Geistige Gesundheit

Es war einmal ein

Es war einmal ein

Es war einmal ein

Aufhören. Das ist würdelos.


Es war einmal ein kleines Mädchen, das hatte zwei ältere Brüder. Der älteste war dunkel, wild und glorreich, wenn auch ein bisschen ungehobelt. Der andere war mit der gesamten Helligkeit aller Sonnen erfüllt und war sehr streng und rechtschaffen. Sie waren viel älter als sie und standen sich sehr nahe, obwohl sie in der Vergangenheit oft mit großer Brutalität gegeneinander gekämpft hatten. »Wir waren damals jung und töricht«, sagte der Zweite Bruder jedes Mal, wenn das kleine Mädchen ihn danach fragte. »Sex hat mehr Spaß gemacht«, sagte der Erste Bruder. Diese Art Aussage machte den Zweiten Bruder sehr böse, was natürlich der Grund dafür war, warum der Erste Bruder es sagte. Das war es, wie das kleine Mädchen sie kennen und lieben lernte.

Ihr wisst, dass dies ein Gleichnis ist. Es handelt sich um das, was Euer sterblicher Geist begreifen kann.

So verlief die Kindheit des kleinen Mädchens. Die drei hatten keine Eltern, und so zog das kleine Mädchen sich selbst groß. Sie trank glänzendes Zeug, wenn sie Durst hatte, und legte sich an weichen Stellen hin, wenn sie müde war. Wenn sie Hunger hatte, zeigte ihr der Erste Bruder, wie sie Nahrung aus den Energien, die zu ihr passten, ziehen konnte, und wenn sie Langeweile hatte, brachte ihr der Zweite Bruder alles Wissen bei, das jemals entstanden war. So lernte sie Namen kennen. Der Ort, an dem sie lebten, hieß EXISTENZ — im Gegensatz zu dem Ort, woher sie stammten, der eine große, kreischende Masse aus Nichts war und MAHLSTROM genannt wurde. Die Spielzeuge und das Essen, das sie herbeirief, waren MÖGLICHKEIT, und das war eine sehr erfreuliche Substanz! Damit konnte sie alles bauen, was sie brauchte, und sogar die Beschaffenheit von EXISTENZ verändern — obwohl sie schnell lernte, lieber zu fragen, bevor sie das tat, weil der Zweite Bruder immer sehr aufgebracht war, wenn sie seine sorgfältig erstellten Regeln und Abläufe durcheinanderbrachte. Dem Ersten Bruder war das egal.

Im Laufe der Zeit ergab es sich, dass das kleine Mädchen mehr Zeit mit dem Ersten Bruder als mit dem Zweiten verbrachte, weil der Zweite sie nicht so sehr zu mögen schien. »Das ist schwer für ihn«, sagte der Erste Bruder, wenn sie sich beschwerte. »Wir waren allein, er und ich, für so lange Zeit. Jetzt bist du hier, und das ändert alles. Er mag keine Veränderung.«

Das hatte das kleine Mädchen bereits verstanden. Und das war auch der Grund, warum ihre Brüder so oft Streit miteinander hatten; denn wenn jemand die Veränderung liebte, dann der Erste Bruder. Oft wurde EXISTENZ dem Ersten Bruder langweilig, und er formte sie um, oder drehte sie von innen nach außen, nur um die andere Seite zu sehen. Der Zweite Bruder tobte jedes Mal, wenn das geschah, doch der Erste Bruder lachte über seinen Zorn, und ehe das kleine Mädchen zwinkern konnte, gingen sie aufeinander los. Sie zerrten und schlugen, bis etwas passierte, und dann klammerten sie sich fest und schnappten nach Luft. Wenn das geschah, wartete das kleine Mädchen geduldig, bis sie fertig waren und wieder mit ihr spielen konnten.

Nach einiger Zeit wurde aus dem kleinen Mädchen eine Frau. Sie hatte gelernt, mit ihren beiden Brüdern zu leben, mit jedem auf seine Weise — wild tanzend mit dem Ersten Bruder und zunehmend diszipliniert an der Seite des Zweiten. Jetzt ging sie ihren eigenen Weg, jenseits der Eigenheiten ihrer Brüder. Sie war bei ihren Kämpfen dazwischengegangen, um einerseits ihre Kraft im Kampf mit ihnen zu messen und sie andererseits zu lieben, wenn aus dem Streit Freude wurde. Sie hatte, obwohl die beiden das nicht wussten, begonnen, ihre eigenen, unabhängigen EXISTENZEN zu schaffen, in denen sie manchmal so tat, als ob sie keine Brüder hätte. Dort konnte sie MÖGLICHKEIT in umwerfende neue Formen und Bedeutungen bringen, von denen sie sicher war, dass keiner ihrer Brüder diese hätte schaffen können. Im Laufe der Zeit wurde sie darin immer geschickter, und ihre Kreationen machten sie so zufrieden, dass sie begann, sie in das Reich zu bringen, in dem ihre Brüder lebten. Sie tat dies zunächst unauffällig und passte sorgfältig auf, dass sie so in die ordentlichen Räume und Anordnungen des Zweiten Bruders passten, dass er nicht beleidigt wurde.

Der Erste Bruder, wie immer von allem Neuen entzückt, drängte sie dazu, mehr zu tun. Trotzdem fand die Frau, dass sie in gewissem Maße an der Ordnung des Zweiten Bruders Gefallen gefunden hatte. Sie baute die Vorschläge des Ersten Bruders ein, aber langsam und zielgerichtet. Sie achtete darauf, wie jede winzige Veränderung weitere bewirken konnte und manchmal Wachstum auf unerwartete, wunderbare Weise hervorrief.

Manchmal zerstörten die Veränderungen alles und zwangen sie dazu, von vorne anzufangen. Sie trauerte über den Verlust ihrer

Spielzeuge, ihrer Schätze, aber sie begann den Vorgang immer von Neuem. Wie die Finsternis des Ersten Bruders und das Licht des Zweiten Bruders, war dieses Talent etwas, das nur sie beherrschte. Der Drang, dies zu tun, war so wichtig für sie, wie zu atmen — genauso ein Teil von ihr wie ihre Seele.

Der Zweite Bruder fragte sie danach, nachdem er seine Verärgerung über ihr Flickwerk überwunden hatte. »Man nennt es Leben«, sagte sie, weil ihr der Klang des Wortes gefiel. Er lächelte zufrieden, denn ein Ding zu benennen heißt, ihm Ordnung und Sinn zu verleihen. Dann verstand er, dass sie das aus Respekt vor ihm getan hatte.

Aber sie ging zu dem Ersten Bruder, als sie Hilfe mit ihrem anspruchsvollsten Experiment brauchte. Der Erste Bruder war, wie sie erwartet hatte, begierig darauf, zu helfen — aber zu ihrer Überraschung gab es auch eine nüchterne Warnung. »Wenn das gelingt, wird es vieles verändern. Das ist dir bewusst, nicht wahr? Nichts in unserem Leben wird jemals wieder wie vorher sein.« Der Erste Bruder machte eine Pause, weil er sehen wollte, ob sie ihn verstanden hatte, und plötzlich war es ihr klar. Der Zweite Bruder mochte keine Veränderung.

»Nichts kann immer gleich bleiben«, sagte sie. »Wir wurden nicht für den Stillstand erschaffen. Sogar er muss das erkennen.«

Der Erste Bruder seufzte nur und sagte nichts mehr.

Das Experiment gelang. Das neue Leben quäkte, zitterte und äußerte vehemente Proteste, aber es war wunderbar in seiner Unfertigkeit, und die Frau wusste, dass das, was sie begonnen hatte, gut und richtig war. Sie nannte das Wesen »Si’eh«, weil das der Klang des Windes war. Und sie nannte seine Art Wesen »Kind«, was bedeutete, dass es die Fähigkeit hatte, heranzuwachsen und so zu werden, wie sie waren — und dass sie noch mehr davon erschaffen konnten.

Wie immer im Leben löste diese winzige Veränderung viele, viele andere aus. Die tiefgreifendste davon war eine, die auch sie nicht vorhergesehen hatte: Sie wurden eine Familie. Eine Weile waren alle damit glücklich — sogar der Zweite Bruder.

Aber nicht alle Familien bleiben bestehen.

Einst war da Liebe.

Mehr als Liebe. Und jetzt ist da mehr als Hass. Sterbliche haben keine Worte für das, was wir Götter fühlen. Nicht einmal Götter haben dafür Worte.

Aber so eine Liebe verschwindet nicht einfach, oder? Egal, wie stark der Hass ist, es gibt darunter immer noch ein wenig Liebe.

Ja. Furchtbar, nicht wahr?

Wenn der Körper angegriffen wird, reagiert er oft mit Fieber. Angriffe auf den Geist können denselben Effekt haben. Deshalb lag ich zitternd und besinnungslos fast drei Tage darnieder.

Einige Momente dieser Zeit tauchen wie Stilleben in meinem Gedächtnis auf — einige in Farbe und andere in Grauschattierungen. Eine einsame Gestalt steht an meinem Schlafzimmerfenster, groß und angespannt, mit unmenschlicher Wachsamkeit. Zhak- karn. Nach einem Lidschlag erscheint dasselbe Bild als Negativ: dieselbe Gestalt, umgeben von leuchtend weißen Wänden, und vor dem Fenster steht das schwarze Rechteck der Nacht. Nach einem weiteren Lidschlag ist da ein anderes Bild: Die alte Frau aus der Bibliothek beugt sich über mich und schaut mir vorsichtig in die Augen. Zhakkarn steht im Hintergrund und schaut zu.

»Wenn sie stirbt ...«

»Dann fangen wir von vorne an. Was sind schon ein paar Jahrzehnte mehr?«

»Nahadoth wird nicht erfreut sein.«

Ein raues, bedauerndes Lachen. »Du hast eine großartige Gabe für Untertreibungen, Schwester.«

»Si’eh auch,nicht.«

»Da ist Si’eh selbst schuld. Ich habe den kleinen Narren gewarnt, sich nicht zu sehr an sie zu hängen.«

Vorwurfsvolles Schweigen für eine Weile. »Hoffnung ist nichts Närrisches.«

Die Antwort ist ein Schweigen, das entfernt schamhaft wirkt.

Eins der Bilder in meinem Kopf unterscheidet sich von den anderen. Dieses ist wieder dunkel, auch die Wände sind dunkel geworden, und zu dem Bild gehört ein Gefühl. Ich nehme unheilvolles Gewicht und Druck wahr sowie eine sich anbahnende Wut. Zhakkarn steht diesmal nicht am Fenster, sondern in der Nähe einer Wand. Ihr Kopf ist respektvoll gebeugt. Im Vordergrund steht Nahadoth und starrt schweigend auf mich hinunter. Wieder einmal ist sein Gesicht verändert, und ich verstehe jetzt, warum Itempas ihn nur bis zu einem gewissen Grad kontrollieren kann. Er muss sich verändern, er ist Veränderung. Er könnte mich seine Wut, die die Luft schwer macht und meine Haut zum Jucken bringt, sehen lassen. Stattdessen ist er ausdruckslos. Seine Haut ist zu einem warmen Braun geworden, seine Augen sind viele Abstufungen von Schwarz, und seine Lippen rufen in mir die Sehnsucht nach weichen, reifen Früchten hervor. Das perfekte Gesicht, um einsame Darr-Mädchen zu verführen — obwohl das noch besser gelingt, wenn die Augen Wärme ausstrahlen.

Ich kann mich nicht erinnern, dass er etwas sagt. Als mein Fieber endlich sinkt und ich aufwache, ist er fort und das Gewicht seiner Wut auch — obwohl es nie völlig verschwindet... Auch das kann Bright Itempas nicht kontrollieren.

Morgendämmerung.

Ich setzte mich auf, fühlte mich schwer und hatte einen dicken Kopf. Zhakkarn stand immer noch am Fenster und warf mir über die Schulter hinweg einen Blick zu.

»Ihr seid wach.« Ich drehte mich um und sah Si’eh, der sich in einem Sessel neben dem Bett zusammengerollt hatte. Er faltete sich förmlich auseinander, kam auf mich zu und berührte meine Stirn. »Das Fieber ist gesunken. Wie fühlst du dich?«

Ich antwortete mit dem ersten klaren Gedanken, den ich fassen konnte. »Was bin ich?«

Er senkte seinen Blick. »Das ... darf ich dir nicht sagen.«

Ich schob die Decken beiseite und stand auf. Einen Moment lang war mir schwindlig, weil das Blut erst in meinen Kopf hinein- und dann wieder herausströmte, aber es ging vorbei und ich stolperte ins Badezimmer.

»Ich möchte, dass ihr beide verschwunden seid, wenn ich hier wieder herauskomme«, sagte ich über meine Schulter hinweg.

Weder Si’eh noch Zhakkarn antworteten. Im Badezimmer beugte ich mich über das Waschbecken und überlegte unter Schmerzen einige Momente lang, ob ich mich übergeben musste. Die Leere in meinem Bauch zog dann aber einen Schlussstrich unter die Angelegenheit. Meine Hände zitterten, während ich badete, mich abtrocknete und Wasser direkt aus dem Hahn trank. Ich verließ das Badezimmer, und es überraschte mich gar nicht, die beiden Enefadeh immer noch vorzufinden. Si’eh hatte seine Knie angezogen und saß auf meinem Bettrand. Er sah jung und beunruhigt aus. Zhakkarn hatte sich nicht vom Fenster wegbewegt.

»Die Worte müssen als Befehl formuliert werden«, sagte sie, »wenn du wirklich wünschst, dass wir gehen.«

»Mir ist egal, was ihr tut.« Ich fand Unterwäsche und zog sie an. Aus dem Schrank nahm ich das Erste, was ich sah — ein elegantes Amn-Etuikleid, dessen Muster meine nicht vorhandenen Kurven kaschieren sollten. Ich wählte Stiefel, die überhaupt nicht dazu passten, und setzte mich hin, um sie an meine Füße zu bringen.

»Wohin gehst du?«, fragte Si’eh. Er berührte ängstlich meinen Arm. Ich schüttelte meinen Arm, als ob ich ein Insekt verscheuchen wollte, und er zog seine Hand zurück. »Das weißt du selber nicht, oder? Yeine ...«

»Zurück zur Bibliothek«, sagte ich. Ich hatte das nur so gesagt, denn er hatte recht — ich hatte kein Ziel im Sinn außer weg.

»Yeine, ich weiß, dass du aufgebracht bist ...«

»Was bin ich?« Ich stand da mit einem angezogenen Stiefel und ging auf ihn los. Er wich zurück, wahrscheinlich, weil ich mich hinuntergebeugt hatte, um ihm die Worte ins Gesicht zu schreien. »Was? Was? Was bin ich, gottverdammt? Was ...«

»Dein Körper ist menschlich«, unterbrach Zhakkarn. Diesmal wich ich zurück. Sie stand in der Nähe des Betts und sah mich wie immer unbeteiligt an, obwohl in der Art, wie sie hinter Si’eh stand, etwas Beschützendes lag. »Dein Geist ist menschlich. Die Seele ist die einzige Veränderung.«

»Was bedeutet das?«

»Es bedeutet, dass du dieselbe Person bist, die du immer warst.« Si’eh sah sowohl kleinlaut als auch missmutig aus. »Eine normale, sterbliche Frau.«

»Ich sehe aus wie sie.«

Zhakkarn nickte. Sie hätte auch übers Wetter reden können. »Die Anwesenheit von Enefas Seele in deinem Körper hat einigen Einfluss.«

Ich zitterte und fühlte mich wieder krank. In mir war etwas, das nicht ich war. Ich rieb meine Arme und widerstand dem Drang, meine Fingernägel zu benutzen. »Könnt ihr sie entfernen?«

Zhakkarn blinzelte, und ich spürte, dass ich sie zum ersten Mal überrascht hatte. »Ja. Aber dein Körper hat sich an zwei Seelen gewöhnt. Möglicherweise würde er es nicht überleben, nur eine zu haben.«

Zwei Seelen. Irgendwie war das besser. Es war kein leeres Ding, das nur von einer fremden Macht zum Leben erweckt wurde. Immerhin war etwas in mir noch ich. »Könnt ihr es versuchen?«

»Yeine ...« Si’eh wollte meine Hand nehmen, aber er schien es sich anders zu überlegen, als ich zurückwich. »Sogar wir wissen nicht, was geschehen würde, wenn wir die Seele entfernen. Zuerst dachten wir, dass sie deine einfach verschlingen wird, aber das ist offensichtlich nicht geschehen.«

Ich muss verwirrt ausgesehen haben.

»Du bist immer noch bei Verstand«, sagte Zhakkarn.

Etwas inmir frisst mich auf. Ich ließ mich auf das Bett fallen und federte ein paarmal sinnlos auf und nieder. Sobald das Federn aufhörte, stand ich auf und humpelte mit nur einem Stiefel auf und ab. Ich konnte nicht stillhalten. Ich rieb mir die Schläfen, zupfte an meinen Haaren und fragte mich, wie lange ich noch bei Verstand bleiben würde mit diesen Gedanken im Kopf.

»Und du bist immer noch du«, sagte Si’eh eindringlich und lief mir beinahe hinterher. »Du bist die Tochter, die Kinneth gehabt hätte. Du hast nicht Enefas Erinnerungen oder ihre Persönlichkeit. Du denkst nicht wie sie. Das bedeutet, dass du stark bist, Yeine. Das kommt von dir, nicht von ihr.«

Ich lachte hysterisch, es klang wie Weinen. »Woher willst du das wissen?«

Er blieb stehen, und seine Augen hatten einen sanften, trauernden Ausdruck. »Wenn du sie wärest«, sagte er, »würdest du mich lieben.«

Ich blieb auch stehen und hielt den Atem an.

»Und mich«, sagte Zhakkarn. »Und Kurue. Enefa liebte alle ihre Kinder, sogar die, die sie irgendwann verraten haben.«

Ich liebte Zhakkarn oder Kurue nicht. Unwirsch stieß ich den angehaltenen Atem aus.

Aber ich zitterte wieder, zum Teil vor Hunger. Si’ehs Hand streifte schüchtern meine. Als ich mich diesmal nicht entzog, seufzte er und nahm meine Hand. Dann zog er mich zum Bett zurück, damit ich mich hinsetzte.

»Du hättest durch dein ganzes Leben gehen können, ohne es zu wissen«, sagte er, hob die Hand und streichelte meine Haare. »Du wärest älter geworden, hättest einen Sterblichen geliebt, vielleicht sterbliche Kinder bekommen und sie auch geliebt und wärst dann im Schlaf als alte, zahnlose Frau gestorben. Das war es, was wir für dich wollten, Yeine. Das hättest du gehabt, wenn Dekarta dich nicht hierher geholt hätte. Das hat uns in Zugzwang gebracht.«

Ich drehte mich zu ihm um. Auf diese Entfernung war der Drang zu stark, um ihm zu widerstehen. Ich legte meine Hand an seine Wange, lehnte mich vor und küsste ihn auf die Stirn. Er zuckte überrascht zusammen, lächelte dann aber schüchtern, und seine Wange fühlte sich warm in meiner Handfläche an. Ich lächelte zurück. Viraine hatte recht gehabt — es war so leicht, ihn zu lieben.

»Erzähl mir alles«, flüsterte ich.

Er fuhr zusammen, als ob der Blitz ihn getroffen hätte. Vielleicht hatte die Magie, die ihn dazu verpflichtete, den Befehlen der Arameri zu gehorchen, eine körperliche Auswirkung, vielleicht bereitete sie sogar Schmerzen. Auf jeden Fall war in seinen Augen eine andere Art Schmerz zu sehen, als ihm klar wurde, dass ich den Befehl mit Absicht gegeben hatte.

Aber ich war nicht präzise gewesen. Er hätte mir alles erzählen können, die Geschichte des Universums vom Anbeginn der Zeit, die Zahl der Farben des Regenbogens, die Worte, die sterbliches Fleisch wie einen Stein zerschmettern konnten. So viel Freiheit hatte ich ihm gelassen.

Stattdessen erzählte er mir die Wahrheit.

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