Als wir wieder in unserem Zimmer waren, nahm uns meine Großmutter beide aus ihrer Handtasche, Bruno und mich, und setzte uns auf den Tisch. «Warum hast du um Himmels willen nicht den Mund aufgemacht und deinem Vater gesagt, wer du bist?», fragte sie Bruno.
«Weil ich den Mund voll hatte», antwortete Bruno. Er hüpfte spornstreichs in die Bananenschüssel zurück und fuhr mit dem Futtern fort.
«Was bist du doch für ein widerwärtiger kleiner Junge», sagte meine Großmutter zu ihm.
«Nicht Junge», berichtigte ich. «Maus.»
«Ganz recht, mein Schätzelchen. Aber wir haben im Augenblick keine Zeit, uns seinetwegen den Kopf zu zerbrechen. Wir müssen Pläne schmieden. In etwa anderthalb Stunden werden alle Hexen sich zum Abendessen in den Speisesaal begeben, richtig?»
«Richtig», erwiderte ich.
«Und jeder einzelnen müssen wir eine Dosis Mäusemacher verpassen», fuhr sie fort. «Wie um Himmels willen sollen wir das nur machen?»
«Großmama», sagte ich, «ich glaube, du vergisst immer, dass eine Maus dahin gehen kann, wo Menschen nicht hinkommen.»
«Das ist ganz richtig», sagte sie. «Aber selbst eine Maus kann nicht auf einer festlich gedeckten Tafel herumspazieren und Fläschchen unterm Arm tragen und Mäusemacher auf alle Roastbeefportionen der Hexen träufeln, ohne dass es jemandem auffiele.»
«Das wollte ich eigentlich auch gar nicht im Speisesaal machen», sagte ich.
«Wo denn?», fragte sie.
«In der Küche», erwiderte ich, «während ihr Essen angerichtet wird.»
Meine Großmutter starrte mich an. «Mein allerliebstes Kind», sagte sie langsam, «ich glaube allmählich, die Verwandlung in eine Maus hat deine Geisteskräfte verdoppelt!»
«Eine kleine Maus», fuhr ich fort, «kann in der Küche zwischen Töpfen und Pfannen herumhuschen, und wenn sie tüchtig aufpasst, dann wird sie schon keiner sehen.»
«Brillant!», rief meine Großmutter aus. «Wahrhaftig, ich glaube, du hast es getroffen!»
«Es gibt nur ein Problem», sagte ich. «Woher kann ich wissen, welches Essen für sie gemacht wird? Ich will es nicht in den falschen Saucentopf geben. Es wäre ziemlich katastrophal, wenn sich alle anderen Gäste aus Versehen in Mäuse verwandelten, besonders du, Großmama.»
«Dann musst du dich eben in die Küche schleichen und dir ein gutes Versteck suchen und abwarten... Und die Ohren spitzen. Witsch einfach in irgendeinen dunklen Winkel und bleib da hocken und hör zu, was die Köche sagen... Und dann, mit ein bisschen Glück, wird dir schon jemand einen Hinweis geben. Wenn sie das Essen für eine so große geschlossene Gesellschaft kochen müssen, dann bereiten sie es meistens gesondert vor.»
«Gut», sagte ich. «Das werd ich also machen. Ich werde dort warten und die Ohren spitzen und auf ein bisschen Glück vertrauen.»
«Es wird sehr gefährlich werden», setzte Großmutter hinzu. «Kein Koch hat gerne Mäuse in der Küche. Wenn sie dich sehen, dann schlagen sie dich tot.»
«Ich werd mich nicht sehen lassen», sagte ich.
«Und vergiss nicht, du musst auch noch das Fläschchen schleppen», sagte sie. «Du bist also etwas weniger flink und wendig.»
«Ich kann sehr gut und sehr schnell auf zwei Beinen rennen, auch mit der Flasche im Arm», sagte ich. «Das hab ich doch gerade bewiesen, nicht wahr? Ich bin den ganzen Weg vom Zimmer der Hoch- und Großmeister-Hexe heraufgekommen, mit der Flasche.»
«Und wie ist das mit dem Aufschrauben?», fragte sie. «Das könnte dir Schwierigkeiten bereiten.»
«Lass mich mal versuchen», sagte ich. Ich packte das Fläschchen, und ich stellte fest, dass es mir ganz leicht fiel, mit meinen beiden Vorderpfoten die Kappe abzuschrauben. «Das ist ^ sehr gut», sagte meine Großmutter. «Du bist wirklich eine sehr geschickte Maus.» Sie warf einen Blick auf die Uhr. «Um halb acht», sagte sie, «werde ich zum Abendessen in den Speisesaal hinuntergehen, mit dir in meiner Handtasche. Dort werde ich dich zusammen mit der kostbaren Flasche unter dem Tisch auf den Boden setzen, und von da ab musst du dich alleine durchschlagen. Du musst durch den Speisesaal und zu der Tür, die in die Küche führt, und du darfst dabei nicht gesehen werden. Durch diese Tür gehen die Kellner alle Augenblicke rein und raus. Du musst also den richtigen Augenblick abpassen und hinter einem von ihnen mit hineinhuschen, aber pass um Himmels willen auf, dass er nicht auf dich tritt und dass du nicht zwischen den Türflügeln eingeklemmt wirst.»
«Ich werde gut aufpassen», sagte ich.
«Und mag kommen, was wolle: Du darfst dich nicht von ihnen erwischen lassen.»
«Hör damit auf, Großmama. Du machst mich ganz nervös.»
«Du bist ein tapferer kleiner Bursche», sagte sie. «Ich hab dich lieb.»
«Was sollen wir denn mit Bruno machen?», fragte ich sie.
Bruno schaute auf. «Ich komme mit dir», sagte er, den Mund voll Banane. «Ich lass doch nicht mein Abendessen sausen!»
Meine Großmutter dachte einen Augenblick nach. «Ich werde dich mitnehmen», entschied sie, «wenn du mir versprichst, in meinem Beutel zu bleiben und keinen Mucks von dir zu geben.»
«Reichen Sie mir immer was zu essen von Ihrem Teller runter?», fragte Bruno.
«Ja», sagte sie, «wenn du mir versprichst, dich manierlich zu benehmen. Möchtest du vielleicht etwas zu essen haben, mein Schätzelchen?», fragte sie mich.
«Nein, vielen Dank», sagte ich. «Ich bin zu aufgeregt, ich kann nichts essen. Und ich muss für die Arbeit, die vor mir liegt, leicht und wendig bleiben.»
«Ja, es ist eine schwere Aufgabe», sagte meine Großmutter. «So eine wichtige Arbeit wirst du niemals wieder zu erledigen haben.»