Das Boot sank fast lautlos in die Tiefe. Dann hörte das Fluten der Tanks auf. Das monotone Rauschen und das Beben, das den ganzen Schiffskörper durchzog, machten einer tödlichen Stille Platz. Die POSEIDON I lag gleichsam gelähmt auf Grund und wartete. Die Motoren schwiegen. Die Männer auf ihren Gefechtsstationen starrten zu den Telefonen und Lautsprechern der Rundsprechanlage. Sie starrten auf die Signallämpchen. Die rote Alarmlampe zuckte noch immer. Jim Porter hatte im Torpedoraum alles klar gemacht, wie im Kriegsfall… im Raketenraum war die Unterwasserabschußanlage besetzt. Hier stand Leutnant Fairbanks am Befehlsgeber. Die Schußbahnen wurden von der Zentrale durchgegeben, die ihre Werte von den elektronischen Zieltastern bekam.
«Da ist was passiert!«flüsterte Porter und lehnte sich gegen einen Torpedo. Es war der Ersatztorpedo. Im Rohr I stak schußbereit der mit einem Atomsprengkopf bestückte Torpedo Nr. 1.»Da ist irgendwo eine ganz große Scheiße hingelegt worden. Jungs, ich sag euch, wenn es gleich heißt, Torpedo 1 fertig zum Abschuß, dann knallt die Welt in eine glatte Katastrophe!«
Commander Nicholson saß in der Zentrale und wartete auf die Ergebnisse der Sonarpeilungen. Von Chief Collins aber kam noch nichts. Seine feinen Horchgeräte tasteten den weiten Umkreis ab, und auf den zuckenden Geisterfingern des Radars erschienen Unebenheiten des Meeresbodens, Schatten großer Fische, aber nicht der gefürchtete massive Block eines anderen U-Bootes.
«Was ist, Collins?«sagte Nicholson nach zehn Minuten ungeduldig.»Warum melden Sie sich nicht?«
«Ich habe nichts im Sonar, Sir! Nichts, was alarmierend wäre.«
«Sehr gut. Dann schleichen wir uns!«
«Und die Landgänger, Sir?«
«Sie müssen zunächst allein weiterkommen.«
«Haben Sie Radar VENUS XI verständigen können?«
«Nein!«Nicholson blickte gegen die mit Kunststoff platten getäfelte Wand. Sie sind verloren, dachte er, wenn man die Radarstation nicht erreichen kann. Sie werden drüben an Land ihre gepolsterten Zelte aufschlagen und warten… und warten… und warten, denn sie glauben ja, wir haben Nachricht gegeben! Ob sie mit ihrem kleinen Kurzwellengerät VENUS XI erreichen können, ist fraglich. Und plötzlich fiel ihm ein, daß sie gar nicht mit der Radarstation in Verbindung kommen konnten, weil sie die Wellenlänge des Radarsenders nicht wußten. Sie stand in dem Buch der NATO-Stützpunkte, und das war geheime Verschlußsache.
Ihm wurde es so heiß bei diesem Gedanken, daß er sein Hemd aufriß und tief durchatmete. Keiner wird überleben, dachte er. Wer sucht hier schon nach Menschen?
«Bevor ich mit VENUS XI sprechen konnte, funkte mir der Admiral dazwischen, Collins«, sagte Nicholson. Seine Stimme klang seltsam hohl.»Und dann mußten wir sofort weg! Wir haben drei Russen im Nacken!«
«Dann sind die an Land verloren, Sir.«
«Dramatisieren Sie nicht gleich alles, Chief!«Nicholson stützte den Kopf in beide Hände. Er wußte: Was er jetzt sagen würde, war ein großer Selbstbetrug.»Wir spielen zwei Tage lang tote Fliege und tauchen dann wieder auf, um VENUS XI zu alarmieren. Zwei Tage mehr oder weniger, das halten sie an Land schon aus. Sie sind bestens ausgerüstet.«
«Und wenn bis dahin das Loch auch zugefroren ist, Sir?«
«Wenn! Wenn! Wenn der Hund nicht geschissen hätte, würde er den Hasen bekommen haben! Collins, Sie können kritische Situationen nicht mit dämlichen Wenns meistern!«
«Aber Sie wollen doch auf Schleichfahrt gehen, Sir! Das heißt, wir lassen die Landgänger allein.«
«Das ist ein Befehl des Admirals!«
«Der natürlich nichts von der Ausbootung weiß — «
«Sie sind ein kluger Junge, Collins! Wir alle kommen noch früh genug vor ein Militärgericht. «Nicholson beugte sich über die Seekarte. Dort, wo POSEIDON I jetzt lag, war vielleicht mit Ausnahme eines Sommermonats eine feste, geschlossene Packeisdecke. Erst nach knapp hundert Meilen begann der Treibeisgürtel, und dort lauerten die drei sowjetischen U-Boote. Die Luftüberwachung hatte sie deutlich geortet. Wenn es die Aufgabe der Sowjets war, die Küste Grönlands zu überwachen, war es möglich, daß auch sie von dem großen Loch im Packeis erfuhren und versuchen würden, es zu erreichen und dort aufzutauchen.
Wenn. wieder dieses verdammte Wenn! Es wirkte ansteckend, und man kam nicht darum herum. Adams Befehl lautete: Sofort ablaufen! Aber lief man damit nicht direkt den Sowjets in die Arme? Andererseits: Wenn man hier auf Grund wartete, war es möglich, daß die russischen U-Boote plötzlich neben der POSEIDON I lagen. Die Katastrophe wäre vollkommen!
«Wir bleiben liegen, Collins«, sagte Nicholson ziemlich vorsichtig. Als Collins den Satz pflichtgemäß wiederholte, zuckte er sogar zusammen.»Die Männer bleiben auf Gefechtsstation. «Er drückte einen anderen Sprechknopf. aus dem Atommaschinenraum meldete sich Chief McLaren.»Victor, wir bleiben liegen«, wiederholte Nicholson.»Aber richten Sie alles darauf ein, daß wir so schnell wie möglich und so leise wie möglich weglaufen können.«
«Verstanden, Sir. «McLarens Stimme war ruhig und überlegen wie immer.»Wenn vom Sonar rechtzeitig die Warnung kommt, verschwinden wir wie ein Gespenst.«
Das Katz-und-Maus-Spiel unter Wasser begann. Stunden, da die kostbaren Nerven aufgerieben wurden. Stunden, da man um Jahre altern kann. Stunden, da man wieder an Wunder und Glück zu glauben lernt.
Am Abend — sieben Stunden nach dem Alarmtauchen — summte es in der Zentrale. Nicholson schaltete auf Empfang. Collins' Stimme kam aus dem Sonarraum.
«Ein massiver länglicher Schatten Steuerbord, Sir. Noch unklar. Bewegt sich träge parallel zu uns.«
«Das sind sie!«Nicholson lehnte sich zurück.»Alles fertigmachen nach Plan Y! Und völlige Stille!«
Plan Y… das war die Selbstvernichtung. Der einzige Ausweg, damit Amerikas größtes Geheimnis auch wirklich ein Geheimnis blieb.
Nicholson öffnete die Lade seines Schreibtisches und holte das Bordbuch heraus. Die vielleicht letzte Eintragung in ein ebenfalls gefälschtes Dokument. Wenn man es einmal auffischen würde, konnte niemand ahnen, daß es von der POSEIDON I stammte. Nur die Eingeweihten wußten, wer die versunkene MS Lucky gewesen war. Für die Weltöffentlichkeit war es ein Fischfang-Mutterschiff, auch wenn später die Sowjets das hartnäckig bestreiten mochten. Eine Anklage ohne Beweise sind Worte und sonst gar nichts.
«Plan Y«, sagte Collins stockend.»Wir werden beten, Sir.«
«Sie haben uns betrogen!«schrie Joan. Sie saß neben Dr. Blandy auf einer Kiste mit Konserven und trommelte jetzt in wilder Verzweiflung mit den Fäusten gegen Blandys mächtigen Brustkasten.»Der Commander, dieser Dreckskerl! Dieser Lump, dieser Schuft! Er bringt uns alle um, alle, alle!«Dann weinte sie, drückte den Kopf gegen Blandys Schulter und begann heftig zu zittern.
Dr. Blandy starrte hinüber zu Oberleutnant Cornell, der neben dem Außenbordmotor saß. Bill Slingman, der schwarze Riese, bemühte sich mit der Reißleine, den abgestorbenen Motor wieder anzulassen.
«Was halten Sie davon, Bernie?«fragte Blandy stockend.
«Ich weiß es nicht, Doc. Ich habe keine Erklärung dafür.«»Ich bin der Ansicht, daß Nicholson uns nie auf diese Art verraten würde! Nie! Das wäre mehr als unmenschlich.«
«Er ist ein Unmensch!«schrie Lili ins Meer hinaus.»Er ist der leibhaftige Satan!«
Der kleine Motor tuckerte ein paarmal, aber er sprang nicht an. Anscheinend waren die Zündkerzen abgesoffen. Bill Slingman begann die Verkleidung abzuschrauben, um nachzusehen. Vor ihnen wiegte die Küste Grönlands auf und ab, so wie das Meer das kleine Gummiboot schaukelte. Eine in Jahrmillionen von Stürmen und Wasser zerfressene felsige Gegend, mit Eis überzogen. Trostlos, feindlich, urweltlich. Oben, wo die Felsen aufhörten, begann das Festlandplateau, ein flacher weißer Tisch, über den die Stürme fegten und auf dem nichts blieb, wenn die Eiswinde tobten.
«An die Ruder!«
Sechs Männer hoben die Ruder aus dem Boot und tauchten sie ins Wasser.
«Sechs Ruder klar«, meldete Tami Tamaroo. Er hockte, dick vermummt, auf der linken Seite des Bootes und hatte wieder Heimweh nach seiner sonnigen und warmen Heimat. Bernie Cornell blickte noch immer auf den Fleck, wo vor wenigen Minuten die POSEIDON I im Meer gelegen hatte. ein graublaues, langgestrecktes und schönes Ungeheuer. Dr. Blandy löste sich vorsichtig von der weinenden Joan und stieg hinüber zu Cornell. Slingman am Motor fluchte gottserbärmlich. die Zündkerzen waren total verrußt. Als Blandy an Monika vorbeikam, blieb er stehen.
«Hätten Sie das von Jack gedacht?«fragte er leise.
Sie sah ihn an, und in ihren Augen war keine Spur von Angst oder gar Panik.
«Er wird seine Gründe haben, Doc«, sagte sie ruhig.
«Sie glauben fest an ihn, was?«
«Ganz fest. Sie nicht?«
Das war eine Frage, die Dr. Blandy im Augenblick nicht beantworten konnte. Als das Boot vor seinen Augen einfach wegsackte, hatte er genauso gedacht wie Lili Petersen und Joan Hankow. Er hat uns alle beschissen! Mit diesem ganz wüsten Trick von der Radarstation VENUS XI hat er uns vom Boot gelockt. Sein geliebtes Boot… für diesen geheimen Scheißkasten würde er alles opfern, das hatte Blandy nun oft genug erlebt. Aber daß er Cornell, fünfzehn der besten Männer und ihn, Blandy, auch mit solch kalter Berechnung opfern konnte, das zu begreifen war verdammt hart.
«An Land werden wir sehen, was wirklich los ist«, sagte Blandy ausweichend.»Jack ist ein Kerl aus Eisen, aber sein Herz pumpt trotzdem nur Blut! Und da er Sie liebt, Monika — «
«Das hat nichts zu bedeuten, Doc!«Sie lächelte ihn an, und plötzlich begriff Blandy, weshalb Nicholsons Knie weichgeworden waren, als er Monika sah. Sie war ihm so ähnlich, daß das Schicksal gar nicht anders konnte, als sie irgendwann und irgendwie zusammenzuführen.
Die Ruder klatschten ins Wasser. Mit kräftigen Schlägen zogen die sechs Männer das Schlauchboot zur Küste. Leutnant Hendricks gab das Tempo an, seine helle Stimme war neben dem Klatschen der Ruder der einzige Laut in dieser weißen eisigen Stille.
«Eins-zwei… eins-zwei… eins-zwei…«
Dr. Blandy ging zu Oberleutnant Cornell. Er half Slingman beim Putzen der Kerzen. Überall stank es nach heißem Benzin und Schmieröl.
«Haben Sie sich die Küste mal angesehen?«fragte Dr. Blandy und nickte zum Land hin.»Wo wollen Sie da anlegen? Durchs Fernglas sah es manierlicher als jetzt in der Nähe aus. Überall Steilküste. Sollen wir uns hochseilen? Wir sind von der Marine, Bernie, aber keine Gebirgsjäger!«
«An jeder Küste gibt's einen Landeplatz. «Cornell putzte sich die öligen Hände an einem Lappen ab, den Slingman unter die Achsel geklemmt hatte.»Außerdem weiß ich nicht, ob es richtig ist, auf dieses verdammt flache Land zu klettern. Der nächste Sturm kommt bestimmt, und dann müssen wir uns mit Stahlhaken ins Eis krallen.«
«Und wenn wir unten am Wasser bleiben, finden uns die Leute von VENUS XI nicht.«
«Ein Kommando von sechs Mann und mit gepolstertem Zelt wird nach oben klettern und mit dem Funkgerät versuchen, Kontakt aufzunehmen! Auch wenn wir die Frequenz nicht kennen… wir werden alle zwei Stunden über alle möglichen Wellen unser SOS senden! Irgendeiner wird uns schon hören.«
«Und dann todsicher die Falschen!«Slingman hatte die Kerzen wieder eingeschraubt. Er riß zweimal an der Leine, und der Motor sprang wieder an. Über sein dickes schwarzes Gesicht lief ein fast kindliches Leuchten. Zwei verrußte Kerzen — da haben wir in Korea und Vietnam ganz andere Dinger wieder ans Laufen bekommen!
«Ruder einziehen!«
Das Schlauchboot glitt jetzt schnell der Küste Grönlands zu, und je näher sie kamen, um so rauher, feindlicher wuchs die Steilwand vor ihnen hoch. Ein Gletscher schob sich ins Meer, blauweiß in der kalten Sonne funkelnd.
«Man kann überall landen«, wiederholte Dr. Blandy spöttisch Cornells Worte.»Wenn Sie das auf der Marineschule gehört haben, war Ihr Lehrer bestimmt nicht in der Arktis! Sie sollten ihm von hier eine Ansichtskarte schicken, Bernie.«
«Da hinten ist eine Bucht, Doc!«
«Und die Felsen sind glatt wie ein Kinderarsch! Da bin ich aber gespannt, wo Sie sich festhalten werden!«Er drehte sich um und blickte wieder zurück auf die Stelle, wo die POSEIDON I gelegen hatte.»Ich begreife es nicht, Bernie! Es will nicht in meinen Verstand! Jack kann uns doch nicht allein lassen.«
«Es war ein Alarmtauchen, Doc.«
«Und wenn! So viel Zeit, um uns zurück an Bord zu holen, hatte er immer noch! So brandheiß kann es hier nicht sein! Einsamer als hier geht's doch nicht! Kein Vogel am Himmel. Keine Robbe auf dem Eis. Was soll hier einen Alarm auslösen?«
«Ich weiß es nicht. «Bernie Cornell lenkte das Schlauchboot in die weit geschwungene Bucht hinein.»Sehen Sie, Doc, wir haben Glück. Die Felsen sind nur zum Teil vereist. Irgendwie ist hier ein Wärmeloch, daher die freie See. Dort legen wir an!«
«Und dann hissen wir das Sternenbanner und blasen ein schönes Signal!«sagte Blandy sarkastisch.»Das sieht Ihnen ähnlich. Nicholsons Schule! Bis zum Einbruch der Dunkelheit müssen wir ein festes Lager haben, ist Ihnen das klar?«
Cornell drosselte den Motor etwas. Die zerklüftete Felswand kam auf sie zu, als wolle sie das kleine Schlauchboot erdrücken. Mit weiten Augen starrten die Mädchen sie an. Dr. Blandy steckte die Hände tief in die Taschen seines Lammfellmantels. Er hatte den Pelzkragen hochgeschlagen, die Fellmütze tief heruntergezogen, nur sein breites Gesicht trat aus dem Kranz der mit kleinen Eiszapfen behange-nen Haare hervor. Cornell sah ihn fragend an.
«Sie glauben nicht, daß der Commander bis zur Dunkelheit wieder auftaucht?«fragte er.
«Nein! Ich habe das verdammte Gefühl, daß man uns tatsächlich alleingelassen hat! Bernie, sagen Sie es nicht den anderen, sagen Sie genau das Gegenteil. Wenn jetzt Panik aufkommt, sind wir hundertprozentig verloren. So haben wir noch einige Prozent Chancen!«
Er stand wie ein Turm im Boot und betrachtete die Küste Grönlands. Das eine Prozent Überlebenschancen kam langsam näher: Ein zerklüfteter Felsen mit verschiedenen kleinen, vom Meer und den Winden in Jahrmillionen herausgefressenen Höhlen. In ihnen konnte man wohnen. bis man verhungerte.
Commander Nicholson war zu Collins in die Peil- und Sonarzentrale gestiegen und beobachtete stumm den im Radarstrahl länglichen Fleck. Die Sonarpeilung und die elektronischen Rechner gaben die genaue Position an. Die Russen machten sich keine Mühe, leise zu sein. In ihrem Boot herrschte Jubel, Trubel, Heiterkeit — verglichen mit der Totenstille, die über POSEIDON I lag. Warum sollten sie auch vorsichtig sein? Sie fühlten sich allein in dieser gottverlassenen Gegend, vollkommen sicher und unbeobachtet. Sie schwammen zwar in einem Gewässer, das völkerrechtlich zu Dänemark gehörte, aber Dänemark war fern, das Packeis war über ihnen und außer einigen Mes-sungen über die Struktur des Meeresbodens war dieser Teil der Welt völlig uninteressant. Man wußte zwar, daß es hier NATO-Radar-stationen gab, aber das waren alte Hüte, um die man sich nicht zu kümmern brauchte. Wichtiger war, ob sich der Meeresboden unter dem Ewigen Eis dazu eignen würde, U-Boot-Versorgungsbasen zu gründen, unterseeische Magazine, wo U-Boote sich verpflegen und >regenerieren< konnten. Ein gewagter Plan, den das sowjetische Marine-Oberkommando ausgearbeitet hatte. Depots unter dem Packeis. Von keiner Seite mehr angreifbar, bis auf das gegnerische U-Boot! Und auch dagegen hatte man vielleicht Mittel: Einen Strahlenschutz, der jeden Herankommenden sofort meldete.
«Es ist nur einer«, sagte Nicholson leise.»Mein Gott, sind die Jungs sorglos! Ich möchte wetten, die haben ihr Sonar gar nicht eingeschaltet und fahren mit vollen Scheinwerfern, damit man die schönen Fische beobachten kann. «Er lehnte sich zurück und nahm die Zigarette an, die ihm Chief Collins reichte.»Wo schwimmt er jetzt?«
«Am Rande des freien Wassers, Sir. Auch die Sowjets haben gemerkt, daß hier die Natur plötzlich verrückt spielt. «Die elektronischen Peilungen tickten die Ergebnisse heraus, genaue Berechnungen, die ein Computer kontrollierte und verfeinerte. Auf den Meter genau konnte man sich darauf verlassen.»Die Lage wird kritisch, wenn sie auftauchen.«
«Und das werden sie. «Nicholson saugte nervös an seiner Zigarette. Nach drei Zügen hatte er die halbe Länge geschafft.»Ich täte es ja auch! Warum sollen die Russen anders auf dieses Naturphänomen reagieren? Wenn bloß Cornell an Land keinen Blödsinn macht. Oben ist es jetzt dunkel. Stellen Sie sich vor, die Russen tauchen auf und sehen Feuer an Land! Oder anders herum. Die Russen kommen hoch in voller Festbeleuchtung, und Cornell denkt, wir sind's! Er ahnt ja nichts von der Anwesenheit der Sowjets. Dann wird er Signale geben mit der Blinklampe.«
«Ganz sicher, Sir. «Collins starrte auf das Radarbild. Das russische Boot kam näher.»Alles okay, wird er blinken. Mädchen und Mannschaft gesund. Sir — «
«Was haben Sie, Collins?«
Nicholson sah seinen Chief-Navigator erstaunt an. Er hatte sich an dieses verkniffene Gesicht gewöhnt, an diesen etwas schiefen Pfeifenrauchermund, an welchem man erkennen konnte, daß Collins die Pfeife hauptsächlich im linken Mundwinkel hängen hatte. Aber jetzt war dieses Gesicht kantig und wie roh behauen, und die Augen darin waren fast so erschreckend wie ein Haiblick.
«Sir, in etwa zwanzig Minuten kreuzen die Sowjets genau unsere Torpedorohre. Sie werden genau breitseits stehen.«
«Collins, Sie sind total verrückt!«Nicholson warf die Zigarette in einen mit Wasser gefüllten Aschenbecher. Zischend verglühte sie.»Jagen Sie sofort diesen Gedanken aus Ihrem Hirn!«
«Es ist eine bessere Lösung, als uns selbst zu versenken. Ein sowjetisches U-Boot wird vermißt. Das ist alles. Sie werden keine Zeit haben, einen Notfunkspruch loszulassen. Wenn wir sie treffen, zerplatzen sie wie ein rohes Ei. «Collins beugte sich über den Tisch, und seine Stimme wurde beschwörend. Er hat Angst, dachte Nicholson fast beruhigt. Der sonst so souveräne Collins hat eine hündische Angst vor dem Sterben. Er ist also auch nur ein Mensch und nicht nur ein Teil seiner Elektronik.»Sir, ich will nicht mehr daran denken, aber der Gedanke ist faszinierend, das müssen Sie zugeben.«
«Der Gedanke ist Mord, Frank! Außerdem haben wir es mit drei russischen U-Booten zu tun.«
«Aber nur eins ist im Packeisgürtel.«
«Doch im ständigen Kontakt mit den anderen, das ist doch wohl klar? Plötzlich reißt der Kontakt ab… das jagt uns die andern auf den Hals! Frank, schätzen Sie Ihr Leben höher ein als einen neuen Weltkrieg, einen Krieg, diesmal mit Atomen, mit der Verseuchung ganzer Erdteile — ein Krieg, bei dem vielleicht unser ganzer Erdball zugrunde geht?«
«Es war nur ein Gedankenspiel, Sir. «Collins lehnte sich wieder zurück. Die Sonarpeilungen und die Radartastungen zeigten an, daß das sowjetische U-Boot langsam näherkam. Es schlich sich zu dem Loch im Packeis.
Nicholson griff zur Rundsprechanlage.»An alle«, sagte er leise, aber überall im Boot verstand man ihn genau.»Ich befehle völlige Ruhe. Die Freiwachen legen sich ins Bett, die Männer auf Gefechtsstation rühren sich so wenig wie möglich. Die Küche stellt den Betrieb sofort ein! Jedes Klappern, jedes Geräusch kann uns verraten! Die Luftfilter werden gedrosselt. Rauchen ist verboten. Ende.«
Nicholson schaltete ab. Das akustische Sonargerät piepste leise. In der vollkommenen Stille klang es wie Glockengeläut. Nicholson starrte Collins an.
«Kann man das nicht auch hören?«sagte er leise.
Collins schüttelte den Kopf.»Nein, Sir. Es liegt unterhalb der Empfangsgrenze. Der Russe ist jetzt vierhundert Meter von uns steuerbord. - Er müßte uns auch im Radar haben, oder die Kerle da drüben schlafen.«
«Da Sie ein gläubiger Mensch sind, Frank, bitten Sie Gott, daß sie tatsächlich schlafen.«
«Ich werde es tun, Sir!«Collins sah seinen Commander an.»Soll ich für Sie mitbeten?«
«Tun Sie das«, sagte Nicholson dumpf.»Mich hört er doch nicht an.«
Das Schlauchboot hatte die Küste erreicht. oder das, was Cornell optimistisch Küste nannte. Vor dem eigentlichen Land, den zerklüfteten Felsen, lag ein Riegel aus aufeinandergetürmten Eisschollen, vielleicht dreißig Meter breit und drei Meter hoch. Erst dann ging das Eis ins Festland über, in eine Steilküste, die Cornell auf zwanzig Meter schätzte.
Der kleine Außenbordmotor tuckerte mit halber Kraft, dann stellte ihn Slingman ganz ab und ließ das Gummiboot gegen die Eisbarriere treiben. Tamaroo und drei andere Matrosen standen an der Seite, Seile mit Enterhaken und Stangen mit Stahlhaken in den Händen. Sie warteten, bis sie das Eis erreichen konnten.
«Daß wir zum Nordpol fahren, war mir bekannt«, sagte Dr. Blan-dy zu Monika. Die Mädchen hockten beisammen in der Mitte des Bootes und zitterten trotz der dicken Pelze.»Aber daß ich einmal wie Amundsen über das Ewige Eis wandere, das steht in keinem Marinevertrag! Bernie, Ihre schöne Küste ist ein Mist!«
«Ich bin bei Kriegsübungen im nördlichen Alaska schon anders an Land gekommen, Doc!«rief Cornell zurück.»Achtung! Fertigmachen zum Entern. Jetzt!«
Die Eisbarriere stand vor ihnen, Scholle über Scholle gedrückt, wie eine Treppe. Die Seile mit den Haken flogen herüber, die Stangen hakten zu, die stählernen Greifer gruben sich ins Eis. Das Boot schwankte, aber dann lag es sicher und ruhig im Wasser.
«Haken halten, Oberleutnant!«meldete Tamaroo.
Leutnant Hendricks war der erste, der mit einem mächtigen Satz auf das Eis sprang und dort schlitternd gegen die nächste Eisscholle prallte. Unterdessen zogen die Matrosen das Boot an den Seilen näher heran, bis es unmittelbar am Rande der Barriere lag. Bernie Cornell lachte zu Dr. Blandy hinüber und machte eine einladende Handbewegung.
«Bitte treten Sie ruhig näher, Doc!«rief er.»Ich kann Ihnen sogar eine Treppe bieten! Was wollen Sie mehr?«Er stieg hinüber aufs Eis, kletterte die Schollen hinauf und blieb oben auf dem Eispanzer stehen. Leutnant Hendricks folgte ihm.»Ein wunderbarer Platz!«rief Cornell.»In den Felsen gibt es tatsächlich Höhlen. Und auf das Plateau zu kommen, dürfte auch kein Problem sein!«
Dr. Blandy nickte und hob die breiten Schultern.»Soweit sind wir schon, daß wir uns für Erdlöcher begeistern!«sagte er.»Meine Damen, darf ich bitten? Wir haben das beste Hotel am Platze für Sie reserviert.«
Aus dem Boot flogen bereits die ersten Kisten und Seesäcke auf die Eisbarriere. Sieben Mann waren schon drüben und halfen jetzt den Mädchen an Land. Wortlos ließen sie sich aus dem Boot heben, nur Joan blieb sitzen. Leutnant Hendricks und zwei Mann waren bereits auf dem Weg zum eigentlichen Festland. Es war eine mühsame und sehr rutschige Kletterei über die bizarren Eisschollen.
«Und Sie, Miß Hankow?«fragte Dr. Blandy und zupfte an ihrer Pelzkapuze.
«Ich will zurück zum Boot!«sagte Joan verbissen.
«Dann springen Sie mal ins Wasser. Tauchen Sie unter und suchen Sie den Kasten!«
«Ich habe als freie Amerikanerin meine unantastbaren Rechte! Dazu gehört, daß man mich nicht einfach aussetzen darf!«
«Da haben Sie recht«, antwortete Blandy spöttisch.»Bitte richten Sie einen Antrag in dreifacher Ausfertigung an die Beschwerdestelle des Repräsentantenhauses. Bis man über Ihren Antrag entschieden hat, und bis Sie die Nachricht haben, können Sie hier ja Eiszapfen spielen.«
«Haben Sie eine Ahnung, wie es weitergeht?«
«Man wird uns in drei oder vier Tagen abholen und zur Radarstation bringen. Dort haben Sie dann Gelegenheit genug, ausgehungerte Männer ins Bett zu bekommen.«
«Können Sie dafür garantieren?«
«Daß Sie einen Mann im Bett haben? Ich würde darum sogar eine Wette abschließen.«
«Daß man uns abholt, Doc!«schrie Joan fast hysterisch.»Warum ist Nicholson so plötzlich weggetaucht? Mir machen Sie nichts vor! Da ist eine Schweinerei im Gang.«
«Sie vergessen, daß Sie nicht allein an Land gebracht wurden, sondern fünfzehn Matrosen und drei Offiziere ebenfalls. Trauen Sie dem Commander zu, uns einfach im Ewigen Eis sitzenzulassen?«
«Ich traue ihm alles zu! Ich will zurück zum U-Boot!«
«Das ist nun ein Wunsch, den selbst eine Märchenfee nicht erfüllen kann. Joan, seien Sie nicht so stur! Da drüben haben wir Höhlen, wir können halbwegs geschützt und warm abwarten, bis man Sie abholt. Sobald wir wissen, daß die Männer von VENUS XI in der Nähe sind, lassen wir Sie und die anderen Damen allein und gehen zurück an Bord. Sie werden dann drei oder vier Stunden ganz unter sich sein. Und sie können sich auf die neuen Männer vorbereiten.«
«Ihr seid die miesesten Burschen, die ich je kennengelernt habe!«sagte Joan und erhob sich von dem Holzbrett, das ihr als Sitz diente.»Daß ausgerechnet ihr uns auffischen mußtet!«
«Zwei Stunden später wär's aus gewesen, Mädchen!«Dr. Blandy half ihr, den Seesack mit ihrer Verpflegung zum Bootsrand zu tragen. Dort wartete Tamaroo darauf, Joan auf die Eisbarriere weiterzureichen. Monika und Lili waren schon auf dem Weg zum Festland. Evelyn und Dorette sprachen auf Bill Slingman ein. Man konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber offensichtlich waren es Fluten von Fragen, die der gute schwarze Bill nicht beantworten konnte.»Wissen Sie überhaupt, wie nahe Sie dem Tode waren, Joan?«
«Mag sein. Und Sie haben uns gerettet, Sie allein, Doc. das ist mir klar geworden. Der Commander hätte uns weiterschwimmen lassen. «Sie lächelte plötzlich und schob sich nahe an Dr. Blandy heran.»Ich weiß nicht, warum gerade Sie immer einer Dankbarkeit ausweichen.«
«Das hat einen simplen Grund, Joan!«Dr. Blandy sah hinüber zu der Eisbarriere. Dorette und Evelyn hatten begonnen, sich durch die Eisschollenlandschaft zu quälen.»Sie sind nicht mein Typ. Ich habe eine große Schwäche für rote Haare.«
«Also Evelyn.«
«Vergessen Sie's, Joan!«Dr. Blandy winkte energisch ab. Es war das erstemal, daß er gestand, auch nur ein Mann zu sein und das kleine rote Biest nicht nur mit den Augen des Mediziners zu sehen.»Wenn Sie das weitererzählen, Joan, setze ich Sie mit dem nackten Hintern aufs Eis, so wahr das da drüben Grönland ist!«
Es dauerte drei Stunden, bis das Schlauchboot entladen, das ganze Material über den Eisriegel geschafft und der endgültige >Wohnsitz< bestimmt war. Bernie Cornell und Leutnant Hendricks hatten die Höhlen inspiziert. Es waren ziemlich flache Auswaschungen, die größte knapp vier Meter tief und zwei Meter hoch, nicht mehr als ein paar Kratzer in den Felsen, aber immerhin gut genug, um vier Tage — höchstens vier Tage, dachte Cornell — darin überleben zu können. Mit den kleinen Propangasöfchen konnte es sogar gemütlich warm werden, wenn man die Höhleneingänge mit Dek-ken verhängte.
Weniger gemütlich hatte es der Trupp, der auf das Plateau klettern mußte und dort zwei gefütterte Zelte aufschlagen sollte, um dann mit Hilfe des kleinen Kurzwellensenders zu versuchen, VENUS XI irgendwie zu erreichen. Das war möglich, wenn man auf allen Wellenlängen das SOS funkte.
Monika hatte die große Höhle, in der die Mädchen wohnen sollten, schon bezogen, als Dr. Blandy und Joan nach einer mühseligen Rutschpartie endlich eintrafen. Leutnant Hendricks und sieben Mann waren mit Steigeisen, Haken und Seilen bereits in der Steilwand der Küste und kletterten nach oben. Das >Unternehmen Grönland< spulte sich mit militärischer Korrektheit ab. Keine Minute wurde verschenkt. Bis die Nacht kam — eine ziemlich helle Nacht hier im hohen Norden — mußten die Zelte auf dem Land stehen.
Bill Slingman half, die Höhle einzurichten. Er hatte den Propangasofen angezündet und schlug jetzt Haken in den Fels, wo er die Decken aufspannen wollte. Drei Säcke mit Konserven, Hartwurst, Brot in Dosen, Butter, Schokolade, Kaugummi, gepreßtem Tee, Marmelade und Fruchtstangen lagen im Hintergrund der Höhle. Ein Matrose war gerade dabei, mit einer Tretpumpe die Luftmatratzen aufzublasen. In der Höhle nebenan hatte sich Cornell niedergelassen. Nach guter alter amerikanischer Tradition ließ man auch hier eine kleine Fahne flattern. Die Höhle links neben den Mädchen, etwa drei Meter tief, war für Dr. Blandy reserviert. Der Sanitätskoffer mit dem roten Kreuz auf dem Deckel besaß bereits seinen festen Platz. Die anderen Matrosen verteilten sich in kleinere Auswaschungen, meistens reichten sie gerade für zwei. Aber sie boten Schutz vor der Kälte und den Winden, die man erwartete, denn ein so stiller Tag war ungewöhnlich.
«Hier kann man's aushalten!«sagte Dr. Blandy.»Kinder, was sind vier Tage? In vierzehn Tagen glaubt ihr, das alles nur geträumt zu haben! Das ist ja fast luxuriös hier! Was glaubt ihr, wie wir manchmal in Vietnam — «
«Hören Sie mir bloß auf mit Ihrem Mist-Vietnam!«unterbrach ihn
Lili grob.»Ihr kotzt mich alle an! Ihr seid alle gleich! Dreihundert Mann, die ihr U-Boot wie eine Geliebte behandeln. Es ist einfach pervers!«
Sie setzte sich auf die bereits aufgeblasene Luftmatratze, stützte das Kinn in beide Händen und heulte.
Am Abend hatte sich der Landungstrupp eingerichtet. Die beiden Zelte standen oben auf dem Plateau, in den Höhlen blubberten die Gasöfen, Tamaroo, der die >Küche< übernommen hatte, war glücklich, weil sein Abendessen — Gulasch auf hawaiisch — allen geschmeckt hatte, vor allem, weil es Durst machte und man Grund hatte, Whisky zu trinken. Die Mädchen sahen aus, als wären sie nach Grönland gekommen, um dort Mannequin-Fotos zu machen. Sie hatten sich geschminkt, sich gegenseitig die Haare frisiert. Sie wirkten daher trotz ihrer gesteppten langen Hosen in den dicken Fellstiefeln und den dicken Wollpullovern so aufreizend auf die Männer, daß Bernie Cornell befahl, die Decken vor den Höhlen herunterzulassen.
«Nachtruhe!«
Aber es gab keine Ruhe. Neben Cornells Höhle lagen Bill Sling-man und Tami Tamaroo in ihrer Felsspalte und rauchten. Eine kleine Gaslampe erhellte den engen Raum. Es war warm hier drinnen, sie hatten die Pullover ausgezogen und eine leichte Decke über ihre Körper gezogen. Slingman, der schwarze Riese, war wie ein Ofen. Er dampfte förmlich. Es roch nach süßlichem Schweiß. Er zog die Beine an, streckte sie wieder aus und grunzte dabei wie ein Ferkel — immer und immer wieder, bis Tamaroo ihm den Ellbogen in die Seite stieß.
«Lieg endlich still, du schwarzes Nashorn!«
«Mensch, nenn das Wort Horn nicht!«Slingman schnaufte laut. Er zog die Beine wieder an.»Ich komm da einfach nicht drüber weg.«
«Worüber?«
«Vorhin, als wir über das Eis kletterten, da habe ich Dorette eine ganze Zeit getragen, weil sie immer ausrutschte. Und verdammt, ich rutsche auch mal aus, knalle mit dem Rücken gegen das Eis, aber ich kann sie festhalten, packe richtig zu und hab sie fest. Aber wie!
Mit der rechten Hand an der Brust, mit der linken zwischen den Beinen! Zufall, purer Zufall. Und als ich wieder sicher auf den Beinen stehe, lächelt sie mich an, so ein verfluchtes Lächeln, das einem unter die Haut geht. Ich sage: Verzeihung, Miß. Sie sagt: Auszurutschen ist auch ganz schön. Ich hab sie dann aufs Eis gestellt. Aber seitdem brennen meine Hände. «Er schob seine gewaltigen Hände über die Decke und hielt sie mit gespreizten Fingern hoch.»Es geht nicht weg, Tami. Ich spür's noch immer. Rechts die Brust, links zwischen den Beinen. Und wie sie mich angelacht hat.«
«Mach die Schnauze zu und schlaf«, sagte Tamaroo grob.
«Ich muß immer daran denken. Und dann ist über die Toppen geflaggt. Ich kann mir doch das Ding nicht abschlagen.«
«Am besten wär's! Bill, nimm doch mal 'nen Spiegel und guck rein!«
«Ich weiß, ich bin ein Nigger!«Slingman trat mit den nackten Fußsohlen gegen die Felsen.»Aber ich hab vier Tapferkeitsmedaillen! Ich bin der höchstdekorierte Soldat auf dem Boot! Wenn ich den Kopf hinhalten mußte, war ich kein Nigger mehr! Verdammt noch mal, ich schlage jedem den Schädel ein, der behauptet, ich sei nicht wert, Dorette zu bumsen!«
«Frag sie selbst. «Tamaroo wälzte sich zur Seite.»Hier stört dich kein Commander. Aber denk an Belucci und den kleinen Duff.«
«Der Mörder ist auf dem Boot geblieben.«
«Weißt du das so genau, Bill?«Tamaroo zog seine Decke bis zum Kinn.»Gieß dir kaltes Wasser drüber, das ist ungefährlicher.«
Dr. Blandy zuckte hoch und wußte im ersten Augenblick nicht, was ihn geweckt hatte. Ein Geräusch, ein kalter Luftzug? Er richtete sich auf, saß auf seiner Luftmatratze und starrte ins Dunkel. Die Decke hing vor dem Höhleneingang, die Gaslampe hatte er vor dem Einschlafen ausgedreht, links an der Höhlenwand flackerte der Gasofen, aber das winzige Flämmchen gab kein Licht her. Trotzdem hatte Blandy das Gefühl, nicht mehr allein in der Höhle zu sein. Er tastete vorsichtig und lautlos nach seiner Hose und dem Gürtel, an dem die
Pistole hing.
Ein leises Rascheln in der Dunkelheit verriet ihm, daß tatsächlich jemand zu ihm geschlichen war. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Angst empfand er nicht, aber eine ungeheure Spannung zuckte geradezu schmerzhaft durch jeden Muskel. Ganz langsam streckte er die Hand aus, um mit einem Griff die Flamme des Ofens höher zu drehen, damit er wenigstens etwas sehen konnte.
Das Rascheln wurde lauter, und plötzlich war ein Körper neben ihm, zwei Arme umschlangen ihn, und als er eine instinktmäßige Abwehr versuchte, griff er in ein glattes festes Fleisch und spürte unter seinen Fingern die Rundungen von Schultern und Brüsten.
«Was soll der Quatsch!«knurrte er.»Verdammt, wer sind Sie?«
«Joan hat mir gesagt, daß du scharf auf mich bist.«, sagte eine bekannte Stimme.»Wer hätte das ahnen können. Gerade unser Doc — «
«Evelyn«, sagte Dr. Blandy heiser. Er befühlte sie. Er fand ihre Brüste, ihren Schoß, ihre Schenkel. Sie wurde Wachs in seinen Armen. Er legte sie neben sich auf die Luftmatratze und spürte unter seinen weitertastenden Händen, daß sie fast nackt war und daß das Rascheln, von dem er erwacht war, das Abstreifen ihrer Kleidung gewesen war. Eine wohlige, fast betäubende Wärme durchzog ihn. In seinem Kopf begann es zu rauschen, als stürze sein Blut wild durch die Adern.
«Du bist verrückt«, sagte er und atmete schwer. Das Spiel ihrer flinken Finger jagte elektrische Ströme durch seinen Körper. Er hielt ihre Hände fest, drückte ihre Arme nach oben über ihren Kopf und schob sie unter die Haare.»Du verdammtes kleines Biest«, keuchte er.»Man sollte dich an die Felswand fesseln!«
Er fiel auf sie und erdrückte sie fast mit seinem Gewicht. Sie stöhnte leise, aber nicht vor Schmerz, sondern aus Lust, ihn zu tragen, und als sie die Beine hochriß und über seinen Hüften kreuzte, ergab sich Dr. Blandy spontan dem Begehren, das in ihm loderte.
«Du bist ein herrlicher Mann!«stammelte sie und biß ihn in den Hals.»Ein herrlicher, herrlicher, herrlicher Mann.«
Sie waren gerade auseinandergefallen, schwitzend, nach Luft jap-send, in nasser, dampfender Nacktheit, als die Decke am Eingang zur Seite gerissen wurde. Mit der eisigen Kälte kam zugleich ein Mann in Blandys Höhle gestürzt. Noch bevor Blandy etwas sagen konnte, erkannte er an der Stimme Oberleutnant Cornell.
«Doc!«keuchte Cornell.»Kommen Sie raus! Das müssen Sie sehen!«
«Gleich, Bernie. «Blandy legte die Hand auf Evelyns Mund.»Ich zieh mich rasch an. Warten Sie draußen.«
«Werfen Sie den Pelz über und stecken Sie den Kopf raus! Ich weiß, daß Evelyn bei Ihnen ist.«
«Bernie«, sagte Dr. Blandy stockend.»Ich muß Ihnen erklären — «
«Blödsinn, Doc. Ich weiß es von Joan, sie ist bei mir! Slingman hat sich Dorette geholt. Er ist einfach in die Höhle gegangen und hat sich die Kleine wie King-Kong über die Schulter geworfen. Lili ist bei Obermaat Yenkins. Nur die brave Monika schläft solo. Doc, kommen Sie mit!«
«Wozu denn, Bernie? Gibt es bei Slingman Komplikationen?«
Cornell riß die Decke zur Seite und ging wieder hinaus. Blandy warf tatsächlich nur den dicken Pelz über seinen nackten Körper und trat an den Ausgang der Höhle.
«Vor zehn Minuten weckt mich das Walkie-talkie«, sagte Cornell. Er lehnte draußen an der Felswand, dicht vermummt. Die Nacht war klar und ziemlich hell.»Ich war gerade eingeschlafen, ziemlich müde.«
«Joan ist ein scharfes Ding, Bernie«, sagte Blandy kumpelhaft.
«Von oben meldet sich Hendricks. Ganz aufgeregt. >Sie sind wieder da!< ruft er im Walkie. >Sie sind aufgetaucht. Soll ich Signale ge-ben?< Ich raus, sehe das Boot und falle fast um! Ich habe sofort befohlen, alle Lichter zu löschen. Oben sind sie jetzt dabei, eine Schneewand vor die Zelte zu bauen, damit man sie nicht sieht. Doc… sehen Sie sich das mal an!«
Cornell reichte Blandy das Fernglas. Seine Hand zitterte stark.
«Wo?«fragte Blandy und starrte über das schimmernde Meer.
«Nordöstlich, Doc. Sehen Sie den Eisberg mit der abgebrochenen Spitze? Davon etwa vierzig Meter nach links.«
Dr. Blandy folgte Cornells Angaben. Er tastete das Meer ab und hatte plötzlich den länglichen Gegenstand im Fernglas. Er hob sich vom Packeis wie ein Schatten ab. ein schlanker runder Leib, in der Mitte ein ziemlich hoher Aufbau. Dr. Blandy setzte das Glas ab.
«Nicholson«, sagte er zufrieden.»Auf den Commander ist Verlaß!«
«Sie fallen genauso drauf herein wie Hendricks!«Cornell riß das Fernglas wieder an sich und blickte hinüber zu dem Boot.»Doc! Das ist nicht unsere POSEIDON!«
«Unmöglich, Bernie!«
«Das ist ein sowjetisches Boot!«
Dr. Blandy schwieg. Seine Kehle war trocken und zu keinem Laut mehr fähig. Schweigend nahm er noch einmal das Fernglas und starrte zu dem länglichen Schatten. Es stimmte. Die Aufbauten, der Turm der POSEIDON, waren anders. Jetzt erkannte es Blandy auch.
«Das Alarmtauchen«, sagte er heiser und ließ das Fernglas in Cornells Hand fallen.»Mein Gott, ich möchte jetzt nicht an Nicholsons Stelle sein.«