20.

»Nicht bewegen!« keuchte Mork. Sein Kopf tanzte dicht neben Skar auf den Wellen, und seine Worte gingen im Gurgeln und Rauschen des schnell fließenden Wassers beinahe unter. Aber Skar mußte sie nicht verstehen, um zu gehorchen. Sein Blick hing gebannt am Schädel der gewaltigen Bestie, die kaum einen Steinwurf entfernt am Ufer des Flusses stand und mißtrauisch zu ihnen herüberäugte. Sie war ein Gigant, selbst für eine Feuerechse. Skar schätzte ihre Größe auf gute zehn Meter; nicht sehr viel weniger, als Velas Staubdrachen gemessen hatte, obwohl er weitaus massiger und kraftvoller gewesen war als diese Echse hier. Ihr Kopf pendelte ständig hin und her, als wäre sie auf der Suche nach irgend etwas, und das dumpfe, rasselnde Geräusch ihrer Atemzüge übertönte sogar das Tosen des Flusses.

Nach und nach tauchten auch die anderen auf - Herger zuerst, gefolgt von zwei Quorrl-Kriegern und Legis' Männern, die in rascher Folge durch den Wasserspiegel brachen. Die Strömung versuchte sie auseinanderzutreiben und mit sich zu reißen, aber die Quorrl, gegen deren gewaltige Körperkräfte selbst der Sog des Wasser nicht ankam, hielten sie zusammen.

Skar sah sich verzweifelt nach Legis um. Die Errish war ein paar Meter den Fluß hinuntergerissen worden und kämpfte sich jetzt mühsam gegen die Strömung zurück.

»Der Drache!« rief er über das Brüllen der Wassermassen. »Kannst du ihn fortjagen?«

Es war nicht zu erkennen, ob die Errish seine Worte verstanden hatte oder nicht, aber sie änderte ihren Kurs ein wenig und schwamm jetzt nicht mehr direkt auf ihn und die anderen zu, sondern würde, wenn sie die Richtung beibehielt, dicht unterhalb der Raubechse das Ufer erreichen.

Eine Hand berührte Skar an der Schulter und krallte sich schmerzhaft durch den dünnen Stoff seines Mantels. Er fuhr herum, schlug den Arm instinktiv beiseite und erkannte Herger. Sein Gesicht war eine Grimasse der Furcht, und sein Mund formte ununterbrochen lautlose Worte.

»Reiß dich zusammen!« schrie Skar.

Herger paddelte wie wild mit den Armen und versuchte immer wieder nach Skar zu greifen. In seinen Augen flackerte blinde Panik.

»Der Drache«, keuchte er. »Er wird uns töten, Skar.«

Skar sah instinktiv zum Ufer hinüber. Das Ungeheuer hatte sich aufgerichtet und stand jetzt, die winzigen, armähnlichen Vorderläufe in der typischen Angriffshaltung seiner Gattung erhoben, direkt am Wasser. Der gewaltige Schwanz peitschte nervös den Boden. Skar wußte, daß sie hier keineswegs in Sicherheit waren. Die Echse mußte nur einen großen Schritt in den Fluß tun, um ihn und die anderen zu erreichen. Aber Skar wußte auch, wie sehr die gewaltigen Raubechsen das Wasser scheuten. Für das Tier mußten die im Fluß treibenden Menschen und Quorrl eine verlockende - und dazu leichte - Beute sein, aber seine Abneigung gegen die Nässe war stärker. Noch.

Skar verstärkte sein Wassertreten, weil die Kälte allmählich seine Glieder zu lähmen begann. Er konnte jetzt spüren, wie seine Kräfte schwanden; schneller, als er befürchtet hatte.

Einer der Männer schrie plötzlich auf, warf in einer grotesk anmutenden Geste die Arme in die Luft und verschwand mit weit geöffnetem Mund im Wasser. Mork rief einem seiner Krieger einen scharfen Befehl zu. Der Quorrl tauchte, kam aber bereits wenige Augenblicke später wieder an die Oberfläche und schüttelte wortlos den Kopf.

Der erste, dachte Skar düster. Sie hatten noch nicht einmal einen Fuß in die Verbotene Stadt gesetzt, und schon war der erste Mann tot.

»Bleibt zusammen!« schrie Mork. »Wenn euch die Strömung davonträgt, seid ihr verloren!«

Skar fand diese Warnung höchst überflüssig. Seine Kraftreserven waren fast erschöpft - er würde den Kampf gegen die Strömung nur noch wenige Augenblicke durchhalten.

Legis hatte mittlerweile das Ufer erreicht. Skar sah, wie sie verzweifelt versuchte, sich an der glatten Kante emporzuziehen, aber ihre Hände fanden an dem nassen, glitschigen Stein keinen richtigen Halt, und sie glitt vier-, fünfmal wieder ins Wasser zurück, ehe sie endlich oben war.

Die Feuerechse hatte ihr Näherkommen mißtrauisch verfolgt. Der gewaltige schuppige Kopf der Bestie pendelte noch immer nervös hin und her, und ihr Schwanz schlug monoton gegen Felsen und Stein. Es klang wie das Dröhnen einer gewaltigen Todestrommel. Als sich die Errish auf den Felsen hinaufzog und erschöpft auf die Knie sank, richtete sich die Echse auf und trat mit einem einzigen gewaltigen Schritt auf sie zu. Skar unterdrückte im letzten Moment einen Schreckenslaut.

Irgend etwas geschah zwischen der Errish und der gewaltigen Raubechse. Die beiden ungleichen Wesen starrten sich an, und es kam Skar fast so vor, als redeten sie miteinander. Die Kiefer der Echse mahlten. Ihre Klauen zuckten, öffneten sich wie bizarre, dreifingrige Hände und schlossen sich wieder. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, Sekunden, in denen sich die Blicke der Errish und der Feuerechse ein stummes, gnadenloses Duell lieferten. Dann, zögernd und mit schwerfälligen, starren Bewegungen, drehte sich das gewaltige Tier um und begann langsam zurückzuweichen.

»Schnell!« rief Legis. »Kommt an Land! Ich weiß nicht, wie lange ich sie zurückhalten kann!«

Skar sah sich noch einmal nach Herger um, sah ihn wie einen gefangenen Fisch im Griff eines Quorrl zappeln und schwamm los. Die Strömung verstärkte sich, als er sich dem Ufer näherte, und er schaffte es fast nicht mehr, sich auf den glatten Felsen hinaufzuziehen. Erschöpft brach er in die Knie, blieb einen Moment keuchend und mit hämmerndem Herzen hocken und drehte sich dann herum, um den anderen zu helfen.

Herger war halb ertrunken, als er das Ufer erreichte. Der Quorrl, der ihn die ganze Zeit mit sich geschleift hatte, lud ihn wie eine leblose Last vor Skars Füßen ab, schüttelte abfällig den Kopf und ging. Skar kniete neben dem Hehler nieder, drehte ihn behutsam auf den Rücken und schlug ihm mehrmals, sanft und mit der flachen Hand, ins Gesicht. Herger stöhnte. Er hustete, erbrach würgend Wasser und Schleim und krampfte die Hände über dem Magen zusammen.

»Alles in Ordnung?« fragte Skar.

Herger versuchte zu lächeln, aber es mißlang ihm kläglich. »Wo ist... der Drache?« keuchte er.

»Fort. Legis hat ihn weggeschickt. Frag mich nicht, wie, aber sie hat es getan.«

»Es wird nicht lange halten, Skar«, sagte Legis.

Skar sah auf. Die Errish stand über ihm. Sie schwankte, und ihr Gesicht war grau. Das Wasser hatte die schwarze Farbe, die sie sich zur Tarnung ins Gesicht geschmiert hatte, aufgeweicht und verlaufen lassen, so daß sie ein bizarres Muster auf ihrer Haut bildete. Ihr Atem ging schnell und in hektischen Stößen. »Wir müssen von hier verschwinden«, fuhr sie fort. »Die Tiere kommen oft zum Trinken hierher, und ich glaube nicht, daß ich die Kraft habe, es noch ein zweites Mal zu tun.«

Skar fragte nicht danach, was sie ein zweites Mal tun wollte. Er nickte, stand auf und half Herger, auf die Füße zu kommen. »Kannst du laufen?« fragte er.

Herger nickte. »Ich denke.« Er sah Legis an. »Wie geht es weiter?«

»Wir müssen aus dieser Höhle heraus. Weiter hinten gibt es Gänge, die zu klein für die Drachen sind. Dort können wir ausruhen. Kommt jetzt.«

Sie deutete mit einer vagen Geste in die Dunkelheit hinter sich, drehte sich herum und fuhr mit einer raschen, nervösen Bewegung über ihr Gewand. Als sie losging, sah Skar, daß sie hinkte; sie mußte sich verletzt haben, entweder während des Tauchens oder beim Hinaufklettern auf das felsige Ufer.

Er versuchte vergeblich, die wattige Schwärze vor sich mit Blicken zu durchdringen. Die Höhle war groß, gewaltig - ein unterirdischer Dom, noch höher als Laynanyas unterirdische Festung. Ein eisiger Hauch streifte Skars Gesicht, als er sich herumdrehte, um Legis zu folgen. Ein schwer zu definierender Geruch lag in der Luft: Drachengestank.

Sie gingen mehr als hundert Meter hinter der rasch ausschreitenden Errish her, ehe sie die gegenüberliegende Wand endlich erkennen konnten. Sie war glatt, als wäre sie poliert worden, und mit verschlungenen, bizarren Linien und Strichen übersät; ein Muster, das im Ungewissen grauen Licht zu leben schien. Ein gewaltiger gezackter Tunnel mündete im rechten Drittel der Wand in die Höhle, daneben erkannte Skar andere, viel kleinere Gänge; Stollen, die vielleicht für menschliche Benutzer gedacht, vielleicht auch nur zufällig entstanden waren.

Legis deutete auf einen der kleineren Tunnels. »Dort hinein. Es ist der kürzeste Weg.« Ohne auf eine Antwort zu warten, beschleunigte sie ihre Schritte und verschwand gebückt in der dunklen Öffnung.

Das flackernde graue Licht blieb hinter ihnen zurück, als sie weitergingen. Skar streckte tastend die Hände nach beiden Seiten aus und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Es machte ihn nervös, nicht sehen zu können, wohin er ging. Er versuchte seine Schritte zu zählen, um wenigstens zu wissen, wie weit sie gingen, verzählte sich aber fast sofort und hörte damit auf. Legis war irgendwo vor ihm; eine körperlose Quelle schleifender und raschelnder Geräusche und hektischer Atemzüge.

Schließlich wurde es vor ihnen wieder hell; der gleiche, flackernde graue Schein, der schon die große Höhle draußen erfüllt hatte. Legis ging schneller und rannte die letzten Meter fast, ehe sie mit einem erleichterten Aufatmen stehenblieb und zu Skar zurückblickte. Ihr Gesicht war bleich.

Skar blieb neben ihr stehen und trat zur Seite, um Platz für die anderen zu schaffen.

Sie alle boten einen jämmerlichen Anblick. Sie waren durchnäßt, froren und waren am Ende ihrer Kräfte. Selbst die Quorrl hatten viel von der unbändigen Stärke, die sie bisher wie eine knisternde Aura umgeben hatte, verloren und wirkten nur noch müde. Skar zitterte. Der nasse Mantel klebte auf seiner Haut und kühlte ihn nur noch mehr aus, statt ihn zu wärmen, und er fühlte sich plötzlich so schwach, daß er sich gegen die Wand lehnen mußte.

Er hielt nach Herger Ausschau und entdeckte ihn zwischen Legis' Männern. Herger wankte vor Erschöpfung und war grau im Gesicht, aber unverletzt. Der Flug hierher hatte mehr von ihnen allen verlangt, als sie bisher selbst gemerkt hatten. Skar zweifelte plötzlich daran, daß sie wirklich eine Chance hatten. Vielleicht hätte er es auf eine offene Konfrontation mit Mork ankommen lassen sollen. Wenn es zum Kampf kam, würden ihm weder die Rebellen noch die Quorrl eine Hilfe sein, im Gegenteil.

Aber jetzt war es zu spät für solche Überlegungen.

»Wie geht es weiter?« fragte er.

»Wir sind fast am Ziel«, antwortete die Errish. »Aber der schwerste Teil liegt trotzdem noch vor uns. Wir sollten eine Weile hierbleiben und Kräfte sammeln.«

»Kräfte?« fragte Herger schweratmend. »Wozu? Kommt noch eine kleine Kletterpartie oder vielleicht noch ein Wasserfall, den wir hinauf schwimmen müssen?«

»Das nicht«, antwortete Legis ernsthaft. »Siehst du diesen Gang?« Sie deutete mit einer Kopfbewegung hinter sich. Sie standen in einem hohen, kuppelförmigen Raum mit rohen, kaum bearbeiteten Wänden, die ebenfalls über und über mit verschlungenen Linien und Runen bedeckt waren; Symbole einer fremden, vor Äonen untergegangenen Sprache, vielleicht aber auch nur eine sonderbare Maserung der Felsen. Auf der anderen Seite war ein niedriger, seltsam asymmetrischer Stollen zu sehen, ähnlich dem, aus dem sie gerade gekommen waren. Die Verbotene Stadt mußte auf einem wahren Labyrinth unterirdischer Gänge und Katakomben errichtet worden sein. Für einen Moment fühlte sich Skar an Combat erinnert; aber diese Stadt war anders, ganz anders. »Dahinter liegt der Aufgang«, fuhr Legis fort. »Eine schmale Treppe - leicht zu verteidigen, aber fast vergessen. Und sie wird nicht damit rechnen, daß wir auf diese Weise in die Stadt eindringen.«

»Ich hoffe, sie rechnet überhaupt nicht damit, sonst sind wir nämlich schon jetzt so gut wie tot«, knurrte Mork.

»Keine Sorge«, sagte Legis, eine Spur zu hastig. »Es wäre ein leichtes gewesen, uns draußen am Fluß in Empfang zu nehmen und zu töten.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Die Gefahr, von der ich spreche, ist eine ganz andere«, fuhr sie, zu Skar gewandt, fort. »Die Treppe führt direkt in den Palast der Ehrwürdigen Mutter hinauf. Es gibt so gut wie keine Wachen dort oben - niemand rechnet damit, daß jemand hierherkommen würde, um Hand an die Margoi zu legen. Aber um sie zu erreichen, müssen wir durch die Höhle der Drachen.«

»Die Höhle der ...« Herger schluckte ein paarmal. »Aber ich dachte, daß ...«

»Du meinst das Tier draußen am Fluß?« Legis lächelte dünn. »Sie kommen ab und zu dorthin, um zu trinken. Aber sie leben hier, direkt unter dem Palast. Die Tiere vertragen das feuchte Klima der Küste nicht und würden unruhig werden, wenn sie zu lange draußen wären.«

»Wie viele sind es?« fragte Mork.

Legis zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Die Zahl ist niemals gleich - es gibt nicht sehr viele von uns, und es sind selten mehr als zehn, höchstens ein Dutzend Drachen in Elay. Unter normalen Umständen«, fügte sie hastig hinzu. »Ich weiß nicht, wie viele es jetzt sind. Bevor wir geflohen sind, begann die Margoi damit, alle erreichbaren Errish zusammenzurufen. Zum Schein, um über den Krieg gegen die Quorrl zu beraten.«

»Und in Wahrheit, um die auszuschalten, die sie nicht unter ihren Willen zwingen konnte«, vermutete Skar.

Legis nickte. »Das fürchte ich. Es könnte deshalb sein, daß ... sehr viele Tiere dort drüben sind.«

»Aber du kannst sie ablenken«, sagte Herger. Seine Stimme schwankte. »Du ... du bist eine Errish. Ihr Errish redet mit den Drachen.«

Legis schwieg, aber der Blick, mit dem sie Herger ansah, sagte genug.

»Das kann sie nicht«, meinte Skar ruhig.

Herger fuhr zusammen, starrte erst Legis, dann ihn und dann wieder die Errish an. »Was ... soll das heißen?« fragte er verwirrt. »Du bist eine Errish, und -«

»Skar hat recht«, unterbrach ihn Legis. »Ich kann es nicht mehr.« Sie schluckte. »Unsere Tiere gehorchen uns nicht mehr. Die Echse unten am Ufer abzulenken, war beinahe mehr, als ich konnte.«

»Sie ... gehorchen euch nicht mehr?« wiederholte Herger ungläubig. »Wie meinst du das? Wie ...«

»So wie sie es sagt, Schmuggler«, mischte sich Mork ein. »Was glaubst du, warum wir uns wie die Ratten unter der Erde verkriechen? Hast du wirklich angenommen, eine Errish - eine stolze Ehrwürdige Frau« - er betonte die beiden letzten Worte übermäßig und bedachte Legis mit einem fast abfälligen Blick - »würde sich wie ein gemeiner Dieb in die Heilige Stadt ihres Clans einschleichen, wenn sie noch über ihren Drachen gebieten würde?« Er lachte, leise, abfällig und vollkommen ohne Humor, schlug sich mit der Faust in die geöffnete Rechte und grinste, als er den Ausdruck ungläubigen Schreckens auf Hergers Zügen sah. »Ist das ... ist das wahr?« keuchte Herger.

Legis nickte. »Es ist wahr.«

»Und du bist der einzige, der es noch nicht gemerkt hat«, fügte Mork hinzu.

»Aber dann ...«

»Wenn du der Meinung sein solltest, daß es besser gewesen wäre, nicht hierherzukommen, hättest du recht«, sagte Skar, »Du hättest Laynanyas Angebot annehmen und dort bleiben sollen. Jetzt ist es zu spät.«

»Wir ... wir können nicht durch eine Höhle voller wilder Drachen marschieren«, stammelte Herger. »Sie werden uns umbringen.«

»Das ist möglich«, nickte Mork. »Aber wir werden versuchen, es zu verhindern.« Er grinste erneut, wurde sofort wieder ernst und wandte sich an Legis. »Gehen wir weiter.«

Die Errish zögerte. »Es wäre besser, wenn ... wenn ich allein vorausgehen und mich umsehen würde«, sagte sie stockend. »Allein?«

Skar konnte direkt sehen, wie es hinter Morks Stirn arbeitete. Der Quorrl traute der Errish nicht. Und er machte nicht viel Hehl aus seinen Gefühlen.

»Nein«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Wir gehen alle.«

»Die Männer brauchen Ruhe«, widersprach Legis. »Und deine Krieger ebenfalls. Und es ist besser, wenn wir wissen, was vor uns ist.«

»Nein«, sagte Mork.

»Du traust mir nicht«, murmelte Legis. »Aber ich glaube nicht, daß jetzt der richtige Zeitpunkt ist, darüber zu streiten, Mork. Wenn ich euch in eine Falle hätte locken wollen, hätte ich es zehnmal tun können, auf dem Weg hierher. Diese Höhlen sind gefährlich, selbst für die, die sich hier auskennen. Ich möchte weder deine noch meine Männer in den Tod schicken, Mork.« Sie straffte sich. »Und vielleicht«, fuhr sie, schärfer und mit leicht erhobener Stimme, fort, »denkst du einmal darüber nach, daß du mich nicht zwingen kannst, deinen Befehlen zu gehorchen.« Morks Hand krampfte sich um den Schwertgriff, aber er schien einzusehen, daß er diesmal in der schwächeren Position war. »Gut«, sagte er dumpf. »Die Männer mögen sich ausruhen. Vielleicht hast du recht, und sie brauchen ihre Kräfte noch. Aber ich werde dich begleiten. Und der Satai auch.«

Legis nickte. »Dann laßt uns gehen.« Sie öffnete die schwarze Metallspange, mit der ihr Mantel zusammengehalten wurde, warf das durchnäßte Kleidungsstück achtlos zu Boden und strich sich mit den Fingerspitzen das Haar aus der Stirn. Dann wandte sie sich um und ging, schnell und fast überhastet. Skar warf einen letzten Blick zu Herger zurück, ehe er ihr folgte. Im Gesicht des Hehlers zuckte ein Nerv. Er mußte halb verrückt sein vor Furcht. Der Gang, durch den sie Legis folgten, führte in einer Länge von drei-, vierhundert Schritten geradeaus und begann sich dann langsam abwärts zu neigen. Sie drangen tiefer in die Erde ein. Es wurde wärmer, je weiter sie kamen, und auch das graue Licht, das aus den Wänden und der Decke zu dringen schien, nahm allmählich an Intensität zu. Der Drachengestank blieb, und Skar glaubte jetzt von Zeit zu Zeit ein dumpfes, machtvolles Grollen zu hören, einen Laut, als bewege sich irgendwo vor ihnen etwas ungeheuer Großes und Schweres. Aber vielleicht spielten ihm auch nur seine Nerven einen Streich.

Nach einer Weile wurde die Neigung des Bodens schwächer, bis sie sich schließlich wieder ebenerdig bewegten.

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