«Robert, ich bitte dich«, flehte Ned,»hör dich selbst reden. Du sprichst davon, ein Kind zu morden.«
«Die Hure ist schwanger!«Laut wie ein Donnerschlag landete die Faust des Königs auf dem Ratstisch.»Ich habe dich gewarnt, daß etwas in der Art passieren würde, aber du wolltest es nicht hören. Nun, dann hörst du es jetzt. Ich will sie tot sehen, Mutter und Kind, und diesen Dummkopf Viserys dazu. Ist das klar genug für dich? Ich will ihren Tod.«
Die anderen Ratsherren taten allesamt, als wären sie nicht anwesend. Zweifelsohne waren sie klüger als er. Selten zuvor hatte sich Eddard Stark derart allein gefühlt.»Du wirst dich selbst für alle Zeiten entehren, wenn du das tust.«
«Dann laß es mich auf meine Kappe nehmen, solange es geschieht. Ich bin nicht so blind, daß ich den Schatten der Axt nicht sehe, wenn er über meinem Nacken schwebt.«
«Da ist keine Axt«, erklärte Ned dem König.»Nur der Schatten eines Schattens, um zwanzig Jahre verspätet… falls er überhaupt existiert.«
«Falls?«fragte Varys leise und rang seine gepuderten Hände.»Mylord, Ihr tut mir Unrecht. Würde ich dem König und dem Rat Lügen unterbreiten?«
Kalt sah Ned den Eunuchen an.»Ihr würdet uns das Geflüster eines Verräters bringen, der eine halbe Welt entfernt ist, Mylord. Vielleicht irrt Mormont. Vielleicht lügt er.«
«Ser Jorah würde es nicht wagen, mich zu hintergehen«, sagte Varys mit verschlagenem Lächeln.»Verlaßt Euch auf mich, Mylord. Die Prinzessin erwartet ein Kind.«
«Das behauptet Ihr. Wenn Ihr Euch irrt, haben wir nichts zu befürchten. Wenn das Mädchen eine Fehlgeburt hat, haben wir nichts zu befürchten. Wenn das Mädchen an Stelle eines Sohnes eine Tochter bekommt, haben wir nichts zu befürchten. Wenn das Kind früh stirbt, haben wir nichts zu befürchten.«
«Aber wenn es ein Junge wird?«beharrte Robert.»Wenn er überlebt?«
«Dann läge noch immer die Meerenge zwischen uns. Ich fürchte die Dothraki von dem Tag an, an dem sie ihren Pferden beibringen, übers Wasser zu wandeln.«
Der König nahm einen Schluck Wein und sah Ned über den Ratstisch hinweg finster an.»Also würdest du mir raten, nichts zu tun, bis diese Drachenbrut ihre Armee an meinen Ufern angelandet hat, habe ich das richtig verstanden?«
«Diese >Drachenbrut< ist noch im Bauch der Mutter. Selbst Aegon hat seine Eroberungen erst begonnen, nachdem er entwöhnt war.«
«Bei allen Göttern! Du bist stur wie ein Auerochse, Stark. «Der König sah sich am Ratstisch um.»Habt Ihr anderen Eure Zungen verlegt? Will denn niemand diesem eisgesichtigen Narren Weisheit beibringen?«
Varys widmete dem König ein salbungsvolles Lächeln und legte eine weiche Hand auf Neds Ärmel.»Ich verstehe Eure Skrupel, Lord Eddard, ich verstehe sie sehr gut. Es hat mir keine Freude bereitet, dem Rat diese traurige Nachricht zu bringen. Es ist eine schreckliche Sache, die wir da ins Auge fassen, eine abscheuliche Sache. Doch wir, die wir uns zu herrschen erdreisten, müssen abscheuliche Dinge für das Wohl des Reiches tun, so schmerzlich sie auch sein mögen.«
Lord Renly zuckte mit den Achseln.»Die Sache scheint mir doch ganz einfach zu sein. Wir hätten Viserys und seine Schwester schon vor Jahren töten sollen, nur hat Seine Majestät, mein Bruder, den Fehler begangen, auf Jon Arryn zu hören.«
«Gnade ist nie ein Fehler, Lord Renly«, erwiderte Ned.»Am
Trident hat Ser Barristan ein Dutzend guter Männer niedergemacht, Roberts Freunde und meine. Als man ihn zu uns brachte, schwer verwundet und dem Tode nah, drängte Roose Bolton uns, ihm die Kehle durchzuschneiden, doch Euer Bruder sagte: >Ich werde keinen Mann für seine Treue töten, und auch nicht, weil er gut gekämpft hat<, und ließ seinen eigenen Maester rufen, damit er Ser Barristans Wunden pflegte. «Er bedachte den König mit einem langen, kühlen Blick.»Sonst wäre der Mann heute nicht hier.«
Robert besaß genügend Schamgefühl, um zu erröten.»Das war nicht dasselbe«, beschwerte sich Robert.»Ser Barristan war ein Ritter der Königsgarde.«
«Wohingegen Daenerys ein vierzehnjähriges Mädchen ist. «Ned wußte, daß er diese Sache weiter trieb, als es klug sein mochte, doch konnte er nicht schweigen.»Robert, ich frage dich: Wozu haben wir uns gegen Aerys Targaryen erhoben, wenn nicht, um dem Kindermorden ein Ende zu bereiten?«
«Um den Targaryens ein Ende zu bereiten!«knurrte der König.
«Majestät, ich habe nie erlebt, daß du Rhaegar gefürchtet hättest. «Ned gab sich alle Mühe, nicht verächtlich zu klingen, und scheiterte damit.»Haben die Jahre dich so geschwächt, daß du den Schatten eines ungeborenen Kindes fürchtest?«
Robert wurde puterrot.»Es reicht, Ned«, warnte er und deutete auf ihn.»Kein Wort mehr. Hast du vergessen, wer hier der König ist?«
«Nein, Majestät«, erwiderte Ned.»Und du?«
«Genug!«bellte der König.»Ich will kein Gerede mehr hören. Ich will es hinter mich bringen oder verdammt sein. Was sagt Ihr?«
«Sie muß sterben«, erklärte Lord Renly.
«Wir haben keine Wahl«, murmelte Varys.»Traurig,
traurig… «
Ser Barristan Selmy blickte mit seinen blaßblauen Augen vom Tisch auf.»Majestät, es ist ehrenwert, sich einem Feind auf dem Schlachtfeld zu stellen, doch nicht, ihn im Mutterbauch zu töten. Verzeiht mir, aber ich muß mich auf Lord Eddards Seite stellen.«
Grand Maester Pycelle räusperte sich, ein Vorgang, der einige Augenblicke in Anspruch nahm.»Mein Orden dient dem Reich, nicht dem Herrscher. Einst habe ich König Aerys so treu beraten, wie ich heute König Robert berate, daher trage ich dieser seiner Tochter nichts nach. Doch will ich Euch eines fragen… sollte es wieder zum Krieg kommen, wie viele Soldaten werden sterben? Wie viele Städte werden brennen? Wie viele Kinder werden ihren Müttern entrissen, um an einem Spieß zu enden?«Er strich über seinen üppigen, weißen Bart, unendlich traurig, unendlich müde.»Ist es nicht weiser, sogar gütiger, wenn Daenerys Targaryen jetzt stirbt, damit Zehntausende leben können?«
«Gütiger«, sagte Varys.»Ach, wie gut und wahr gesprochen, Grand Maester. Es ist so wahr. Sollten die Götter in ihrer Launenhaftigkeit Daenerys Targaryen einen Sohn schenken, muß das Reich bluten.«
Littlefinger war der letzte. Als Ned ihn ansah, unterdrückte Lord Petyr ein Gähnen.»Wenn man sich mit einer häßlichen Frau im Bett wiederfindet, schließt man am besten die Augen und bringt es hinter sich«, erklärte er.»Abzuwarten macht die Maid nicht hübscher. Küßt sie und bringt es hinter Euch.«
«Küßt sie?«wiederholte Ser Barristan entgeistert.
«Mit stählernem Kuß«, erklärte Littlefinger.
Robert wandte sich seiner Rechten Hand zu.»Nun, da haben wir es, Ned. Du und Selmy, ihr steht in dieser Sache allein. Dann bleibt nur die Frage, wen wir dafür finden, sie zu töten.«
«Mormont ist sehnlichst an einer königlichen Begnadigung
gelegen«, rief Lord Renly ihnen in Erinnerung.
«Verzweifelt«, sagte Varys,»doch ist ihm noch mehr an seinem Leben gelegen. Inzwischen nähert sich die Prinzessin Vaes Dothrak, wo es den Tod bedeutet, eine Klinge zu ziehen. Wenn ich Euch erzählte, was die Dothraki mit dem armen Mann anstellen, der eine Waffe gegen die khaleesi richtet, würde keiner von Euch heute nacht schlafen. «Er strich sich über die gepuderte Wange.»Also, Gift… sagen wir, die Tränen von Lys. Khal Drogo würde nie erfahren, daß es kein natürlicher Tod wäre.«
Grand Maester Pycelles Augen blitzten auf. Mißtrauisch blinzelte er den Eunuchen an.
«Gift ist die Waffe eines Feiglings«, beklagte sich der König. Ned hatte genug gehört.»Ihr schickt gedungene Mörder, ein vierzehnjähriges Mädchen zu ermorden, und streitet noch immer um Ehre?«Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf.»Tu es selbst, Robert. Der Mann, der das Urteil spricht, sollte auch das Schwert führen. Sieh ihr in die Augen, bevor du sie tötest. Sieh ihre Tränen, hör ihre letzten Worte. Das zumindest bist du ihr schuldig.«
«Gütige Götter«, fluchte der König, und das Wort explodierte aus ihm hervor, als konnte er seinen Zorn kaum bändigen.»Du meinst es wirklich ernst, verdammt. «Er griff nach dem Weinkrug an seinem Ellbogen, fand ihn leer und schleuderte ihn von sich, daß er an der Wand zerschellte.»Ich habe keinen Wein mehr und auch keine Geduld. Genug davon. Sorg dafür, daß es geschieht.«
«Ich werde mich nicht an einem Mord beteiligen, Robert. Mach, was du willst, nur bitte mich nicht, mein Siegel darunter zu setzen.«
Einen Moment lang schien Robert nicht zu verstehen, was Ned sagte. Mißachtung war keine Speise, die er oft kostete. Langsam wandelte sich sein Gesicht, als er begriff. Seine
Augen wurden schmal, und sein Hals rötete sich über den samtenen Kragen hinaus. Wütend zeigte er mit dem Finger auf Ned.»Ihr seid die Rechte Hand des Königs, Lord Stark. Ihr werdet tun, was ich Euch befehle, oder ich suche mir eine Hand, die es tut«, sagte er so förmlich, wie er seit ihrem Wiedersehen nicht mehr mit ihm gesprochen hatte.
«Ich wünsche Dir allen Erfolg. «Ned löste die schwere Spange, die seinen Umhang zusammenhielt, die verzierte Silberhand, die seine Amtsbrosche darstellte. Er legte sie vor dem König auf den Tisch, traurig über die Erinnerung an den Mann, der sie ihm angesteckt hatte, den Freund, den er geliebt hatte.»Ich hatte dich für einen besseren Mann gehalten, Robert. Ich dachte, wir hätten einen edleren König.«
Roberts Gesicht war dunkelrot.»Hinaus«, krächzte er, erstickte fast an seinem Zorn.»Hinaus, verdammt, ich bin fertig mit dir. Worauf wartest du. Geh, lauf zurück nach Winterfell. Und sorg dafür, daß ich dich nie wieder zu Gesicht bekomme, oder ich schwöre, ich lasse deinen Kopf auf einen Spieß stecken!«
Ned verneigte sich und machte wortlos auf dem Absatz kehrt. Er spürte Roberts Blick in seinem Rücken. Als er die Ratskammer verließ, wurde das Gespräch fast ohne Pause fortgeführt.»Auf Braavos gibt es eine Gesellschaft, die sich die Männer ohne Gesicht nennt«, erklärte Grand Maester Pycelle.
«Habt Ihr eine Ahnung davon, wie kostspielig die sind?«klagte Littlefinger.»Für die Hälfte des Preises könnte man eine ganze Armee gewöhnlicher Söldner mieten, und das gilt für einen Kaufmann. Ich wage nicht, mir vorzustellen, was sie für eine Prinzessin fordern.«
Als die Tür hinter ihm geschlossen wurde, wurden die Stimmen abgeschnitten. Ser Boros Blount stand im langen, weißen Umhang und der Rüstung der Königsgarde draußen vor der Kammer. Er warf Ned einen kurzen, neugierigen Blick aus
dem Augenwinkel zu, doch stellte er keine Fragen.
Der Tag fühlte sich schwül und drückend an, als er über den Burghof zum Turm der Hand ging. Er spürte den drohenden Regen in der Luft. Der wäre Ned nur recht gewesen. Vielleicht hätte er sich dann weniger unrein gefühlt. Als er in sein Solar kam, rief er Vayon Poole zu sich. Der Haushofmeister kam sofort.»Ihr habt mich rufen lassen, Mylord Hand?«
«Keine Hand mehr«, erklärte Ned.»Der König und ich haben gestritten. Wir kehren nach Winterfell zurück.«
«Ich werde sofort die nötigen Vorbereitungen treffen, Mylord. Wir werden zwei Wochen brauchen, um alles für die Reise bereit zuhaben.«
«Vielleicht bleiben uns keine zwei Wochen. Vielleicht bleibt uns nicht mal ein Tag. Der König erwähnte etwas davon, er wolle meinen Kopf auf einem Spieß sehen. «Ned runzelte die Stirn. Er glaubte nicht wirklich, daß der König ihm etwas antun würde, nicht Robert. Er war jetzt wütend, doch wenn Ned erst aus seinem Blickfeld war, würde sein Zorn abkühlen, wie er es immer tat, Immer? Plötzlich und unangenehmerweise fiel ihm Rhaegar Targaryen ein. Fünfzehn Jahre tot, doch Robert haßt ihn wie eh und je. Das war eine beunruhigende Erkenntnis… und dann war da diese andere Sache, die Angelegenheit mit Catelyn und dem Zwerg, vor der Yoren ihn am Abend zuvor gewarnt hatte. Das «würde bald ans Licht kommen, so sicher wie der Sonnenaufgang, und wenn der König von derart schwarzem Zorn ergriffen! war… Robert mochte sich einen feuchten Kehricht für Tyrion Lannister interessieren, doch würde es ihm an den Stolz gehen, und man konnte nicht sagen, was die Königin tun würde.
«Es könnte das Sicherste sein, wenn ich vorausreite«, erklärte er Poole.»Ich nehme meine Töchter und ein paar Gardisten. Ihr anderen könnt nachkommen, wenn Ihr soweit seid. Informiert Jory, aber sagt es niemandem sonst, und unternehmt nichts, bis ich mit den Mädchen fort bin. Die Burg hat Augen und Ohren, und es wäre mir lieber, wenn mein Plan unbekannt bliebe.«»Wie Ihr befehlt, Mylord.«
Als er gegangen war, trat Eddard Stark ans Fenster und stand brütend da. Robert hatte ihm keine Wahl gelassen. Er hätte ihm danken sollen. Es wäre gut, nach Winterfell heimzukehren. Er hätte es nie verlassen dürfen. Dort warteten seine Söhne. Vielleicht würden Catelyn und er einen neuen Sohn zeugen, wenn sie wiederkäme, noch waren sie nicht zu alt. Und in letzter Zeit hatte er oft vom Schnee geträumt, von der tiefen Stille des Wolfswaldes bei Nacht.
Und doch ärgerte ihn der Gedanke an die Abreise auch. So vieles war noch ungetan. Wenn niemand sie in die Schranken wies, würden Robert und sein Rat von Memmen und Schmeichlern das Reich an den Bettelstab bringen… oder schlimmer noch, das Reich als Zahlung für ihre Kredite an die Lannisters verkaufen. Und die Wahrheit über Jon Arryns Tod blieb ihm nach wie vor verschlossen. Oh, er hatte ein paar Hinweise gefunden, die reichten, um ihn davon zu überzeugen, daß Jon tatsächlich ermordet worden war, doch war das nicht mehr als eine Spur von Tieren auf dem Waldboden. Das Tier selbst hatte er noch nicht gesehen, auch wenn er ahnte, daß es da war und lauerte, verborgen, hinterhältig.
Plötzlich fiel ihm ein, daß er per Schiff nach Winterfell heimkehren konnte. Ned war kein Seemann, und normalerweise hätte er die Kingsroad vorgezogen, doch wenn er ein Schiff nahm, konnte er in Dragonstone haltmachen und mit Stannis Baratheon sprechen. Pycelle hatte einen Raben übers Meer geschickt, mit einem freundlichen Brief von Ned, in dem Lord Stannis gebeten wurde, seinen Sitz im Kleinen Rat wieder einzunehmen. Bisher war keine Antwort gekommen, doch schürte das Schweigen nur seinen Argwohn. Lord Stannis kannte das Geheimnis, weshalb Jon Arryn hatte sterben müssen, dessen war er sicher. Die Wahrheit, die er suchte, mochte sehr wohl in der alten Inselfestung des Hauses Targaryen auf ihn warten.
Und wenn du es weißt, was dann? Manche Geheimnisse sollten lieber im verborgenen bleiben. Manche Geheimnisse sind zu gefährlich, um sie jemandem anzuvertrauen, selbst jenen, die man liebt und denen man vertraut. Ned zog den Dolch, den Catelyn ihm gebracht hatte, aus seiner Scheide am Gürtel. Das Messer des Gnoms. Warum sollte der Zwerg Brans Tod wollen? Sicher, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ein weiteres Geheimnis oder nur ein anderer Faden derselben Spinnweben?
Konnte Robert daran beteiligt sein? Das wollte er nicht glauben, doch früher hätte er auch nicht gedacht, daß Robert den Mord an Frauen und Kindern befehlen würde. Catelyn hatte ihn gewarnt. Ihr kanntet den Mann, hatte sie gesagt. Der König ist Euch ein fremder. Je eher er King's Landing hinter sich ließ, desto besser. Falls am Morgen ein Schiff gen Norden fuhr, wäre es gut, an Bord zu sein.
Noch einmal rief er Vayon Poole zu sich und schickte ihn zum Hafen, um Erkundigungen einzuholen, still, aber eilig.»Sucht mir ein Schiff mit einem erfahrenen Kapitän«, erklärte er dem Haushofmeister.»Die Größe der Kabinen oder die Güte seiner Ausstattung interessiert mich nicht, sofern es schnell und sicher ist. Ich möchte umgehend reisen.«
Kaum war Poole gegangen, als Tomard einen Besucher ankündigte.»Lord Baelish möchte Euch sprechen, M'lord.«
Ned fühlte sich versucht, ihn abzuweisen, doch überlegte er es sich noch einmal. Er war noch nicht frei. Bis er es wäre, mußte er ihre Spielchen spielen.»Er mag eintreten, Tom.«
Lord Petyr schlenderte in das Solar, als sei an jenem Morgen nichts vorgefallen. Er trug ein samtenes Schlitzwams, silberund cremefarben, einen grauen Seidenumhang, mit schwarzem Fuchs besetzt, und sein übliches Hohngrinsen.
Ned begrüßte ihn kalt.»Darf ich nach dem Grund Eures Besuches fragen, Lord Baelish?«
«Ich will Euch nicht lange aufhalten, ich bin auf dem Weg zum Essen bei Lady Tanda. Neunaugenpastete und geröstetes Ferkel. Sie würde mich gern mit ihrer jüngeren Tochter verheiraten, daher ist ihr Tisch stets auf erstaunliche Weise gedeckt. Wenn ich die Wahrheit sagen sollte, würde ich lieber das Ferkel heiraten, aber sagt es ihr nicht. Ich liebe Neunaugenpastete.«
«Ich will Euch nicht von Euren Aalen abhalten, Mylord«, erwiderte Ned mit eisiger Verachtung.»Im Moment würde mir niemand einfallen, dessen Gesellschaft ich weniger suche als Eure.«
«Oh, ich bin mir sicher, wenn Ihr diesem Gedanken etwas Raum ließet, würden Euch so einige Namen einfallen. Varys zum Beispiel. Cersei. Oder Robert. Seine Majestät ist sehr erzürnt. Er hat noch einige Zeit von Euch gesprochen, nachdem Ihr heute morgen gegangen wart. Die Worte Dreistigkeit und Undankbarkeit scheinen mir in Erinnerung geblieben zu sein.«
Ned machte sich nicht die Mühe, darauf etwas zu antworten. Ebensowenig bot er seinem Gast einen Stuhl an, doch nahm Littlefinger dennoch Platz.»Nachdem Ihr hinausgestürmt wart, war es an mir, ihn davon zu überzeugen, daß er nicht die Männer ohne Gesicht engagiert«, fuhr er munter fort.»Statt dessen will er denjenigen, der die Targaryen erwischt, zum Lord ernennt.«
Ned war angewidert.»Also verleihen wir die Titel schon an Meuchelmörder.«
Littlefinger zuckte mit den Achseln.»Titel sind billig. Die Männer ohne Gesicht sind teuer. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, habe ich dieser Targaryen mehr Gutes getan als Ihr mit Eurem Gerede von Ehre. Laßt doch irgendeinen Söldner, benommen vom Traum, ein Lord zu werden, den Versuch wagen, sie zu töten. Wahrscheinlich wird er es verderben, und danach werden die Dothraki auf der Hut sein. Wenn wir ihr die Männer ohne Gesicht schicken, ist sie so gut wie begraben.«
Ned legte seine Stirn in Falten.»Ihr sitzt im Rat und redet von häßlichen Frauen und stählernen Küssen, und jetzt erwartet Ihr von mir, daß ich Euch glaube, Ihr hättet versucht, das Mädchen zu schützen? Für wie dumm haltet Ihr mich eigentlich?«
«Nun, für ziemlich dumm, ehrlich gesagt«, antwortete Littlefinger lachend darauf.
«Findet Ihr Mord immer so amüsant, Lord Baelish?«
«Nicht den Mord finde ich amüsant, Lord Stark, sondern Euch. Dir herrscht wie ein Mann, der auf brüchigem Eis tanzt. Ihr gebt sicher ein edles Klatschen ab. Ich meine, heute morgen das erste Knacken gehört zu haben.«
«Das erste und letzte«, sagte Ned.»Ich habe genug.«»Wann gedenkt Ihr, nach Winterfell zurückzukehren, Mylord?«
«Sobald ich kann. Was geht es Euch an?«
«Nichts… doch falls Ihr zufällig bei Einbruch der Dunkelheit noch hier sein solltet, würde ich Euch gern zu diesem Bordell führen, das Euer Jory so erfolglos besucht hat. «Littlefinger lächelte.»Und ich würde auch Lady Catelyn nichts davon erzählen.«