VIERUNDVIERZIG

Gray und Smith Keen saßen allein im Konferenzraum und lasen den gedruckten Text. Die Zeit der Begeisterung darüber, eine seiner Stories auf der Titelseite zu sehen, lag viele Jahre zurück, aber diese ließ ihn nicht kalt. Es hatte noch nie eine größere gegeben. Darüber waren säuberlich die Gesichter aufgereiht: Mattiece, wie er den Präsidenten umarmt, Coal telefonierend auf einem offiziellen Foto des Weißen Hauses, Velmano während der Anhörung vor einem Unterausschuss, Wakefield, aus einem Gruppenbild von einem Anwaltstreffen herausgeschnitten, Verheek, der auf einer FBI–Veröffentlichung in die Kamera lächelt, Callahan aus dem Jahrbuch und Morgan auf einem aus dem Video herausgeholten Foto. Mrs. Morgan hatte ihre Einwilligung gegeben. Eine Stunde zuvor hatte Paypur, der Polizeireporter der Nachtschicht, ihnen von Wakefield erzählt. Er tat Gray leid, aber er wollte sich deshalb keine Vorwürfe machen.

Abgesehen von Wakefields Tod gab es vorerst keine Neuigkeiten. Die Fernsehstationen schalteten zwischen dem Weißen Haus, dem Obersten Bundesgericht und den Schreibtischen der Redakteure hin und her. Sie warteten vorm Hoover Building, in dem zur Zeit völlige Stille herrschte. Sie brachten die Fotos aus den Zeitungen. Sie konnten Velmano nicht finden. Sie spekulierten über Mattiece. CNN zeigte LiveAufnahmen vom Haus der Morgans in Alexandria, aber Morgans Schwiegervater hielt die Kameras vom Grundstück fern. NBC hatte einen Reporter vor dem Gebäude stehen, in dem White and Blazevich ihre Büros hatten, aber er konnte nichts Neues berichten. Und obwohl ihr Name in der Story nicht genannt wurde, war die Identität der Verfasserin des Dossiers kein Geheimnis. Es gab massenhaft Spekulationen über Darby Shaw.

Um sieben war der Raum gedrängt voll, und es herrschte Stille. Die vier Bildschirme zeigten alle das gleiche Bild — Zikman steuerte im Presseraum des Weißen Hauses nervös aufs Podium zu. Er war müde und sah mitgenommen aus. Er verlas eine kurze Erklärung, in der das Weiße Haus zugab, über verschiedene von Victor Mattiece kontrollierte Kanäle Wahlkampfzuwendungen erhalten zu haben, aber er bestritt energisch, dass irgend etwas von dem Geld schmutzig gewesen war. Der Präsident war nur einmal mit Mr. Mattiece zusammengetroffen, und damals war er noch Vizepräsident gewesen. Seit er zum Präsidenten gewählt worden war, hatte er nicht mehr mit dem Mann gesprochen, und er betrachtete ihn ganz gewiss nicht als Freund, ungeachtet des Geldes. Für den Wahlkampf waren mehr als fünfzig Millionen gespendet worden, und der Präsident hatte nichts davon in die Hand bekommen. Dafür hatte er ein Komitee. Niemand im Weißen Haus hatte versucht, sich in die Ermittlungen gegen Mattiece als Verdächtigen einzumischen, und alle gegenteiligen Behauptungen waren eindeutig falsch. Ihren bescheidenen Kenntnissen zufolge lebte Mr. Mattiece nicht mehr in diesem Land. Der Präsident begrüßte eine eingehende Untersuchung der in der Post-Story erhobenen Anschuldigungen, und falls Mr. Mattiece diese grauenhaften Verbrechen begangen haben sollte, würde er vor Gericht gestellt werden. Dies war lediglich eine erste Stellungnahme. Eine reguläre Pressekonferenz würde folgen. Zikman verließ das Podium ein wenig zu eilig.

Es war eine schwächliche Vorstellung von einem beunruhigten Pressesprecher, und Gray war erleichtert. Er fühlte sich plötzlich eingekesselt und brauchte frische Luft. Er fand Smith Keen vor der Tür.

«Lassen Sie uns frühstücken gehen«, flüsterte er.

«Gern.«

«Außerdem muss ich bei meiner Wohnung vorbeifahren, wenn es Ihnen recht ist. Ich bin seit vier Tagen nicht mehr dort gewesen.«

An der Fünfzehnten winkten sie ein Taxi heran und genossen die frische Herbstluft, die durch die offenen Fenster hereinwehte.

«Wo ist die Frau?«fragte Keen.

«Ich habe keine Ahnung. Ich habe sie vor ungefähr neun Stunden in Atlanta zuletzt gesehen. Sie hat gesagt, sie wollte in die Karibik.«

Keen grinste.»Ich nehme an, Sie möchten bald einen langen Urlaub haben.«

«Wie haben Sie das erraten?«

«Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, Gray. Im Augenblick stecken wir mitten in der Explosion, und bald werden die Trümmer herunterregnen. Sie sind der Mann der Stunde, aber Sie müssen am Ball bleiben. Sie müssen die Trümmer einsammeln.«

«Ich kenne meinen Job, Keen.«

«Ja, aber Sie haben so einen verträumten Ausdruck in den Augen. Der macht mir Sorgen.«

«Sie werden dafür bezahlt, dass Sie sich Sorgen machen.«

Sie hielten an der Kreuzung Pennsylvania Avenue. Das Weiße Haus stand majestätisch vor ihnen. Es war beinahe November, und der Wind fegte Blätter über den Rasen.

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