken knallten. Man würde Mitchell Corsicos unfehlbaren Riecher für eine heiße Story feiern, seine Fähigkeit, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und einen Spross der königlichen Familie — wie unbedeutend der auch sein mochte — dahingehend zu manipulieren, dass er genau das tat, was die Source ihm vorgab. Er, Zedekiah Benjamin, verkannter Dichter, sollte eigentlich froh sein, dass er den Scheißjob bei dem Käseblatt los war.

Er stieg aus dem Auto. Er konnte das Unausweichliche nicht länger aufschieben, dachte er, doch er konnte es immerhin als positive Wendung in seinem Leben darstellen, falls ihm die richtigen Worte einfielen.

Kurz bevor er die Haustür erreichte, kam Yaffa aus dem Haus. Sie rückte gerade ihren Rucksack zurecht, woraus er schloss, dass sie auf dem Weg zur Uni war. Sie hatte ihn nicht gesehen, und er wollte sich gerade hinter ein paar Sträuchern verdrücken, als sie ihn entdeckte.

«Zed«, stammelte sie.»Was für eine … Also, das ist ja … Was für eine Überraschung. Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du heute schon nach London zurückkommen würdest.«

«Wenn ich dir erst mal erzähle, warum ich wieder da bin, wirst du weniger erfreut sein.«

«Was ist denn?«, fragte sie besorgt. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm.»Was ist passiert, Zed?«

«Ich bin gefeuert.«

Sie schaute ihn mit offenem Mund an. Wie weich ihre Lippen waren, dachte Zed.»Du hast deinen Job verloren? Aber es lief doch alles so gut! Was ist denn mit deiner Story? Und mit den Leuten in Cumbria? Mit all den Geheimnissen? Was hatten sie denn zu verbergen?«

«Es ging nur darum, wie man ein Kind in die Welt setzt, wenn man selber keins bekommen kann«, sagte er.»Das war alles.«

Sie runzelte die Stirn.»Und Scotland Yard? Es kann doch nicht sein, dass die wegen so was ermittelt haben.«

«Das ist das Schlimmste, Yaffa«, sagte er.»Wenn da oben wirklich jemand von Scotland Yard war, dann hab ich ihn jedenfalls nicht zu Gesicht bekommen.«

«Aber wer war denn dann diese Frau?«

«Sie war gar nicht von Scotland Yard. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer sie war, und jetzt, wo ich meinen Job los bin, spielt es auch keine Rolle mehr, oder?«Er trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.»Aber unsere kleine Scharade am Telefon hat mir Spaß gemacht.«

Sie lächelte.»Mir auch.«

Nervös spielte er an seinem Laptop herum. Plötzlich schien er nicht zu wissen, wo er seine Hände und Füße lassen sollte.»Tja. Hm«, sagte er.»Wann wollen wir denn unsere Trennung inszenieren? Wenn’s nach mir geht, so bald wie möglich. Wenn wir das nämlich nicht in den nächsten Tagen angehen, bestellt meine Mutter den Rabbi und backt eine Challa.«

Yaffa lachte.»Und wäre das denn gar so schrecklich, Zedekiah Benjamin?«, fragte sie in einem neckischen Ton.

«Was? Das mit dem Rabbi oder das mit der Challa?«

«Beides.«

Die Haustür ging auf. Eine ältere Frau kam mit einem kleinen Pudel an der Leine heraus. Zed trat zur Seite, um ihr Platz zu machen. Sie schaute erst ihn, dann Yaffa, dann wieder ihn an. Sie grinste. Zed schüttelte den Kopf. Jüdische Mütter. Die waren doch alle gleich, dachte er resigniert. Dann sagte er zu Yaffa:»Das würde Micah aber gar nicht gefallen, oder?«

«Ach, Micah. «Yaffa schaute der alten Frau mit dem Pudel nach. Der Pudel hob das Bein und pinkelte an einen Strauch.»Ich fürchte, es gibt gar keinen Micah.«

Er schaute sie verdattert an.»Wie bitte? Verdammt! Ihr habt euch getrennt?«

«Zed«, sagte Yaffa.»Es hat nie einen Micah gegeben.«

Zed brauchte einen Augenblick, um das zu verdauen. Endlich fiel ihm der Groschen.»Soll das heißen …«

Sie ließ ihn nicht ausreden.»Ja, genau das soll das heißen.«

Er lächelte.»Du bist ja eine ganz Raffinierte.«

«Ja«, sagte sie.»So bin ich einfach. Und ja.«

«Ja, was?«

«Ja, ich will deine Frau werden. Wenn du mich noch haben willst, obwohl ich dich mit Hilfe deiner eigenen Mutter reingelegt habe.«

«Aber warum willst du mich denn jetzt noch?«, fragte er.»Ich habe keinen Job, ich habe kein Geld, ich wohne bei meiner Mutter und …«

«Das sind die Geheimnisse der Liebe«, sagte sie.

BRYANBARROW — CUMBRIA

Kaum hielt das Auto vor dem Tor, kam Gracie aus dem Haus gelaufen. Sie flog Tim um den Hals und ließ ihn gar nicht mehr los und redete so atemlos auf ihn ein, dass er Mühe hatte zu verstehen, was sie sagte. Und alles andere war ihm auch noch nicht so ganz klar. Manette hatte in der Margaret Fox School angerufen, um Bescheid zu sagen, dass Tim jetzt bei ihr wohnte. Sie hatte gebeten, ihn noch einen Tag vom Unterricht zu beurlauben, und versprochen, ihn am nächsten Morgen persönlich zur Schule zu bringen. Dann hatte sie einen grünen Seidenrock, einen grauen Kaschmirpullover und ein graues Jackett angezogen, sich ein buntes Halstuch umgebunden und verkündet, sie müssten zu einer Hochzeit und Tim sei Freddies Trauzeuge — falls er nichts dagegen habe.

Irgendwann hatte Tim begriffen, dass es sich um die Hochzeit von Manette und Freddie handelte. Er hatte beteuert, natürlich habe er nichts dagegen, aber dann hatte er sich von den strahlenden Gesichtern der Brautleute abgewandt und sich gesagt, dass er da nicht hingehörte, denn wenn er sich auf den ganzen Jubel einließ, würde er sich umso beschissener fühlen, wenn ihn seine trostlose Wirklichkeit wieder einholte. Und er hatte es so satt, immer alles hinter sich lassen zu müssen. Er hatte gefragt:»Was soll ich denn anziehen?«, denn in Great Urswick hatte er überhaupt keine Sachen.

«Wir finden schon was Passendes für dich«, hatte Manette geantwortet und sich bei Freddie untergehakt.»Aber zuerst holen wir Gracie ab. Kaveh hat sie zu Hause behalten, weil ich ja schließlich eine Brautjungfer brauche.«

Gracie war völlig aus dem Häuschen» Eine Hochzeit! Eine Hochzeit!«, rief sie, während sie neben Tim herhüpfte.»Wir gehen auf eine Hochzeit, Timmy! Krieg ich ein neues Kleid, Manette? Soll ich eine weiße Strumpfhose anziehen?«

Zu Tim sagte sie:»Du darfst nie wieder weglaufen, hörst du? Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Klar war ich sauer wegen Bella, weil du sie kaputt gemacht hast, aber sie ist nur eine Puppe, das weiß ich ja. Ich hatte sie nur so gern, weil Dad sie mir geschenkt hat, weißt du, und ich durfte sie mir sogar selber aussuchen. Jetzt bin ich einfach nur froh, dass du wieder da bist. Weißt du schon, was du zur Hochzeit anziehst?«

Dann wollte sie von Manette wissen:»Habt ihr viele Gäste eingeladen? Kommen deine Eltern auch? Und deine Schwester? Oder ist das zu anstrengend für die?«

Tim musste lächeln, was seltsam war, denn es war das erste Mal seit mindestens einem Jahr, dass ihm nach Lächeln zumute war. Gracie blühte richtig auf, und er wünschte sich so sehr, dass es dabei blieb.

Sie gingen ins Haus, Tim lief nach oben, um sich etwas zum Anziehen zu holen. Das Haus kam ihm seltsam fremd vor. In seinem Zimmer waren seine Sachen, aber sie gehörten ihm nicht wirklich. Er wohnte hier, und doch wohnte er nicht hier. Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte, dass er sich so fühlte.

Er hatte nichts zum Anziehen, das für eine Hochzeit geeignet war, höchstens seine Schuluniform, und die kam natürlich nicht in Frage.

Er überlegte, ob er den nächsten Schritt wagen sollte. Es schien ein Riesenschritt zu sein, der ihn vielleicht total umhauen würde. Aber Manette und Freddie würden heiraten, und letztlich würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als ins Zimmer seines Vaters zu gehen und die schwarzen Müllsäcke mit dessen Sachen unter dem Bett hervorzuziehen, die Kaveh dort versteckt hatte, um sie zu Oxfam zu bringen, bevor seine Braut hier einzog.

Tim probierte eine von Ians Hosen an. Sie war ihm zu weit, aber mit einem Gürtel würde es schon gehen, und in einem Jahr würde sie ihm sowieso passen. Er ging die Sachen durch: Hosen, Hemden, Krawatten, Jacketts, Pullover. Wie gut sein Vater sich gekleidet hatte, dachte Tim. Was sagte ihm das über Ian? Wer war er gewesen? Einfach ein Mann. Ein ganz normaler Mann …

Hastig suchte er sich ein Hemd, eine Krawatte und ein Jackett aus, zog die Sachen an und lief nach unten. Die anderen warteten in der Küche auf ihn, wo Gracie gerade dabei war, einen Zettel für Kaveh an den Schrank zu kleben, in dem Kaveh den Tee aufbewahrte.»Gracie und Timmy gehen zu einer Hochzeit!«stand darauf, und darunter hatte sie ein Smiley gezeichnet.

Auf dem Weg zum Auto sahen sie, wie George Cowley seine letzten Habseligkeiten aus dem Cottage trug. Daniel stand ein bisschen verlegen dabei. Tim fragte sich, warum Dan nicht in der Schule war. Ihre Blicke streiften sich kurz. Gracie rief:»Tschüss, Dan! Wir fahren zu einer Hochzeit, und vielleicht kommen wir nie mehr zurück!«

Sie stiegen ins Auto und machten sich auf den Weg nach Windermere. Erst als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten und durch das Lyth Valley kurvten, drehte Manette sich zu ihnen um und fragte:»Was wäre denn, wenn ihr wirklich nie wieder zurückkämt, Gracie? Was würdet ihr denn davon halten, zu uns nach Great Urswick zu ziehen?«

Gracie schaute Tim an. Dann schaute sie Manette mit großen Augen an.»Und mein Trampolin? Kann ich das mitbringen?«

«Dafür finden wir bestimmt einen Platz.«

Gracie seufzte, rückte näher zu Tim und legte den Kopf an seine Schulter.»Das wär schön«, sagte sie.

Tim schloss die Augen und hörte zu, wie Gracie und Manette Pläne schmiedeten. Erst als Freddie vom Gas ging und Manette etwas von Standesamt erwähnte, machte er die Augen wieder auf.

«Können wir vorher noch kurz irgendwo vorbeifahren?«, fragte er.»Ich meine, vor der Hochzeit.«

Selbstverständlich, sagte Manette, und Tim nannte Fred die Adresse des Ladens, wo er Bella zur Reparatur abgegeben hatte. Er müsse nur kurz etwas erledigen, sagte er, sprang aus dem Auto und betrat den Laden. Die Arme und Beine der Puppe waren angenäht worden. Sie war zwar nicht ganz wieder die Alte, aber immerhin.

«Ich dachte, ich sollte die Puppe mit der Post schicken«, sagte die Frau.

«Hab’s mir anders überlegt«, erwiderte Tim.

Im Auto gab Tim seiner Schwester die Puppe. Gracie drückte Bella an sich, rief:»Du hast sie wieder heil gemacht! Du hast sie wieder heil gemacht!«, und wiegte sie sanft, als wäre sie ein lebendes Wesen.

«Ganz wie neu ist sie nicht geworden«, sagte Tim.»Tut mir leid.«

«Ach«, sagte Freddie, als er wieder losfuhr.»Wir beide sind auch nicht wie neu.«

Загрузка...