Unbehaglich fühlte sich die Runde, die am späten Vormittag des 29. Juni in John Grays Haus beisammensaß, denn alle außer Mary wußten, daß kein Aufschub der Vollstreckung gekommen war. Selbst John Gray schauderte es bei dem Gedanken, die Hand eines arglosen Mädchens einem Mann zu geben, den sie nicht liebte, während derjenige, den sie liebte, einem Tod der Schande entgegenging. Mrs. Gray lag seit einer Woche krank im Bett, erdrückt von der Angst, die Gesuche um Aufschub oder Begnadigung könnten womöglich Schiffbruch erleiden. Der alte Reverend hatte sich geweigert, seines Amtes zu walten, so daß man einen fremden Prediger auf der Durchreise für die Trauung heranziehen mußte. John Gray fing ihn an der Tür ab und ermahnte ihn, den freudigen Anlaß nur ja nicht durch irgendeine Anspielung auf die traurigen Ereignisse im Dorf zu trüben.
Der Fremde sagte vorsichtig: «Sie hätten mich nicht warnen müssen. Kein Mensch könnte das bei einem solchen Anlaß. Ich bin am Galgen vorbeigekommen. Das ganze Dorf war dort. Keiner zeigte sich ungerührt; alle Frauen und einige der Männer weinten. Der junge Mann stand unter dem Galgen zwischen den Sheriffs, die Schlinge baumelte über seinem Kopf im Wind. Er war blaß und abgezehrt, doch er stand aufrecht wie ein Ehrenmann. Und gesprochen hat er auch. Er beharrte auf seiner Unschuld. Er sagte, dies seien die Worte eines Mannes im Angesicht des Todes, im Angesicht Gottes, und Gott wisse, er sei unschuldig. Überall wurden klagende Stimmen laut: - ja - ganz da hinten, das ist ganz bestimmt ein schwarzer Fleck - das muß doch ein Pferd sein!> Doch jedesmal war’s eine Enttäuschung. Schließlich zogen die Sheriffs dem armen Burschen die schwarze Kapuze übers Gesicht, und was für ein Aufschrei ging da durch die Menge! Ich konnte es nicht ertragen und floh. Wie haben sie alle diese arme Seele geliebt, und wie haben ihn die Mutterherzen dort bemitleidet!» Der Prediger und John Gray betraten das Wohnzimmer. Ein Segen wurde gesprochen, dann erhob sich Mary, blaß und matt, zwischen Graf Fontainebleau und ihrem Vater. Die Trauzeremonie nahm ihren Lauf: «Hubert Graf Fontainebleau, willst du diese Frau zu deinem gesetzlich angetrauten Weibe nehmen und geloben, sie zu lieben und zu ehren, bis daß der Tod euch scheidet?» Der Graf neigte den Kopf. «Mary Gray, willst du diesen Mann zu deinem gesetzlich angetrauten Gatten nehmen und geloben, ihm treu zu bleiben, ihn zu - » Schon seit einer Weile hatte der Hochzeitsgesellschaft ein fernes Geräusch in den Ohren gesummt, stetig lauter werdend, als käme das, was es verursachte, immer näher. Nun brach ganz in der Nähe eine Salve wilder Jubelrufe los, und Sekunden später ergoß sich eine Meute johlender Dorfbewohner ins Haus, an der Spitze Hugh Gregory und die Sheriffs. Mit einem einzigen Blick hatte Mary Gray die ganze märchenhafte Wahrheit in Hughs Augen gelesen, und schon lag sie in seinen Armen. Im gleichen Moment ergriffen die Sheriffs Graf Fontainebleau und legten ihm Handschellen an. John Gray standen lauter Fragezeichen ins Gesicht geschrieben - er war sprachlos vor Verblüffung. Einer der Sheriffs sagte: «Keine Sorge - das hat alles seine Ordnung. Dieser Teufel hat den Mord begangen. Er hatte einen Kumpan, der ist schwach geworden und hat gesungen, als er sah, daß Hugh gleich baumeln würde. Da hat er die ganze Geschichte erzählt, und wie er gerade zum Ende kommt, trifft auch der Aufschub vom Gouverneur ein. Und jetzt mußte ich Sie leider stören, denn natürlich wollte ich mir als erstes dieses saubere Frettchen hier vornehmen.» Hugh sagte: «Ich brauche ja wohl kaum zu erklären, warum dies der erste Ort ist, wo ich hinwollte, um das Gesicht eines unschuldigen Mannes zu zeigen!» Der Pfarrer trat bescheiden beiseite. «Hiergeblieben!» sagte John Gray. «Setzt die Trauung fort! Steht auf, Mary Gray und Hugh Gregory, und ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn noch ein böses Wort über meine Lippen kommt, solange ich John Gray heiße! Hier kommt auch meine Frau; jetzt haben wir alles beisammen, Herr Pfarrer -schließen Sie diesen Bund, und schließen Sie ihn fest!»