Es gibt auf einem Kriegsschiff, vor allem auf einem U-Boot, Au_genblicke, da sich einer so nichtig vorkommt, daß er sich fragt:
Leben, ja, wozu denn eigentlich? In einem solchen Augenblick erscheint ihm alles schal, es sind aber plötzlich auch alle Sorgen fort, die Ängste, die Hoffnungen, die Träume alle und die Sehnsüchte. Wünsche? Wie nie gewesen ist all dies; man ist nackt wie der erste Mensch.
Ein solcher Augenblick wäre zum Beispiel, wenn von der Zentrale über den Schießoffizier der Befehl käme: Alle Raketenbatterien schußklar. Achtung, los! Oder: Sämtliche Torpedorohre öffnen… Schuß! Und dann drückt man den roten Hebel und weiß: Jetzt hat der Atomschlag begonnen, jetzt gibt es kein Zurück mehr, jetzt wird aus dieser schönen und geliebten Welt ein Chaos, ein Feuerball, eine radioaktive Giftwolke, und wir alle sind nicht nur mitschuldig, wir alle gehen auch mit drauf!
Ein solches Gefühl hatte jetzt Obermaat Jimmy Porter, als Commander Nicholson ihm die Würfel hinwarf und befahl, nachzusehen, ob die verdammten eckigen Dinger gezinkt waren. Er schielte zu Nicholson hinauf, wog die Würfel in der breiten Hand und grinste.
«Reiben!«sagte Nicholson hart.»Jimmy, Sie müssen reiben! So merken Sie gar nichts!«
Porter grunzte etwas Unverständliches und begann, jeden Würfel auf der Fläche, auf die sechs Punkte gestanzt waren, mit dem Daumen zu reiben. Dann ließ er ihn fallen, einen Würfel nach dem anderen, im ganzen drei, und sie zeigten alle eine verschiedene Zahl.
«Bitte, Sir«, sagte Porter steif.»Was nun?«
«Sie haben mir bewiesen, daß Sie ein Rindvieh sind, Porter!«sagte Commander Nicholson ruhig.»Ein gezinkter Würfel muß bei der Eins gerieben werden, damit die Eins unten bleibt und die Sechs nach oben kommt. Umgekehrt wäre das doch saublöd! Das wissen Sie, darum haben Sie mich auch so schief angeguckt. Porter… um einen Dollar. «Nicholson warf das Geldstück auf den Tisch. Der Obermaat griff in seine Hosentasche, holte ebenfalls ein Geldstück heraus und legte es daneben. Dann schüttelte Nicholson die Würfel in dem ledernen Becher und stürzte ihn.»Vierzehn!«sagte er.»Gute Zahl. Nun Sie, Jimmy.«
Porter schüttelte, warf und hatte nur eine Neun. Mit ruhiger Hand karrte er die Würfel in den Lederbecher zurück.
«Danke, Sir.«
Nicholson erhob sich und nahm Porter den Würfelbecher aus der Hand.»Wir könnten jetzt noch zwei Runden spielen. Im ganzen also drei. Möglich, daß Sie dann gewonnen haben. Würfel sind verdammte Dinger, sie lassen sich nicht beeinflussen, es sei denn, sie hätten eine winzige Magnetplatte unter der Eins. Das ist ein alter Spielertrick, bei den Mafia-Leuten sehr beliebt. Es soll da Leute geben, die werfen zweimal die Sechs und dann eine Fünf oder Vier. Sie gewinnen immer. Auch gegen Sie, Porter! Guten Tag, Obermaat!«
Porter sprang auf, nahm stramme Haltung an, antwortete aber nicht. Seine Augen hatten sich verengt, sein dickes bulliges Gesicht war von Schweiß plötzlich überzogen. Er wartete, bis Nicholson den Torpedoraum verlassen hatte, lehnte sich dann gegen einen seiner so geliebten, blankgeputzten tödlichen >Spargel< und angelte mit bebenden Händen nach einer Zigarette.
«Scheiße!«sagte er leise und mit heiserer Stimme.»O du verdammte Scheiße!«
Der nächste auf Nicholsons Liste war der Atommaschinenobermaat Duncan, ein stiller Mann Anfang Dreißig, wie die meisten Vietnamkämpfer dekoriert, und Vater von vier Kindern. Seine blonde, mollige Frau lebte in New England in einem kleinen, rosa gestrichenen Holzhaus und wartete jedesmal auf Duncans Urlaub. Seit er bei den U-Booten war, hatte er fünfmal Urlaub gehabt, und vier Kinder hatte er hinterlassen. Für die kleine Molly Duncan war das schicksalsbedingt.
Duncan, mittelgroß, blondmähnig, eher ein intellektueller Typ, saß vor einer Schalttafel und kontrollierte den Säurezufluß im Atomreaktor. Er war allein. Bernie Cornell hatte auf Befehl dafür gesorgt, daß selbst Chief McLaren in der Offiziersmesse saß und Tee trank.
Duncan zuckte hoch, als der Commander eintrat. Nicholson winkte ab, setzte sich an den eisernen Tisch, den man aus der Wand klappen konnte, zeigte auf die Schalttafel und stellte den ledernen Würfelbecher auf die Tischplatte.
«Ihre Atomgeliebte können Sie mal einen Augenblick unbeaufsichtigt lassen, Duncan«, sagte er ruhig und fast väterlich.
«Aye, aye, Sir!«
Duncan trat von seinem Schaltbrett weg und starrte mißtrauisch auf die Würfel. Auf einen Wink von Nicholson setzte er sich und klemmte die Hände flach zwischen die zusammengepreßten Schenkel.
«Ich möchte mit Ihnen Würfel spielen, Obermaat«, sagte der Commander freundlich.»Um einen Dollar! Gegen Porter habe ich schon gewonnen. Und das mit ungezinkten Würfeln, stellen Sie sich das mal vor! Ich kann mir denken, daß ein Vater von vier Kindern sich sehr aufregen kann, wenn man ihn bewußt um eine Hoffnung bescheißt! Was das mit den Kindern zu tun hat, Duncan? Nun, Familienväter haben meistens einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn! Setzen Sie auch einen Dollar?«
«Nein, Sir«, antwortete Duncan hart und blieb vor dem Tisch stehen. Er starrte auf den Lederbecher und wurde puterrot im Gesicht.
«Kein Geld? Ich leihe Ihnen den Dollar bis zur nächsten Löhnung.«
«Ich habe nie um Geld gespielt, Sir.«
«Vielleicht um Mädchen? Um Rothaarige? Und dann verloren, weil zwei Würfel Magnetseiten hatten. Mafia-Würfel! Boy, hatten wir da eine Wut, nicht wahr? Man hätte Belucci am liebsten gleich an die Wand geworfen wie eine junge Katze.«
«Sir. Ich.«
Nicholson erhob sich wieder.»Ich will keine Erklärung von Ihnen, Duncan. «Er steckte den Dollar ein und griff nach dem Lederbecher mit den Würfeln.»Wir bleiben noch zwei Monate unter Wasser! Zwei Monate! Wir untertauchen den Nordpol, das wis-sen Sie, und wir machen dort einige verflucht gefährliche Übungen. Ich gehe von jetzt ab keine Minute mehr von meinen Befehlen und meinen Plänen ab! Hier an Bord, auf meinem Boot, ja, auf meinem Boot, ist ein Kamerad ermordet worden, und zehn Mann wissen, wer es war! Ich erwarte, daß diese zehn Mann unter sich so mutig sind, die Konsequenzen zu ziehen! Zehn der besten Matrosen der Navy! Zehn Ausgezeichnete. Und dann ein kleines rothaariges Biest, das nichts zu bieten hat als ein heißes Dreieck und zwei halbwegs feste Fleischkugeln. Ist das unser Boot wert, Duncan?«
«Sir, ich.«
«Kein Kommentar! Guten Tag, Duncan!«
Auch Duncan schwieg, schwitzte vor Erregung und spürte im Unterkörper einen Drang, als müsse er sich in die Hose scheißen. Erst als der Commander aus dem Maschinenraum war, hieb er mit beiden Fäusten gegen die Wand und brüllte:»Welche Sau hat uns da verraten? Welche Drecksau war das?«
Nicholson ging die zehn der Reihe nach durch mit einer Akribie, die nur ihm zuzutrauen war. Und überall, wo er mit dem Lederbecher und den Würfeln auftauchte und seinen Spruch vom Spielchen um einen Dollar hersagte, begegnete er verstecktem Entsetzen und kaum verhüllter Angst. Beim letzten Mann, dem Maschinenmaat Dustin Hollyday, einem schon ergrauten, zweiunddreißigjährigen Krieger, der wegen seiner breiten Narbe über der Stirn Vietnam nie vergessen konnte und nachts oft furchtbar davon träumte, bekam Nicholson endlich seine Antwort.
«Ich habe schon gehört, was los ist, Sir!«sagte er, als der Commander bei ihm in der Koje erschien. Hollyday hatte Freiwache.»Ihr Hausieren mit den Würfeln!«Hollyday grinste, doch er stand stramm.»Die Nachrichtenübermittlung im Boot funktioniert besser als das beste Sonar. Es stimmt, Sir. Belucci hat uns betrogen. Mit Magnetwürfeln. Ich selbst habe ihm eine geklebt. Verzeihung, ich habe Belucci eine Ohrfeige gegeben, Sir, in berechtigter Erregung. Aber ihn morden, ein Messer in den Rücken. nein, Sir! Keiner von uns, das garantiere ich Ihnen! Die Weiber, vor allem die Rothaarige — ja, sie machen uns verrückt. Aber wir bleiben doch schließlich Kameraden, Sir — «
«Das sagen Sie, Hollyday!«Nicholson lehnte sich an die Kojenwand.»Trotzdem war jetzt ein rotgelockter Unterleib stärker als alle Kameradschaft!«
«Das ist eine Schweinerei, die ich nicht begreife, Sir! Wenn ich den Kerl herausfinde, der — «
«Er sitzt irgendwo neben uns und blickt uns treu und lieb an, Hol-lyday! Ich danke Ihnen.«
«Wofür, Sir?«
«Daß Sie der einzige waren, der mir gesagt hat, daß ihr um die Rothaarige gespielt habt und daß Belucci euch beschissen hat. Unter euch zehn ist der Mörder!«
«Das weiß ich, Sir. Und ich suche ihn!«
«Ich glaube Ihnen, Dustin. Also bleiben nur noch neun!«
«Und die kaufe ich mir. Ich kann es mit jedem von ihnen aufnehmen!«
«Soll noch ein Mord an Bord passieren, Hollyday? Wir bleiben von nun an permanent unter Wasser. Der Mörder kann nicht weg… wir haben also Zeit. Aber er weiß jetzt, daß wir ihn eingekreist haben. Unsere einzige Aufgabe in diesem Fall muß sein, einen weiteren Mord zu verhindern!«Nicholson atmete tief.»Jenseits des Nordpols, wenn wir wieder aufgetaucht sind, kommt das große Aufräumen. Und das können Sie an alle weitergeben. Ich verspreche euch ein Fegefeuer auf Erden!«
Im Kommandantenraum wartete Doc Blandy und rauchte einen Zigarillo. Dabei unterhielt er sich über das Bordtelefon mit dem Turm, wo Bernie Cornell hockte und sich langweilte. Eine Unterwasserfahrt, und dann noch in dieser Tiefe, war die allergrößte Schweinerei, die es an Bord gab. Man konnte sich nur mit den Meldungen aus dem Navigationsraum und den einzelnen Maschinenkammern beschäftigen, aber da dort alles reibungslos oder von unbestechlichen Com-putern gesteuert ablief, war auch das eher entnervend denn anregend. Blandy legte den Hörer auf, und da stand auch schon Nicholson vor ihm.
«Hast du den Mörder, Jack?«
«Ja!«
«Wer ist es?«
«Der Name ist jetzt unwichtig.«
«Du scheinst deine eigene Rechtsauffassung zu haben.«
«Hier an Bord. ja! Man wird das unter sich ausmachen.«
«Oder auch nicht. Dafür haben wir einen Psychopathen mehr im eisernen Kasten. Der kleine Herbert Duff dreht durch, seitdem du ihn durch die Mangel gedreht hast. Er liegt im Sanitätsraum vier und weint vor sich hin wie ein wehleidiges Kind. Ich habe ihm eine Injektion gegeben, aber der Bursche ist so aufgeregt, daß sie kaum wirkt.«
«Und die Mädchen?«
«O je!«Dr. Blandy schlug die riesigen Hände zusammen.»Sie attackieren den völlig verwirrten Slingman. Die kleine Dorette hat Sling-man einen tollen Bums versprochen, wenn er heute nacht die Tür öffnet, damit sie zu den anderen Boys können.«
«Paul, lös sofort Slingman von der Wache ab!«
«Und wer soll sie übernehmen? Slingman ist nicht zu übertreffen. Jeder andere an Bord läßt doch sofort die Hose fallen!«
«Danke.«
«Mein Gott, von dir Heiligem redet doch keiner! Willst du etwa die Wache übernehmen?«
«Ja.«
«Verrückt! Der Kommandant der geheimsten Geheimwaffe der USA, ja der ganzen Welt, setzt sich nachts vor eine Tür und bewacht fünf geile Weiber! Das ist filmreif!«
«Was hier gespielt wird, Paul, ist mehr als ein Film. Selbst du weißt nicht, was wir an Bord haben!«
«Nicht?«Dr. Blandys Frage klang gedehnt.»Torpedos mit Atomsprengköpfen und automatischen Zielsuchern, Atomraketen, unter
Wasser abschießbar und elektronisch gelenkt.«
«Das ist alles kalter Kaffee, Paul. «Commander Nicholson setzte sich.»Es gibt im Boot einen Raum, mit der Bezeichnung X 1, den kennen nur ich und Chief McLaren. Der Raum steht auf keinem Plan, du kannst dir den Plan ansehen. «Er deutete zur Wand, wo ein Querschnitt durch das Atom-U-Boot POSEIDON I hing. Die kleinste Ecke oder Nische war eingezeichnet, nur fehlte der Raum X 1. Es gab drei Decks, also drei Etagen, in dem Boot, und irgendwo mußte eine Lücke sein: dort befand sich Raum X 1.
«In X 1 lagert eine Spezialrakete mit einem Atomaufsatz, der die vierzigfache Wirkung der Atombombe von Hiroshima hat. Begreifst du das — das Vierzigfache! Es ist ein neues spaltbares Material, das alles bisherige übertrifft! Lassen wir das los, Paul, dann beginnt unser Erdball zu kochen!«
«Und das Zeug schaukeln wir unter Wasser herum?«sagte Dr. Blandy heiser. Er war plötzlich bleich geworden.»Darauf sitzen wir herum und zerbrechen uns die dämlichen Köpfe über Alltagsprobleme, wer, wie, wo und wann die Rote oder Blonde bumst! Jack, ich habe nie Angst gehabt. aber jetzt sitzt sie mir im Leib. Laß doch an Bord passieren, was will. laß die Weiber reihum wandern und sich durch die Abteilungen vögeln wie die Spatzen. nur: bring das Boot sicher nach Hause! Mein Gott, wenn ich das alles gewußt hätte. vorher.«
«Was dann?«
«Ich wäre nie an Bord gekommen! Ich wäre krank geworden.«
«Du bist gesund wie ein Röntgenapparat!«
«Verdammt, ich hätte mir irgendwo einen gesalzenen Tropentripper geholt, nur um nicht auf dieses Höllenboot zu kommen! Jack, ich flehe dich an: Mach alle Augen zu, laß den Weibern ihren Spaß und denke nur an deine verfluchte Vierzigfachbombe!«
«Nur daran denke ich!«Nicholson blickte auf die Uhr. Auch unter Wasser ging die Zeit plötzlich schnell vorbei. In den verschiedenen Messen wurde das Abendessen serviert, im Boot roch es nach Fleisch und Pommes frites. Die Luftfilter verteilten die angenehmen
Düfte, bevor sie abgesaugt und durch die Reinigung und Sauerstofferneuerung gepreßt wurden.»Ich übernehme die Wache.«
«Nein! Wenn schon ein Idiot das macht, dann ich, Jack!«
«Morgen. Heute bin ich dran. Es war meine Idee!«Nicholson lachte, aber sein Lachen erstarb sofort, als der Funkmaat sich meldete. Über die Bordsprechanlage sagte er:
«Die Basis, Sir. Auf Apparat zwei Admiral Adam.«
«Unser Sonnenuntergang«, sagte Dr. Blandy spöttisch.»Jetzt spricht der Admiral das Abendgebet.«
Nicholson griff zum Hörer zwei und hob ab. Norfolk war deutlich zu hören. die neuen Geräte, auch eine Erprobung an Bord der POSEIDON I, mit denen man unter Wasser um den halben Erdball funken konnte wie mit einem Telefon von Kabel zu Kabel, funktionierten vorzüglich und störungsfrei. Kein Rauschen oder Flattern.
«Commander Nicholson hier, Sir!«sagte Nicholson mit geradezu infernalischer Ruhe.»Sind auf befohlener Position.«
«Ich weiß, Jack. Habe mit Ihrem Navigations-Chief bereits gesprochen. An Bord alles klar?«
«Alles klar, Sir.«
«Über Ihnen scheinbar nicht, Jack.«
«Wie soll ich das verstehen, Sir?«Nicholson verstand seinen Admiral nur zu gut. Dr. Blandy hob den Blick zur Decke und seufzte.
«Sie haben die fünf Damen doch wieder mit ihrem Gummifloß ausgesetzt und die ARSENA verständigt?«
«So ist es, Sir.«
«Die ARSENA hat keinen Funkspruch von Ihnen aufgenommen.«
«Das ist merkwürdig, Sir. Der Funker hat geantwortet, daß alles verstanden worden sei.«
«Haben Sie das im Bordbuch eingetragen?«
«Natürlich. Außerdem liegt bei den Funkakten die elektronische Aufzeichnung des ganzen Gespräches.«
«Die Mädchen sind bis jetzt nicht gefunden worden, Jack!«
«Verdammt!«sagte Nicholson laut, völlig unmilitärisch und bewußt grob. Dabei grinste er Dr. Blandy an, der die Augen verdrehte.
«Das sage ich auch!«antwortete der Admiral.»Wir wissen außerdem jetzt, nach einer Vermißtenmeldung aus Norwegen, wer die fünf jungen Damen sind. Alles Töchter amerikanischer Bürger, die eine verflucht große Rolle in Politik und Wirtschaft spielen. Die Väter werden einen Krach machen, der bis ins Weiße Haus donnert!«
«Warum?«
«Das fragen Sie, Jack!«
«Es war Ihr Befehl, Sir, die Mädchen wieder von Bord zu schaffen. Ich habe nur den Befehl ausgeführt.«
«Das brauchen Sie nicht so zu betonen. Was wir getan haben, war notwendig. Aber das kann man fünfVätern nicht beibringen, nicht das! Es muß also die Version bleiben, daß die fünf Mädchen von Anbeginn beim Schiffbruch verschollen sind. Sie waren nie bei Ihnen an Bord!«
«Natürlich nicht, Sir. «Nicholson lächelte bei dieser Bemerkung.»Aber das läßt sich nur behaupten, solange wir auf See sind. Was passiert, wenn wir wieder an der Basis landen? Man kann dreihundert Männer nicht zu Lügnern erziehen. Einer redet immer, und wenn's bei der eigenen Frau im Bett ist. Das allein genügt schon.«
«Uns darüber den Kopf zu zerbrechen, haben wir noch Zeit, Jack. «Der Admiral hüstelte. Er schien sehr erregt zu sein.»Die Hauptsache ist: Die Mädchen sind von Bord!«
«Das ist die Hauptsache, Sir!«meinte Nicholson auch. Dr. Blan-dy spuckte seinen naßgekauten Zigarillo aus und schnaufte vernehmbar. Admiral Adam vernahm den Schnaufer. so deutlich war die Verständigung.
«Wer ist bei Ihnen, Jack?«fragte der Admiral.»Wer hört da mit?«
«Nur Doc Blandy, Sir.«
«Geben Sie mir den Doktor.«
«Hier Blandy!«meldete sich der Arzt, als Nicholson ihm den Hörer gab.»Sir, ich hatte mich dafür eingesetzt, daß die Mädchen an Bord bleiben. Gut, jetzt sind sie wirklich verschollen, aber ich habe wenigstens ein reines Gewissen!«»Paul!«Adams Stimme bekam einen feierlichen Klang.»Sie haben als Arzt, selbst bei der Navy und bei unserem Sonderauftrag, eine gewisse Narrenfreiheit. Ich nehme alles auf meine Kappe, später, wenn es herauskommen sollte. Genügt Ihnen das für das Aufpolieren Ihres hippokratischen Eides?«
«Ja, Sir.«
«Dann ist alles gut. Geben Sie mir Jack wieder, Doc.«
«Hier Kommandant!«sagte Nicholson, als er den Hörer wieder hatte.
«Wann sind Sie am Nordpol, Jack?«
«Wenn alles nach Plan läuft, Sir, in drei Tagen. Über uns treiben schon mächtige Schollen und Eisberge. Am Pol muß eine unnatürliche Wärme herrschen, die Gletscher kalben wie verrückt.«
«Stimmt!«Adam schloß mit einem faulen Witz.»Stellen Sie sich vor, Ihr Raum X 1 geht hoch.«
«Dann schmilzt der ganze Pol, und die Welt kippt um!«
«Viel Glück, Jack. Sie können es gebrauchen. «Dann, nach einer kleinen Pause:»Ich wüßte auch keinen anderen, dem ich dieses Glück zutraue. Ende.«
«Ende, Sir!«
Nicholson legte den Hörer auf und starrte Dr. Blandy an.»Paul, du kannst lügen wie eine Hure, die eine Jungfrau spielt!«
Das Abendessen nahm Commander Nicholson nicht in der Offiziersmesse ein, zum zweitenmal nicht, um seinen Offizieren zu zeigen, wie groß seine Abneigung gegen ihre menschlichen Schwächen war. Die Offiziere verstanden das und verzehrten schweigsam das Essen, das die Ordonnanzen servierten. Um so lauter ging es bei den Maaten und der Mannschaft her. Hier sprach jeder vom Mord an Belucci, aber man sprach auch von den Mädchen. Einige wetteten, daß auch in dieser Nacht wieder die Offiziere sich die Weiber ins Bett holen würden. Wie es Belucci geschafft hatte, sich die Rothaarige zu schnappen, blieb allen ein Rätsel und nötigte ihnen
Hochachtung für den kleinen Sizilianer ab. Nur stand der gezahlte Preis in keinem Verhältnis zum gehabten Vergnügen. Einmal bumsen und dann tot… das war kein sauberes Geschäft!
Commander Nicholson erschien ganz unerwartet im Lazarett. Doc Blandy blieb im Kommandantenraum, um dort in Nicholsons Bett zu schlafen und ihn gegen Morgen abzulösen.
Im Vorraum lag der Sanitätsmaat Blides auf seinem Bett, in beiden Ohren Watte. Er grinste dumm, als der Commander eintrat und der riesige Neger Slingman mit krachenden Schuhen strammstand. Hinter der Tür, im Raum zwei, wo die Mädchen eingesperrt waren, bereitete sich wieder eine kleine Hölle vor. Dorettes Stimme tönte deutlich durch die eiserne Tür.
«Hör zu, du Niggerschwanz!«brüllte sie.»Du kannst es dreimal haben, wenn du die Tür aufmachst! Hörst du mich? So was kriegst du nie wieder! Schließ auf, du schwarzer Bulle du!«
«Ich halt es nicht mehr aus, Sir!«stöhnte Bill Slingman. Sein Boxergesicht war verzerrt. Die Maschinenpistole vor seiner Brust umklammerte er mit beiden Händen.»Lassen Sie mich ablösen, Sir. Welcher Mann kann so etwas aushalten!«
«Legen Sie die Waffe hin, Bill, und gehen Sie«, sagte Nicholson ruhig.»Ruhen Sie sich aus. Ich übernehme die Wache.«
«Sie, Sir?«Slingman riß die Augen auf.»Vorhin war Leutnant Curtis da und wollte diese Lili Petersen heraushaben. Ich habe ihn bedroht, Sir… laut Befehl.«
«Brav, Bill! Ich wußte, daß Sie Ihre Pflicht tun! Das wird nicht vergessen.«
«Danke, Sir.«
Slingman lehnte seine MPi an die Wand, grüßte und verließ fluchtartig das Bordlazarett. Commander Nicholson nahm die Waffe auf, stieß mit dem Eisenkolben gegen die Tür und wartete. Dorettes Geschrei verstummte.
«Der schwarze Boy ist weg, Miß!«sagte Nicholson.»Hier spricht jetzt der Kommandant, und er bleibt auch vor der Tür! Es hat keinen Sinn, sich weiter zu echauffieren.«
«Sie impotenter Eisenpflock!«schrie Dorette zurück.»Aber seien Sie sich nicht so sicher! Es sind noch andere Männer an Bord, die wirkliche Männer sind!«
Warten wir es ab, dachte Nicholson und setzte sich auf das zweite Bett, die Maschinenpistole quer über die Knie. Ich bin gespannt, wer zuerst kommt. Curtis war schon da. Kommt jetzt Cornell? Oder taucht Chief Collins auf? Wer wird nach Belucci sich eine Chance bei der roten Evelyn ausrechnen? Zehn haben um sie gewürfelt… wer von den Zehn ist jetzt nicht mehr zu halten? Eigentlich durfte keiner kommen, denn Slingman hat längst im Boot verkündet, wer die Nachtwache hält.
Er sah hinüber zu Sanitätsmaat Blides. Der kleine Blides starrte seinen Commander wie ein Gespenst an. Ahnte er etwas? Wußte er etwas? Wartete er auf etwas?
Das Boot rauschte durch den Ozean. Mit voller Fahrt. Es galt, die Zeit aufzuholen. Die Sonarpeilungen arbeiteten ununterbrochen, die Computernavigation steuerte das große Boot sicher dem Nordpol zu. Man fuhr knapp über dem Meeresgrund, geschickt die verschiedenen Tiefen und Gräben ausnutzend. Hier traf man auf kein fremdes U-Boot… nur ab und zu machten die Sonare ganz in der Ferne einige Körper unter Wasser aus. NATO-U-Boote oder sowjetische Unterwasserfahrzeuge, aber in dieser Entfernung von der POSEIDON I völlig ungefährlich. Vor allem aber konnte niemand die POSEIDON I anpeilen, und das war am wichtigsten.
Hinter der Tür zum Raum zwei war es still geworden, nachdem man wußte, daß Nicholson selbst im Vorraum wachte. Jeder schien den Atem anzuhalten… es war wie bei einem Raketenabschuß, bevor das Wort Zero fällt und die Zündung funktioniert.
Plötzlich ein Klopfen an der eisernen Tür! Nicholson reagierte nicht, aber er lauerte mit halbgeschlossenen Augen.
«Unterhalten Sie sich mit mir, Sir?«hörte er eine Stimme jenseits der Tür. Eine Stimme, die er in den vergangenen Stunden vermißt hatte und gegen die er sich gestemmt hatte wie Sisyphus gegen seinen Stein, der ihm immer wieder wegrollte, wenn er ihn auf des Berges Gipfel hatte. Ihre Stimme.
«Was wollen Sie?«fragte er brüsk.
«Mich mit Ihnen unterhalten, weiter nichts.«
«Ich schließe die Tür nicht auf. Ebensogut könnte man einen Tigerkäfig öffnen.«
«Ich komme allein heraus, Sir.«
«Das können Sie nicht garantieren! Außerdem. Sie gehören zu dem Klub und bleiben bei dem Klub!«
«Danke, Sie Eisenfresser! Ich wollte Ihnen nur helfen.«
«Mir helfen!«
«Für meine Freundinnen bin ich sowieso eine Verrückte.«
«Das ist sie wirklich!«hörte Nicholson Joan Hankow schreien.»Will uns überreden, wochenlang ohne einen Mann zu sein!«
Plötzlich tat ihm Monika Herrmann leid, so töricht es auch war. Er konnte sich vorstellen, wie sie versucht hatte, die anderen Mädchen zur Vernunft zu bringen, und wie man sie zuerst ausgelacht und dann beschimpft hatte. Warum hatte man denn diesen Europatrip gemacht? Um den Tower zu besichtigen? Den Kölner Dom? Den Eiffelturm? Den Petersdom? Die Akropolis? Die Burgen am Rhein? Das Matterhorn? Die Meerjungfrau von Kopenhagen? Zum Lachen, Darling! Man wollte Unterschiede sammeln: Warum kann's ein Italiener besser als ein Schwede? Und sind die Franzosen wirklich so fantasievoll und die Deutschen so romantisch? Und sagt ein Engländer hinterher tatsächlich immer: O sorry, madam? Um das festzustellen, lohnte es sich schon, um die Welt zu reisen, wenn der Papa es bezahlt.
«Gehen Sie schlafen!«sagte Nicholson energisch.
«Und das wollen Sie durchhalten?«sagte Lili Petersen.
«Ja.«
«Wie lange, Sir?«
«Drei Monate.«
Ein helles, fast hysterisches Gelächter antwortete ihm. dann trat wieder Stille ein. Es hatte keinen Sinn, mit einem Verrückten zu diskutieren.
Ungefähr eine Stunde hatte Commander Nicholson gewartet, als sich die Tür langsam öffnete. Nicholson schob den Sicherungsflügel der MPi zurück und straffte sich. Draußen im Gang brannte die Nachtnotbeleuchtung, aus Sparsamkeitsgründen wegen der Batterien, und so konnte Nicholson den Mann erst erkennen, als er im Zimmer stand. Es war Chief McLaren… der letzte, von dem Nicholson erwartet hätte, daß er sich an eines der Mädchen heranschleichen würde.
«Victor«, sagte Nicholson sanft und bog den Zeigefinger um den Abzug der Maschinenpistole.»Ihre einzige Geliebte ist doch die Atommaschine?«
«Deshalb komme ich nicht, Sir.«
«Sondern?«
«Ich weiß ja, daß Sie hier herumsitzen. Das ganze Boot weiß es. Ich will Ihnen etwas erklären.«
«Nachts um halb zwölf?«
«Bei Grundsätzlichkeiten gibt es keine Stunden, keine Zeitangaben.«
«Ich höre. Fängt interessant an, Victor.«
«Belucci hat die kleine Rote gehabt.«
«Evelyn Darring. Ihr Vater ist Präsident eines Chemiekonzerns.«
«Das ist ja egal, Sir. «McLaren blieb an der offenen Tür stehen.»Sie sind sich darüber im klaren, Sir, daß alle Offiziere gegen Sie sind?«
«Ja!«antwortete Nicholson.
«Ebenso alle Maate und die gesamte Mannschaft.«
«Natürlich! Wenn die Offiziere nur noch aus Penissen bestehen, warum soll dann die Mannschaft anders sein? Aber Sie, Victor.«
«Ich auch, Sir. Seit heute!«
«Ich hätte es mir denken können, Victor. Auch Sie haben ja etwas in der Hose! Und jetzt sind Sie gekommen, um im Namen des Bootes dem Commander ein Ultimatum zu stellen.«
«Im Namen der Offiziere, Sir.«
«Also eine Meuterei!«
«Eine Diskussion, Sir.«
«Reden Sie kein Blech, Chief! Das Boot meutert gegen mich, weil ich fünf behaarte Dreiecke nicht für die Allgemeinheit freigebe! Das ist die ungeheurlichste Meuterei, die je auf einem Schiff der Navy passiert ist! Und hier meine Antwort, McLaren. «Nicholson hob die Maschinenpistole in Brusthöhe.»Ich schieße rücksichtslos auf jeden, der sich dort der Tür von Raum zwei nähert. Ich weiß, man kann zurückschießen, aber zuerst wird es einige Opfer geben, ehe jemand an die Schlüssel kommt. Wollen Sie den Anfang machen, Victor?«
«Ich will verhandeln, Sir.«
«Es gibt nichts zu verhandeln! Sagen Sie Cornell oder Curtis oder Collins, oder wer sonst Sie schickt: Hier sitzt der Commander mit einer MPi im Arm, und das ist meine Geliebte. Wir müssen erst überwunden werden.«
«Sie können nicht drei Monate vor der Tür zu Raum zwei sitzen, Sir!«
«Und darauf spekuliert ihr? Und später, wenn wir wieder in der Basis sind?«
«Das Ehrengericht kann uns am Arsch lecken, Sir.«
«So spricht ein Vietnamkämpfer!«
«Ich scheiß auf Vietnam, Sir! Bin alt genug.«
«Und verheiratet und Vater von drei Kindern«, unterbrach Nicholson.
«Um zu wissen, was hier passiert. Auch mit mir. Sie haben gar keine Möglichkeit, die Mädchen einzusperren, Sir.«
«Das ist mir neu, Victor. «Nicholson lehnte sich zurück. Von McLa-ren kam keine unmittelbare Gefahr. Er kannte ihn zu gut. Er ahnte auch, daß man ihn mißbrauchte, weil die anderen Offiziere sich scheuten, mit dem Commander zu reden. McLaren konnte das… er kannte Nicholson seit neun Jahren.»Angenommen, ich gebe die Mädchen für die Offiziere frei, was dann? Dann schlägt die Mannschaft gegen die Offiziere los.«
«Wir werden sie beherrschen, Sir.«
«Nie, Victor, nie! Was hier passiert, könnte auf keinem anderen Schiff der Welt passieren, weil jeder Kommandant das nächste Land anlaufen würde, um die Mädchen von Bord zu werfen. Und jeder Meuterer würde nach Seemannsbrauch in Ketten gelegt werden! Verdammt, ich täte es! Aber wir sind ein Gespenst, Victor, wir haben etwas an Bord, das die ganze Welt erschüttern könnte, ich muß extrem, nach logischen Maßstäben verrückt handeln. Es gibt für uns keine Norm! Unser Boot braucht jeden Mann, braucht Kameradschaft bis zur Selbstaufgabe, braucht den Mut, der aus dem Knochenmark kommt! Ich brauche dreihundert Männer, nicht aber dreihundert geile Böcke!«
«Aber die Mädchen sind nun mal da, Sir.«
«Verdammt… ich wäre bereit, sie um der Disziplin wegen auf der Stelle zu eliminieren.«
«Sir, das ist nicht wahr.«, stammelte McLaren. Sein Gelehrtengesicht verzerrte sich voll Entsetzen.»Das haben Sie nicht im Ernst gesagt.«
«Im vollsten Ernst!«
«Man wird Sie umbringen und Cornell zum Kommandanten wählen, Sir.«
«Sie sehen, ich habe keine Angst. «Nicholson lächelte schwach.»Aber ihr alle solltet Angst haben. denn ohne mich seht ihr das Tageslicht nicht wieder. Ohne mich kommt ihr nie mehr an Land! Ihr wißt es alle: das ist ein besonderes Boot. Aber ihr wißt nicht, wie besonders es ist! Erzählen Sie das den anderen, Victor. Ob sie's glauben oder nicht, das ist mir egal! Die nächsten Tage oder Wochen werden die Wahrheit zeigen!«
McLaren zögerte. dann drehte er sich langsam um, verließ den Lazarettvorraum und schlurfte durch die Dunkelheit des Ganges davon. Es war wie auf dem Theater. Der eine geht ab, das Stichwort ist gefallen, und der nächste Akteur tritt auf.
Es war Jimmy Porter, dieser Bulle von einem Kerl, der dahergestampft kam. Slingman hatte ihn gewarnt: Der Alte sitzt da mit der MPi, und Porter hatte im Torpedoraum gebrüllt:»Und wenn er im Arsch eine ganze Raketenbatterie hat, ich geh zu ihm!«
«Aha!«sagte Nicholson gemütlich.»Die Rangordnung wird wenigstens noch eingehalten. Zuerst die Offiziere. jetzt die Maate. Wer kommt nach Ihnen, Porter — von der Mannschaft einer?«
«Ich spreche für alle Dienstgrade, Sir, natürlich mit Ausnahme der Offiziere. Es geht ja gegen die Offiziere, Sir. «Und plötzlich brüllte Porter los, und wen immer er anbrüllte, der ging unweigerlich in die Knie.»Die Offiziere holen sich die Weiber ins Bett, wie immer, aber wir sind hier eine einzige Kameradschaft auf Tod und Verderben. Das haben Sie selbst gesagt, Sir!«
«Stimmt, das habe ich gesagt!«Nicholson sah Porter fast interessiert an.»Aber ich meinte nicht eine Kameradschaft im Bett. Keine Kameradschaft am Fließband, auf dem man fünf Mädchen transportiert, von einem zum anderen.«
«Nur die Offiziere dürfen es!«schrie Porter und wurde krebsrot vor Wut.
«Es war ein Fehler in der Überwachung. Ein einmaliger Fehler. Er wird sich nicht wiederholen, Porter!«
«Das heißt, die Weiber bleiben also unter Verschluß?«
«Wie Ihre Atomsprengköpfe, Porter. Ja, sie bleiben.«
«Sprengköpfe kann man aufschrauben, Sir. «Porter keuchte.»Und man kann sie scharfmachen. Sir, es sind dreihundert scharfe Sprengköpfe im Boot.«
«Gießen Sie Eiswasser drüber.«
«Sir, wir haben leider keinen Humor mehr!«
«Was wollt ihr eigentlich?«Nicholson erhob sich und drückte plötzlich den Lauf seiner MPi gegen Porters Brust. Porter machte sich steif und starrte seinen Commander aus großen, erschrockenen Augen an. In seinem Bett warf sich Sanitätsmaat Blides auf die andere Seite, mit dem Gesicht zur Wand.»Soll ich euch die Mädchen herausgeben wie irgendeine Marketenderware? Der eine will ein Päckchen Tabak, der andere eine Tube Zahnpasta, und Obermaat Porter will Lili Petersen für eine Stunde. Dann ist der nächste dran… man kann ja eine Warteliste aufstellen. «Und plötzlich brüllte auch Nicholson und stieß Porter mit dem Lauf der MPi bis zur Tür zurück.»Sind wir ein schwimmendes Puff, Porter? Warum diskutiere ich überhaupt mit Ihnen und erschieße Sie nicht einfach? Ich hätte das Recht dazu. Jedes Militärgericht würde mich freisprechen!«
«Ich habe einen Vorschlag zu machen, Sir«, sagte Porter heiser.»Fragen Sie die Mädchen selbst. Wer zu den Mannschaften will, wer zu den Offizieren.«
«Sie sind ja wahnsinnig, Porter!«sagte Nicholson.»Sie sind wirklich wahnsinnig! Hauen Sie ab in Ihren Torpedoraum!«
«Wie Sie befehlen, Sir. «Porter grüßte gegen die blanke Stirn. Es sah direkt lächerlich aus.»Aber eines, Sir, habe ich noch zu sagen: Erfahren wir, daß doch einer der Offiziere eines der Mädchen in der Koje hat, stürmen wir das Lazarett! Das ist Meuterei, ich weiß, aber das ist uns dann scheißegal! Wir sind auch Menschen und haben ein Ding zwischen den Beinen, nicht nur ihr Offiziere.«
Er ging hinaus in den trüb beleuchteten Gang. Als er sich umdrehte, sah er den Commander im Türrahmen stehen, die MPi schußbereit an der Hüfte.»Noch eins, Sir«, sagte er, diesmal ruhig und besonnen.»Wir haben alles durchgekämmt. Wir haben alle Würfelspieler ausgeknetet und alle, die sonst mit Belucci zu tun hatten. Bei uns ist der Mörder nicht!«
Nicholson ließ die MPi sinken. Eine plötzliche Schwäche überfiel ihn. Es war eine so totale Erschöpfung, als habe ihn jemand gegen die Halsschlagader geschlagen.
«Was soll das heißen, Porter?«sagte er mühsam. Aber er kannte die Antwort schon. Die fürchterliche Antwort.
«Der Mörder ist unter den Offizieren, Sir!«
Im dunklen Gang verloren sich die knallenden Schritte Porters, bis das Zuschlagen eines Schotts alle Geräusche erstickte.
Gegen drei Uhr morgens schloß Nicholson die Tür zu Raum zwei auf. Sanitätsmaat Blides schnarchte auf seinem Bett, Dr. Blandy schlief ebenfalls, Leutnant Curtis hatte Wache, im Maschinenraum saß die zweite volle Besetzung, ebenso im Navigationszentrum. Das Boot fuhr mit Höchstgeschwindigkeit dem Nordpol entgegen. Nicholson hatte über die Bordsprechanlage alle Abteilungen abgefragt. Keine besonderen Vorkommnisse, außer der Tatsache, daß der >Alte< selbst die tollen Weiber bewachte. Das beruhigte erstaunlicherweise das ganze Boot. Kein Offizier kam an die Mädchen heran. Genaugenommen war der >Alte< die tollste Type, die je aus der US-Navy hervorgegangen war.
«Kommen Sie heraus«, sagte Nicholson leise in den dunklen Raum hinein. Auch wenn er nichts sah oder hörte, er wußte, daß Monika wach war. Und tatsächlich kam sie in den Vorraum, nicht im Nachthemd oder nackt, wie es die anderen getan hätten, sondern korrekt gekleidet. Sie hatte das kurze blonde Haar gekämmt und sogar eine kunstvolle Ponyfrisur hingezaubert. Sie sah hinreißend aus. Sie besaß trotz ihrer Kühle eine Ausstrahlung, die Nicholson wie einen Wärmeschirm empfand. Es war ihm, als könne man in ihrer Nähe eiskalte Hände auftauen, und als sie ihn ansah, wortlos, nicht einmal fragend, sondern mit einem Blick, der Selbstverständlichkeit ausdrückte, wußte er für alle Zeiten, daß diese Augen so etwas wie Heimat bedeuten konnten.
«Setzen Sie sich«, sagte er und zeigte auf das freie Bett, auf dem er bisher gehockt hatte. Die MPi lag noch neben dem Kopfteil.
Sie nickte, setzte sich und blickte zu ihm hoch. Er blieb stehen und legte die Hände auf dem Rücken übereinander. Hände sind verdammte Dinger. Sie sind in entscheidenden Momenten meistens im Weg, und man weiß eigentlich nie, wohin damit.
«Sie bleiben stehen?«
«Ich möchte es vermeiden, mit Ihnen auf einem Bett zu sitzen, Miß Herrmann.«
«Und ich spreche nicht gern nach oben, mit dem Kopf im Nacken. Außerdem sitzen wir nebeneinander auf dem Bett. Wir liegen nicht.«
«Das ist allerdings ein Unterschied. «Er lächelte verlegen, dann setzte er sich neben sie und konnte nicht verhindern, auf ihre festen sportlichen Brüste zu blicken. Sie waren gerade so groß, daß sich eine Männerhand darüberlegen konnte. Er riß sich von diesem irritierenden Gedanken los und umklammerte seine Knie. Und wieder die unbeholfenen Hände!» Warum schlafen Sie nicht?«fragte er, als sie nicht mit der Unterhaltung begann, was er gehofft hatte.
«Weil ich wußte, daß Sie die Tür aufschließen werden«, antwortete sie.
Das verwirrte ihn so, daß er keine Worte fand. Sie saßen eine Weile nebeneinander, sahen den schnarchenden Blides an und kamen sich beide sehr dumm vor.
«Sie sagten, Sie könnten mir helfen?«begann Nicholson endlich.»Nur darum schloß ich die Tür auf.«
«Natürlich nur darum. Warum sonst!«Sie sagte es ganz nüchtern. Er bewunderte sie maßlos und dachte: Mein Gott, sie paßt zu mir. Wie gut paßt sie zu mir! Keine andere Frau kann so sein wie sie, kann genauso sein, wie ich sie mir vorstelle, solange ich an Frauen denke! Sie ist es! Da muß man dreiundvierzig Jahre alt werden, um das Gegenstück zu sich selbst zu finden, um die andere Hälfte zu entdecken, die aus einem erst den vollkommenen Menschen, den ganzen Jack Nicholson macht!» Und wie wollen Sie helfen?«
«Ich habe vier Freundinnen, für die der Sex fast der ganze Lebensinhalt ist. Sie bleiben noch drei Monate unter Wasser, davon einen ganzen Monat unter dem Nordpol, unter der ewigen Eisdecke, um dort Übungen zu machen.«
«Woher wissen Sie das?«
«Ihre Offiziere sind auf weichen Mädchenkörpern so mitteilsam wie Schallplatten!«
«Natürlich. Ich vergaß das. «Nicholson kaute an der Unterlippe, Monikas Nähe begann ihn zu beschäftigen. Er roch, daß sie sich mit Rosenseife gewaschen hatte, daß ihr Blondhaar nach einem herben Parfüm duftete, er bemerkte, daß die Warzen ihrer Brüste genau in der Mitte der festen Hügel saßen und schwach durch den Kleiderstoff stachen. Ihre Beine, die sie beim Sitzen von sich streckte, waren schlank und doch muskulös, die Fesseln alles andere als dürftig, nämlich gut durchgebildet. Beine, auf die man sich im Leben fest verlassen konnte. Beine, die nicht so leicht nachgaben. Beine, die einen Willen ausdrückten, so lustig das auch klingen mag. Ich bin das Leben, die Lust zum Leben… sagten sie.
Er schüttelte die Gedanken wieder ab und konzentrierte sich auf das Problem seines Bootes. Fünf Mädchen sind an Bord, und die Ordnung scheint zerbrochen.
«Ihr Vorschlag?«fragte er kurz.
«Setzen Sie uns wieder aus.«
«Unmöglich!«Er war bei ihren klaren Worten zusammengezuckt wie unter einem Schlag.
«Warum?«
«Meine Offiziere und die Mannschaft werden das verhindern. Sie meutern unter Garantie.«
«Und wenn wir das wollen? Ich könnte meine Freundinnen dazu überreden. Wir haben stundenlang darüber gesprochen. Endlich sehen sie ein, daß dreihundert Männer gegen vier Mädchen ein ungesundes Verhältnis ist! Lassen Sie uns mit unserem Gummifloß und genug Lebensmitteln wieder hinaus. Man wird uns schon auffischen.«
«Das geht nicht. «Nicholson vermied es, sie jetzt anzusehen.»Amtlich sind Sie bereits tot!«
«Was heißt das, Commander?«
«Ich habe der Admiralität gemeldet, daß ich Sie bereits ausgesetzt habe. Aber niemand hat Sie gefunden. Also sind Sie tot!«
«Das ist ja verrückt! Und wenn wir nach drei Monaten wieder auftauchen?«
«An die Zeit nach drei Monaten denke ich noch nicht, Miß Herrmann.«
«Und warum haben Sie das getan?«
«Um mein Boot zu retten!«Jetzt sah er sie doch an, und ihr Blick war wieder eine Heimat für ihn.»Und warum wollten Sie mir helfen und sich aussetzen lassen?«
«Auch, um Ihr Boot zu retten.«
«Ich danke Ihnen, Monika«, sagte er leise.»Sie sind eine wunderbare Frau.«
Plötzlich hatte er sie umarmt, und sie leistete keinen Widerstand, als er sie küßte. Er spürte ihre Brüste, ihre Wärme, ihre verhaltene Zärtlichkeit, ihre beinahe rührende Unsicherheit im Spiel der Liebe.
«Sag nicht, daß du mich liebst«, sagte sie, als sie sich trennten und wieder nebeneinander saßen.»Ich weiß es auch nicht. Aber irgend etwas ist mit uns los. Warten wir, ja?«
«Ja, warten wir. «Er seufzte. Es war ein Seufzen, mit dem sich ein Herz öffnet.»Wir haben so viel Zeit.«
Er hatte sie gerade wieder im Raum zwei eingeschlossen und war zu dem Bett zurückgekehrt, als Nicholson Schritte im Gang hörte. Er sprang auf, entsicherte die MPi und riß die Tür auf. Durch das Halbdunkel hetzte Oberleutnant Cornell zum Bordlazarett.
«Sir!«schrie er, als er Commander Nicholson im Licht des Vorraums stehen sah.»Sir, kommen Sie sofort zu den Offiziersunterkünften! Fähnrich Duff. der kleine Duff. «Er holte tief Luft.»Er ist tot, Sir! Man hat ihn mit seinem eigenen Kissen erstickt.«