20.

Es war die größte Daktyle, die Skar jemals gesehen hatte - ein Ungeheuer mit mehr als fünfzehn Metern Flügelspannweite, häßlich wie die Hölle und von der Farbe der Nacht; ein Titan, auf dessen Rücken drei oder vier Männer gleichzeitig reiten konnten. Selbst jetzt, wie es so dahockte, mit gebundenen Flügeln und aneinandergeketteten Läufen, wirkte es noch majestätisch. Es war eine Art von Größe an ihm, die durch nichts zu zerstören war. Und es war wild. Eine Bestie, die nur aus Zorn und Kraft bestand und deren Häßlichkeit allenfalls noch von seiner Wut übertroffen wurde, die es mit schrillen mißtönenden Schreien in die Nacht hinaustrompetete.

Skar blieb stehen, als sie sich dem Ungeheuer bis auf zwanzig Schritte genähert hatten und Drask ihm ein Zeichen dazu gab. Er hatte keine Angst vor diesem Tier - er war auf größeren Wesen geritten und hatte furchteinflößendere Kreaturen getötet, und allein die Tatsache seines Hierseins bewies, daß es zumindest zum Teil gebändigt worden war. Aber er verspürte einen natürlichen Respekt vor dem schwarzgeflügelten Titanen, der einen Mann auch ganz unabsichtlich zermalmen konnte, mit einer spielerischen Bewegung seiner Schwingen oder einem nachlässigen Zucken des gigantischen Hammerkopfes. Und vor der Wildheit in seinem Blick. Etwas war in den Augen der Daktyle, das ihm angst machte, und das er kannte, ohne im ersten Moment zu wissen woher. Dann erinnerte er sich: Er hatte genau diesen Ausdruck in den Augen des Hundes gesehen, der ihn um ein Haar zerrissen hätte, diese stumme, unglaublich lodernde Wut, die von namenloser Pein erzählte, die ihm angetan worden war, und die vielleicht nur durch den Tod wirklich gelöscht werden konnte.

Es war zu dunkel, als daß er erkennen konnte, was Drask tat, aber der Alte blieb lange neben der Daktyle stehen; es sah fast aus, als rede er mit ihr, und vielleicht war es genau das, was er tat. Es interessierte Skar nicht. Nicht wirklich. Das Ungeheuer würde seinen Zweck erfüllen, und das war alles, was zählte. Eine Stunde war vergangen, seit er die Satai getötet hatte, aber es hätten ebensogut nur zehn Sekunden sein können - Skar erinnerte sich kaum an das, was während dieser Zeit geschehen war. Drask hatte seine Wunden versorgt, so gut es in der Kürze der Zeit möglich gewesen war, und fast ununterbrochen geredet; tausend Dinge, von denen jedes einzelne lebenswichtig sein konnte und die Skar irgendwo in seinem Unterbewußtsein gespeichert hatte, ohne daß er sich im Moment auch nur auf eines davon besinnen konnte. Es spielte keine Rolle. Wenn er sie brauchte, würde er sich daran erinnern, das wußte er.

Der Wind drehte sich, trug eine Woge eisiger Kälte und das schrille, fast in den Ohren schmerzende Pfeifen der Daktyle heran. Skar schauderte. Er zog den fellbesetzten Mantel enger um die Schultern, den ihm Drask gegeben hatte, wich ganz instinktiv in den Windschatten der Tür zurück und tastete ebenso instinktiv über die Kleidung, die er unter dem wärmenden Fell trug - den schwarzen Brustharnisch der Satai, einen zweiten, schwarz und golden bestickten Mantel, den schmalen Waffengurt, in dem jetzt neben dem Tschekal noch eine Anzahl blitzender Shuriken und ein schmaler, doppelt geschliffener Dolch staken, wadenlange Hosen und eng anliegende Stiefel, die eine Winzigkeit zu klein waren: Kleider, die er einem der toten Satai abgenommen hatte und die er brauchte, wollte er sich in das Lager der Satai einschleichen.

Selbst jetzt erschien ihm der Gedanke noch absurd. Irgend etwas in ihm war der unerschütterlichen Überzeugung, daß es nicht gut gehen konnte, ganz gleich, wie sorgsam sein Plan vorbereitet war, und daß er nur den Tod und sonst gar nichts finden würde. Er achtete nicht auf diese Stimme. Vielleicht hatte sie recht, aber selbst wenn - es war egal. Ob er das Kind nun fand und tötete oder ob er vorher gestellt und umgebracht wurde, es würde vorbei sein, so oder so, und das allein zählte.

Drask kam zurück. Er lächelte wie ein Mann, der eine sehr schwierige Aufgabe zu seiner vollen Zufriedenheit gelöst hatte, und auf seiner Stirn perlte ein Netz feiner Schweißtröpfchen. Seine Hände zitterten leicht.

»Sie ist bereit«, sagte er.

Skar nickte. »Ich dachte immer, nur die Errish verstünden sich darauf, Daktylen zu reiten«, sagte er ohne echtes Interesse. »Wie hast du sie gezähmt?«

»Gar nicht«, antwortete Drask ernst. »Dir bleibt nicht viel Zeit, Skar. Zwei Stunden, vielleicht drei... Es ist leicht, den Geist von Tieren zu beeinflussen, aber die Daktylen sind ungeheuer wild. Sie wird dich hinbringen, und sie wird dich sicher absetzen. Aber sobald du von ihrem Rücken steigst und sie freiläßt, wird sie davonfliegen.« Plötzlich klang er sehr ernst. »Du hast nur eine einzige Chance, Skar. Geh sorgsam damit um.«

»Und wie finde ich den Weg?«

»Das mußt du nicht.« Drask machte eine vage Geste nach Norden. »Sie kennt ihr Ziel. Du mußt nur den Ort bestimmen, an dem sie landet.« Er schwieg einen Moment. »Wir werden uns nicht wiedersehen«, sagte er dann, sehr leise und mit einer Spur von Trauer in der Stimme, die Skar überraschte. Er hatte Drask für einen zynischen alten Mann gehalten, und daran änderte sich auch jetzt nichts, aber er begriff plötzlich, daß er sich trotzdem noch einen Rest menschlicher Empfindungen bewahrt hatte. »Bist du es nicht gewohnt, Männer in den Tod zu schicken?« fragte er.

Drask schüttelte den Kopf. »Nicht so. Du hast keine Chance. Nicht einmal dann, wenn du Erfolg hast. Gerade dann nicht.« Skar starrte ihn an. Es hätte tausend Dinge gegeben, die er antworten konnte, und vielleicht war jetzt der letzte Augenblick, Drask ein wenig von dem Schmerz heimzuzahlen, den er ihm zugefügt hatte. Aber dann lächelte er statt dessen nur, hob zum Abschied die Hand und ging mit raschen Schritten auf die Daktyle zu.

Das Ungeheuer starrte ihm aus seinen kleinen tückischen Augen entgegen, und wieder spürte Skar seine Wildheit und Kraft mit fast körperlicher Intensität. Der riesige Schädel der Bestie ruckte herum, ragte plötzlich drei, vier Meter über Skar empor und spaltete sich, als das Ungeheuer den Schnabel öffnete, um einen weiteren, in den Ohren schmerzenden Schrei auszustoßen. Skar ging mit ruhigen Schritten weiter. Ein Teil von ihm hatte Angst, eine ganz instinktive Angst vor diesem geflügelten Giganten, dessen Kraft und Mordlust seine Vorstellungskraft überstieg, aber ein anderer, stärkerer Teil spürte auch den Haß und die Wildheit, die die Seele aller Drachen waren, und begrüßte sie mit einem freudigen Aufschrei. Es war, als verbände sich ein Teil ihrer Seelen zu einem gemeinsamen Ganzen, einem finster lauernden Ding, das vom Tag seiner Geburt an in Skar gewesen war. Das, was er seinen dunklen Bruder genannt hatte. Vielleicht war es der Daij-Djan, der in ihm lauerte. Es war gleich. Skar hatte keine Angst mehr vor ihm. Er würde mit ihm sterben.

Ohne zu zögern bückte er sich unter einer der gewaltigen schwarzen Schwingen hindurch, griff nach dem Zaumzeug der Daktyle und zog sich mit einer kraftvollen Bewegung in den Sattel, der auf dem Rücken des gigantischen Wesens festgeschnallt war. Das Ungeheuer knurrte unwillig. Sein Körper zuckte, und Skar rechnete fast damit, daß es wie ein bockendes Pferd versuchen würde, ihn abzuwerfen. Dann merkte er, daß die Daktyle nur versuchte, sein Gewicht in die richtige Lage zu rücken, und hörte auf, sich zu wehren.

»Bist du soweit?« Drasks Stimme drang wie von weit her zu ihm. Er sah die Gestalt des Alten als weißen Schemen vor dem finsteren Hintergrund der Mauer, hob kurz die Hand und stieß zweimal hintereinander die Faust in die Luft, zum Zeichen, daß er verstanden hatte und bereit war. Drask antwortete etwas, das er nicht verstand. Aber einen Augenblick später fühlte er, wie sich die Fesseln der Daktyle lösten. Das Ungeheuer stieß ein schrilles, unglaublich lautes Kreischen aus, richtete sich schwerfällig auf und entfaltete die Flügel. Skars Hände schlossen sich fester um das Zaumzeug. Es war nicht das erste Mal, daß er auf einer Daktyle flog. Er wußte, daß der Start der gefährlichste Moment war, nicht nur für das Tier selbst, sondern auch und vor allem für seinen Reiter. Plötzlich hatte er doch Angst.

Das Ungeheuer schüttelte seine federlosen schwarzen Schwingen, warf den Schädel in den Nacken, so daß Skar sich hastig ducken mußte, um nicht von dem gigantischen Hammerkopf getroffen und aus dem Sattel geschleudert zu werden, und lief los. Seine unglaubliche Größe ließ seine Schritte langsam und schwerfällig erscheinen, aber sie waren weder das eine noch das andere. Mit drei, vier raschen Schritten war die Daktyle am Rand der Turmplattform angelangt, übersprang die brusthohe Wehr, ohne auch nur den Rhythmus ihrer Bewegung zu ändern, und stürzte sich mit weit ausgebreiteten Schwingen in die Tiefe. Skar war plötzlich ganz froh, daß die Nacht so dunkel war und er nur Schemen von seiner Umgebung wahrnehmen konnte. Trotzdem schrie er vor Schrecken und Furcht, als die Daktyle ihren rasenden Sturz begann. Die Burgmauer ragte hinter ihm in den Himmel hinauf, und der Fluß war nicht mehr als ein mattglänzendes Band aus zerkratztem Silber, unendlich tief unter ihnen, aber der Drache stürzte schnell, rasend schnell, und seine Geschwindigkeit nahm immer mehr zu.

Skar klammerte sich an die Zügel, preßte gleichzeitig mit aller Kraft die Schenkel zusammen und beugte sich über den schuppigen Hals des Tieres, um dem Wind möglichst wenig Widerstand zu bieten. Die Daktyle schrie wieder, spreizte die gewaltigen Flügel, zog sie plötzlich ganz eng an den Leib und wurde dadurch noch schneller. Der Fluß sprang mit einem gewaltigen Satz auf sie zu. Dann entfaltete sie Ihre Titanenflügel wieder.

Der Ruck schleuderte Skar fast vom Rücken des Tieres. Aus dem fast senkrechten Sturz der Daktyle wurde ein erst sehr sanfter, dann immer enger werdender Bogen, dessen Schnittpunkt entsetzlich dicht über dem tobenden Fluß lag.

Dann stiegen sie wieder. Die Schwingen des schwarzen Giganten peitschten die Luft, trugen seinen geschuppten Schlangenkörper mit scheinbar schwerfälligen, schaufelnden Bewegungen wieder nach oben und schlugen immer schneller. Der Fluß und das Lager an seinem Ufer huschten wie weiße Lichtflecke unter ihnen weg, schmolzen mit absurder Schnelligkeit zusammen und verschwanden schließlich ganz, als der riesige Drache in den Himmel hinaufstieß und sich nach Norden wandte.

Mehr als zwei Stunden später erreichte der Drache das Lager. Skar sah es, lange ehe es wirklich unter ihm lag; ein ungeheuerliches Meer aus unterschiedlich großen Lichtern breitete es sich auf der Ebene aus, auf der einen Seite längs einer hart gezogenen, halbrunden Linie endend, wo es an die Berge grenzte, zur Wüste hin allmählich zerfransend, wie ein Schwarm kleiner leuchtender Tierchen, der ein Stück weit in die finster daliegende Ebene vorgedrungen war, ehe er ganz allmählich zur Ruhe gekommen war. Obwohl Drask es ihm gesagt hatte und er auf den Anblick vorbereitet gewesen war, erschütterte er ihn, denn das Bild der tausend und tausend und tausend blinzelnder kleiner Feueraugen führte ihm den ganzen Wahnsinn seines Vorhabens vor Augen. Dort unten lagen vierzigtausend Quorrl, vierzigtausend Giganten, von denen jeder einzelne dreimal so stark war wie ein normaler Mann, und von denen ihn jeder einzelne mit Freuden zerreißen würde.

Skar verscheuchte den Gedanken. Es spielte keine Rolle, ob es vierzig Quorrl waren oder vierzigtausend oder vier Millionen. Er war nicht hier, um mit ihnen zu kämpfen.

Mit einem sanften Schenkeldruck brachte er die Daktyle dazu, ein wenig nach links zu schwenken und gleichzeitig an Höhe zu verlieren. Er näherte sich dem Lager schnell, und er wußte, daß die Gefahr groß war, entdeckt zu werden. Obwohl sie in mehreren Meilen Höhe dahinschossen, mußte der Umriß des gigantischen Flugdrachens deutlich vor den Wolken auszumachen sein. Aber der Anblick einer wilden Daktyle war hier, so weit im Norden und nahe dem Tal der Drachen, vielleicht nicht alltäglich, andererseits aber auch nicht so ungewöhnlich, daß er ausgereicht hätte, unten im Lager Alarm auszulösen. Sie würden den Drachen sehen. Ihn nicht.

Das Meer aus Licht wuchs heran, erfüllte die Welt unter ihm plötzlich vollkommen und wuchs weiter. Skar beugte sich im Sattel des Drachen vor, so weit er konnte. Sein Blick tastete über das Gewirr von Lichtern und kleinen, schmutzigweißen Zelten, die sich wie sonderbar rechteckige Flecken von Schnee in der Nacht abhoben, suchte nach einem Muster, irgendeinem System, einer Unregelmäßigkeit.

Er fand keine. Seine Hoffnung, das Zelt der Satai schon aus der Luft zu entdecken, erfüllte sich nicht. Er war zu hoch, zu hoch und zu schnell, um Einzelheiten auszumachen. Und er konnte nicht riskieren, noch tiefer hinabzustoßen. Mit einem Gefühl plötzlichen Schreckens erinnerte er sich an Drasks Warnung: Er hatte nur eine einzige Chance. Ging er zu tief, würde die Daktyle landen - und seine Zuversicht reichte nicht weit genug, sich einzureden, die Quorrl würden einem Satai, der mitten in ihrem Lager vom Himmel fiel, nicht mehr als einen flüchtigen Blick schenken.

Rasch bewegte er die Daktyle dazu, wieder in die Höhe zu steigen, flog einen Kreis in umgekehrter Richtung und hielt schließlich auf das südliche Ende des Lagers zu. Es wäre sicherer gewesen, in den Bergen zu landen und die zwei oder drei Stunden Dunkelheit, die die Nacht noch barg, auszunutzen, um sich anzuschleichen. Aber es gab zwei Punkte, die dagegen sprachen: Selbst ein Satai, der aus den Bergen kam, die an dieser Stelle als unübersteigbar galten, würde Mißtrauen erregen. Und er war sich nicht sicher, ob ihm noch genug Zeit blieb. Die zwei Stunden, von denen Drask gesprochen hatte, waren längst vorbei. Die Daktyle machte noch keine Anstalten, sich seinem Willen zu widersetzen, aber die erste Warnung mochte zugleich die letzte sein. So überflog er das Lager in großer Höhe, lenkte das Tier mehrere Meilen weit in die Wüste hinaus und kehrte dann in einem weit geschwungenen Bogen zurück, wobei er die Daktyle sanft, aber beständig an Höhe verlieren ließ. Er war sicher, daß er gesehen worden war, und wahrscheinlich suchten gerade jetzt Hunderte, wenn nicht Tausende starrer Fischaugen den Himmel ab. Er konnte es nicht riskieren, sich bei der Landung beobachten zu lassen.

Aber er hatte auch nicht die Zeit für einen vielleicht stundenlangen Fußmarsch. Skar entschloß sich zu einem sehr gewagten Manöver, das ihm entweder einen gebrochenen Hals oder zwei oder mehr gewonnene Stunden einbringen würde: bei seinem Überflug hatte er gesehen, daß das Lager von einer ungleichmäßigen Reihe hoher Sanddünen begrenzt wurde, die sich wie eine natürliche Wehrmauer zwischen ihm und der Wüste erhoben. Behutsam ließ er die Daktyle tiefer gehen, jederzeit bereit, sie wieder aufsteigen zu lassen, sollte sie etwa Anstalten machen, an dieser Stelle zu landen.

Aber seine Rechnung ging auf. Der Drachenvogel stand noch immer unter Drasks geistigem Bann, denn er vollführte gehorsam jede Bewegung, die Skar von ihm verlangte. Aber seine Instinkte waren stark genug, ihm zu sagen, daß er nie wieder starten konnte, wenn er hier zu Boden ging. Daktylen waren phantastische Flieger, aber sie brauchten Klippen oder zumindest sehr hohe Felsen, um überhaupt in die Luft zu kommen. Eine Landung auf dem flachen Land bedeutete den fast sicheren Tod, denn so schnell und gefährlich die Tiere in der Luft waren, so hilflos waren sie am Boden, trotz ihrer gewaltigen Größe. Skars Daktyle glitt mit weit ausgebreiteten Schwingen über die Wüste dahin, sehr viel langsamer als bisher, dabei aber noch immer dreimal so schnell wie ein galoppierendes Pferd. Ihre Schwingen berührten fast den Boden, und Skar spürte die Furcht und Nervosität des Tieres. Trotzdem zwang er es dazu, langsamer zu werden. Unter ihm war weicher Sand, aber er war zu schnell.

Die Daktyle begann zu bocken. Für einen Moment versuchte sie wieder an Höhe zu gewinnen. Ihr Schädel ruckte nervös hin und her; kleine, fast ängstliche Schreie drangen aus ihrem schrecklichen Schnabel. Trotzdem glitt sie gehorsam wieder hinab, als Skar die Schenkel zusammenpreßte.

221 Er war jetzt nicht mehr sehr weit vom Lager entfernt; gleichzeitig spürte er, daß er das Tempo des Tieres nicht noch weiter drosseln konnte, ohne daß es den Halt in der Luft verlor und zu Boden stürzte.

Skar löste die Füße aus den Steigbügeln, atmete tief ein - und ließ sich aus dem Sattel fallen. Eine der gewaltigen schwarzen Drachenschwingen streifte ihn; ganz flüchtig nur, aber die Berührung war trotzdem stark genug, ihn in der Luft herumzuwirbeln und hilflos davonsegeln zu lassen.

Der Aufprall war überraschend sanft. Der weiche Sand, in den er fiel, dämpfte seinen Sturz, und er hatte sich ganz instinktiv zu einem Ball zusammengerollt, so daß er sich zwar zwanzig-, dreißigmal überschlug, ehe er endgültig zur Ruhe kam, sich aber nicht ernsthaft verletzte.

Sein erster Blick galt der Daktyle.

Der Drache war schon erstaunlich weit entfernt, aber seine gewaltige Größe ließ ihn Skar trotzdem deutlich erkennen. Der fliegende Riese taumelte. Seine Schwingen peitschten in heller Panik die Luft, berührten dabei den Boden, so daß Staub und Sand und pulverfeiner Schnee hochstoben. Für einen kurzen, schreckerfüllten Moment fürchtete Skar, er würde abstürzen. Aber dann entschied die ungeheure Körperkraft des Tieres den lautlosen Kampf. Mit einer ungeheuerlichen Anstrengung stemmte sich die Daktyle in die Höhe, warf sich herum - und schoß mit einem erleichterten Schrei in den Himmel empor. Skar atmete hörbar auf. Er war dem Lager so nahe, daß die Daktyle mit Sicherheit nicht unbemerkt geblieben war. Wäre sie hinter den Dünen verschwunden, ohne wieder aufzutauchen, hätte es hier in Minuten von Quorrl gewimmelt...

Er stand auf, sah sich sichernd nach allen Richtungen um und untersuchte seinen Körper dann auf Verletzungen. Er fand nichts, bis auf ein paar Kratzer und Abschürfungen, die er getrost vernachlässigen konnte. Selbst sein gerade erst geheilter Knöchel hatte den Sturz unbeschadet überstanden. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten schien das Glück wieder auf seiner Seite zu sein.

Rasch entledigte sich Skar seines Fellumhanges, ordnete noch einmal seine Kleider und strich glättend über den knöchellangen Satai-Mantel. Dann überzeugte er sich ohne irgendwelche Hast vom sicheren Sitz seiner Waffen, schüttelte sich Schnee und Sand aus den Haaren und wandte sich nach Norden, in die Richtung, in der die Lichter hinter den Dünen glommen. Es war nicht mehr sehr weit.

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