«Ginder sind zum Gotzen!», schrie die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Wir werden sie alle verschwinden lassen! Wir werden sie wegpusten vom Angesicht der Erde. Wir werden sie durchs Ganalgitter spülen!»
«Ja, ja!», jubelte die Versammlung. «Vertreiben! Von der Erde pusten! Durchs Kanalgitter spülen!»
«Ginder sind dumm und dreckig!», donnerte die Hoch- und Großmeister-Hexe.
«Und ob sie das sind! Und ob sie das sind!», antwortete der Chor der englischen Hexen. «Sie sind dumm und dreckig!»
«Ginder sind faul und fett!», schrie die Hoch- und Großmeister-Hexe.
«Faul und fett!», schrie das Auditorium, das allmählich in Fahrt kam.
«Ginder riechen nach Hundegötteln!», kreischte die Hoch-und Großmeister-Hexe.
«Pfui!», schrie das Publikum. «Pfui! Pfui! Puuuh!»
«Sie sind viel ärger als Hundegöttel!», heulte die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Hundegöttel riechen im Vergleich zu Gindern wie Dulpen und Veilchen!»
«Tulpen und Veilchen!», jubelten die Zuhörerinnen. Sie klatschten wie wild und begrüßten fast jedes Wort mit Beifall, das vom Podium kam. Die Rednerin schien sie vollkommen unter ihre Fuchtel bekommen zu haben.
«Über Ginder zu sprechen macht mich gotzelend!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Es gommt mir schon hoch, wenn ich nur an sie denke! Hol mir einer einen Eimer!»
Die Hoch- und Großmeister-Hexe hielt inne und musterte das Meer von eifrigen Gesichtern zu ihren Füßen. Sie warteten, sie wollten mehr. «Also jetzt!», bellte die Hoch- und GroßmeisterHexe. «Jetzt kommt mein Plan. Ich habe einen gigantischen Plan ausgearbeitet, um alle Ginder in ganz England loszuwerden.»
Die Hexen rissen den Mund auf. Sie keuchten. Sie schauten einander an und grinsten vor Aufregung wie Gespenster.
«Jawohl!», donnerte die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Wir fegen sie fort, und wir pusten sie weg, und wir werden alle stinkigen gleinen Gröten in England auf einen einzigen Streich verschwinden lassen.»
«Hurra!», kreischten die Hexen und klatschten in die Krallenhände. «Du bist herrlich, Euer Hochgeboren! Du bist fabelhaft!»
«Haltet die Glappe und sperrt die Ohren auf!», fuhr sie die Hoch- und Großmeister-Hexe an. «Hört haargenau zu, damit es mir geine durcheinander bringt!»
Die Zuhörerinnen beugten sich vor und warteten gespannt, wie sich dieser Zauber bewerkstelligen lassen sollte.
«Eine jede von euch», donnerte die Hoch- und GroßmeisterHexe, «geht spornstreichs in ihre Heimatstadt zurück und gündigt ihre Arbeit. Gündigen! Zurückziehen! In Rente gehen!»
«Das machen wir!», schrien sie durcheinander. «Wir geben unsere Arbeit auf.»
«Und nachdem ihr eure Arbeit niedergelegt habt», fuhr die Hoch- und Großmeister-Hexe fort, «macht sich jede Einzelne von euch auf und gauft...» Sie hielt inne.
«Was sollen wir kaufen?», riefen sie. «Sag's uns, du kluger Kopf, was sollen wir denn kaufen?»
«Süßwarenläden!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe.
«Süßwarenläden?», japsten sie. «Wir sollen Süßwarenläden kaufen! Was für eine wahnsinnig süße Idee!»
«Jede von euch wird sich einen eigenen Süßwarenladen gaufen. Ihr werdet die errrstklassigsten und rrrespektabelsten Süßwarenläden von England erstehen.»
«Das werden wir! Und ob wir das werden!», antworteten sie. Ihre fürchterlichen Stimmen dröhnten und schrillten wie ein Chor von Bohrmaschinen, die alle Zahnärzte auf einmal laufen ließen.
«Und ich will geinen Billigladen haben, verstanden? Geine drockenen Geks im Sonderangebot!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Glasseläden will ich haben. Gisten und Gasten mit besten Bralinen und ff Schogoladenwaren.»
«Das Allerbeste!», schrien sie. «Wir kaufen die besten Süßwarenläden in der Stadt.»
«Beim Gauf werdet ihr keine Brobleme haben», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe triumphierend. «Denn ihr gönnt viermal so viel bieten, wie ein Laden wert ist, und so ein Angebot schlägt keiner aus! Geld ist kein Broblem für uns Hexen, wie ihr ja wisst. Ich habe sechs Goffer, voll gestopft bis an den Rand, mit englischen Banknoten mitgebracht, alle appetitlich neu. Und alle miteinander», setzte sie mit einem tückischen Grinsen hinzu, «frisch aus englischen Landen.»
Die Hexen im Saal grinsten zurück, denn das Wortspiel machte ihnen Spaß.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich eine törichte Hexe von den vielen Möglichkeiten, die der Besitz eines Süßwarenladens eröffnete, schon vollkommen verwirren lassen, und sie sprang auf und jubilierte: «Die Kinder werden in Scharen in meinen Laden gelaufen kommen, und ich werde sie mit vergifteten Süßigkeiten und vergifteter Schokolade füttern, und dann fallen sie um wie die Fliegen.»
Plötzlich wurde es im ganzen Saal still. Ich sah, wie sich der winzige Körper der Hoch- und Großmeister-Hexe straffte und dann vor Zorn nur so zuckte.
«Wer hat da gesprochen?», schrie sie. «Du bist das gewesen. Du da drüben!»
Die Schuldige ließ sich erschrocken auf ihren Sitz fallen und bedeckte das Gesicht mit ihren Klauenhänden. «Du gatastrophaler Gürbis!», kreischte die Hoch- und GroßmeisterHexe. «Du hirnloser Holunderbusch! Gabierst du denn nicht, dass sie dich in fünf Minuten am Schlafittchen haben, wenn du durch die Gegend rennst und Ginder vergiftest? Wirklich, in meinem ganzen Leben hab ich noch nie einen so hanebüchenen Unsinn von einer Hexe zu hören gekriegt!»
Das gesamte Publikum zog den Kopf ein und zitterte und bebte. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie alle dachten, wie ich übrigens auch, gleich pfiffen ihnen wieder die weiß glühenden Funken um die Ohren.
Merkwürdigerweise geschah das aber nicht.
«Wenn du schon auf solche idiotischen Ideen kommst», donnerte die Hoch- und Großmeister-Hexe, «dann ist es wirklich gein Wunder, dass ganz England noch von begnackten gleinen Gindern wimmelt.»
Wieder ein tiefes Schweigen. Die Hoch- und GroßmeisterHexe starrte die Hexen im Publikum an. «Wisst ihr denn nicht», schrie sie sie an, «dass wir Hexen nur mit Zaubergräften arbeiten?»
«Das wissen wir, euer Hochgeboren», antworteten sie alle miteinander. «Das wissen wir natürlich!»
Die Hoch- und Großmeister-Hexe rieb ihre hageren behandschuhten Hände und rief: «Jede von euch besitzt also einen großartigen Süßwarenladen! Der nächste Schritt besteht nun im Folgenden. Jede von euch wird im Schaufenster ihres Ladens angündigen, dass an einem bestimmten Tag eine große Galaeröffnung stattfinden wird, mit Bonbons und Schogolade gratis für jedes Gind.»
«Das wird sie in den Laden bringen, die gierigen kleinen Racker!», schrie das Publikum. «Sie werden sich gegenseitig die Augen auskratzen, um durch die Türen zu kommen!»
«Als Nächstes», fuhr die Hoch- und Großmeister-Hexe fort, «werdet ihr euch auf diese Galaeröffnung dadurch vorbereiten, dass ihr jede Schogolade und jede Braline in eurem Laden mit meinem neuesten und größten Zaubermittel füllt! Es trägt den Namen formula 86 retard / mausemutarium!»
«Retard! Ein verzögerter Zauber! Ein Mausemutarium!», johlten sie. «Sie hat es wieder einmal geschafft! Ihre hochgeborene Hoheit hat wieder einen von ihren klassischen KinderKillern entwickelt! Ein neuer Zauber! Was sollen wir damit machen, du Superkluge?»
«Fasst euch in Geduld», antwortete die große Hexe. «Zuerst werde ich euch erglären, wie meine Formula 86 retard / Mausemutarium wirgt. Hört genau zu!»
«Wir hören!», riefen die Tagungsteilnehmerinnen, die jetzt vor lauter Aufregung auf ihren Stühlen auf und ab hüpften.
«Das Mausemutarium ist eine grüne Flüssigkeit», erklärte die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Ein einziger Dropfen in jedem Stück Schogolade oder Bonbon ist vollgommen ausreichend. Und nun aufgemerkt - geschehen wird Folgendes: Gind isst Schogolade mit einem Dropfen Formula 86 Mausemutarium... Gind gommt heim und fühlt sich wohl... Gind geht zu Bett, es geht ihm immer noch gut... Gind wacht am nächsten Morgen auf, immer noch o. k.... Gind geht zur Schule, immer noch gesund... Formula 86, das habt ihr ja gehört, ist ein verzögerter Zauber, und er wirkt immer noch nicht.»
«Ja, ja, wir verstehen, o Meistergescheite!», schrie das Publikum. «Aber wann fängt es dann an zu wirken?»
«Es wirkt genau um neun Uhr, wenn das Gind in der Schule angommt!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe triumphierend. «Gind gommt in Schule, verzögerter Zauber fängt sofort zu wirken an. Gind beginnt zu schrumpfen. Gind griegt ein Fell. Gind griegt einen Schwanz. Und das passiert in genau sechsundzwanzig Segunden. Nach sechsundzwanzig Segunden, Gind ist glein, Gind ist gein Gind mehr. Gind ist Maus!»
«Eine Maus!», kreischten die Hexen. «Was für eine entzückende Idee!»
«Glassenzimmer wird von Mäusen wimmeln!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Chaos und Durcheinander bricht in allen Schulen in England aus. Lehrer werden den Verstand verlieren. Lehrerinnen werden auf die Bulte springen und die Röcke raffen und Hilfe! Hilfe! Hilfe! schreien.»
«Ja, ja, das werden sie tun, wahrhaftig, das werden sie tun!», schrien die Zuhörerinnen.
«Und was», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe in den Lärm, «wird als Nächstes in jeder Schule bassieren?»
«Sag's uns!», riefen sie. «Verrat es uns, o Blitzgescheite!»
Die Hoch- und GroßmeisterHexe schraubte ihren sehnigen Hals nach vorn und grinste die Hexen an. Dabei entblößte sie zwei Reihen spitze und blassblaue Zähne. Dann erhob sie die Stimme noch mächtiger denn je und donnerte:
«Die Mausefallen werden rausgeholt!»
«Mausefallen?», stöhnten die Hexen.
«Und Gäse!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Die Lehrer rennen durcheinander und rrennen rraus und beschaffen sich Mausefallen und setzen den Gäse als Göder ein und stellen sie überall in den Schulen auf den Fußboden. Mäuse gnabbern Gäse! Mausefallen glappen zu. Glapp glapp, schnapp schnapp, so machen die Mausefallen in Schulen, die gleinen Mäusegöpfe gullern wie die Glicker über den Fußboden. In ganz England, in jeder Schule in England wird man das Zuschnappen der Mausefallen hören.»
In diesem Augenblick begann die widerwärtige alte Großhexe auf ihrem Podium eine Art von Hexentanz zu vollführen, wobei sie mit den Füßen trampelte und in die Hände klatschte. Die gesamte Zuhörerschaft fiel ein und klatschte und trampelte ebenfalls. Sie vollführten einen solchen Lärm, dass ich dachte, Mister Stringer würde es hören und angelaufen kommen und an die Tür hämmern. Aber das tat er nicht.
Dann vernahm ich über all dem Getöse die Stimme der Hoch- und Großmeister-Hexe, die mit schriller Stimme irgendeinen Beschwörungssingsang anzustimmen schien:
«Nieder mit Kindern! Und macht damit schnell! Kocht ihre Knochen und gerbt dann ihr Fell. Zwickt sie und zwackt sie und haut sie zu Mus. Eine Nuss an die Nase, einen Tritt auf den Fuß! Stopft sie mit Zauberpralinen voll und mit Zucker und Bonbons - das finden sie toll. Sind sie dann morgens zur Schule gegangen, hat sie um neun unser Zauber gefangen. Mausefell wächst und Mausschwänze sprießen, ein Schnauzbart beginnt am Kinn zu schießen. Kinder, einst groß, sind plötzlich ganz klein. Sie schreien: Wie kann denn das bloß sein? Mädchen fühlen sich krank und blass und hauchen: Was ist nur mit mir, was? Kinder sind Mäuse, und Lehrer sind blind. Sie jagen die Mäuse, die Kinder sind. Sie spannen die Fallen, die Falle macht schnapp! Und schlägt den Mäusen die Köpfe ab. Das ist für Hexen süße Musik, und damit feiern sie ihren Sieg. Denn es geschah, was wir geplant, kein Kind gibt's mehr in diesem Land.»