Eddard

«Ich habe selbst die letzte Wache bei ihm gehalten«, sagte Ser Barristan Selmy, als sie die Leiche auf dem Karren betrachteten.»Er hatte sonst niemanden. Eine Mutter im Grünen Tal, wie man mir sagte.«

Im fahlen Licht des Morgengrauens sah der junge Ritter aus, als schliefe er. Er war nicht hübsch gewesen, doch der Tod hatte seine grob gehauenen Züge geglättet, und die Schweigenden Schwestern hatten ihm sein bestes, samtenes Gewand angelegt, mit hohem Kragen, um die Wunde zu bedecken, die die Lanze an seinem Hals hinterlassen hatte. Eddard Stark sah in sein Gesicht und fragte sich, ob der Junge seinetwegen gestorben war. Von einem Vasallen der Lannisters erschlagen, bevor Ned mit ihm hatte sprechen können. Konnte das bloßer Zufall sein? Er nahm an, daß er es nie erfahren würde.

«Hugh war vier Jahre lang Jon Arryns Knappe«, fuhr Selmy fort.»Der König hat ihn zum Ritter geschlagen, bevor er gen Norden ritt, zum Gedenken an Jon. Der Junge wollte es unbedingt, nur fürchte ich, daß er dafür noch nicht bereit war.«

Ned hatte in der letzten Nacht schlecht geschlafen, und er fühlte sich müder, als er dem Alter nach sein sollte.»Keiner von uns ist je bereit«, sagte er.

«Für die Ritterwürde?«

«Für den Tod. «Sanft bedeckte Ned den Jungen mit dessen Umhang, einem blutigen, blauen Tuch, das mit Halbmonden gesäumt war. Wenn seine Mutter fragte, warum er tot sei, so dachte er verbittert, würde man ihr erklären, er habe zu Ehren Eddard Starks, der Rechten Hand des Königs, gefochten.»Es war sinnlos. Krieg sollte kein Spiel sein. «Ned wandte sich der Frau neben dem Karren zu, die in Grau gewandet war, das Gesicht bis auf die Augen verhüllt. Die Schweigenden

Schwestern bereiteten die Menschen für das Grab vor, und es brachte Unglück, dem Tod ins Gesicht zu schauen.»Schickt seine Rüstung in seine Heimat, ins Tal von Arryn. Die Mutter wird sie haben wollen.«

«Die ist ein schönes Stück Silber wert«, sagte Ser Barristan.»Der Junge hat sie speziell für das Turnier schmieden lassen. Schlichte Arbeit, aber gut. Ich weiß nicht, ob er den Schmied schon ausgezahlt hat.«

«Er hat gestern bezahlt, Mylord, und er hat teuer bezahlt«, erwiderte Ned. Und zu der Schweigenden Schwester sagte er:»Schickt der Mutter die Rüstung. Ich kümmere mich um seinen Schmied. «Sie verneigte sich.

Später ging Ser Barristan mit Ned zum Zelt des Königs. Langsam rührte sich das Lager. Fette Würste brutzelten und spritzten über Feuerstellen, würzten die Luft mit den Düften von Knoblauch und Pfeffer. Junge Knappen eilten auf Botengängen umher, während ihre Herren erwachten, gähnten und sich reckten, um den Tag zu begrüßen. Ein Dienstmann mit einer Gans unter dem Arm kniete vor ihnen nieder, als er sie sah.»M'Lord«, murmelte er, während die Gans schrie und nach seinen Fingern schnappte. Die Schilde, die vor den Zelten aufgestellt waren, kündeten von ihren Bewohnern: der silberne Adler von Seagard, Bryce Carons Feld von Nachtigallen, Weintrauben für die Redwynes, gestreifter Keiler, roter Ochse, brennender Baum, weißer Widder, Dreifachspirale, rotes Einhorn, tanzende Maid, schwarze Natter, Zwillingstürme, Ohreule, und zuletzt die reinen, weißen Wappen der Königsgarde, schimmernd wie die Morgendämmerung.

«Der König will heute im Buhurt kämpfen«, sagte Ser Barristan, als sie an Ser Meryns Schild vorüberkamen, der von einem tiefen Spalt verunstaltet war, wo Loras Tyrell s Lanze das Holz durchschlagen hatte, als er ihn aus seinem Sattel hob.

«Ja«, sagte Ned grimmig. Jory hatte ihn in der letzten Nacht geweckt, um ihm diese Nachricht zu überbringen. Was Wunder, daß er so schlecht geschlafen hatte.

Ser Barristans Blick war besorgt.»Es heißt, die Schönheit der Nacht verginge am Morgen, und die Kinder des Weines würden oft bei Tageslicht verstoßen.«

«So sagt man«, gab Ned ihm recht,»doch nicht von Robert. «Andere Männer mochten Worte, die sie in trunkenem Übermut gesprochen hatten, überdenken, doch Robert Baratheon würde sich erinnern, und da er sich erinnerte, würde er zu seinem Wort stehen.

Das Zelt des Königs stand nah am Wasser, und der morgendliche Dunst vom Fluß umschmückte es mit grauen Fetzen. Es war ganz aus goldener Seide, das größte und prächtigste im ganzen Lager. Vor dem Eingang stand Roberts Streithammer neben einem mächtigen Eisenschild, auf dem der gekrönte Hirsch des Hauses Baratheon prangte.

Ned hatte gehofft, er würde den König noch in weinseligem Schlaf vorfinden, doch war das Glück nicht auf seiner Seite. Robert trank Bier aus einem polierten Horn und röhrte sein Mißfallen über zwei junge Knappen heraus, die versuchten, ihm seine Rüstung anzulegen.»Majestät«, sagte der eine beinah unter Tränen,»sie ist zu klein, es wird nicht gehen. «Kurz gab er nicht acht, und die Halsberge, die er um Roberts dicken Hals legen wollte, fiel zu Boden.

«Bei allen sieben Höllen!«fluchte Robert.»Muß ich es denn selbst tun? Auf euch gepißt! Heb sie auf! Steh nicht nur da und glotz, Lansel, heb sie auf!«Der Bursche sprang, und der König bemerkte seinen Besuch.»Sieh dir diese Esel an, Ned. Meine Frau hat darauf bestanden, daß ich die beiden als Knappen für mich nehme, und sie sind schlimmer als nutzlos. Können einem Mann nicht mal seine Rüstung richtig anlegen. Schildknappen, sagen sie. Ich sage, es sind Schweinehirten in Seidenkleidern.«

Ned brauchte nur einen Blick, um das Problem zu verstehen.»Die Jungen trifft keine Schuld«, erklärte er dem König.»Du bist zu fett für deine Rüstung, Robert. «Nach dem Eintreffen am Hof war Ned dazu übergegangen, seinen alten Freund, heute König, auf dessen Wunsch wieder zu duzen.

Robert Baratheon nahm einen ordentlichen Schluck Bier, warf das leere Horn auf die Felle seiner Bettstatt, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und sagte düster:»Fett? Fett? Spricht man so mit seinem König?«Er stieß ein Lachen aus, urplötzlich wie ein Sturm.»Ach, verflucht sollst du sein, Ned, warum hast du immer recht?«

Die Knappen lächelten unsicher, bis der König sich ihnen zuwandte.»Ihr da. Ja, alle beide. Ihr habt die Hand gehört. Der König ist zu fett für seine Rüstung. Geht und sucht Ser Aron Santagar. Sagt ihm, ich brauchte einen Einsatz für meinen Brustharnisch. Also! Worauf wartet ihr?«

Die Jungen stolperten übereinander, in ihrer Eile, das Zelt zu verlassen. Robert schaffte es, ein ernstes Gesicht zu machen, bis sie draußen waren. Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und bebte vor Lachen.

Ser Barristan Selmy gluckste mit ihm. Selbst Eddard Stark brachte ein Lächeln zustande. Stets jedoch schlichen sich die ernsteren Gedanken ein. Er mußte an die beiden Knappen denken: hübsche Jungen, blond und Wohlgestalt. Einer war in Sansas Alter, mit langen, goldenen Locken, der andere vielleicht fünfzehn, rotblond, mit dem Hauch eines Bärtchens und den smaragdgrünen Augen der Königin.

«Ach, ich wünschte, ich könnte dabeisein und Santagars Gesicht sehen«, sagte Robert.»Ich hoffe, er ist schlau genug, sie zu jemand anderem zu schicken. Wir sollten sie den ganzen Tag lang laufenlassen.«

«Diese Jungen«, fragte Ned.»Lannisters?«Robert nickte, wischte sich die Tränen aus den Augen.»Vettern. Söhne von

Lord Tywins Bruder. Einer von den Toten. Oder vielleicht auch vom Lebenden, wenn ich näher darüber nachdenke. Ich erinnere mich nicht. Meine Frau kommt aus einer sehr großen Familie, Ned.«

Aus einer sehr ehrgeizigen Familie, dachte Ned. Er hatte nichts gegen die Knappen, doch bereitete es ihm Sorgen, wenn er Robert bei Tag und Nacht von Verwandten der Königin umgeben sah. Der Hunger der Lannisters nach Ämtern und Ehren schien keine Grenzen zu kennen.»Es heißt, zwischen dir und der Königin seien gestern abend böse Worte gefallen.«

Der Frohsinn auf Roberts Gesicht erstarrte.»Die Frau wollte mir verbieten, im Buhurt mitzukämpfen. Verdammt soll sie sein, jetzt schmollt sie in der Burg. Deine Schwester hätte mir nie solche Schande gemacht.«

«Du kanntest Lyanna nicht so, wie ich sie kannte, Robert«, erklärte Ned.»Du hast ihre Schönheit gesehen, doch nicht das Eisen darunter. Sie hätte dir erklärt, daß du in einem Buhurt, einem solchen Handgemenge, nichts zu suchen hast.«

«Auch du?«Der König legte seine Stirn in Falten.»Du bist ein sauertöpfischer Mann, Stark. Zu lange schon im Norden, alle Körpersäfte sind in dir erfroren. Aber meine fließen noch.«

Zum Beweis schlug er sich auf die Brust.

«Du bist der König«, rief Ned ihm in Erinnerung.

«Ich sitze auf dem verdammten Eisenstuhl. Soll das heißen, daß ich nicht dieselben Bedürfnisse wie andere Männer habe? Hin und wieder etwas Wein, ein Mädchen, das im Bette quiekt, ein Pferd zwischen den Beinen spüren? Bei allen sieben Höllen, Ned, ich möchte jemanden prügeln.«

Ser Barristan Selmy meldete sich zu Wort.»Eure Majestät«, sagte er.»Es ist nicht schicklich, daß ein König im Buhurt reitet. Es wäre kein ehrlicher Wettbewerb. Wer würde es wagen, Euch zu schlagen?«

Robert schien ehrlich verblüfft.»Wieso denn, sie alle, verdammt. Falls sie es können. Und der letzte, der noch steht… «

«… wirst du sein«, endete Ned an seiner Stelle. Ihm war sofort klar, daß Selmy den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Die Gefahren eines Buhurts waren für Robert nur die Würze, doch war sein Stolz gekränkt.»Ser Barristan hat recht. Es gibt niemanden in den Sieben Königslanden, der es wagen würde, deinen Mißmut zu erregen, indem er dich verletzt.«

Der König kam auf die Beine, mit puterroter Miene.»Wollt ihr mir erzählen, diese gockelnden Memmen lassen mich gewinnen?«

«Mit Sicherheit«, sagte Ned, und Ser Barristan Selmy verneigte sich in stillem Einverständnis.

Einen Moment lang war Robert so wütend, daß ihm die Worte fehlten. Er stampfte durch das Zelt, fuhr herum, stampfte zurück, mit finsterem und zornigem Gesicht. Er riß seinen Brustharnisch vom Boden hoch und warf ihn in stummer Wut nach Barristan Selmy. Selmy wich aus.»Hinaus«, sagte der König mit kalter Stimme.»Geht, bevor ich Euch erschlage.«

Eilig zog Ser Barristan sich zurück. Schon wollte Ned ihm folgen, als der König rief:»Du nicht, Ned.«

Ned wandte sich um. Wieder nahm Robert sein Horn auf, füllte es mit Bier aus einem Faß in der Ecke und hielt es Ned hin.»Trink«, sagte er barsch.»Ich habe keinen Durst…«»Trink. Dein König befiehlt es.«

Ned nahm das Horn und trank. Das Bier war schwarz und dick, so stark, daß es in den Augen brannte.

Robert setzte sich wieder.»Verdammt seist du, Ned Stark. Du und Jon Arryn, ich habe euch beide geliebt. Was habt ihr mir angetan. Ihr wart es, die Könige hätten werden sollen, du oder Jon.«

«Du hattest den berechtigteren Anspruch darauf, Majestät.«

«Ich habe gesagt, du sollst trinken, nicht streiten. Du hast mich zum König gemacht, also könntest du wenigstens die Höflichkeit besitzen, mir zuzuhören, wenn ich rede, verdammt. Sieh mich an, Ned. Sieh dir an, was das Königsamt aus mir gemacht hat. Bei allen Göttern, zu fett für meine Rüstung, wie konnte es jemals dazu kommen?«

«Robert… «

«Trink und schweig, der König spricht. Ich schwöre dir. Nie war ich so lebendig wie damals, als ich den Thron erstritten habe, und nie so tot wie jetzt, da ich darauf sitze. Und Cersei… ich kann mich bei Jon Arryn für sie bedanken. Mir war nicht nach heiraten zumute, nachdem mir Lyanna genommen war, nur sagte Jon, das Reich brauchte einen Erben. Cersei Lannister sei eine gute Partie, so hat er mir erklärt, sie würde Lord Tywin an mich binden, falls Viserys Targaryen je versuchen sollte, den Thron seines Vaters zurückzugewinnen. «Der König schüttelte den Kopf» Ich habe diesen alten Mann geliebt, das schwöre ich, aber inzwischen glaube ich, er war ein noch größerer Narr als Moon Boy. Oh, Cersei ist hübsch anzusehen, wahrlich, aber kalt… so wie sie ihre Fotze hütet, sollte man meinen, sie hielte alles Gold von Casterly Rock zwischen ihren Beinen. Hier, gib mir das Bier, wenn du es nicht trinken willst. «Er nahm das Horn, hob es an, rülpste, wischte sich den Mund.»Das mit deinem Mädchen tut mir leid, Ned. Ehrlich. Das mit dem Wolf, meine ich. Mein Sohn hat gelogen, darauf würde ich meine Seele verwetten. Mein Sohn… Du liebst deine Kinder, nicht?«

«Von ganzem Herzen«, sagte Ned.

«Ich will dir ein Geheimnis verraten, Ned. Mehr als einmal habe ich davon geträumt, die Krone abzugeben. Mich mit meinem Pferd und meinem Hammer nach den Freien Städten einzuschiffen und meine Zeit mit Kriegerei und Hurerei zu verbringen, denn dafür bin ich gemacht. Der Söldnerkönig, wie die Sänger mich lieben würden. Weißt du, was mich davon abhält? Der Gedanke an Joffrey auf dem Thron, während Cersei hinter ihm steht und in sein Ohr flüstert. Mein Sohn. Wie konnte ich einen solchen Sohn in die Welt setzen, Ned?«

«Er ist noch ein Junge«, sagte Ned unbeholfen. Er hatte für Prinz Joffrey nur wenig übrig, doch hörte er den Schmerz in Roberts Stimme.»Hast du vergessen, wie wild du in seinem Alter warst?«

«Es würde mir nichts ausmachen, wenn der Junge wild wäre, Ned. Du kennst ihn nicht, wie ich ihn kenne. «Er seufzte und schüttelte den Kopf.»Ach, vielleicht hast du recht. Jon hat mich oft genug zur Verzweiflung gebracht, und dennoch ist aus mir ein guter König geworden. «Robert sah Ned an und bedachte dessen Schweigen mit finsterem Blick.»Du könntest jetzt etwas sagen und mir zustimmen, weißt du.«

«Majestät…«, begann Ned vorsichtig

Robert schlug Ned auf den Rücken.»Ach, sag nur, daß ich ein besserer König als Aerys bin, und laß es gut sein. Du konntest weder für die Liebe noch die Ehre jemals lügen, Ned Stark. Ich bin noch jung, und da du nun bei mir bist, wird alles anders werden. Wir machen es zu einer Herrschaft, von der man noch singen wird, und sollen die Lannisters in allen sieben Höllen schmoren. Ich rieche Schinken. Was glaubst du, wer heute unser Meister sein wird? Hast du Mace Tyrells Sohn gesehen? Den Ritter der Blumen nennen sie ihn. Das ist mal ein Sohn, auf den jeder Mann stolz wäre. Beim letzten Turnier, als der dem Königsmörder den goldenen Rumpf geprügelt hat, hättest du Cerseis Gesicht sehen sollen. Ich mußte lachen, bis ich Seitenstechen hatte. Renly sagt, er hätte diese Schwester, eine Jungfer von vierzehn Jahren, lieblich wie der neue Morgen… «

Sie frühstückten schwarzes Brot, gekochte Gänseeier und

Fisch, der mit Zwiebeln und Schinken gebraten war, an einem aufgebockten Tisch am Ufer des Flusses. Die Schwermut des Königs verflog mit dem Morgendunst, und bald schon aß Robert eine Orange, palaverte freudig über einen Morgen auf der Eyrie, als sie noch Jungen gewesen waren.»… hatte uns Jon ein Faß voller Orangen gegeben, weißt du noch? Nur waren die Dinger verdorben, also habe ich meine über den Tisch und Dacks direkt in die Nase geworfen. Weißt du noch, Redforts pockennarbiger Knappe? Er hat dann eine nach mir geworfen, und bevor Jon auch nur furzen konnte, flogen Orangen in allen Richtungen durch die Hohe Halle. «Er lachte donnernd, und selbst Ned lächelte, da er sich erinnerte.

Das war der Junge, mit dem er aufgewachsen war, dachte er. Das war Robert Baratheon, wie er ihn kannte und liebte. Wenn er beweisen konnte, daß die Lannisters hinter dem Mordversuch auf Bran standen, wenn er beweisen konnte, daß sie Jon Arryn ermordet hatten, würde dieser Mann auf ihn hören. Dann würde Cersei stürzen, und der Königsmörder mit ihr, und falls Tywin es wagte, den Westen aufzuwiegeln, würde Robert ihn vernichten, wie er Rhaegar Targaryen am Trident vernichtet hatte. Das alles sah er klar und deutlich.

Dieses Frühstück schmeckte besser als alles, was Eddard Stark seit langer Zeit gegessen hatte, und danach fiel ihm das Lächeln leichter, bis es Zeit wurde, das Turnier wieder aufzunehmen.

Ned ging mit dem König zum Kampfplatz. Er hatte versprochen, sich die entscheidenden Durchgänge mit Sansa anzusehen. Septa Mordane war heute krank, und seine Tochter war entschlossen, sich das Ende des Turniers nicht entgehen zu lassen. Als er Robert zu dessen Platz geleitete, fiel ihm auf, daß Cersei Lannister es vorgezogen hatte, nicht zu erscheinen. Der Platz neben dem König war leer. Auch das gab Ned Grund zur Hoffnung.

Er bahnte sich einen Weg dorthin, wo seine Tochter saß, und fand sie, als die Hörner den ersten Kampf des Tages ankündigten. Sansa war derart versunken, daß sie seine Ankunft kaum bemerkte.

Sandor Clegane war der erste Reiter, der sich zeigte. Er trug einen olivgrünen Umhang über seiner aschgrauen Rüstung. Das und sein Helm in Form eines Bluthundkopfes waren sein einziges Zugeständnis an Verzierungen.

«Einhundert Golddrachen auf den Königsmörder«, verkündete Littlefinger laut, als Jaime Lannister auf den Platz kam, auf einem eleganten, roten Streitroß. Das Pferd trug eine Decke aus vergoldeten Ketten, und Jaime glitzerte von Kopf bis Fuß. Selbst seine Lanze war aus dem goldenen Holz von den Summer Isles gearbeitet.

«Abgemacht«, rief Lord Renly zurück.»Der Bluthund hat heute morgen etwas Hungriges an sich.«

«Selbst hungrige Hunde sind klug genug, nicht die Hand zu beißen, die sie füttert«, rief Littlefinger trocken zurück.

Sandor Clegane klappte sein Visier hörbar herunter und ging in Position. Ser Jaime warf einer Frau aus dem gemeinen Volk eine Kußhand zu, ließ sein Visier sanft herab und ritt zum Ende des Platzes. Beide Männer senkten ihre Lanze.

Ned Stark wäre nichts lieber gewesen, als zu sehen, wie sie beide unterlagen, Sansa hingegen beobachtete alles eifrig und mit feuchten Augen. Die eilig errichtete Empore erbebte, als die Pferde den Galopp aufnahmen. Der Bluthund beugte sich beim Reiten vor, die Lanze starr und unbeweglich, doch Jaime veränderte seine Sitzposition im Augenblick vor dem Aufprall. Cleganes Lanze wurde wirkungslos vom goldenen Schild mit dem Löwenwappen abgelenkt, während seine eigene voll traf. Holz splitterte, und der Bluthund wankte, kämpfte darum, im Sattel zu bleiben. Sansa stöhnte auf. Heiserer Jubel kam vom gemeinen Volk.

«Ich überlege schon, wofür ich Euer Geld ausgebe«, rief

Littlefinger zu Lord Renly hinab.

Der Bluthund hielt sich gerade noch im Sattel. Hart riß er sein Pferd herum und ritt für den zweiten Versuch auf die Bahn zurück. Jaime Lannister warf seine gebrochene Lanze fort und nahm sich eine neue, scherzte dabei mit seinem Knappen. Der Bluthund gab seinem Pferd die Sporen zu hartem Galopp, und Lannister ritt ihm entgegen. Diesmal, als Jaime sich im Sattel drehte, drehte sich Sandor Clegane mit ihm. Beide Lanzen explodierten, und als sich die Splitter gelegt hatten, trabte ein reiterloser Fuchs auf der Suche nach Gras davon, während Ser Jaime Lannister durch den Dreck rollte, golden und verbeult.

Sansa sagte:»Ich wußte, daß der Bluthund siegen würde.«

Littlefinger hörte sie.»Falls Ihr auch wißt, wer den zweiten Kampf gewinnt, sagt es mir schnell, bevor Lord Renly mich noch weiter rupft«, rief er ihr zu. Ned lächelte.

«Schade, daß der Gnom nicht bei uns ist«, sagte Lord Renly.»Da hätte ich schon das Doppelte gewonnen.«

Jaime Lannister stand wieder auf den Beinen, doch sein verzierter Löwenhelm war bei dem Sturz herumgedreht und eingebeult worden, und nun konnte er ihn nicht mehr abnehmen. Das Volk jubelte und deutete auf ihn, die Lords und Ladies versuchten, ihr leises Lachen zu unterdrücken, was ihnen nicht gelang, und über allem hörte Ned das Grölen König Roberts, lauter als alles andere. Schließlich mußte man den Löwen von Lannister zu einem Schmied führen, blind und stolpernd.

Mittlerweile war Ser Gregor Clegane am Ende der Kampfbahn in Stellung gegangen. Er war ein Hüne, der größte Mann, den Eddard Stark je gesehen hatte. Robert Baratheon und seine Brüder waren allesamt große Männer, wie auch der Bluthund, und auf Winterfell gab es einen einfältigen Stalljungen namens Hodor, neben dem sie alle Zwerge waren, doch dieser Ritter, den man den Reitenden Berg nannte, hätte selbst noch Hodor überragt. Er war weit über sieben Fuß groß, fast schon acht, mit mächtigen Schultern und Armen, so dick wie die Stämme kleiner Bäume. Sein Streitroß wirkte unter den gepanzerten Beinen wie ein Pony, und die Lanze, die er trug, sah bei ihm aus wie ein Besenstiel.

Im Gegensatz zu seinem Bruder lebte Ser Gregor nicht bei Hofe. Er war ein Einzelgänger, der sein eigenes Land nur selten verließ, es sei denn für den Krieg oder ein Turnier. Er war bei Lord Tywin, als King's Landing fiel, ein frisch gesalbter Ritter von siebzehn Jahren, selbst damals schon berühmt für seine Größe und seine unnachgiebige Grausamkeit. Manch einer sagte, Gregor sei es gewesen, der den Schädel des kleinen Prinzen Aegon Targaryen an einer Wand zerschmettert habe, und man flüsterte, danach habe er dessen Mutter, die Prinzessin Elia aus Dorne, vergewaltigt, bevor er sie mit seinem Schwert aufspießte. In Gregors Gegenwart schwieg man über diese Dinge.

Ned Stark konnte sich nicht erinnern, jemals mit dem Mann gesprochen zu haben, obwohl Gregor während Balon Greyjoys Rebellion mit ihnen geritten war, ein Ritter unter Tausenden. Er beobachtete ihn voller Sorge. Nur selten gab Ned etwas auf das Gerede, was man jedoch über Ser Gregor sagte, war mehr als bedenklich. Bald sollte er zum dritten Mal heiraten, und man hörte finstere Gerüchte über den Tod seiner ersten beiden Frauen. Es hieß, seine Burg sei ein grausamer Bau, in dem Diener auf unerklärliche Weise verschwanden und selbst die Hunde sich fürchteten, die Halle zu betreten. Und es hatte eine Schwester gegeben, die jung und unter seltsamen Umständen gestorben war, dazu das Feuer, das seinen Bruder entstellt hatte, und der Jagdunfall, der ihren Vater das Leben gekostet hatte. Gregor hatte die Burg geerbt, das Gold und den Besitz der Familie. Sein jüngerer Bruder Sandor war am selben Tag noch fortgegangen, um sich bei den Lannisters als Krieger zu verdingen, und es hieß, er sei nie zurückgekehrt, nicht einmal

für einen Besuch.

Als der Ritter der Blumen auftrat, ging ein Raunen durch die Menge, und Ned hörte Sansa voller Inbrunst flüstern:»Oh, er ist so schön. «Ser Loras Tyrell war schlank wie eine Gerte und trug eine märchenhafte Rüstung aus Silber, die poliert war, daß sie blendete, verziert mit verschlungenen schwarzen Reben und winzigen Vergißmeinnicht. Das Volk bemerkte im selben Augenblick wie Ned, daß das Blau der Blumen von Saphiren herrührte. Ein Stöhnen drang aus tausend Kehlen. Über der Schulter des Jungen hing ein schwerer Umhang. Er war aus Vergißmeinnicht geflochten, echten, Hunderten von frischen Blüten, die zu einem Tuch verwoben waren.

Sein Renner war so schlank wie der Reiter, eine schöne, graue Stute, für Schnelligkeit geschaffen. Ser Gregors riesiger Hengst wieherte, als er sie witterte. Der Junge aus Highgarden ließ sie seine Schenkel spüren, und sein Pferd paradierte seitwärts, behende wie eine Tänzerin. Sansa griff nach Neds Arm.»Vater, laß nicht zu, daß Ser Gregor ihm etwas antut«, bat sie. Wie Ned sah, trug sie die Rose, die Ser Loras ihr tags zuvor geschenkt hatte. Auch davon hatte Jory ihm erzählt.

«Es sind Turnierlanzen«, erklärte er seiner Tochter.»Man baut sie so, daß sie beim Aufprall splittern, damit niemand verletzt wird. «Doch erinnerte er sich an den toten Jungen auf dem Karren, mit dem Umhang voller Halbmonde, und die Worte kamen heiser aus seiner Kehle.

Ser Gregor hatte Schwierigkeiten, sein Pferd unter Kontrolle zu halten. Der Hengst wieherte und stampfte, schüttelte den Kopf. Der Berg trat das Tier heftig mit eisernem Stiefel. Das Pferd bäumte sich auf und warf ihn beinah ab.

Der Ritter der Blumen entbot dem König seinen Gruß, ritt zum gegenüberliegenden Ende der Bahn und hob seine Lanze, zum Kampf bereit. Ser Gregor brachte sein Tier zur Linie, rang mit den Zügeln. Und plötzlich begann es. Der Hengst des

Berges galoppierte schwer, stürmte wild voran, während die Stute angriff. Ser Gregor hob sein Schild in Position, jonglierte mit der Lanze und kämpfte die ganze Zeit herum, sein widerspenstiges Pferd zu bändigen, und plötzlich war Loras Tyrell bei ihm, plazierte seine Lanze genau recht, und einen Augenblick später fiel der Berg. Er war so groß, daß er sein Pferd in einem Knäuel aus Stahl und Fleisch mit sich zu Boden riß.

Ned hörte Applaus, Jubel, Pfiffe, erschrockenes Stöhnen, aufgeregtes Murmeln, und über allem das rauhe, schnarrende Lachen des Bluthundes. Der Ritter der Blumen blieb am Ende des Platzes stehen. Seine Lanze war nicht einmal gebrochen. Seine Saphire blitzten in der Sonne, als er lächelnd sein Visier anhob. Das gemeine Volk war verrückt nach ihm.

Mitten auf dem Feld befreite sich Ser Gregor und kam wütend auf die Beine. Er riß sich seinen Helm vom Kopf und schleuderte ihn zu Boden. Sein Gesicht war finster vor Zorn, und das Haar fiel über seine Augen.»Mein Schwert«, rief er seinem Knappen zu, und der Junge rannte zu ihm herüber. Inzwischen war auch sein Hengst wieder auf den Beinen.

Gregor Clegane schlug das Pferd mit einem einzigen Hieb von solcher Heftigkeit, daß er den Hals des Pferdes halb durchtrennte. Von einem Herzschlag zum nächsten wandelte sich der Jubel zu Geschrei. Der Hengst ging in die Knie, wieherte noch im Sterben. Mittlerweile stampfte Gregor die Bahn hinunter Ser Loras Tyrell entgegen, das blutige Schwert in seiner Faust.»Haltet ihn auf!«rief Ned, doch seine Worte gingen im Tosen unter. Auch alle anderen schrien, und Sansa weinte.

Alles ging so schnell. Der Ritter der Blumen rief nach seinem eigenen Schwert, als Ser Gregor seinen Knappen zur Seite stieß und sich die Zügel des Pferdes griff. Die Stute witterte Blut und scheute. Loras Tyrell blieb im Sattel, wenn auch nur gerade eben. Ser Gregor schwang sein Schwert zu einem wütenden, doppelhändigen Hieb, der den Jungen an der Brust traf und aus dem Sattel schlug. Die Stute schoß entsetzt davon, während Ser Loras benommen im Staub lag. Doch als Gregor mit seinem Schwert zum tödlichen Hieb ausholte, warnte eine heisere Stimme:»Laß ihn leben«, und eine stählerne Hand riß ihn von den Jungen fort.

Mit wortlosem Zorn fuhr der Berg herum, schwang sein Langschwert in todbringendem Bogen mit aller Kraft, doch fing der Bluthund den Hieb ab, und es schien fast eine Ewigkeit zu dauern, in der die beiden Brüder aufeinander einhieben, während man dem benommenen Loras Tyrell in Sicherheit half. Dreimal sah Ned, wie Ser Gregor grimmige Hiebe auf den hundsköpfigen Helm ansetzte, doch kein einziges Mal versuchte Sandor einen Schnitt durch das ungeschützte Gesicht seines Bruders.

Es war die Stimme des Königs, die dem ein Ende machte… des Königs Stimme und zwanzig Schwerter. Jon Arryn hatte sie gelehrt, daß man als Kommandeur auf dem Schlachtfeld eine laute Stimme brauchte, und Robert hatte am Trident bewiesen, wieviel Wahres daran war.»SCHLUSS MIT DEM UNSINN«, donnerte er,»IM NAMEN EURES KÖNIGS!«

Der Bluthund fiel auf ein Knie. Ser Gregors Hieb schnitt durch die Luft, und endlich kam er wieder zu Sinnen. Er ließ sein Schwert sinken und funkelte Robert an, umzingelt von der Königsgarde und einem Dutzend weiterer Ritter und Gardisten. Wortlos wandte er sich ab und stapfte davon, stieß Barristan Selmy beiseite.»Laß ihn gehen«, sagte Robert, und schon war alles vorüber.

«Ist der Bluthund jetzt der Sieger?«fragte Sansa Ned.

«Nein«, erklärte er.»Es wird noch einen letzten Kampf geben, zwischen dem Bluthund und dem Ritter der Blumen.«

Doch sollte Sansa recht behalten. Einige Augenblicke später kam Loras Tyrell wieder auf den Platz, in einem schlichten

Leinenwams, und sprach zu Sandor Clegane:»Ich schulde Euch mein Leben. Der Tag ist Euer, Ser.«

«Ich bin kein Ser«, erwiderte der Bluthund, doch nahm er den Sieg an, ebenso die Siegerbörse und, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, die Liebe des gemeinen Volkes. Sie jubelten ihm zu, als er vom Platz ging, um sich in sein Zelt zurückzuziehen.

Als Ned mit Sansa zum Feld der Bogenschützen ging, schlossen sich Littlefinger, Lord Renly und einige andere ihnen an.»Tyrell muß gewußt haben, daß die Stute rossig war«, vermutete Littlefinger.»Ich wette, daß der Junge die ganze Sache geplant hat. Gregor hatte von jeher eine Vorliebe für große, übellaunige Hengste mit mehr Mut als Verstand. «Die Vorstellung schien ihn zu amüsieren.

Sie amüsierte Ser Barristan Selmy keineswegs.»Es liegt nur wenig Ehre in solchen Tricks«, sagte der alte Mann steif.

«Wenig Ehre und zwanzigtausend Goldstücke«, lächelte Lord Renly.

Am Nachmittag gewann ein Knabe namens Anguy, ein unbekannter Jüngling aus den Dornischen Marschen, das Bogenschießen, indem er auf hundert Schritte besser als Ser Balon Swann und Jalabhar Xho traf, nachdem alle anderen Schützen auf geringeren Distanzen ausgeschieden waren. Ned schickte Alyn, der ihn suchen und ihm eine Stellung in der Garde der Hand anbieten sollte, doch war der Junge so übervoll von Wein und Sieg und nie gekanntem Reichtum, daß er ablehnte.

Der Buhurt dauerte drei Stunden. Fast vierzig Männer nahmen teil, Edelfreie, unbedeutende Ritter und frisch ernannte Knappen, die sich ihren Ruf erwerben wollten. Sie fochten mit stumpfen Waffen in einem Tumult von Schlamm und Blut, kleine Trupps kämpften gemeinsam und wandten sich dann gegeneinander, während sich Bündnisse bildeten und zerbrachen, bis nur noch ein Mann stand. Sieger war der rote Priester Thoros von Myr, ein Wahnsinniger, der sich den Kopf rasiert hatte und mit einem flammenden Schwert kämpfte. Schon früher hatte er Buhurts gewonnen, da das Feuerschwert die Pferde der anderen erschreckte, und Thoros selbst war durch nichts zu schrecken. Am Ende gab es drei gebrochene Gliedmaßen, ein zertrümmertes Schlüsselbein, ein Dutzend gequetschte Finger, zwei Pferde, die eingeschläfert werden mußten, und mehr Schnitte, Stauchungen und Prellungen, als irgendwer zu zählen bereit war. Ned war hoch zufrieden, daß Robert nicht teilgenommen hatte.

Am Abend beim Festmahl war Eddard Stark hoffnungsfroher, als er es seit langer Zeit gewesen war. Robert war bester Laune, die Lannisters nirgendwo zu sehen, und selbst seine Töchter wußten sich zu benehmen. Jory brachte Arya mit, und Sansa sprach mit ihr auf freundliche Weise.»Das Turnier war herrlich«, seufzte sie.»Du hättest kommen sollen. Wie war deine Tanzstunde?«

«Mir tut alles weh«, vermeldete Arya glücklich und führte stolz einen riesigen blauen Fleck am Bein vor.

«Du mußt eine schreckliche Tänzerin sein«, sagte Sansa zweifelnd.

Später, als Sansa fort war, um einer Gruppe von Sängern zu lauschen, welche den komplexen Rundgesang von ineinander verwobenen Balladen mit dem Titel» Drachentanz «aufführten, untersuchte Ned die Prellung selbst.»Ich hoffe, Forel ist nicht allzu hart mit dir«, sagte er.

Arya stand auf einem Bein. Das beherrschte sie in letzter Zeit immer besser.»Syrio sagt, jeder Schmerz sei eine Lektion, und jede Lektion mache einen nur besser.«

Ned runzelte die Stirn. Dieser Syrio Forel war mit einem ausgezeichneten Ruf gekommen, und sein auffälliger Stil aus Braavos entsprach sehr gut Aryas schlanker Klinge, aber dennoch… vor einigen Tagen war sie herumgelaufen und hatte sich die Augen mit einem Fetzen schwarzer Seide verbunden. Syrio lehrte sie, mit den Ohren und der Nase und der Haut zu sehen, wie sie ihm erläuterte. Davor ließ er sie Pirouetten und Rückwärtssalto üben.»Arya, bist du dir sicher, daß du damit weitermachen willst?«

Sie nickte.»Morgen gehen wir Katzen fangen.«

«Katzen. «Ned seufzte.»Vielleicht war es ein Fehler, diesen Braavosi einzustellen. Wenn du möchtest, will ich Jory bitten, deinen Unterricht zu übernehmen. Oder vielleicht spreche ich ein stilles Wort mit Ser Barristan. In seiner Jugend war er der beste Krieger in den Sieben Königslanden.«

«Die will ich nicht«, erwiderte Arya.»Ich will Syrio.«

Ned fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Jeder mittelmäßige Soldat konnte Arya die Grundlagen des Stechens und Hauens vermitteln, und zwar ohne diesen Unsinn mit Augenbinden, Radschlagen und Hüpfen auf einem Bein, doch kannte er seine jüngste Tochter gut genug, um zu wissen, daß mit diesem sturen, hervorspringenden Kinn nicht zu reden war.»Wie du möchtest«, sagte er. Sicher würde sie dessen bald müde sein.»Nur eins: sei vorsichtig.«

«Das will ich«, versprach sie feierlich, während sie mit fließenden Bewegungen von einem Bein aufs andere hüpfte.

Viel später, nachdem er die Mädchen durch die Stadt zurückgeleitet und beide sicher ins Bett gebracht hatte, Sansa mit ihren Träumen und Arya mit ihren blauen Flecken, stieg Ned zu seinen eigenen Gemächern oben im Turm der Hand hinauf. Der Tag war warm gewesen, und im Zimmer war es stickig. Ned trat ans Fenster und öffnete die schweren Läden, um die kühle Nachtluft einzulassen. Auf der anderen Seite des Großen Hofes fiel ihm der flackernde Schein von Kerzenlicht in Littlefingers Fenster auf. Es war schon weit nach Mitternacht. Unten am Fluß klangen die Festlichkeiten und der

Lärm erst langsam aus.

Er nahm den Dolch hervor und betrachtete ihn. Littlefingers Klinge, von Tyrion Lannister bei einer Turnierwette gewonnen, ausgesandt, um Bran im Schlaf zu töten. Warum? Warum sollte sich der Zwerg Brans Tod wünschen? Warum sollte sich irgendwer Brans Tod wünschen?

Der Dolch, Brans Sturz, das alles war irgendwie mit dem Mord Jon Arryn verbunden, das fühlte er in seiner Magengrube, doch die Wahrheit über Jons Tod war ihm noch ebenso schleierhaft wie zu Beginn seiner Nachforschungen. Lord Stannis war nicht zum Turnier nach King's Landing zurückgekehrt. Lysa Arryn schwieg hinter den hohen Mauern der Eyrie. Der Knappe war tot, und Jory suchte nach wie vor die Hurenhäuser ab. Was hatte er — abgesehen vom Bastard des Königs — denn schon in der Hand?

Daß der mürrische Lehrling des Waffenschmieds ein Sohn des Königs war, daran zweifelte Ned nicht. Das Aussehen der Baratheons war ihm ins Gesicht gestanzt, sein Kinn, seine Augen, das schwarze Haar. Renly war zu jung, um einen Sohn in diesem Alter zu haben, Stannis zu kalt und zu stolz auf seine Ehrbarkeit. Gendry mußte Roberts Sohn sein.

Doch da er das alles wußte, was sagte es ihm? Der König hatte noch andere Kinder von niedriger Geburt, überall in den Sieben Königslanden. Einen seiner Bastarde hatte er öffentlich anerkannt, einen Jungen in Brans Alter, dessen Mutter von edler Geburt war. Der Knabe war bei Lord Renlys Kastellan in Storm's End in Obhut.

Auch an Roberts erstes Kind erinnerte sich Ned, eine Tochter, die im Grünen Tal geboren wurde, als Robert selbst kaum mehr als ein kleiner Junge war. Ein süßes Mädchen, in das der junge Lord von Storm's End sich vernarrt hatte. Einst stattete er dem Mädchen täglich seinen Besuch ab, lange noch nachdem er das Interesse an der Mutter verloren hatte. Oft wurde Ned zur Gesellschaft mitgeschleift, ob er nun wollte oder nicht. Das Mädchen mußte inzwischen siebzehn oder achtzehn sein, älter als Robert, als der sie gezeugt hatte. Ein seltsamer Gedanke.

Cersei war von den unehelichen Kindern ihres Mannes sicher nicht eben begeistert, doch am Ende machte es nur wenig, ob der König einen Bastard oder hundert hatte. Gesetz und Sitte gaben denen von niedriger Geburt nur wenig Rechte. Gendry, das Mädchen aus dem Grünen Tal, der Junge in Storm's End, keiner konnte Roberts ehelichen Kindern eine Bedrohung sein..

Seine Überlegungen endeten mit einem leisen Klopfen an der Tür.»Ein Mann will Euch sprechen, Mylord«, rief Harwin.»Er will seinen Namen nicht nennen.«

«Schickt ihn herein«, antwortete Ned überrascht.

Der Besucher war ein untersetzter Mann mit rissigen, schlammverklebten Stiefeln und einem braunen Umhang von gröbstem Tuch, sein Gesicht war von einer Kapuze verborgen, die Hände in bauschigen Ärmeln zurückgezogen.

«Wer seid Ihr?«fragte Ned.

«Ein Freund«, sagte der Kapuzenmann mit eigentümlicher, leiser Stimme.»Wir müssen unter vier Augen sprechen, Lord Stark.«

Neugier war stärker als Vorsicht.»Harwin, geht bitte«, befahl er. Erst als sie hinter verschlossener Tür allein waren, schob der Besucher seine Kapuze zurück.

«Lord Varys?«sagte Ned erstaunt.

«Lord Stark«, sagte Varys höflich und setzte sich.»Ob ich Euch wohl um einen Trunk bitten dürfte?«

Ned schenkte zwei Becher voll Sommerwein und reichte einen davon Varys.»Ich hätte einen Schritt neben Euch gehen können und hätte Euch doch nicht erkannt«, sagte er ungläubig.

Nie zuvor hatte er den Eunuchen in anderer Kleidung als Seide und Samt und prunkvollstem Damast gesehen, und dieser Mann roch nach Schweiß an Stelle von Veilchen.

«Das hatte ich inständig gehofft«, sagte Varys.»Es wäre nicht gut, wenn gewisse Leute erführen, daß wir miteinander gesprochen haben. Die Königin beobachtet Euch aufmerksam. Dieser Wein ist erlesen. Seid bedankt.«

«Wie seid Ihr am Rest meiner Garde vorbeigekommen?«fragte Ned. Porther und Cayn standen draußen vor dem Turm und Alyn auf der Treppe.

«Der Red Keep war stets nur den Geistern und Spinnen bekannt. «Varys lächelte entschuldigend.»Ich werde Euch nicht lange aufhalten, Mylord. Es gibt Dinge, die Ihr wissen solltet. Ihr seid die Rechte Hand des Königs, und der König ist ein Narr. «Das Unangenehme in der Stimme des Eunuchen war fort. Jetzt war seine Stimme dünn und scharf wie eine Peitsche.»Euer Freund, ich weiß, und dennoch ein Narr… und dem Untergang geweiht, wenn Ihr ihn nicht rettet. Heute war er nah dran. Sie hatten gehofft, ihn im Handgemenge töten zu können.«

Einen Moment lang war Ned sprachlos vor Schreck.»Wer?«Varys nippte an seinem Wein.»Wenn ich es Euch wirklich sagen muß, dann seid Ihr ein noch größerer Narr als Robert, und ich stehe auf der falschen Seite.«

«Die Lannisters«, sagte Ned.»Die Königin… nein, das will ich nicht glauben, nicht einmal von Cersei. Sie hat ihn gebeten, nicht zu kämpfen!«

«Sie hat ihm verboten zu kämpfen, vor seinem Bruder, seinen Rittern und dem halben Hof. Sagt ehrlich, wüßtet Ihr eine bessere Möglichkeit, Robert zum Handgemenge zu bewegen? Ich frage Euch.«

Ned wurde flau im Magen. Der Eunuch hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sag Robert, er kann nicht, soll nicht oder darf etwas nicht tun, und es ist so gut wie getan.»Selbst wenn er gekämpft hätte… wer würde es wagen, den König zu schlagen?«

Varys zuckte mit den Schultern.»Vierzig Reiter waren im Handgemenge. Die Lannisters haben viele Freunde. Inmitten dieses Durcheinanders von wiehernden Pferden und splitternden Knochen und Thoros von Myr, der sein albernes Feuerschwert schwingt, wer wollte es da Mord nennen, wenn ein Hieb Seine Majestät zufällig töten würde?«Er ging zum Weinkrug und schenkte sich nach.»Wenn es geschehen wäre, würde sich der Mörder neben ihn hocken und trauern. Fast kann ich ihn weinen hören. Wie traurig. Doch ohne jeden Zweifel würde die hochherzige und mitfühlende Witwe Mitleid zeigen, den armen Unglückseligen auf die Beine heben und ihm einen sanften Kuß der Vergebung auf die Wange hauchen. Der Gute König Joffrey hätte keine andere Wahl, als ihn zu begnadigen. «Der Eunuch strich mit der Hand über seine Wange.»Oder vielleicht würde Cersei ihm den Kopf von Ser Ilyn abschlagen lassen. So wäre für die Lannisters das Risiko geringer, wenn auch eine unangenehme Überraschung für ihren kleinen Freund.«

Ned spürte, wie Wut in ihm aufstieg.»Ihr wußtet von dieser Verschwörung, und doch habt Ihr nichts getan.«

«Ich befehlige Ohrenbläser, keine Krieger.«

«Ihr hättet früher zu mir kommen können.«

«Oh, ja, ich gestehe. Und Ihr wäret auf direktem Wege zum König gelaufen, ja? Und wenn Robert von der Gefahr erfahren hätte, was hätte er dann getan? Das frage ich mich.«

Ned dachte darüber nach.»Er hätte sie allesamt zum Teufel gewünscht und dennoch gekämpft, um zu zeigen, daß er sich nicht fürchtet.«

Varys breitete die Arme aus.»Ich werde Euch ein weiteres Geständnis machen, Lord Eddard. Ich war neugierig zu sehen, was Ihr tun würdet. Warum seid Ihr nicht zu mir gekommen? fragt Ihr, und ich muß antworten: Weil ich Euch nicht vertraut habe, Mylord.«

«Ihr habt mir nicht vertraut?«Ned war nun erst recht erstaunt.

«Im Red Keep leben zwei Sorten von Menschen, Lord Eddard«, erklärte Varys.»Jene, die dem Reich gegenüber loyal sind, und jene, die nur sich selbst gegenüber Loyalität empfinden. Bis zum heutigen Morgen konnte ich nicht sagen, was Ihr wäret… also habe ich gewartet… und nun weiß ich es ganz sicher. «Er lächelte ein unverblümtes, schmales, kleines Lächeln, und einen Moment lang waren sein privates Gesicht und seine öffentliche Maske eins.»Langsam verstehe ich, warum die Königin Euch so fürchtet. Oh ja, ich verstehe es.«

«Ihr seid es, den sie fürchten sollte«, sagte Ned.

«Nein. Ich bin, was ich bin. Der König nutzt meine Dienste, doch schämt er sich dessen. Ein wirklich machtvoller Krieger ist unser Robert, und ein derart mannhafter Mann empfindet nur wenig Liebe für Leisetreter und Spione und Eunuchen. Sollte der Tag kommen, an dem Cersei flüstert: >Töte diesen Mann<, schneidet mir Ilyn Payne im Handumdrehen den Kopf ab, und wer wird schon um den armen Varys trauern? Weder im Norden noch im Süden singt man den Spinnen Lieder. «Er berührte Ned mit seiner weichen Hand.»Doch Ihr, Lord Stark… ich glaube…nein, ich weiß… Euch würde er nicht töten, nicht einmal für seine Königin, und darin könnte unsere Rettung liegen.«

Das alles war zuviel. Einen Moment lang wünschte sich Eddard Stark nichts so sehr wie eine baldige Rückkehr nach Winterfell, in den schlichten Norden, wo der Feind der Winter war und die Wildlinge jenseits der Mauer blieben.»Sicher hat Robert noch andere loyale Freunde«, wandte er ein.»Seine Brüder, seine…«

«… Frau?«beendete Varys die Frage mit schneidendem Lächeln.»Seine Brüder hassen die Lannisters, das stimmt, doch ist es nicht ganz dasselbe, die Königin zu hassen und den König zu lieben, nicht wahr? Ser Barristan liebt seine Ehre, Grand Maester Pycelle liebt sein Amt, und Littlefinger liebt Littlefinger.«

«Die Königsgarde… «

«Ein papierner Schild«, sagte der Eunuch.»Versucht, nicht so erschrocken auszusehen, Lord Stark. Jaime Lannister ist selbst ein Waffenbruder der Weißen Schwerter, und wir wissen alle, was sein Eid wert ist. Die Zeiten, in denen Männer wie Ryam Redwyne und Prinz Aemon, der Drachenritter, den weißen Umhang trugen, sind zu Staub und Liedern geworden, nur noch Ser Barristan Selmy ist aus echtem Stahl gemacht, und Selmy ist alt. Ser Boros und Ser Meryn sind bis ins Mark Kreaturen der Königin, und den anderen gegenüber hege ich tiefes Mißtrauen. Nein, Mylord, wenn die Schwerter im Ernst gezogen werden, seid Ihr der einzig wahre Freund, den Robert Baratheon noch hat.«

«Man muß es Robert sagen«, meinte Ned.»Falls, was Ihr sagt, der Wahrheit entspricht, muß der König selbst es hören.«

«Und welchen Beweis könnten wir ihm liefern? Mein Wort gegen das der anderen? Meine kleinen Vögel gegen die Königin und den Königsmörder, gegen seine Brüder und seinen Rat, gegen die Wächter des Ostens und Westens, gegen die Macht von Casterly Rock? Seid so gut und laßt Ser Ilyn lieber gleich rufen, das spart uns viel Zeit. Ich weiß, wo diese Straße endet.«

«Doch wenn das, was Ihr sagt, wahr ist, werden sie nur den rechten Augenblick abwarten und den nächsten Versuch wagen.«

«Das werden sie allerdings«, sagte Varys,»und eher früher als später, wie ich fürchte. Ihr macht denen große Angst, Lord

Eddard. Doch meine kleinen Vögel werden lauschen, und gemeinsam könnten wir ihnen zuvorkommen, Ihr und ich. «Er erhob sich und setzte seine Kapuze auf, daß sein Gesicht erneut verborgen war.»Danke für den Wein. Wir sprechen später weiter. Wenn Ihr mich beim nächsten Mal im Rat seht, achtet darauf, daß Ihr mich mit Eurer üblichen Verachtung straft. Das sollte Euch nicht schwerfallen.«

Er war schon an der Tür, als Ned rief:»Varys. «Der Eunuch drehte sich um.»Woran ist Jon Arryn gestorben?«

«Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr wohl darauf kommen würdet.«

«Sagt es mir.«

«Die Tränen von Lys, so nennt man es. Eine seltene und kostspielige Sache, klar und süß wie Wasser, und es hinterläßt keinerlei Spuren. Ich habe Jon Arryn bekniet, einen Vorkoster zu benutzen, in eben diesem Zimmer habe ich ihn bekniet, doch davon wollte er nichts hören. Nur jemand, der kein echter Mann sei, würde so etwas auch nur in Erwägung ziehen, erklärte er.«

Ned mußte auch den Rest wissen.»Wer hat ihm das Gift verabreicht?«

«Zweifellos ein guter, lieber Freund, der oft Met und Speisen mit ihm teilte. Oh, aber welcher? Davon gibt es so viele. Lord Arryn war ein herzlicher, vertrauensvoller Mann. «Der Eunuch seufzte.»Da war ein Junge. Alles, was er war, verdankte er Jon Arryn, doch als die Witwe mit ihrem Haushalt auf die Eyrie floh, blieb er in King's Landing und gedieh. Stets freut es mein Herz, wenn ich sehe, daß die Jungen in der Welt zu Ehren kommen. «Der schneidende Unterton war wieder in seiner Stimme, jedes Wort ein Hieb.»Er muß im Turnier eine stattliche Figur abgegeben haben, mit seiner schimmernden, neuen Rüstung und diesen Halbmonden auf seinem Umhang. Schade, daß er so frühzeitig sterben mußte, bevor Ihr mit ihm sprechen konntet… «

Ned fühlte sich selbst schon halb vergiftet.»Der Knappe«, sagte er» Ser Hugh. «Rädchen im Rädchen im Rädchen. In Neds Kopf hämmerte es.»Warum? Warum jetzt? Seit vierzehn Jahren war Jon Arryn die Rechte Hand. Was hat er getan, daß man ihn vergiften mußte?«

«Er hat Fragen gestellt«, erwiderte Varys und schob sich zur Tür hinaus.

Tyrion

Während er kurz vor dem Morgengrauen dort in der Kälte stand und sah, wie Chiggen sein Pferd schlachtete, dachte Tyrion Lannister an die Schuld, die er eines Tages bei den Starks einklagen würde. Dampf stieg aus dem Inneren des Kadavers auf, als der stämmige Söldner den Bauch mit seinem Messer öffnete. Er arbeitete mit flinken Händen, vergeudete keinen Schnitt. Die Arbeit mußte schnell getan sein, bevor der Blutgestank die Schattenkatzen aus den Bergen lockte.

«Heute abend muß keiner von uns hungern«, sagte Bronn. Er war selbst fast nur ein Schatten, knochendürr und knochenhart, mit schwarzen Augen und schwarzem Haar und einem Stoppelbart.

«Ein paar von uns vielleicht doch«, erklärte Tyrion.»Ich esse nicht gern Pferdefleisch. Besonders nicht von meinem Pferd.«

«Fleisch ist Fleisch«, sagte Bronn achselzuckend.»Die Dothraki mögen Pferd lieber als Rind oder Schwein.«

«Haltet Ihr mich für einen Dothraki?«fragte Tyrion mürrisch. Die Dothraki aßen Pferde, das stimmte. Außerdem überließen sie mißgebildete Kinder den wilden Hunden, die ihren khalasars folgten. Für die Sitten der Dothraki konnte er sich nicht eben begeistern.

Chiggen schnitt einen schmalen Streifen blutigen Fleisches von dem Kadaver und hielt ihn prüfend in die Luft.»Willst du kosten, Zwerg?«

«Mein Bruder Jaime hat mir die Stute zu meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag geschenkt«, erwiderte Tyrion mit ausdrucksloser Stimme.

«Dann danke ihm in unser aller Namen. Falls du ihn je wiedersiehst. «Chiggen grinste, zeigte seine gelben Zähne und schluckte das rohe Fleisch mit zwei Bissen. «Schmeckt reinrassig.«

«Besser noch, wenn man es mit Zwiebeln brät«, warf Bronn ein.

Wortlos hinkte Tyrion davon. Die Kälte saß ihm tief in den Knochen, und seine Beine waren so wund, daß er kaum laufen konnte. Vielleicht hatte seine tote Stute im Grunde Glück. Er hatte noch Stunden zu reiten, worauf es einige Mundvoll Essen und einen kurzen Schlaf auf hartem, kaltem Boden gäbe, und dann noch eine ebensolche Nacht, und noch eine und noch eine, und allein die Götter wußten, wie es enden sollte.»Verdammt soll sie sein«, murmelte er, während er sich die Straße hinaufschleppte, um sich seinen Häschern anzuschließen, als ihm alles wieder einfiel,»verdammt soll sie sein, und alle Starks dazu.«

Die Erinnerung war schmerzlich. In einem Moment hatte er noch Abendbrot bestellt, und einen Augenblick später sah er sich einem ganzen Raum voll bewaffneter Männer gegenüber, wobei Jyck nach seinem Schwert griff und die fette Wirtin kreischte:»Keine Schwerter, nicht hier, bitte, M'lords!«

Eilig riß Tyrion Jycks Arm herunter, bevor sie beide seinetwegen in Stücke gehackt wurden.»Wo sind deine Manieren, Jyck? Unsere gute Wirtin sagte, keine Schwerter. Tu, worum sie dich bittet. «Er zwang sich zu lächeln, doch mußte es so übertrieben gewirkt haben, wie es sich anfühlte.»Ihr macht einen Fehler, Lady Stark. Mit dem Mordversuch an Eurem Sohn hatte ich nichts zu tun. Bei meiner Ehre…«

«Die Ehre eines Lannisters«, war alles, was sie sagte. Sie hielt ihre Hände hoch, damit alle im Raum sie sehen konnten.»Sein Dolch hat diese Narben hinterlassen. Das Messer, das er gesandt hat, damit es meinem Sohn die Kehle durchschneidet.«

Tyrion spürte den Zorn um sich herum, dicht und rauchig, gefüttert von den tiefen Schnitten in den Händen dieser Stark.»Tötet ihn«, zischte eine betrunkene Hure von weiter hinten, und andere Stimmen nahmen die Forderung auf, schneller, als er es für möglich gehalten hätte. Allesamt Fremde, deren Gerede eben eigentlich noch wohlgesonnen war, und schon wollten sie Blut sehen, wie Hunde auf der Jagd.

Tyrion sprach mit lauter Stimme, versuchte, das Beben seiner Stimme zu unterdrücken.»Wenn Lady Stark glaubt, ich hätte mich eines Verbrechens zu verantworten, werde ich mit ihr gehen und Rede und Antwort stehen.«

Es war die einzige Möglichkeit. Ein Versuch, sich den Weg aus dieser Sache freizuhauen, war eine sichere Einladung in ein frühes Grab. Ein gutes Dutzend Krieger hatten auf die Bitte der Stark um Hilfe reagiert: die Männer von Harrenhai, die drei Brackens, ein paar unangenehme Söldner, die aussahen, als wollten sie ihn töten, sobald er auch nur ausspuckte, und einige einfältige Landarbeiter, die zweifelsohne keine Ahnung hatten, worauf sie sich einließen. Was hatte Tyrion Lannister dagegen aufzubieten? Einen Dolch in seinem Gürtel und zwei Mann. Jyck schwang sein Schwert ganz ordentlich, doch Morrec zählte kaum. Er war teils Stallbursche, teils Koch, teils Kammerdiener und keineswegs Soldat. Was Yoren anging, wie auch immer seine Empfindungen sein mochten, so hatten die schwarzen Brüder den Eid abgelegt, sich an keinem Streit im Reiche zu beteiligen. Yoren würde gar nichts tun.

Und tatsächlich trat der schwarze Bruder schweigend beiseite, als der alte Ritter an Catelyn Starks Seite sagte:»Nehmt ihre Waffen«, und der Söldner Bronn trat vor, um das Schwert aus Jycks Händen zu winden und sie alle um ihre Dolche zu erleichtern.»Gut«, sagte der alte Mann, als die Spannung im Schankraum spürbar nachließ,»ausgezeichnet. «Tyrion erkannte die rauhe Stimme. Winterfells Waffenmeister mit rasiertem Backenbart.

Rotgefärbte Spucke flog aus dem Mund der dicken Wirtin,

als sie Catelyn Stark anflehte:»Tötet ihn nicht hier drinnen!«

«Tötet ihn nirgendwo«, drängte Tyrion.

«Bringt ihn an einen anderen Ort, kein Blut hier drinnen, M'lady, ich will hier keinen Streit von hohen Herren.«

«Wir bringen ihn nach Winterfell zurück«, sagte sie, und Tyrion dachte: Nun, vielleicht… Inzwischen hatte er einen Augenblick Zeit gehabt, einen Blick in die Runde zu werfen und sich einen besseren Überblick über die Lage zu verschaffen. Er war nicht gänzlich unglücklich über das, was er sah. Oh, diese Stark war schlau gewesen, daran konnte kein Zweifel bestehen. Die Männer zu zwingen, öffentlich den Eid zu bestätigen, welchen die Lords, denen sie dienten, ihrem Vater geleistet hatten, und sie um Beistand zu ersuchen, und sie war eine Frau, ja, das war hübsch. Doch war ihr Erfolg damit nicht so vollkommen, wie es ihr vielleicht lieb gewesen wäre. Etwa fünfzig Gäste waren seiner groben Schätzung nach im Schankraum. Catelyn Starks Bitte hatte kaum ein Dutzend aufgebracht. Die anderen sahen verwirrt aus, oder ängstlich oder verdrossen. Nur zwei der Freys hatten sich gerührt, wie Tyrion aufgefallen war, und die hatten sich schnell wieder gesetzt, als ihr Hauptmann sich nicht rührte. Er hätte gelächelt, wenn ihm nicht der Mut dazu gefehlt hätte.

«Dann also Winterfell«, sagte er statt dessen. Es war ein langer Ritt, wie er bereits wußte, nachdem er gerade erst von dort gekommen war. So manches konnte auf dem Weg geschehen.»Mein Vater wird sich fragen, was aus mir geworden ist«, fügte er hinzu und fing den Blick des Ritters auf, der angeboten hatte, sein Zimmer zu räumen.»Er wird jedem eine erkleckliche Belohnung zahlen, der ihm berichtet, was heute hier geschehen ist. «Natürlich würde Lord Tywin nichts dergleichen tun, doch Tyrion wollte es dann wiedergutmachen, sobald er frei wäre.

Ser Rodrik warf einen Blick auf seine Herrin, besorgt, wie es der Lage angemessen war.»Seine Männer kommen mit«, erklärte der alte Ritter.»Und wir danken Euch allen, wenn Ihr Schweigen über das bewahrt, was Ihr hier gesehen habt.«

Tyrion konnte sein Lachen gerade noch herunterschlucken. Schweigen? Der alte Narr. Wenn er nicht das ganze Wirtshaus mitnahm, würde sich die Nachricht im selben Moment ausbreiten, in dem sie fort waren. Wie ein Pfeil würde der freie Ritter mit der Goldmünze in der Tasche nach Casterly Rock fliegen. Wenn nicht er, dann ein anderer. Yoren würde die Geschichte gen Süden tragen. Der einfältige Sänger würde ein Lied daraus machen. Die Freys würden es ihrem Herrn melden, und allein die Götter wußten, was er tun würde. Lord Walder Frey mochte eidlich an Riverrun gebunden sein, doch war er ein vorsichtiger Mann, der schon lange lebte, indem er stets dafür sorgte, daß er auf der Siegerseite stand. Zumindest würde er seine Vögel gen Süden nach King's Landing schicken, doch vielleicht wagte er auch weit mehr.

Catelyn Stark verschenkte keine Zeit.»Wir müssen sofort aufbrechen. Wir werden frische Pferde brauchen, und Proviant für unterwegs. Ihr Männer, seid versichert, daß Euch der ewige Dank des Hauses Stark gewiß ist. Sollte sich einer von Euch dazu entschließen, uns bei der Bewachung unserer Gefangenen zu helfen und sie sicher nach Winterfell zu bringen, so verspreche ich ihm eine ordentliche Belohnung. «Mehr war nicht nötig. Die Narren stürmten vor. Tyrion sah sich ihre Gesichter an. Ganz sicher sollten sie ihren Lohn bekommen, das schwor er sich, wenn auch vielleicht nicht ganz so, wie sie es sich vorstellten.

Doch selbst noch, als man ihn nach draußen schaffte, die Pferde im Regen sattelte und seine Hände mit einem Stück Seil fesselte, verspürte Tyrion Lannister eigentlich noch keine Furcht. Sie würden ihn niemals bis nach Winterfell bringen, darauf wollte er wetten. Nach einem Tag schon wären ihnen Reiter auf den Fersen, Vögel würden sich in die Lüfte schwingen, und sicher würde sich einer der Flußlords bei seinem Vater lieb Kind machen wollen und zur Hilfe eilen. Tyrion gratulierte sich eben zu seiner Scharfsinnigkeit, als ihm jemand eine Kapuze über die Augen zog und ihn in einen Sattel hob.

Im scharfen Galopp ging es durch den Regen, und es dauerte nicht lange, bis Tyrion Krämpfe in den Oberschenkeln bekam und sein Hinterteil vor Schmerzen brannte. Selbst nachdem sie das Wirtshaus weit hinter sich gelassen hatten und Catelyn Stark einen raschen Trab angeschlagen hatte, war es eine elende, unbequeme Reise über unebene Erde, was durch seine Blindheit noch verschlimmert wurde. Jedes Schwanken, jede Biegung drohte ihn vom Pferd zu werfen. Die Kapuze dämpfte die Geräusche, so daß er nicht verstehen konnte, was man um ihn herum sprach, und der Regen durchweichte den Stoff, der an seinem Gesicht klebte, bis selbst das Atmen zum Kampf wurde. Das Seil scheuerte seine Handgelenke wund und schien im Verlauf der Nacht immer enger zu werden. Gerade will ich mich mit gebratenem Geflügel an ein warmes Feuer setzen, da muß dieser jämmerliche Sänger den Mund aufmachen, dachte er traurig. Der jämmerliche Sänger war mit ihnen gekommen.»Daraus läßt sich ein großartiges Lied machen, und ich werde es sein, der es tut«, hatte er Catelyn Stark erklärt, als er seine Absicht verkündete, mit ihnen zu reiten, um zu sehen, wie das» glorreiche Abenteuer «ausginge. Tyrion fragte sich, ob der Junge das Abenteuer noch immer so» glorreich «fände, wenn die Reiter der Lannisters sie erst eingeholt hatten.

Schließlich nahm der Regen ein Ende, und das Licht des frühen Morgens sickerte durch den nassen Stoff über seinen Augen, als Catelyn Stark den Befehl zum Absteigen gab. Grobe Hände zogen ihn von seinem Pferd, befreiten seine Handgelenke und rissen ihm die Kapuze vom Kopf. Als er die schmale, steinige Straße sah, das Vorgebirge, das hoch und wild um sie aufragte, und die zerklüfteten, schneebedeckten

Gipfel am fernen Horizont, verließ ihn alle Hoffnung noch im selben Augenblick.»Das ist die Bergstraße«, stöhnte er und sah Lady Stark vorwurfsvoll an.»Die östliche Straße. Ihr sagtet, Ihr wolltet nach Winterfell!«

Catelyn Stark schenkte ihm den Anflug eines Lächelns.»Oft und laut«, gab sie ihm recht.»Zweifellos werden Eure Freunde dorthin reiten, wenn sie uns verfolgen. Ich wünsche ihnen eine gute Reise.«

Noch lange, lange Tage danach erfüllte ihn die Erinnerung mit bitterem Zorn. Sein Leben lang hatte sich Tyrion seiner Gerissenheit gerühmt, der einzigen Gabe, welche die Götter ihm gegeben hatten, und doch hatte diese siebenmal verdammte Wölfin Catelyn Stark ihn in jeder Hinsicht übertölpelt. Diese Erkenntnis war ihm ein größeres Ärgernis als der bloße Umstand seiner Entführung.

Sie machten nur so lange halt, wie es nötig war, die Pferde zu füttern und zu tränken, und schon waren sie wieder unterwegs. Diesmal ersparte man Tyrion die Kapuze. Nach der zweiten Nacht fesselten sie auch seine Hände nicht mehr, und als sie das Hochland erreicht hatten, machten sie sich kaum noch die Mühe, ihn überhaupt zu bewachen. Es schien, als fürchteten sie seine Flucht nicht. Und wieso sollten sie auch? Hier oben war das Land rauh und wild, und die kleine Bergstraße war kaum mehr als ein steiniger Pfad. Falls er fortliefe, wie weit konnte er kommen, allein und ohne Proviant? Den Schattenkatzen wäre er ein Leckerbissen, und die Stämme, die in den Bergfestungen wohnten, waren Räuber und Mörder, die sich nur dem Gesetz des Schwertes unterwarfen.

Und dennoch trieb diese Stark sie gnadenlos an. Er wußte, welches Ziel sie hatte. Es war im selben Augenblick klargeworden, als man ihm die Kapuze vom Kopf zog. Diese Berge waren das Reich des Hauses Arryn, und die Witwe der verstorbenen Rechten Hand war eine Tully, Catelyn Starks

Schwester… und keine Freundin der Lannisters. Tyrion hatte die Lady Lysa während ihrer Jahre in King's Landing flüchtig kennengelernt und sah der Erneuerung dieser Bekanntschaft nicht eben freudig entgegen.

Seine Häscher drängten sich um einen Bach, ein kurzes Stück die Straße hinauf. Die Pferde hatten ihren Durst mit eisig kaltem Wasser gelöscht und kauten an braunen Grasbüscheln herum, die aus Felsspalten wuchsen. Jyck und Morrec kauerten beieinander, kläglich und trübsinnig. Mohor ragte über ihnen auf, stützte sich auf seinen Speer und trug eine runde Eisenhaube, mit der er aussah, als hätte er eine Schüssel auf dem Kopf. Nicht weit davon saß Marillion, der Sänger, ölte seine Holzharfe und klagte darüber, was die Feuchtigkeit seinen Saiten antat.

«Wir brauchten eine Rast«, sagte der unbedeutende Ritter Ser Willis Wode gerade zu Catelyn Stark, als Tyrion sich ihnen näherte. Er war einer von Lady Whents Mannen, halsstarrig und unerschütterlich, und der erste, der sich im Wirtshaus erhoben hatte, um Catelyn Stark beizustehen.

«Ser Willis spricht Wahres aus, Mylady«, sagte Ser Rodrik.»Das ist schon das dritte Pferd, das wir verloren haben…«

«Wir werden mehr als nur Pferde verlieren, wenn uns die Lannisters einholen«, erinnerte sie ihn. Ihr Gesicht war vom scharfen Wind gerötet und ausgezehrt, doch hatte es nichts von seiner Entschlossenheit eingebüßt.

«Die Chancen dafür stehen schlecht«, warf Tyrion ein.

«Die Lady hat dich nicht nach deiner Meinung gefragt«, fuhr Kurleket ihn an, ein großer, dicker Esel mit kurzgeschorenem Haar und einem Schweinsgesicht. Er gehörte zu den Brackens und stand im Dienste von Lord Jonos. Tyrion hatte sich besondere Mühe gegeben, sich alle Namen einzuprägen, damit er ihnen später für ihre zartfühlende Behandlung danken konnte Ein Lannister beglich stets seine Rechnungen. Das würde Kurleket eines Tages erfahren, wie auch seine Freunde Lharys und Mohor, und der gute Ser Willis und die Söldner Bronn und Chiggen. Eine besonders harsche Lektion plante er für Marillion jenen mit der Holzharfe und dem lieblichen Tenor, der sich so mannhaft mühte, Gnom auf Hohn und Flötenton zu reimen damit er ein Lied über seine Entrüstung schreiben konnte.

«Laßt ihn sprechen«, befahl Lady Stark.

Tyrion Lannister setzte sich auf einen Stein.»Mittlerweih dürften unsere Verfolger über den Neck jagen und Eurer Lüge über die Kingsroad nachhetzen… vorausgesetzt, es gibt Verfolger, was keineswegs sicher ist. Oh, zweifellos hat die Nachricht meinen Vater erreicht… doch liebt mein Vater mich nicht über alle Maßen, und ich bin mir nicht sicher, ob er sich überhaupt rühren wird. «Es war nur eine halbe Lüge. Lord Tywin Lannister kümmerte sich keinen Deut um seinen verkrüppelten Sohn, doch ließ er keine Kränkung der Ehre seiner Familie zu.»Dies ist ein grausames Land, Lady Stark. Beistand werdet Ihr erst finden wenn Ihr das Grüne Tal erreicht, und jedes Pferd, das Ihr verliert erschwert die Last der anderen um so mehr. Schlimmer noch, Ihr geht das Risiko ein, mich zu verlieren. Ich bin klein und nicht stark, und wenn ich sterbe, welchen Sinn ergibt das alles dann?«Das war absolut keine Lüge. Tyrion wußte nicht, wie lange er diese Geschwindigkeit noch durchhalten konnte.

«Man könnte sagen, daß Euer Tod der Sinn ist, Lannister«, erwiderte Catelyn Stark.

«Ich glaube nicht«, sagte Tyrion.»Wenn Ihr meinen Tod wünschtet, hättet Ihr nur ein Wort sagen müssen, und einer Eurer standhaften Freunde hier hätte mir gern sein rotes Lächeln gewidmet. «Er sah Kurleket an, doch war der Mann zu schwer von Begriff, um den Spott zu verstehen.

«Die Starks ermorden Männer nicht in ihren Betten.«»Ebensowenig wie ich«, sagte er.»Ich sage es Euch noch einmal: Ich hatte mit dem Mordversuch an Eurem Sohn nichts zu tun.«

«Der Attentäter war mit Eurem Dolch bewaffnet. «Tyrion fühlte, wie Hitze in ihm aufstieg.»Es war nicht mein Dolch«, beharrte er.»Wie oft muß ich es noch beschwören? Lady Stark, was immer Ihr von mir halten mögt… ich bin kein dummer Mensch. Nur ein Narr würde einem gemeinen Wegelagerer seinen eigenen Dolch geben.«

Einen Moment nur glaubte er, den Anflug eines Zweifels in ihren Augen zu erkennen, doch was sie sagte, war:»Warum sollte Petyr mich belügen?«

«Warum scheißt ein Bär in die Wälder?«rief er.»Weil es seine Art ist. Das Lügen fällt einem Mann wie Littlefinger so leicht wie das Atmen. Ihr solltet es doch wissen, Ihr vor allen anderen.«

Sie trat einen Schritt auf ihn zu, mit angespannter Miene.»Und was soll das heißen, Lannister?«

Tyrion neigte seinen Kopf.»Nun, jedermann bei Hofe hat ihn erzählen gehört, er hätte Euch entjungfert, Mylady.«

«Das ist eine Lüge!«entfuhr es Catelyn Stark.

«Oh, böser, kleiner Gnom«, sagte Marillion erschrocken. Kurleket zog seinen Dolch, ein tückisches Stück schwarzen Eisens.

«Auf Euer Wort, Mylady, werfe ich Euch seine lügnerische Zunge zu Füßen. «Seine Schweinsaugen wurden aus Vorfreude ganz feucht.

Catelyn Stark starrte Tyrion mit einer Kälte im Gesicht an, wie er sie nie zuvor gesehen hatte.»Petyr Baelish hat mich einmal geliebt. Er war noch ein kleiner Junge. Seine Leidenschaft war für uns alle eine Tragödie, doch war sie wirklich und rein und nichts, worüber man spotten sollte. Er

wollte meine Hand. Das ist die ganze Wahrheit. Ihr seid wahrlich ein böser Mann, Lannister.«

«Und Ihr seid wahrlich eine Närrin, Lady Stark. Littlefinger hat nie jemand anderen als Littlefinger geliebt, und ich versichere Euch, daß er nicht mit Eurer Hand prahlt, sondern mit Euren prallen Brüsten und dem süßen Mund und der Hitze zwischen Euren Beinen.«

Kurleket faßte ihm ins Haar, riß seinen Kopf mit hartem Ruck nach hinten und legte seine Kehle frei. Tyrion spürte den kalten Kuß von Stahl unter seinem Kinn.»Soll ich ihn bluten lassen, Mylady?«

«Töte mich, und die Wahrheit stirbt mit mir«, keuchte Tyrion.

«Laß ihn reden«, befahl Catelyn Stark.

Widerstrebend ließ Kurleket Tyrions Haar los.

Tyrion holte tief Luft.»Was hat Littlefinger Euch erzählt, wie ich zu seinem Dolch gekommen bin? Das beantwortet mir.«

«Ihr habt ihn bei einer Wette gewonnen, während des Turniers an Prinz Joffreys Namenstag.«

«Als mein Bruder Jaime vom Ritter der Blumen aus dem Sattel geworfen wurde, das war seine Geschichte, nicht?«

«Das war sie«, bestätigte sie. Ihre Stirn legte sich in Falten.

«Reiter!«

Der Schrei kam vom windgeformten Kamm hoch über ihnen. Ser Rodrik hatte Lharys die Felswand hinaufklettern lassen, damit er die Straße im Auge behielt, während sie rasteten.

Eine lange Sekunde etwa rührte sich niemand. Catelyn Stark reagierte als erste.»Ser Rodrik, Ser Willis, zu Pferd«, rief sie.

«Schafft die anderen Tiere hinter uns. Mohor, bewache die Gefangenen…«

«Bewaffnet uns!«Tyrion sprang auf und packte sie beim Arm.»Ihr werdet jedes Schwert brauchen.«

Sie wußte, daß er recht hatte, Tyrion konnte es sehen. Die Bergstämme kümmerten sich nur wenig um Feindseligkeiten zwischen den großen Familien. Sie würden Starks und Lannisters mit gleicher Inbrunst niedermetzeln, ganz wie sie sich gegenseitig schlachteten. Catelyn selbst mochten sie schonen. Sie war noch jung genug, um Söhne zu gebären. Dennoch zögerte sie.

«Ich höre sie!«rief Ser Rodrik. Tyrion wandte seinen Kopf, um zu lauschen, und da war es: Hufgetrappel, ein Dutzend Pferde oder mehr kamen näher. Plötzlich waren alle in Bewegung, griffen nach ihren Waffen, rannten zu ihren Pferden.

Kieselsteine regneten um sie herum, als Lharys springend und rutschend vom Kamm herunterkam. Atemlos landete er vor Catelyn Stark, ein linkisch wirkender Mann mit wilden Büscheln von rostfarbenem Haar, das unter einer kegelförmigen Stahlhaube hervorlugte.»Zwanzig Mann, vielleicht fünfundzwanzig«, sagte er keuchend.»Milk Snakes oder Moon Brothers, würde ich vermuten. Sie müssen Späher draußen haben, M'Lady… versteckte Wachen… sie wissen, daß wir hier sind.«

Ser Rodrik Cassel war bereits zu Pferd, ein Langschwert in der Hand. Mohor kauerte hinter einem Felsen, beide Hände an seinem Speer mit Eisenspitze, einen Dolch zwischen den Zähnen.»Du, Sänger«, rief Ser Willis Wode.»Hilf mir mit diesem Brustharnisch. «Wie erstarrt saß Marillion da, klammerte sich an seine Harfe, sein Gesicht so blaß wie Milch, doch Tyrions Mann Morrec sprang eilig auf und half dem Ritter mit dessen Rüstung.

Tyrion hielt Catelyn Stark noch immer fest.»Ihr habt keine Wahl«, erklärte er ihr.»Drei von uns und ein vierter Mann vergeudet, der uns bewachen muß… vier Mann können hier oben über Leben und Tod entscheiden.«

«Gebt mir Euer Wort, daß Ihr Eure Schwerter niederlegt, sobald der Kampf vorüber ist.«

«Mein Wort?«Schon wurde das Hufgerrappel lauter. Tyrion grinste schief.»Oh, das habt Ihr, Mylady… auf meine Ehre als ein Lannister.«

Einen Moment lang dachte er, sie würde ihn anspucken, doch statt dessen rief sie:»Bewaffnet sie«, und schon machte sie sich davon. Ser Rodrik warf Jyck sein Schwert und Messer zu und fuhr herum, um sich dem Feind zu stellen. Morrec bekam Bogen und Köcher und kniete neben der Straße. Mit dem Bogen war er besser als mit dem Schwert. Und Bronn ritt heran und bot Tyrion eine Doppelaxt an.

«Ich habe noch nie mit einer Axt gekämpft. «Die Waffe fühlte sich in seinen Händen unhandlich und fremd an. Sie hatte einen kurzen Stiel, einen schweren Kopf, einen bösen Stachel am Ende.»Tut, als würdet Ihr Holz hacken«, erklärte ihm Bronn, während er sein Langschwert aus der Scheide auf seinem Rücken zog. Er spuckte aus und trabte davon, um sich neben Chiggen und Ser Rodrik aufzubauen. Ser Willis stieg auf, um sich ihnen anzuschließen, fingerte an seinem Helm herum, einem metallenen Topf mit schmalen Schlitzen für die Augen und einem langen, schwarzen, seidenen Federbusch.

«Holz blutet nicht«, sagte Tyrion, an niemand im besonderen gerichtet. Ohne Rüstung fühlte er sich nackt. Er sah sich nach einem Felsen um und lief dorthin, wo sich Marillion versteckte.»Rutsch ein Stück zur Seite.«

«Geh weg!«schrie der Junge ihn an.»Ich bin Sänger, ich will mit diesem Kampf nichts zu schaffen haben!«

«Was, hast du deinen Geschmack am Abenteuer schon verloren?«Tyrion trat nach dem Jüngling, bis dieser Platz machte, und das keinen Augenblick zu früh. Einen Herzschlag

später fielen die Reiter über sie her.

Es gab keine Herolde, keine Banner, weder Hörner noch Trommeln, nur das Singen der Sehnen, als Morrec und Lharys losließen, und plötzlich donnerten die Stammesbrüder aus dem Morgengrauen hervor, schlanke, dunkle Männer in Leder und ungleichen Rüstungen, die Gesichter hinter vergitterten Halbhelmen verborgen. Die behandschuhten Hände hielten die verschiedensten Waffen: Langschwerter und Lanzen und geschliffene Sicheln, dornbesetzte Keulen und Dolche und schwere Holzhämmer. An ihrer Spitze ritt ein großer Mann in einem gestreiften Umhang aus Schattenfell, mit einem beidhändigen Großschwert bewaffnet.

Ser Rodrik rief:»Winterfell!«und ritt ihnen entgegen, mit Bronn und Chiggen an seiner Seite, die irgendeinen wortlosen Schlachtruf von sich gaben. Ser Willis Wode folgte ihnen, schwang einen mit Eisenspitzen besetzten Morgenstern über seinem Kopf.»Harrenhai! Harrenhai!«rief er. Tyrion verspürte den plötzlichen Drang aufzuspringen, seine Axt zu schwingen und zu brüllen:»Casterly Rock!«, doch der Irrsinn verflog schnell, und er duckte sich noch tiefer.

Er hörte die Schreie ängstlicher Pferde und das Krachen von Metall auf Metall. Chiggens Schwert harkte durch das nackte Gesicht eines Reiters im Kettenhemd, und Bronn pflügte durch die Stammesbrüder wie ein Wirbelwind, schlug links und rechts von sich die Feinde nieder. Ser Rodrik hämmerte auf den großen Mann im Schattenfellumhang ein, und ihre Pferde umtanzten einander, während sie einen Hieb nach dem anderen tauschten. Jyck sprang auf ein Pferd und galoppierte ohne Sattel in den Kampf. Tyrion sah, daß ein Pfeil aus dem Hals des Mannes mit dem Umhang aus Schattenfell ragte. Als der den Mund aufmachte, um zu schreien, kam nur Blut heraus. Als er dann fiel, rang Ser Rodrik schon mit einem anderen.

Plötzlich schrie Marillion auf, schützte seinen Kopf mit der Harfe, als ein Pferd über ihren Felsen sprang. Tyrion kam auf die Beine, als der Reiter wendete, um sie anzugreifen, wobei er einen dornbesetzten Hammer in der Hand wog. Tyrion schwang seine Axt mit beiden Händen. Die Klinge traf das Pferd mit fleischigem Geräusch im Hals, nach oben abgewinkelt, und fast glitt sie Tyrion aus der Hand, als das Pferd schrie und zusammenbrach.

Er schaffte es, die Axt freizubekommen und unbeholfen aus dem Weg zu taumeln. Marillion hatte weniger Glück. Pferd und Reiter gingen gemeinsam über dem Sänger zu Boden. Tyrion sprang wieder heran, während das Bein des Räubers noch unter dem Pferd eingeklemmt war, und schlug dem Mann die Axt in den Hals, kurz oberhalb der Schulterblätter.

Als er darum rang, die Axt zu befreien, hörte er Marillion unter den beiden Leichen stöhnen.»Hilf mir doch jemand«, ächzte der Sänger.»Bei allen Göttern, ich blute.«

«Ich glaube, es ist Pferdeblut«, widersprach Tyrion. Die Hand des Sängers kam unter dem toten Tier hervor, krabbelte wie eine fünfbeinige Spinne durch den Dreck. Tyrion stellte seinen Absatz auf die tastenden Finger und spürte zufrieden deren Knirschen.»Schließ die Augen und stell dich tot«, riet er dem Sänger, bevor er die Axt nahm und sich abwandte.

Danach kam eines zum anderen. Die Morgendämmerung war voll Gebrüll und Geschrei und dem Gestank von Blut, und die Welt versank im Chaos. Pfeile pfiffen an seinem Ohr vorbei und prallten von den Steinen ab. Er sah, wie Bronn vom Pferd stieg und mit dem Schwert in einer Hand kämpfte. Tyrion hielt sich am Rande der Schlacht, schlich von Fels zu Fels und schoß aus dem Schatten hervor, um auf die Beine vorüber donnernder Pferde einzuhauen. Er fand einen verwundeten Banditen, half ihm sterben und bediente sich bei dessen Halbhelm. Dieser saß zu eng, doch war Tyrion froh um jede Art von Schutz. Jyck wurde von hinten niedergemacht, als er einen Mann vor sich aufschlitzte, und später stolperte Tyrion über Kurlekets Leiche. Das Schweinsgesicht war mit einer

Keule eingeschlagen worden. Tyrion erkannte den Dolch, als er ihn den Fingern des toten Mannes entwand. Eben schob er ihn in seinen Gürtel, als er eine Frau schreien hörte.

Catelyn saß an der steinernen Wand des Berges in der Falle, umgeben von drei Männern, einer noch zu Pferd, die beiden anderen zu Fuß. Sie hielt ein Messer unbeholfen in ihren zerschnittenen Händen und stand mit dem Rücken an der Wand, und sie war von drei Seiten umzingelt. Sollen sie sich die Hexe holen, dachte Tyrion, und sie bei sich willkommen heißen, doch irgendwie griff er trotzdem ein. Den ersten Mann traf er von hinten ins Knie, bevor sie überhaupt merkten, daß er da war, und das schwere Eisen der Axt spaltete Fleisch und Knochen wie morsches Holz. Holz, das blutet, dachte Tyrion geistlos, als sich der zweite Mann über ihn hermachte. Tyrion duckte sich unter dessen Schwert hindurch, schwang die Axt, der Mann taumelte rückwärts… und Catelyn Stark trat von hinten an ihn heran und schnitt ihm die Kehle auf. Dem Reiter fiel ein, daß er andernorts dringend gebraucht wurde, er galoppierte urplötzlich davon.

Tyrion sah sich um. Der Feind war bezwungen oder geflohen. Irgendwie hatten die Kämpfe aufgehört, als er gerade nicht hinsah. Verendende Pferde und verwundete Männer lagen überall, schrien und stöhnten. Zu seinem unendlichen Erstaunen war er nicht einer von ihnen. Er entspannte seine Finger und ließ die Axt mit dumpfem Schlag zu Boden fallen. Seine Hände waren ganz klebrig vom Blut. Er hätte schwören können, daß er einen halben Tag lang gekämpft hatte, die Sonne hingegen schien sich kaum bewegt zu haben.

«Deine erste Schlacht?«fragte Bronn später, während er sich über Jycks Leiche beugte und ihr die Stiefel auszog. Es waren gute Stiefel, wie es sich für einen von Lord Tywins Männern gehörte, schweres Leder, weich und eingefettet, weit besser als das, was Bronn trug.

Tyrion nickte.»Mein Vater wird wirklich stolz auf mich sein«, sagte er. Die Krämpfe in seinen Beinen waren so heftig, daß er kaum stehen konnte. Seltsam nur, während des Kampfes hatte er die Schmerzen nicht gespürt.

«Jetzt bräuchte man eine Frau«, sagte Bronn mit einem Funkeln in den schwarzen Augen. Er schob die Stiefel in seine Satteltasche.»Nichts geht über eine Frau, wenn ein Mann seine blutige Feuertaufe erlebt hat, das kannst du mir glauben.«

Chiggen unterbrach seine Leichenfledderei gerade so lange, daß er prusten und sich die Lippen lecken konnte.

Tyrion sah zu Lady Stark hinüber, die Ser Rodriks Wunden verband.»Ich wäre bereit, wenn sie es wäre«, sagte er. Die Reiter brachen in Gelächter aus, und Tyrion grinste und dachte: Das ist doch mal ein Anfang.

Später kniete er am Bach und wusch mit eiskaltem Wasser das Blut von seinem Gesicht. Als er wieder zu den anderen humpelte, sah er sich die Toten noch einmal an. Die erschlagenen Stammesbrüder waren magere, zerlumpte Männer, ihre Pferde knochig und von kleinem Wuchs, bei denen man jede Rippe erkennen konnte.

Was Bronn und Chiggen ihnen an Waffen gelassen hatten, war nicht allzu eindrucksvoll. Schlegel, Keulen, eine Sichel… er dachte an den großen Mann mit seinem Umhang aus Schattenfell, der mit einem zweihändigen Großschwert gegen Ser Rodrik gekämpft hatte, doch als er die Leiche auf dem steinigen Boden liegend fand, war dieser Mann gar nicht so groß, der Umhang fort, und Tyrion sah, daß die Klinge tiefe Kerben hatte und der billige Stahl von Rostflecken überzogen war. Kein Wunder, daß der Stamm neun Leichen am Boden zurückgelassen hatte.

Sie selbst hatten nur drei Tote zu beklagen, zwei von Lord Brackens Soldaten, Kurleket und Mohor, und dazu Jyck, einen seiner Mannen, der mit seiner Attacke ohne Sattel einen solch verwegenen Auftritt hingelegt hatte. Ein Narr bis in den Tod, dachte Tyrion.»Lady Stark, ich rate Euch, weiterzuziehen, in aller Eile«, sag Ser Willis Wode, und seine Augen suchten wachsam durch den Spalt in seinem Helm die Klippen ab.»Für den Augenblick haben wir sie vertrieben, aber sie werden nicht weit sein.«

«Wir müssen unsere Toten begraben«, Ser Willis«, gab sie zurück.»Es waren tapfere Männer. Ich werde sie nicht den Krähen und Schattenkatzen überlassen.«

«Diese Erde ist zu steinig zum Graben«, sagte Ser Willis.»Dann sammeln wir Steine, um sie damit zu bedecken.«»Sammelt alle Steine, die Ihr sammeln wollt«, erklärte Bronn,»aber tut es ohne Chiggen und mich. Ich weiß Besseres zu tun, als Steine auf toten Männern aufzuhäufen… atmen zum Beispiel. «Er sah den Rest der Überlebenden an.»Jeder von Euch, der hofft, bei Einbruch der Dunkelheit noch am Leben zu sein, reitet mit uns.«

«Mylady, ich fürchte, er spricht wahr«, sagte Ser Rodrik müde. Der alte Ritter schien in der Schlacht verwundet worden zu sein, beklagte einen tiefen Schnitt im linken Arm, und ein Speer hatte seinen Nacken gestreift. Er klang so alt, wie er tatsächlich war.»Wenn wir hierbleiben, fallen sie mit Sicherheit wieder über uns her, und einen zweiten Angriff überleben wir vielleicht nicht.«

Tyrion konnte den Zorn in Catelyns Gesicht sehen, doch hatte sie keine Wahl.»Dann mögen uns die Götter vergeben. Wir reiten gleich.«

Nun herrschte kein Mangel an Pferden mehr. Tyrion hob seinen Sattel auf Jycks gescheckten Wallach, der kräftig genug aussah, noch mindestens drei oder vier Tage durchzuhalten. Eben wollte er aufsteigen, als Lharys an ihn herantrat.»Gib mir diesen Dolch zurück, Zwerg.«

«Laßt ihn den Dolch behalten. «Catelyn Stark sah von ihrem Pferd herab.»Und sorgt dafür, daß er auch seine Axt wiederbekommt. Wir könnten sie gebrauchen, falls wir noch einmal angegriffen werden.«

«Seid meines Dankes gewiß, Lady«, sagte Tyrion und stieg auf.

«Spart ihn Euch«, sagte sie schroff.»Ich traue Euch nicht mehr als vorher. «Sie war fort, bevor ihm eine Antwort einfallen wollte.

Tyrion richtete seinen gestohlenen Helm und nahm die Axt von Bronn entgegen. Er dachte daran, wie er die Reise begonnen hatte, mit gefesselten Händen und einer Kapuze über dem Kopf, und kam zu dem Schluß, daß er sich enorm verbessert hatte. Lady Stark konnte ihr Vertrauen für sich behalten. Solange er die Axt behalten durfte, hatte er ihr etwas voraus.

Ser Willis Wode führte sie an. Bronn übernahm die Nachhut, Lady Stark blieb zu ihrer Sicherheit in der Mitte, Ser Rodrik wie ein Schatten neben ihr. Marillion warf Tyrion ständig mürrische Blicke zu, während sie so ritten. Dem Sänger waren ein paar Rippen gebrochen, seine Holzharfe und alle vier Finger seiner Spielhand, doch war der Tag für ihn kein gänzlicher Verlust gewesen. Irgendwo hatte er einen Umhang aus Schattenfell gefunden, einen dicken, schwarzen Pelz, von weißen Streifen durchzogen. Schweigend hüllte er sich hinein, und dieses eine Mal mangelte es ihm an Worten.

Sie hörten das tiefe Knurren von Schattenkatzen hinter sich, bevor sie auch nur eine halbe Meile geritten waren, und später das wilde Fauchen, als die Tiere um die Leichen stritten, die sie zurückgelassen hatten. Marillion wurde sichtlich blasser. Tyrion ritt neben ihm.»Memme«, sagte er,»reimt sich hübsch auf Gemme. «Er gab seinem Pferd einen Tritt und ritt an dem Sänger vorbei zu Ser Rodrik und Catelyn Stark.

Sie sah ihn an, die Lippen fest zusammengepreßt.»Wie ich bereits sagte, als wir so rüde unterbrochen wurden«, begann

Tyrion,»es gibt einen schweren Fehler in Littlefingers Fabel. Was immer Ihr von mir glauben mögt, Lady Stark, eines kann ich Euch versichern: Ich wette niemals gegen meine Familie.«

Загрузка...