Karlssons Wecken-Tirritierung

Während Lillebror oben bei Karlsson war, war Mama beim Arzt. Es dauerte länger, als sie gedacht hatte, und als sie endlich nach Hause kam, saß Lillebror wieder ganz ruhig in seinem Zimmer und sah sich seine Briefmarken an.

„Guten Tag, Lillebror", sagte Mama, „sitzt du wieder über deinen Briefmarken?"

„Ja, das tue ich", sagte Lillebror, und das war ja richtig. Daß er erst vor einer kleinen Weile oben auf dem Dach gewesen war, das erzählte er nicht. Mama war zwar klug und hatte für fast alles Verständnis, daß er aber aufs Dach geflogen war - ob sie das verstand, war keineswegs so sicher. Lillebror beschloß, nicht von Karlsson zu sprechen. Nicht jetzt gleich. Nicht eher, als bis die ganze Familie versammelt war. Das würde eine wunderbare Überraschung beim Essen geben. Mama sah übrigens nicht gerade vergnügt aus. Sie hätte eine Falte zwischen den Augenbrauen, die sonst nicht da war. Lillebror fragte sich, warum.

Dann kam die übrige Familie nach Hause. Es war Zeit zum Essen, und sie saßen alle miteinander um den Eßtisch, Mama und Papa und Birger und Betty und Lillebror. Sie aßen Kohlrouladen, und wie gewöhnlich wickelte Lillebror den Kohl ab. Er mochte

kernen Kohl. Nur das, was innen war, aß er gern. Aber unterm Tisch zu seinen Füßen lag Bimbo, und der fraß so ziemlich alles. Lillebror wickelte den Kohl zu einem kleinen, schmierigen Paket zusammen, das er Bimbo hinhielt.

„Mama, sag ihm, er soll das lassen", sagte Betty. „Bimbo wird immer unausstehlicher - genau wie Lillebror." „Jaja", sagte Mama, „jaja!" Es war aber, als hätte sie es gar nicht gehört. „Ich mußte einfach alles essen, als ich klein war", sagte Betty.

Lillebror streckte ihr die Zunge heraus.

„Was du nicht sagst! Man merkt dir aber nicht an, daß das so viel genützt hätte."

Da traten Mama plötzlich Tränen in die Augen. „Zankt euch bitte nicht", sagte sie. „Ich kann es einfach nicht hören."

Und nun kam es heraus, weshalb sie so bedrückt war. „Der Arzt hat gesagt, ich sei blutarm und überanstrengt. Ich müßte verreisen und mich ausruhen. Wie ich das wohl machen soll!"

Es wurde ganz still am Tisch. Lange Zeit sagte keiner ein Wort.

Was für traurige Nachrichten! Mama war krank, das war wirklich traurig. Und dann sollte sie auch noch verreisen, das fand Lillebror noch schlimmer.

„Ich will, daß du jeden Tag in der Küche stehst, wenn ich von der Schule nach Hause komme, und deine Schürze anhast und Zimtwecken backst", sagte Lillebror.

„Du denkst immer nur an dich", sagte Birger streng. Lillebror schmiegte sich dicht an Mama.

„Ja, sonst kriegt man keine Wecken", sagte er. Aber Mama hörte auch jetzt nicht hin. Sie unterhielt sich mit Papa.

„Wir müssen versuchen, ob wir eine Hausgehilfin bekommen können, wenn ich auch nicht ahne, wie."

Papa und Mama machten sorgenvolle Gesichter. Es war gar nicht so gemütlich am Eßtisch wie sonst immer. Lillebror sagte sich, es müsse jemand etwas tun, damit es ein bißchen lustiger würde, und wer könnte das besser als er selber.

„Ratet mal trotzdem was Lustiges", sagte er. „Ratet, wer zurückgekommen ist!"

„Wer — oh, doch nicht etwa Karlsson", sagte Mama. „Komm mir jetzt nicht und sage, daß wir nun auch noch diese Sorge haben müssen!"

Lillebror sah sie vorwurfsvoll an.

„Wieso Sorge? Ich finde das mit Karlsson schön."

Da lachte Birger.

„Das wird aber 'ne lustige Bude werden. Keine Mama, nur Karlsson und eine Hausgehilfin, die hier machen kann, was sie will."

„Macht mir doch nicht noch mehr Angst", sagte Mama. „Denkt nur, wenn die Hausgehilfin Karlsson sieht - wie soll das nur werden?"

Papa warf Lillebror einen strengen Blick zu.

„Gar nichts wird ,werden´. Die Hausgehilfin wird von Karlsson weder etwas hören noch ihn sehen. Versprich mir das, Lillebror!"

„Karlsson fliegt, wohin er will", sagte Lillebror. „Aber ich verspreche, daß ich nichts über ihn erzähle."

„Keinem einzigen Menschen", sagte Papa. „Vergiß nicht, was wir abgemacht haben."

„Nöö, keinem Menschen", sagte Lillebror. „Höchstens der Lehrerin in der Schule."

Aber Papa schüttelte den Kopf.

„Auf keinen Fall der Lehrerin! Unter gar keinen Umständen!"

„Tsss", machte Lillebror. „Dann erzähle ich aber auch nichts von der Hausgehilfin. Und eine Hausgehilfin, das ist doch wirklich schlimmer als Karlsson."

Mama seufzte.

„Wir wissen noch nicht einmal, ob wir eine Hausgehilfin finden", sagte sie.

Schon am nächsten Tage setzte sie eine Anzeige in die Zeitung.

Es meldete sich nur eine einzige. Sie hieß Fräulein Bock. In zwei Stunden wollte sie kommen und sich vorstellen.

Lillebror hatte Ohrenreißen bekommen und wich seiner Mutter nicht von der Seite. Am liebsten wollte er auf ihrem Schoß sitzen, obgleich er eigentlich viel zu groß dafür war.

„Wenn man aber Ohrenschmerzen hat, dann darf man", sagte Lillebror und kletterte auf Mamas Schoß.

Da läutete es an der Tür. Es war Fräulein Bock. Lillebror durfte nicht länger auf Mamas Schoß sitzen. Aber während Fräulein Bock bei Mama war, stand er die ganze Zeit neben Mamas Stuhl und legte das kranke Ohr gegen ihren Arm, und wenn es hin und wieder im Ohr stach, wimmerte er leise.

Lillebror hatte gehofft, Fräulein Bock wäre jung und hübsch und nett, so ungefähr wie die Lehrerin in der Schule. Aber sie war eine mürrische ältere Dame, die sehr energisch auftrat, und sie war groß und füllig, hatte mehrere Kinne und außerdem solche

„bösen Augen", vor denen Lillebror große Angst hatte. Er fühlte sofort, daß er sie nicht mochte. Das fühlte Bimbo offenbar auch, denn er bellte, so laut er konnte.

„Aha, hier ist ein Hund im Hause", sagte Fräulein Bock.

Mama sah beunruhigt aus.

„Mögen Sie Hunde nicht, Fräulein Bock?" fragte sie.

„O doch, wenn sie wohlerzogen sind", sagte Fräulein Bock.

„Ob Bimbo nun gerade wohlerzogen ist, weiß ich allerdings nicht", sagte Mama verlegen.

Fräulein Bock nickte energisch.

„Das wird er aber werden, falls ich mich entschließe, diese Stellung anzunehmen. Ich habe schon öfter mit Hunden zu tun gehabt."

Lillebror hoffte von ganzem Herzen, daß sie sich nicht entschließen möge. Da stach es gerade wieder in seinem Ohr, und er konnte ein leises Jammern nicht unterdrücken.

„Jaja, Hunde, die jaulen, und Kinder, die maulen", sagte Fräulein Bock und verzog den Mund. Es sollte wohl ein Scherz sein, Lillebror fand den Scherz aber nicht weiter komisch, und er sagte leise, so mehr vor sich hin:

„Und meine Schuhe knarren auch."

Mama hörte es. Sie wurde rot und sagte schnell:

„Ich hoffe, Sie mögen Kinder gern, Fräulein Bock, oder nicht?"

„Ja, wenn sie wohlerzogen sind", sagte Fräulein Bock und sah Lillebror fest an.

Wieder sah Mama so sonderbar verlegen aus.

„Ob Lillebror nun gerade wohlerzogen ist, weiß ich nicht", murmelte sie.

„Das wird er aber werden", sagte Fräulein Bock. „Warten Sie nur ab, ich habe schon öfter mit Kindern zu tun gehabt."

Lillebror bekam Angst. Ihm taten diese Kinder leid, mit denen Fräulein Bock schon öfter zu tun gehabt hatte. Jetzt würde er selbst so ein Kind werden, kein Wunder, daß ihm unbehaglich zumute war.

Mama schienen auch Bedenken zu kommen. Sie strich Lillebror liebevoll über das Haar und sagte:

„Bei Lillebror kommt man mit Freundlichkeit am weitesten."

„Das nützt aber nicht immer", sagte Fräulein Bock. „Kinder brauchen auch eine feste Hand."

Darauf sagte Fräulein Bock, wieviel Lohn sie haben wollte, und verlangte, daß man sie „Haushälterin" nennen solle und nicht „Hausgehilfin", und dann war die Sache abgemacht.

In diesem Augenblick kam Papa vom Büro nach Hause, und Mama stellte vor:

„Unsere Haushälterin, Fräulein Bock!"

„Unser Hausbock", sagte Lillebror. Dann schlüpfte er zur Tür hinaus, so schnell er konnte. Bimbo sauste wild bellend hinterdrein.

Und am nächsten Tage fuhr Mama zur Großmutter. Alle weinten, als sie wegfuhr, am allermeisten Lillebror.

„Ich will nicht mit dem Hausbock allein sein", schluchzte er.

So würde es aber kommen, das wußte er. Birger und Betty waren bis zum späten Nachmittag in der Schule, und Papa kam auch nicht vor fünf Uhr vom Büro nach Hause. Viele, viele Stunden täglich würde Lillebror allein gegen den Hausbock kämpfen müssen. Deswegen weinte er. Mama gab ihm einen Kuß.

„Versuch nun, tapfer zu sein - mir zuliebe! Und was du auch sonst anstellen magst - nenne sie nicht Hausbock!"

Schon am nächsten Tage begann das Elend, als Lillebror von der Schule heimkam. Keine Mama stand in der Küche und hatte Kakao und Zimtwecken bereit, sondern nur Fräulein Bock, und sie sah keineswegs erfreut aus, als sie Lillebror sah.

„Zwischen den Mahlzeiten zu essen verdirbt den Appetit", sagte sie. „Wecken gibt's nicht."

Und dabei hatte sie sogar Wecken gebacken. Am offenen Fenster stand ein ganzer Kuchenteller voll zum Abkühlen.

„Ja, aber ...", sagte Lillebror.

„Kein Aber", sagte Fräulein Bock. „Übrigens will ich Kinder in der Küche nicht haben. Geh in dein Zimmer und mach deine Schularbeiten, häng die Jacke auf, und wasch dir die Hände!"

Lillebror ging in sein Zimmer, wütend und hungrig. Bimbo lag in seinem Körbchen und schlief, fuhr aber hoch wie eine Rakete, als Lillebror kam. Es war wenigstens einer da, der sich freute, ihn zu sehen. Lillebror schlang die Arme um Bimbo.

„Ist sie dir auch dumm gekommen? Oh, ich kann sie nicht aus-stehen! ,Häng die Jacke auf, und wasch dir die Hände' - soll ich nicht auch die Sachen lüften und mir die Füße waschen, was?

„Ich hänge immer die Jacke auf, ohne daß mir's einer sagt, verstanden!"

Er schmiß die Jacke in Bimbos Korb, und Bimbo legte sich sofort darauf und knabberte ein bißchen an dem einen Ärmel.

Lillebror trat ans Fenster und schaute hinaus. Da stand er nun und spürte so richtig, wie traurig er war und wie sehr er sich nach Mama sehnte. Plötzlich sah er etwas, was ihn aufmunterte.

Über dem Hausdach jenseits der Straße machte Karlsson Flugübungen. Er kreiste zwischen den Schornsteinen umher und schlug ab und zu einen Purzelbaum in der Luft.

Lillebror winkte ihm eifrig zu, und Karlsson kam mit solcher Geschwindigkeit durch das Fenster gebraust, daß Lillebror beiseite springen mußte, wenn er ihn nicht an den Kopf kriegen wollte.

„Heißa hopsa, Lillebror", sagte Karlsson. „Hab' ich dir etwa was getan, oder weshalb machst du so ein saures Gesicht? Ist dir nicht wohl?"

„Nein, wahrhaftig nicht", sagte Lillebror. Und nun erzählte er Karlsson von seinem Kummer. Daß Mama verreist sei und daß sie statt dessen einen Hausbock bekommen hätten, so einen, der schimpfte und meckerte und so geizig war, daß man nicht mal einen Wecken kriegte, wenn man von der Schule nach Hause kam, obgleich eine ganze Platte mit frisch gebackenen Wecken am Fenster stand.

Karlssons Augen begannen zu funkeln.

„Du hast Glück", sagte er, „der beste Hausbockbändiger der Welt, rate, wer das ist!"

Lillebror erriet gleich, daß es Karlsson sein müsse. Wie Karlsson aber Fräulein Bock bändigen wollte, das konnte er sich nicht vorstellen.

„Ich fange damit an, daß ich sie tirritiere", sagte Karlsson.

„,Irritiere', meinst du", sagte Lillebror.

Solche dummen Bemerkungen mißfielen Karlsson.

„Hätte ich ,irritierenc gemeint, dann hätte ich es gesagt. ,Tirri-tieren' ist ungefähr dasselbe, nur noch teuflischer, das hörst du dem Wort schon an."

Lillebror probierte es und mußte Karlsson recht geben. „Tirri-tieren" klang teuflischer.

„Ich glaube, ich fange mit einem bißchen Wecken-Tirritierung an", sagte Karlsson. „Und du mußt helfen."

„Wie denn?" fragte Lillebror.

„Geh einfach nur in die Küche und unterhalte dich mit dem Hausbock."

„Ja, aber ...", sagte Lillebror.

„Kein Aber", sagte Karlsson. „Unterhalte dich mit ihr, so daß ihre Augen ein Weilchen von der Weckenplatte abgelenkt sind."

Karlsson gluckste vor Lachen. Dann drehte er am Startknopf, und der Motor begann zu brummen. Munter glucksend steuerte Karlsson zum Fenster hinaus.

Und Lillebror ging kühn in die Küche. Jetzt hatte er den besten Hausbockbändiger der Welt, und nun fürchtete er nichts mehr.

Diesmal war Fräulein Bock noch weniger erfreut, ihn zu sehen.

Sie war nämlich dabei, sich Kaffee zu kochen, und Lillebror merkte, sie wollte es sich jetzt ein Weilchen behaglich machen mit Kaffee und frischen Wecken. Es waren anscheinend nur Kinder, denen es schlecht bekam, wenn sie zwischen den Mahlzeiten etwas aßen.

Fräulein Bock sah Lillebror mißbilligend an.

„Was willst du?" fragte sie, und ihre Stimme klang genauso unwirsch, wie sie selbst aussah.

Lillebror überlegte. Jetzt kam es darauf an, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Was in aller Welt sollte er aber sagen?

„Raten Sie mal, was ich mache, wenn ich ebenso groß bin wie Sie, Fräulein Bock", sagte er schließlich.

Im selben Augenblick vernahm er ein Brummen draußen vor dem Fenster, und dieses Brummen kannte er. Sehen konnte er Karlsson aber nicht. Das einzige, was er sah, war eine kurze dicke Hand, die hinter dem Fenstersims hervorkam und einen Zimtwecken von der Platte nahm. Lillebror kicherte. Fräulein Bock hatte nichts gemerkt.

„Was willst du denn machen, wenn du groß bist?" fragte sie ungeduldig. Wirklich wissen wollte sie es keineswegs. Sie wollte nur Lillebror so schnell wie möglich loswerden.

„Ja, raten Sie mal", sagte Lillebror.

Da sah er von neuem die kurze dicke Hand vorbeihuschen und einen Wecken von der Platte nehmen. Und Lillebror kicherte von neuem. Er versuchte, es zu lassen, aber es ging nicht. Es kam so viel Gekicher in ihm hoch, daß es nur so aus ihm heraussprudelte. Fräulein Bock sah ihn empört an. Sie fand, er sei tatsächlich der lästigste Junge der Welt.

„Raten Sie, was ich mache, wenn ich so groß bin wie Sie, Fräulein Bock", sagte er, und dann kicherte er abermals. Denn jetzt sah er, wie zwei kleine Hände den Rest der Zimtwecken von der Platte grapschten.

„Ich habe keine Zeit, hier herumzustehen und mir deine Dummheiten anzuhören", sagte Fräulein Bock, „und es ist mir einerlei, was du machen willst, wenn du groß bist. Solange du aber klein bist, sollst du artig und gehorsam sein und deine Schulaufgaben machen und aus der Küche verschwinden."

„Ja, gewiß", sagte Lillebror und kicherte so sehr, daß er sich gegen die Tür lehnen mußte. „Wenn ich aber so groß bin wie Sie, Fräulein Bock, dann mache ich eine Abmagerungskur, das ist mal sicher."

Fräulein Bock sah aus, als wollte sie gleich auf ihn losgehen, da aber war vom Fenster ein Brüllen zu hören wie von einer Kuh.

Sie drehte sich schnell um, und nun sah sie, daß die Zimtwecken nicht mehr da waren.

Fräulein Bock stieß einen Schrei aus.

„Du guter Moses, wo sind meine Wecken?"

Sie stürzte ans Fenster. Vielleicht meinte sie, sie würde einen Dieb davonrennen sehen mit dem ganzen Arm voller Wecken.

Aber Svantesons wohnten ja im vierten Stock, und so langbeinige Diebe gibt es nicht, das mußte sie schließlich wissen.

Fräulein Bock sank völlig entsetzt auf einen Stuhl.

„Ob es Tauben gewesen sind?" murmelte sie.

„Es klang eher wie eine Kuh", sagte Lillebror. „Vielleicht fliegt heute draußen eine Kuh herum, eine, die gerne Wecken frißt."

„Red nicht so ein dummes Zeug", sagte Fräulein Bock.

Da hörte Lillebror von neuem, wie Karlsson draußen vor dem Fenster vorbeibrummte, und damit Fräulein Bock es nicht hören sollte, begann er zu singen, so laut wie er konnte:

„Eine Kuh schwebt vom Himmel, fliegt am Fenster vorbei, sieht die Wecken dort stehen, und sie maust ein, zwei, drei."

Lillebror machte hin und wieder mit Mama zusammen Verse, und diesen hier von der Kuh fand er selber gut. Fräulein Bock fand das aber nicht.

„Schweig mit deinen Dummheiten!" schrie sie.

In diesem Augenblick hörte man drüben vom Fenster einen leisen Knall, so daß sie beide vor Schreck zusammenzuckten.

Und dann sahen sie, was da geknallt hatte. Auf dem leeren Kuchenteller lag ein Fünförestück.

Lillebror begann von neuem zu kichern.

„Was für eine famose Kuh", sagte er. „Die bezahlt ihre Wek-ken."

Fräulein Bock wurde rot vor Zorn.

„Was sind das hier für dumme Scherze", schrie sie und sauste ans Fenster. „Es muß jemand von der Wohnung über uns sein, der sich einen Spaß daraus macht, Wecken zu stehlen und Fünf-

örestücke herunterzuwerfen."

„Über uns ist keine Wohnung mehr", sagte Lillebror. „Wir wohnen ganz oben, dann kommt nur das Dach."

Fräulein Bock geriet ganz außer sich.

„Dann begreife ich nichts mehr", rief sie. „Ich begreife nichts."

„Nöö, das habe ich allerdings gemerkt", sagte Lillebror. „Aber machen Sie sich nichts daraus, alle können nicht gescheit sein."

Da klatschte eine Ohrfeige auf Lillebrors Wange.

„Ich werde dich lehren, unverschämt zu sein", schrie Fräulein Bock.

„Nöö, tun Sie das bloß nicht", sagte Lillebror, „sonst erkennt Mama mich nicht wieder, wenn sie heimkommt."

Lillebror hatte ganz feuchte Augen bekommen. Er war nahe daran, zu weinen. Noch nie in seinem Leben hatte er eine Ohrfeige bekommen. Er musterte Fräulein Bock mit zornigem Blick. Da packte sie ihn am Arm und schob ihn in sein Zimmer hinüber.

„Jetzt setzt du dich hier hin und schämst dich", sagte sie. „Ich schließe die Tür zu und ziehe den Schlüssel ab, dann bleibst du vielleicht eine Weile aus der Küche weg."

Sie sah auf ihre Armbanduhr.

„Eine Stunde genügt wohl, damit du wieder artig wirst. Ich komme um drei Uhr und schließe wieder auf. Bis dahin kannst du darüber nachdenken, wie man sich entschuldigt."

Und dann ging Fräulein Bock. Lillebror hörte, wie sie den Schlüssel umdrehte. Jetzt war er eingeschlossen und konnte nicht hinauskommen. Es war ein scheußliches Gefühl. Er sprühte vor Zorn. Aber ein bißchen schlechtes Gewissen hatte er doch, denn er hatte sich auch nicht gerade fein betragen. Mama hätte bestimmt gesagt, er habe den Hausbock gereizt und sei frech gewesen.

Mama, ja - er überlegte, ob er nicht doch ein bißchen weinen sollte.

Aber da hörte er ein Brummen, und zum Fenster herein kam Karlsson.

Загрузка...