Epilog

Zachariah liebte die Aussicht auf New York City.

Ab und zu, wenn er ein wenig Freizeit hatte – das passierte in letzter Zeit nicht oft –, war er an einen Ort gegangen, der ihm zeigte, welche guten Dinge die Menschen vollbringen konnten, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatten.

New York war nicht Zachariahs liebste Stadt, aber es war wahrscheinlich diejenige, die er von denen, die noch übrig waren, am liebsten betrachtete.

Natürlich konnte nichts mit Edo in seinen besten Zeiten mithalten.

Oder mit Rom.

Oder mit Konstantinopel …

Zachariah seufzte. Er vermisste die gute alte Zeit.

Trotzdem, New York hatte seinen eigenen Charme. Die Stadt war wohl die perfekteste Ansammlung aller Dinge, die die Menschheit richtig gemacht hatte: Kunst, Architektur, Kultur.

New York war ebenso beispielhaft für vieles, was sie falsch gemacht hatte. Besonders jetzt – aber in diesem Moment konnte Zachariah ihnen dafür keinen Vorwurf machen.

Wenn man nicht während der Apokalypse verrückt wurde, wann sonst?

Er saß im ‚Top of the Rock‘ und nippte an einem Espresso. Das Restaurant lag im obersten Geschoss von 30 Rockefeller Plaza, im symbolischen, wenn auch nicht geografischen Mittelpunkt von Manhattan, dem Herzen von New York City.

Es symbolisierte perfekt das Beste und das Schlechteste dieser dummen kleinen Wesen mit ihrem freien Willen und all ihren Verrücktheiten, die sein Vater so anbetungswürdig fand.

Es war, als säße er auf der Spitze der Welt.

Zachariah konnte an diesem kalten, frischen, wolkenlosen Dezembermorgen von hier oben die gesamte untere Hälfte von Manhattan sehen. Und daran vorbei zum New Yorker Hafen, Brooklyn, Queens, der Freiheitsstatue, Staten Island, New Jersey und dem Atlantischen Ozean dahinter. Die Speere der Stadt griffen in verschiedenen Höhen nach dem Himmel und bildeten ein wunderschönes Muster.

Er konnte die Menschen nicht richtig erkennen und es gab auch keinen Luftverkehr, also verschandelte nichts die Schönheit der Gebäude.

Aber das führte ihn geradewegs zum Schlechten. Immer noch lag am Südende der Insel ein klaffendes Loch, wo einst die beiden stolzesten Gebäude der Stadt gestanden hatten. Das Ereignis, das sie zerstört hatte, war die Ursache für den geringeren Luftverkehr über Manhattan. Dafür hatte das ‚Top of the Rock‘ geöffnet, denn die Zerstörung des World Trade Centers 2001 hatte der Stadt auch das ‚Windows on the World‘ genommen, ein Restaurant im obersten Stockwerk des Nordturms.

Es war ein weiteres Beispiel dafür, wie die Menschheit verschleuderte, was sie besaß. Die Engel hatten genug davon.

Die Menschen hatten auf Gottes Geschenke geschissen und die Heerscharen wollten dabei nicht mehr Händchen halten.

Zachariah hatte gehofft, dass der Krieg reibungsloser laufen würde. Er hatte nicht mit so viel Verrat seitens seiner Brüder gerechnet – Uriel, Castiel – oder damit, dass das Schwert von Michael sich als eine unglaubliche Nervensäge erweisen würde.

Gerade als seine Espressotasse mit einem Klirren auf der Untertasse landete, erschien Uzziel ihm gegenüber. Keiner der Menschen im Restaurant hatte es bemerkt. Und selbst wenn – ihre Erinnerung würde ihnen vorgaukeln, dass der riesige schwarze Mann schon immer gegenüber dem großen, breitschultrigen Weißen mit der Glatze gesessen hatte.

„Wie ist es gelaufen?“, fragte Zachariah.

„Gut genug“, sagte Uzziel. „Ich habe das Angelus Iuguolo zerstört, den letzten Stein des Hyginus zu den anderen nach Córdoba gebracht. Aber wir haben Ramiel verloren.“

„Schade. Und der Rest der Operation?“

Uzziel lächelte.

„Das Herz des Drachen ist gebannt, wie du es vorhergesagt hast.“

„Selbstverständlich.“ Zachariah nickte und hob seine Tasse erneut an. „Ich wusste, wenn etwas von der Rückkehr des Geistes zu Castiel durchsickert – und vom Interesse der Dämonen –, dann würde er es die beiden Trottel wissen lassen.“ Er schüttete den Rest seines Espressos hinunter. „Die Winchesters mögen sich zwar weigern, die ihnen zugedachten Rollen zu spielen, aber wenigstens können sie uns auf andere Weise helfen.“

Uzziels Antwort spiegelte seine Frustration wider.

„Gibt es keinen anderen Weg? Können wir sie nicht einfach umbringen und zur Tagesordnung übergehen?“

Zachariah schloss die Augen, während er sich zurücklehnte und seufzte.

„Oh, ich wünschte, das könnten wir. Aber nein. Sie sind die Auserwählten. Niemand sonst kann Michaels Gefäß werden – oder Luzifers. Niemand sonst könnte es aushalten.“

Zachariah öffnete wieder die Augen und starrte Uzziel direkt an.

„Und das Letzte, was wir wollen, ist die Apokalypse zu vermasseln.“





ENDE

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