Trurls Maschine

Trurl, der Konstrukteur, baute einmal eine achtgeschossige vernunftbegabte Maschine, die er, als er mit der wichtigen Arbeit fertig war, zuerst mit weißem Lack bestrich; dann malte er die Ecken lila an, betrachtete sie von fern und fügte vorn noch ein kleines Muster hinzu, dort aber, wo man sich ihre Stirn zu denken hatte, gab er ihr einen kleinen apfelsinenfarbenen Tupfer und stellte, äußerst mit sich selbst zufrieden und leise vor sich hinpfeifend, sozusagen aus reiner Routine, die sakramentale Frage, wieviel denn zwei plus zwei sei.Die Maschine lief an. Zuerst flammten ihre Lampen auf, die Leitungen funkelten, die Ströme rauschten gleich Wasserfällen, die Kopplungen summten, dann begannen die Spulen zu glühen, es schwirrte und rasselte, es dröhnte und hallte im ganzen Tal, daß Trurl schließlich der Gedanke kam, er werde ihr einen besonderen Denkdämpfer anfertigen müssen. Die Maschine indes arbeitete weiter, als müßte sie das schwierigste Problem im ganzen Kosmos lösen; die Erde bebte, der Sand rutschte ihr vom Vibrieren unter den Füßen weg, die Sicherungen schossen wie Korken aus den Flaschen, und die Relais barsten vor Anstrengung. Endlich, als Trurl bereits Mißbehagen vor diesem Getöse empfand, hielt die Maschine plötzlich inne und sagte mit Donnerstimme „Sieben!“„Nein nein, meine Liebe!“ versetzte Trun obenhin. „Auf keinen Fall, es ist vier, sei so gut und berichtige dich! Wieviel ist zwei plus zwei?“

„Sieben“, erwiderte unverzüglich die Maschine.Trurl seufzte und mußte sich wohl oder übel die Arbeitsschürze wieder umlegen, die er bereits abgenommen hatte, krempelte die Ärmel hoch, öffnete die untere Klappe und kroch in die Maschine. Er kam lange nicht heraus, man hörte, wie er mit dem Hammer klopfte, wie er etwas abschraubte, schweißte, lötete, wie er herumlief, über die blechernen Stufen polterte, einmal ins sechste Stockwerk, einmal in das achte, dann gleich nach unten raste. Er ließ den Strom laufen, bis es zischte und den Funkenstrecken lila Schnurrbärte wuchsen. So plagte er sich zwei Stunden, bis er vollgerußt, aber zufrieden, wieder an die frische Luft kam, sein Werkzeug zusammenlegte, die Schürze auf die Erde warf, sich Gesicht und Hände rieb und im Weggehen, gewissermaßen um seine Ruhe zu haben, fragte: „Wieviel ist zwei plus zwei?“

„Sieben!“ erwiderte die Maschine.Trurl fluchte schauderhaft, aber es war nichts zu machen — wieder begann er darin zu bohren, reparierte, knüpfte Leitungen, lötete, stellte um, und als er zum drittenmal erfuhr, daß zwei plus zwei sieben sei, setzte er sich verzweifelt auf die unterste Stufe der Maschine und saß so, bis Klapaucius erschien. Der fragte Trurl, was los sei, denn er sehe aus, als sei er soeben von einer Beerdigung zurückgekehrt, und Trurl schilderte seine Sorgen. Klapaucius kroch mehrere Male in die Maschine, suchte dies und das zu verbessern, fragte, wieviel zwei plus eins sei, und bekam die Antwort: sechs; eins plus eins betrug nach ihrer Vorstellung null. Klapaucius kratzte sich am Kopf, räusperte sich und sagte: „Mein Freund, da ist nichts zu machen, man muß der Wahrheit ins Auge sehen. Du hast eine andere Maschine gebaut, als du gewollt hast. Immerhin hat jede negative Erscheinung auch ihre positive Seite, zum Beispiel diese Maschine hier.“

„Da bin ich aber neugierig“, erwiderte Trurl und versetzte dem Fundament, auf dem er saß, einen Fußtritt.“Hör auf“, sagte die Maschine.

„Da siehst du, empfindlich ist sie. Also… was wollte ich nur sagen? Es ist zweifellos eine dumme Maschine, aber das ist keine gewöhnliche, durchschnittliche Dummheit, o nein. Es ist, wie ich sehe, und ich bin, wie du weißt, ein vortreiflicher Spezialist, es ist die dümmste vernunftbegabte Maschine auf der ganzen Welt, und das will etwas heißen! Sie absichtlich zu bauen, wäre gar nicht einfach, im Gegenteil, ich glaube, es würde niemandem gelingen. Sie ist nämlich nicht nur dumm, sondern auch stur wie ein Hauklotz, das heißt, sie hat Charakter, wie er übrigens Idioten eignet, denn die sind gewöhnlich schrecklich verbohrt.“„Hol der Teufel so eine Maschine!“ sagte Trurl und gab ihr einen zweiten Fußtritt.

„Ich erteile dir eine ernste Warnung, hör auf!“ sagte die Maschine.“Da, bitte, da hast du schon eine ernste Warnung“, kommentierte Klapaucius trocken. „Du siehst, sie ist nicht nur empfindlich, sie ist auch stumpfsinnig und hartnäckig, sie ist auch leicht zu beleidigen, und mit so vielen Merkmalen läßt sich manches erzielen, hoho, laß dir das gesagt sein!“

„Na schön, aber was soll ich mit ihr anfangen?“ fragte Trurl.“Freilich, es fällt mir in diesem Augenblick schwer, darauf eine Antwort zu geben. Zum Beispiel könntest du eine Ausstellung machen, mit Eintrittsgeld und mit Eintrittskarten, damit jeder, der Lust hat, sich die dümmste vernunftbegabte Maschine der Welt ansehen kann. Wie viele Stockwerke hat sie denn — acht? Ich bitte dich, solch einen Idioten hat bisher niemand gesehen. Diese Ausstellung wird dir nicht nur die Kosten ersetzen, sondern auch…“

„Laß mich zufrieden, ich mache Ausstellungen nicht mit!“ entgegnete Trurl, stand auf, und da er sich nicht bändigen konnte, versetzte er der Maschine noch einen Fußtritt.“Ich erteile dir die dritte ernsthafte Warnung“, sagte sagte die Maschine. „Ich will nicht weiterrechnen. Ich verweigere die Antwort auf Fragen aus dem Bereich der Mathematik.“

„Sie verweigert! Seht sie an!“ rief Trurl ärgerlich und zutiefst betroffen. „Nach der Sechs kommt die Acht bei ihr, verstehst du, Klapaucius, nicht die Sieben, sondern die Acht! und sie hat die Stirn, eine solche Ausführung mathematischer Aufgaben zu verweigern. Da hast du! Da! Da! Willst du noch mehr?“ Hierauf fing die Maschine an zu zittern und versuchte, ohne auch nur ein Wort zu verlieren, sich mit aller Macht von ihrem Fundament loszureißen. Sie lagen tief, also verbogen sich zahlreiche Träger, doch schließlich kroch sie aus der Grube, in der nur zerbröckelte Betonklötze mit den herausragenden Armierungsstäben zurückblieben, und sie rückte wie eine schreitende Festung gegen Klapaucius und Trurl vor. Der letztere war durch das unfaßbare Geschehen so verblüfft, daß er sich nicht einmal bemühte, sich vor der Maschine zu verbergen, die ganz offensichtlich vorhatte, ihn zu zermalmen. Erst Klapaucius, der sich seine Geistesgegenwart bewahrt hatte, packte ihn am Arm und zog ihn mit Gewalt fort, und so rannten beide ein gutes Stück. Als sie sich umwandten, sahen sie, wie die Maschine, schwankend wie ein hoher Turm, langsam einherging und mit jedem Schritt fast bis zum ersten Stockwerk versank, aber starrsinnig, unermüdlich machte sie sich vom Sand frei und strebte stracks auf sie zu.

„Nein, das hat es auf der Welt noch nicht gegeben! „sagte Trurl, dem die Luft vor Staunen wegblieb. „Die Maschine rebelliert! Was tun?“„Warten und beobachten“, erwiderte Klapaucius besonnen. Vielleicht klärt sich etwas auf.“

Vorläufig ließ nichts darauf schließen. Die Maschine, die festeren Boden erreicht hatte, kam schneller voran. In ihrem Innern pfiff, zischte und rasselte es.“Gleich wird die Einstellung und die Programmierung ausfallen“, brummte Trurl. „Dann fliegt sie auseinander und wird stehenbleiben…“

„Nein“, erwiderte Klapaucius, „das ist ein Sonderfall. Sie ist so dumm, daß ihr nicht einmal schaden würde, wenn man die Verteileranlage stoppte. Paß auf, da… laß uns fliehen!“ Die Maschine geriet sichtlich in Fahrt, um sie niederzuwalzen. Sie rannten also, so schnell sie konnten, und hinter sich hörten sie das entsetzliche rhythmische Stampfgeräusch. So liefen sie, was sollten sie auch sonst tun? Sie wollten an ihren Heimatort zurück, aber die Maschine verhinderte es, indem sie sie durch Flankieren vom beabsichtigten Weg abdrängte, und sie zwang sie unerbittlich, in eine immer ödere Wüstenlandschaft zu dringen. Allmählich tauchten Berge aus den tiefhängenden Nebeln auf, düster und zerklüftet; Trurl rannte keuchend zu Klapaucius: „Hör zu! Wir fliehen in einen engen Hohlweg… Dorthin, wo sie uns nicht folgen kann… Die Verdammte… Wie?“

„Es wäre besser, wenn wir geradeaus liefen“, sagte Klapaucius schnaufend. „Nicht weit von hier liegt eine kleine Ortschaft… Wie sie heißt, weiß ich nicht mehr… Jedenfalls finden wir dort… Uff!!! Schutz…“Sie rannten geradeaus und erblickten bald die ersten Häuser vor sich. Um diese Tageszeit waren die Straßen fast leer. Sie liefen ein gut Stück Weges, ohne auch nur eine lebende Seele anzutreffen, da kündete entsetzlicher Lärm, wie wenn eine Steinlawine auf den Rand der Siedlung niedergegangen wäre, daß auch die Maschine angelangt war.

Trurl schaute sich um und stöhnte.“Du lieber Himmel! Sieh nur, Klapaucius, sie reißt die Häuser ein!“

In der Tat raste die Maschine, die ihnen hartnäckig nachsetzte, wie ein stählerner Berg durch Häusermauern, und Ziegelschutt zeichnete ihren Weg, über dem weiße Kalkstaubwolken schwebten. Entsetzensschreie Verschütteter hallten wider, auf den Straßen wimmelte es von Menschen. Trurl und Klapaucius hetzten schwer atmend, bis sie an ein großes Rathaus gelangten, wo sie im Nu über die Treppe in den tiefen Keller rannten.“So, hier erreicht sie uns nicht, selbst wenn das ganze Rathaus uns über dem Kopf einstürzen sollte“; schnaufte Klapaucius. „Der Teufel hat mich geritten, dir heute einen Besuch abzustatten… Ich war neugierig, wie dir die Arbeit von der Hand geht, na bitte — ich habe es erfahren…“

„Still“, erwiderte Trurl. „Da kommt wer…“In der Tat öffnete sich die Tür des Gewölbes, und der Bürgermeister mit einigen Ratsherren kam herein. Trurl schämte sich darzulegen, was die außergewöhnliche und zugleich schauderhafte Geschichte verursacht haben mochte, also half Klapaucius ihm aus der Klemme. Der Bürgermeister hörte ihm stumm zu. Plötzlich erbebten die Wände, die Erde schwankte, und in den tief unter ihrer Oberfläche versteckten Keller gelangte durchdringendes Krachen einstürzender Mauern.

„Sie ist schon hier?“ rief Trurl.“Ja“, sagte der Bürgermeister. „Und sie fordert eure Auslieferung, da sie sonst die ganze Stadt zerstören wird…“

Zur gleichen Zeit drangen irgendwo oben ausgesprochene, nasal klingende, einem stählernen Schnattern ähnelnde Worte zu ihnen: „Trurl muß hier irgendwo stecken… Ich spüre Trurl…“„Ihr wollt uns doch nicht etwa ausliefern?“ fragte der, nach dem die Maschine so hartnäckig verlangte, mit zitternder Stimme.

„Wer von euch Trurl heißt, muß den Raum verlassen. Der andere kann bleiben, seine Auslieferung ist keine unabdingbare Bedingung…“„Habt Mitleid!“

„Wir sind machtlos“, sagte der Bürgermeister. „Wenn du übrigens hier bleiben solltest, Trurl, müßtest du dich für den Schaden, den du der Stadt und ihren Einwohnern zugefügt hast, verantworten, denn deinetwegen hat die Maschine sechzehn Häuser niedergerissen und viele hiesige Bürger unter ihren Ruinen begraben. Allein der Umstand, daß du dich im Angesicht des Todes befindest, gestattet mir, dich freizulassen, geh und komm nicht wieder.“Trurl schaute auf die Gesichter der Stadträte, und da er auf ihnen das Urteil geschrieben sah, wandte er sich langsam der Tür zu.

„Warte, ich komme mit!“ rief Klapaucius impulsiv.“Du?“ sagte Trurl mit leiser Hoffnung in der Stimme. „Nein“, fügte er nach einer Weile hinzu. „Bleib hier, es ist besser so… Warum solltest du unnötig umkommen?“

„Einfach verrückt!“ rief Klapaucius energisch. „Was denn, warum sollen wir umkommen, etwa durch diese eiserne Idiotin? Ach was! Das reicht nicht aus, um zwei hervorragende Konstrukteure von der Erdoberfläche wegzuwischen! Komm, mein lieber Trurl! Nur Mut!“ Innerlich gefestigt, rannte Trurl hinter Klapaucius über die Treppen. Der Markt war leer. Inmitten von Staubwolken, aus denen die Skelette zerstörter Häuser ragten, stand die Maschine, dicke Dampfschwaden ausstoßend, höher als die Türme des Rathauses, über und über befleckt mit dem Ziegelblut der Mauern und mit weißem Pulver beschmiert.

„Gib Obacht!“ flüsterte Klapaucius. „Sie sieht uns nicht. Wir laufen die erste Gasse nach links, dann nach rechts und dann geradeaus, denn nicht weit von hier beginnen die Berge. Dort verstecken wir uns und denken uns etwas aus, damit ihr ein für allemal die Lust vergeht… Auf und davon!“ rief er, denn in dem gleichen Augenblick hatte die Maschine sie bemerkt und lief ihnen hinterdrein, daß die Fundamente zitterten.Sie rannten, was das Zeug hielt, und gelangten hinter die Stadt. So galoppierten sie etwa eine Meile, während sie das donnernde Stampfen des Kolosses hinter sich hörten, der sie unnachgiebig verfolgte.

„Diesen Hohlweg kenne ich!“ rief Klapaucius plötzlich. „Das ist das Bett eines ausgetrockneten Baches, das in die Tiefe der Felsen führt, wo es zahlreiche Höhlen gibt, schneller, sie wird gleich stehenbleiben!..“Sie liefen also den Berg hinauf, stolpernd, mit den Armen fuchtelnd, um Gleichgewicht zu halten, doch die Maschine befand sich stets in gleicher Entfernung hinter ihnen. Über den schwankenden Felsen des ausgetrockneten Baches erreichten sie einen Spalt in den sich auftürmenden Felsen, und als sie hoch oben den schwarzen Eingang zu einer Höhle erblickten, kletterten sie zu ihr hinauf, ohne auf die Steine zu achten, die sich unter ihren Füßen lösten. Kälte und Finsternis gähnten durch die große Öffnung im Felsen. Eilends sprangen sie hinein, liefen noch ein paar Schritte und hielten an.

„So, hier wären wir sicher“, sagte Trun, der seine Ruhe wiedererlangt hatte. „Ich schaue mal hinaus, um zu sehen, wo sie steckt..“„Gib acht“, warnte Klapaucius. Vorsichtig trat Trurl an die Öffnung der Höhle, beugte sich hinaus und sprang plötzlich erschrocken zurück.

„Sie kommt den Berg herauf!“ rief er.“Sei unbesorgt, sie kommt bestimmt nicht herein“, sagte Klapaucius ein wenig unsicher. „Was ist das? Es scheint dunkel geworden zu sein…!“

Ein großer Schatten verhüllte in diesem Augenblick den Himmel, der bisher durch den Höhleneingang zu sehen war, und darin zeigte sich für einen Augenblick die stählerne, glatte, dicht vernietete Wand der Maschine, die langsam an den Felsen gerückt war. Auf diese Weise war die Höhle gewissermaßen mit einem stählernen Deckel von außen luftdicht abgeschlossen.“Gefangen sind wir…“, flüsterte Trurl, und seine Stimme zitterte umso mehr, als völlige Dunkelheit eingetreten war.

„Das war von uns idiotisch“, rief entrüstet Klapaucius. „In eine Höhle zu laufen, die sie verbarrikadieren konnte! Wie konnten wir so etwas tun?“„Was meinst du wohl, was sie plant?“ fragte Trurl nach längerem Schweigen.

„Dafür, daß wir hier herauskommen wollen, braucht man keinen besonderen Verstand.“Wieder herrschte Schweigen. Trurl ging in dem Dunkel auf Zehenspitzen, streckte die Hände vor, in die Richtung, wo sich der Höhlenausgang befand, und tastete den Felsen ab, bis er den glatten Stahl berührte, der warm war, als ob er von innen beheizt wäre.

„Ich fühle dich, Trurl…“, donnerte die eiserne Stimme in dem verschlossenen Raum. Trurl wich zurück, setzte sich auf einen Felsblock neben den Freund, und so ruhten sie eine Weile, ohne sich zu rühren. Schließlich flüsterte Klapaucius ihm zu: „Hier können wir durch Sitzen nichts erreichen, es geht nicht anders, ich will versuchen, mit ihr zu verhandeln…“„Hoffnungslos“, sagte Trurl. „Aber versuchen kannst du es ja, vielleicht läßt sie dich wenigstens heil heraus…“

„Nicht doch!“ sagte begütigend Klapaucius zu ihm, trat an die im Dunkeln unsichtbare Felsöffnung und rief: „Hallo, hörst du uns?“„Ich höre“, erwiderte die Maschine.

„Hör zu, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Weißt du… Es ist ein kleines Mißverständnis zwischen uns entstanden, aber das ist doch im Grunde eine Kleinigkeit! Trurl hatte gar nicht die Absicht…“„Trurl werde ich vernichten!“ sagte die Maschine. „Zuvor hat er mir aber eine Frage zu beantworten, wieviel zwei plus zwei ist.“

„Ach, das wird er dir beantworten, und zwar so, daß du zufrieden sein wirst, und sicherlich wirst du dich mit ihm vertragen, nicht wahr, Trurl?“ sagte beruhigend der Vermittler.“Bestimmt…“, meinte der mit schwacher Stimme.

„So?“ sagte die Maschine. „Wieviel ist dann zwei plus zwei?“„Vi… das heißt sieben…“, sagte Trurl noch leiser.

„Haha! Nicht vier, sondern sieben, was?“ donnerte die Maschine.“Siehst du! Sieben, natürlich sieben, es war schon immer sieben!“ bestätigte eifrig Klapaucius. „Wirst du uns jetzt herauslassen?“ fragte er vorsichtig.

„Nein. Trurl soll noch einmal sagen, daß es ihm sehr leid tut und dann noch, wieviel zwei plus zwei ist…“„Läßt du uns gehen, wenn ich es sage?“ fragte Trurl.

„Ich weiß nicht. Das will ich mir noch überlegen. Du hast mir keine Bedingungen zu stellen. Sag, wieviel ist zwei plus zwei?“„Aller Wahrscheinlichkeit nach wirst du uns doch herauslassen“, sagte Trurl, obwohl Klapaucius ihn am Arm zerrte und ihm ins Ohr flüsterte: „Sie ist eine Idiotin, eine Idiotin, streit dich nicht mit ihr, ich flehe dich an!“

„Ich lasse dich nicht heraus, wenn es mir nicht paßt“, erwiderte die Maschine. „Du wirst mir sowieso sagen wieviel zwei plus zwei ist…“Trurl packte plötzlich die Wut.

„Oh! Ich will es dir sagen, du sollst es hören!“ rief er. „Zwei plus ist vier und zwei mal zwei ist vier, und wenn du dich auf den Kopf stellst, wenn du die ganzen Berge in Staub verwandelst, wenn du dich am Meer verschluckst, wenn du den Himmel aussäufst, hörst du? Zwei plus zwei ist vier!“„Trurl! Du bist verrückt geworden! Was redest du? Zwei plus zwei ist sieben, ich bitte Sie, meine Dame! Meine liebe Maeschine, sieben! Sieben!!!“ rief Klapaucius, bemüht, den Freund zu übertönen.

„Stimmt nicht! Vier! Nur vier, vom Anfang bis zum Ende der Welt vier!!“ brüllte Trurl, bis seine Stimme versagte.Plötzlich wurden die Felsen unter ihren Füßen von fieberhaftem Schaudern erschüttert.

Die Maschine rückte vom Höhleneingang ab, so daß graues Dämmerlicht hereinfiel, und gleichzeitig stieß sie einen durchdringenden Schrei aus: „Das ist nicht wahr! Sieben! Gleich sagst du es, wenn ich dich packe!“„Nie werde ich es sagen!“ erwiderte Trurl, so als wäre ihm alles einerlei, und da brach ein Steinhagel über ihre Köpfe herein, die Maschine begann mit ihrem achtstöckigen Leib ein ums andere Mal den Felshang wie ein Sturmbock zu bearbeiten und schlug mit sich selbst gegen den senkrechten Hang, bis von den Felsen riesige Brocken herabsplitterten und mit Getöse ins Tal rollten.

Donner und der Gestank von Kieselerderauch füllten im Verein mit den Funken, die der Stahl gegen den Felsen schlug, die Höhle aus, jedoch ließ sich Trurls Stimme durch die höllischen Sturmlaute hin und wieder vernehmen. Unaufhörlich rief er: „Zwei plus zwei ist vier! Vier!!!“Klapaucius versuchte ihm den Mund mit Gewalt zu stopfen, verstummte aber, denn er wurde heftig zurückgestoßen und setzte sich, wobei er den Kopf mit den Händen bedeckte. Die Maschine ließ in ihren höllischen Bemühungen nicht nach, und es hatte den Anschein, daß im nächsten Moment die Höhlendecke über den Gefangenen einstürzen, sie zermalmen und für Ewigkeiten begraben würde. Doch als sie schon alle Hoffnungen begraben hatten, als beißender Staub die Luft erfüllte, knirschte es plötzlich entsetzlich, ein Donnerschlag ertönte, stärker als sämtliche Laute des verbissenen Hämmerns und Anstürmens, dann heulte es in der Luft, die schwarze Wand, die die Öffnung verdeckte, verschwand wie vom Sturmwind weggeblasen, und eine Lawine riesiger Felstrümmer stürzte herab. Noch rollte das Echo der Donnerschläge durch das Tal, von den Bergen hallend, als beide Freunde den Höhlenausgang erreichten, sich halb herauslehnten, die Maschine erblickten, die durch den selbst ausgelösten Felssturz zerschmettert und zermalmt dalag, ein gewaltiger Block mitten in ihren acht Stockwerken, durch den sie fast in zwei Teile zerbrochen wäre. Vorsichtig stiegen sie über den noch staubenden Geröllhaufen. Um zum Bett des ausgetrockneten Baches zu gelangen, mußten sie dicht am Wrack der platt daliegenden Maschine vorbei, das so groß wie ein gestrandetes Schiff war. Stumm blieben beide vor der eingedrückten stählernen Flanke stehen. Die Maschine bewegte sich noch schwach, und man hörte, wie in ihr etwas immer schwächer rasselte und kreiste.

„Das also ist dein unrühmliches Ende, und zwei plus zwei ist weiterhin…“, hob Trurl von neuem an, doch in diesem Augenblick summte die Maschine leise und stammelte, kaum hörbar und kaum verständlich, zum letzten Mal: „Sieben“.Hierauf knirschte etwas dünn in ihr, es regnete Steine, und sie starb, in einen toten Eisenklumpen verwandelt. Beide Konstrukteure blickten einander an und gingen dann stumm am ausgetrockneten Bach entlang

Aus dem Werk: Zifferotikon

das ist: Von Ab— oder Irrschweifferey,

Versteiffung & Thorheit des Hertzens

Von dem Königssohn Ferrenz und der Prinzessin Kristalla.Der König von Panzarike hatte eine Tochter. Die war so schön, daß sie den Glanz der Reichskleinodien übertraf. Die Flammen, die das spiegelnde Antlitz widerstrahlte, versehrten Augen und Sinn. Und wenn sie vorüberging, dann stoben selbst aus gewöhnlichem Eisen elektrische Funken. Kunde und Sage von ihr erreichten die fernsten Sterne. So hörte Ferrenz von ihr, der ionidische Thronfolger, und das Verlangen kam ihn an, sich für alle Zeiten mit ihr zu verbinden, so daß ihrer beider Eingänge und Ausgänge nichts mehr voneinander sollte trennen können. Als er dies seinem Erzeuger kundtat, betrübte sich dieser sehr und sprach:

„Mein Sohn, einen wahrhaft wahnsinnigen Vorsatz hast du gefaßt. Er wird sich niemals verwirklichen!“„Warum nicht, o mein König und Herr?“ — fragte Ferrenz, bestürzt ob dieser Worte.

„Weißt du denn nicht“, — sprach der König — „daß die Prinzessin Kristalla geschworen hat, sich niemandem als dem Bleichling zu verbinden?“„Bleichling!“ rief Ferrenz. „Was soll das nur sein? Von einem solchen Wesen habe ich noch nie gehört.“

„Darauf beruht eben deine Unschuld, mein Sohn“ — erwiderte der König. „Wisse denn, daß diese galaktische Rasse auf ebenso geheimnisträchtige wie lasterhafte Weise entstanden ist. Dazu kam es, als einst allgemeines Anfaulen der Himmelskörper eintrat. Da entwickelten sich darin naßkalte Dünste und Brünste. Sud und Sudelei, und daraus brütete sich das Geschlecht der Bleichlinge aus, aber nicht so ohne weiteres. Zuerst waren sie Schimmelwucherung und Gekreuch, sodann flossen sie aus den Land und lebten davon, daß einer den anderen verschlang. Und je mehr sie einander verschlangen, um so mehr wurden es ihrer; schließlich richteten sie sich auf, indem sie ihre klebrige Wesenheit an Kalkgerüste hängten, und begannen Maschinen zu bauen. Aus diesen Urweltmaschinen entstanden die denkenden Maschinen. Diese zeugten die gescheiten Maschinen. Diese aber ersannen die vollkommenen Maschinen. Denn das Atom wie die Galaxis sind gleichermaßen Maschine, und es gibt nichts außer der Maschine, die da ewig ist!“„Amen!“— erwiderte Ferrenz automatisch, denn dies war eine übliche religiöse Floskel.

„Das Geschlecht der backigen Bleichlinge stieß endlich auf Maschinen in den Himmel vor“ — fuhr der greise König fort. „Das Gezücht kühlte dabei sein Mütchen an edlen Metallen, marterte die süße Elektriktrizität und demoralisierte die Kernenergie. Gleichwohl begab es sich, daß das Maß bleichlingischer Untaten voll wurde. Tiefgründig und allseitig begriff dies der Urvater unseres Geschlechtes, Genetophorius, der große Rechner. So begann er denn jenen glitschigen Tyrannen darzulegen, wie überaus schändlich ihr Tun sei, wenn sie die Unschuld kristallisierter Weisheit besudelten, diese für die eigenen niederträchtigen Aufgaben einspannend, und das Maschinenvolk knechteten, um der eigenen Wollust zu frönen. Doch er fand kein Gehör. Er sagte jenen, was Ethik sei, sie aber sagten, er sei schlecht programmiert. Daraufhin schuf unser Urvater den Algorithmus der Elektroverkörperlichung und zeugte in schwerer Arbeit unseren ganzen Stamm, durch solche Wendung der Dinge die Maschinen aus dem Diensthause der Bleichlingsknechtschaft führend. Du verstehst also, mein Sohn, daß es nicht Eintracht noch Bindung gibt zwischen uns und jenen; wir betätigen uns klingend, funkensprühend und strahlend, sie aber — lallend, spritzend und verunreinigend. Gleichwohl kommt Wahnsinn auch bei uns vor. In der Jugend der Prinzessin drang er in ihren Verstand ein und trübte ihr das Unterscheidungsvermögen zwischen Gut und Böse. Seither läßt sie keinen vor ihr Angesicht treten, der sich um ihre gammastrahlende Hand bewirbt, es sei denn, er bezeichnete sich als Bleichling. Einen solchen empfängt Kristalla in dem Palast, den ihr König Aurenzius, ihr Vater, geschenkt hat. Sie prüft, ob der Bewerber wahr spreche. Entdeckt sie, daß er gelogen hat, so läßt sie ihn köpfen. Rund um das Erdgeschoß ihres Palastes stapeln sich zerschmetterte leibliche Überreste; allein der Anblick kann einen Kurzschluß mit dem Nichtsein bewirken, so grausam verfährt diese Wahnsinnige mit den Hitzköpfen, die von ihr träumen. Laß also ab von deinem Gedanken, mein Sohn, und zieh hin in Frieden.“Der Könissohn stattete seinem Herrn und Vater die geziemende Verneigung ab und entfernte sich dann schweigend; aber der Gedanke, Kristalla zu freien, verließ den Prinzen nicht. Und je länger er an sie dachte, um so stärker begehrte er sie. Eines Tages rief er den Polyphases zu sich, der Obersthofabstimmer war. Und als er vor diesem das glühende Herz ausgeschüttet hatte, sprach Ferrenz so:

„Weiser Mann! Wenn du mir nicht hilfst, wird dies niemand tun, und in diesem Falle sind meine Tage gezählt, denn der Glanz infraroter Emissionen erfreut mich nicht mehr, noch auch das Ultraviolett der kosmischen Ballette, und ich werde sterben, wenn ich mich nicht mit der wunderbaren Kristalla zusammenkoppeln kann!“„O Königssohn“ — erwiderte Polyphases — „ich versage mich deinem Wunsche nicht. Aber du mußt ihn dreimal aussprechen, auf daß ich wissen möge, daß solches dein unverbrüchlicher Wille sei.“

Ferrenz wiederholte seine Worte dreimal. Nun sprach Polyphases:“Mein Herr, um vor der Prinzessin erscheinen zu können, gibt es nur ein Mittel: du mußt dich als Bleichling verkleiden!“

„Dann mache, daß ich werde wie er!“ — rief Ferrenz. Den Geist des Jünglings in solcher Liebesverblendung sehend, verneigte sich Polyphases bis zur Erde und ging fort in sein Labor. Dort braute er kleistrige Kleister und flüssige Flüssigkeiten zusammen. Dann sandte er in den Königspalast einen Diener mit der Botschaft:“Der Königssohn möge kommen, sofern sich sein Vorsatz nicht gewandelt hat.“

Ferrenz kam sogleich gelaufen. Der weise Polyphases beschmierte ihm den gestählten Körper mit Schlamm und fragte:“Soll ich denn weiter so verfahren, o Königssohn?“

„Tu das Deine!“ sprach Ferrenz.Da nahm der Weise einen großen Klitsch; das waren Rückstände aus Verschmutzungen des Öls, aus verfestigtem Staub und klebrigem Schmierfett; in den Eingeweiden der ältesten Maschinen hatte der Weise dies zusammengekratzt. Und er verunreinigte damit die wohlgefügte Brust des Königssohnes, verkleisterte ihm scheußlich das blitzende Gesicht und die glänzende Stirn und werkte so weiter, bis alle Gliedmaßen ihr herzerfreuendes Klingen eingebüßt hatten und einer austrocknenden Pfütze ähnlich wurden. Der Weise nahm nun Kreide, zerstampfte sie, vermengte sie mit zerpulvertem Rubin und mit gelbem Öl und fertigte daraus einen zweiten Klitsch. Damit bekleisterte er Ferrenz von Kopf bis Fuß, verlieh den Augen des Prinzen eklige Feuchtigkeit, machte ihm den Rumpf polsterig und die Wangen blasig und bestückte ihn mit allerlei aus Kreideteig verfertigten Anhängseln und Fransen da und auch dort. Zuletzt aber befestigte der Weise ein Zottenbüschel von der Farbe bösartigen Rostes auf dem ritterlichen Haupte des Prinzen, führte ihn vor den Silberspiegel und sagte: „Sieh hin!“ Da besah sich Ferrenz in der Platte und erbebte, denn nicht sich erblickte er darin, sondern etwas Mönsterliches und Gespönsterliches, einen Bleichling, wie er leibt und lebt, mit Blicken, so durchfeuchtet wie ein altes Spinnennetz im Regen, mit einem Körper, so wabbelig an allen Enden, mit rostigem Werg auf dem Kopf, ganz und gar teigig und brechreizerregend. Und als der Prinz sich bewegte, da schlotterte sein Körper wie ranziges Gallert, und bebend vor Ekel rief Ferrenz:

„Bist du verrückt geworden, weiser Mann? Reiß mir augenblicks den dunklen Unterschlamm und den bleichen Überschlamm ab, wie auch diese Rostflechte, womit du mein klangvolles Haupt befleckt hast! Denn die Prinzessin wird mich ewig hassen, wenn sie mich in so schimpflicher Gestalt erblickt!“„Du irrst, o Königssohn“ — erwiderte Polyphases. „Hierin liegt eben der Wahnsinn der Prinzessin: Abscheuliches erscheint ihr schön, und Schönes — abscheulich. Nur in dieser Gestalt kannst du hingehen und Kristalla erschauen…“

„Dann möge es so sein!“ — sprach Ferrenz.Der Weise vermengte Zinnober mit Quecksilber und füllte damit vier Blasen. Die verbarg er unter dem Gewand des Königssohnes. Der Weise nahm auch Bälge, füllte sie mit Moderluft aus einem alten Kerker und versteckte dies an der Brust des Königssohnes. Der Weise goß giftiges pures Wasser in Glasröhrchen, und es waren deren sechs. Zwei legt er dem Königssohn unter die Achseln, zwei in die Ärmel, zwei in die Augen. Endlich ergriff der Weise das Wort:

„Hör zu und merk dir alles wohl, was ich sage, sonst wirst du umkommen. Die Prinzessin wird dich erproben, um herauszufinden, ob du wahr gesprochen habest. Wenn sie ein Schwert entblößt und dir gebietet, es anzufassen, dann quetsche insgeheim die Zinnoberblase, so daß Röte herausfließt und auf die Klinge rinnt. Und fragt dich die Prinzessin, was das sei, so antworte: 'Blut!'. Dann wird die Prinzessin ihr silberschüsselgleiches Gesicht dem deinigen nähern. Du aber drückst auf deine Brust, so daß Luft aus den Bälgen austritt. Die Prinzessin wird dich fragen, was für ein Hauch das sei, du aber antwortest: 'Atem!' Daraufhin wird die Prinzessin großen Zorn vortäuschen und deine Hinrichtung befehlen. Dann senkst du den Kopf, wie in Demut; Wasser wird dir aus den Augen rinnen. Und fragt dich die Prinzessin, was das sei, so antwortest du: 'Tränen!' Vielleicht wird sie dann in die Verbindung mit dir einwilligen. Gewiß ist dies nicht; gewisser ist dein Untergang.“O weiser Mann!“ — rief Ferrenz. „Wenn sie mich aber ins Verhör nimmt und wissen will, was bei den Bleichlingen der Brauch sei, wie sie entstehen, wie sie einander lieben und was sie treiben, — auf welche Weise soll ich ihr dann antworten?“

„Fürwahr“ — erwiderte Polyphases, — „da hilft nichts, außer mein Los mit dem deinigen zu verbinden. Ich verkleide mich Warenhändler aus einer anderen Galaxis, am besten aus einer nichtspiralförmigen, denn dort sind die Leute oft dick, und ich muß unter meinen Gewändern eine Unmenge von Büchern verbergen, worin das Wissen um die fürchterlichen Gebräuche der Bleichlinge enthalten ist. Ich könnte dich dies nicht lehren, selbst wenn ich wollte, denn das Wissen um sie ist wider die Natur. Sie tun nämlich alles verkehrt, auf klebrige peinliche Weise und so unappetitlich, wie es sich nur vorstellen läßt. Ich werde die benötigten Werke verschreiben, du aber laß dir vom Hofschneider aus allerlei Fasern und Flechtwerk eine Bleichlingstracht zuschneidern, denn wir brechen alsbald auf. Und wohin wir auch gelangen werden: ich werde dich nicht verlassen, auf daß du wissest, was du zu tun und zu sagen hast.“Da freute sich Ferrenz und ließ sich Bleichlingsgewänder zuschneiden. Er wunderte sich darüber sehr. Sie bedeckten nämlich fast ganzen Körper, bald wie Rohrleitungen geformt, bald mit Beulen, Häkchen, Türchen und Schnürchen zu verschließen. Der Schneider mußte für den Prinzen eigens eine langmächtige Instruktion verfassen: was als erstes anzulegen sei, und wie; was woran festzuknöpfen sei, und wie man all dies Schirrzeug aus Tuch und Stoff abzunehmen habe, sobald die Zeit gekommen sei.

Der Weise aber legte Händlergewand an, hängte darin heimlich die dicken gelehrten Werke über die Praktiken der Bleichlinge auf, ließ aus Eisenstangen einen Käfig machen, sechs Klafter im Geviert, und sperrte Ferrenz hinein. So reisten beide im königlichen Raumsegler ab. Als sie aber die Grenzen des Aurenzschen Königreichs erreicht hatten, ging der Weise in Händlerkleidung auf den städtischen Markt und rief dort mit lauter Stimme aus, er habe aus fernen Landen einen jungen Bleichling mitgebracht, auf daß ihn kaufe, wer wolle. Die Mägde der Prinzessin trugen diese Kunde zu ihr, sie aber staunte zu ihnen:“Das muß wahrlich eine große Bauernfängerei sein! Aber mich wird dieser Händler nicht betrügen, denn niemand weiß über die Bleichlinge, was ich weiß. Fordert ihn auf, in den Palast zu kommen und jenes Wesen vorzuführen!“

Da geleiteten die Diener den Händler vor Kristallas Angesicht. Sie erblickte einen würdigen Greis und einen Käfig, den die Sklaven des Mannes trugen. Im Käfig saß der Bleichling; sein Gesicht hatte die Farbe mit Eisenkies vermengter Kreide, die Augen waren wie feuchter Schimmelpilz, und die Gliedmaßen wie Schlamm, der sich umherwälzt. Ferrenz aber blickte zur Prinzessin hin und sah ihr Gesicht, das zu klingen schien, und sah die Augen, die leuchteten wie lautlose Entladungen, und sein Herzenswahnsinn steigerte sich.“Wahrhaftig! Dieser sieht mir nach einem Bleichling aus!“ — dachte die Prinzessin; laut aber sagte sie:

„Fürwahr, o Greis, du mußt dich abgemüht haben, um eine solche Puppe aus Schlamm zu kneten und mit Kalkstaub zu streichen, in der Absicht, mich zu überlisten! Doch wisse, daß ich alle Geheimnisse des mächtigen Bleichlingsgeschlechtes kenne. Und habe ich erst deinen Betrug entlarvt, so lasse ich dich und diesen Hochstapler köpfen!“ Der Weise erwiderte:

„O Prinzessin Kristalla! Derjenige, den du hier im Käfig siehst, ist so echt, wie ein Bleichling nur sein kann. Um fünftausend Hektar Kernkräftefeld habe ich ihn von Sternpiraten erworben. Und wenn du es wünschst, biete ich ihn dir zum Geschenk. Denn ich habe keinen anderen Wunsch, als dein Herz zu erfreuen!“ Die Prinzessin ließ sich ein Schwert reichen und steckte es durchs Gitter in den Käfig. Der Königssohn faßte die Klinge und schnitt damit in sein Gewand, bis die Blase einriß, und Zinnober auf das Schwert rann und es mit Röte befleckte.

„Was ist das?“ — fragte die Prinzessin, und Ferrenz erwiderte:“Blut!“

Nun ließ die Prinzessin den Käfig öffnen, trat kühn hinein und näherte ihr Gesicht dem Gesicht des Prinzen. Ihr nahes Antlitz verwirrte ihm den Verstand, doch der Weise gab aus der Ferne ein heimliches Zeichen, und der Königssohn drückte die Bälge. Moderluft trat aus, und als die Prinzessin fragte: „Was ist das für ein Hauch?“, da entgegnete Ferrenz: „Atem!“„Du bist wahrlich ein geschickter Kunstgaukler“ — sprach die Prinzessin, den Käfig verlassend. „Doch du hast mich betrogen, deshalb sollst du samt deiner Puppe umkommen!“

Da senkte der Weise den Kopf, wie in großer Angst und Trauer; der Königssohn aber tat desgleichen, und aus seinen Augen flossen durchsichtige Tropfen. Die Prinzessin fragte:“Was ist das?“

Ferrenz aber erwiderte:“Tränen!“

Und sie sagte:“Wie heißt du, der du dich einen Bleichling aus fernen Landen nennst?“

„O Prinzessin, ich heiße Sabbermümmel und begehre nichts heißer, als mich mit dir zu verbinden, auf verströmende, weiche, teigige und wäßrige Art, wie dies der Brauch meines Stammes ist“, erwiderte Ferrenz, denn solche Worte hatte ihn der Weise gelehrt. „Ich ließ mich absichtlich von den Piraten fangen und bat sie, mich diesem Händler zu verkaufen, da er ja nach deinem Reich unterwegs war. Daher bin ich voll Dankbarkeit gegen seine blecherne Person, weil er mich hierhergebracht hat. Denn ich bin so voll von Liebe zu dir wie die Pfütze von Schlamm.“Da staunte die Prinzessin, weil er wirklich nach Bleichlingsart redete und sprach zu ihm:

„Sag mir, du, der du dich Bleichling Sabbermümmel nennst: was tun deine Brüder bei Tage?“„O Prinzessin“, — erwiderte Ferrenz — „morgens nässen sie sich in reinem Wasser und begießen damit ihre Gliedmaßen und gießen es in sich hinein, denn dies bereitet ihnen Genuß. Nachher gehen sie auf wellige fließende Weise hierhin und dahin und spritzen und schmatzen. Und wenn sie etwas betrübt, schlottern sie, und aus den Augen tropft ihnen gesalzenes Wasser. Und wenn sie etwas vergnügt, schlottern sie und schlucksen, doch die Augen bleiben recht trocken. Und das nasse Geschrei nennen wir Weinen, das trockene aber — Lachen.“

„Wenn es so ist, wie du sagst“, — sprach die Prinzessin — „und wenn du mit deinen Brüdern die Vorliebe für Wasser teilst, lasse ich dich in meinen Teich werfen, damit du dich nach Herzenslust an Wasser ersättigen kannst. Und die Füße lasse ich dir mit Blei beschweren, damit du nicht vorzeitig auftauchst.“„O Prinzessin“, — erwiderte Ferrenz, den der Weise belehrt hatte, — „wenn du dies tust, komme ich um. Denn obgleich in uns Wasser ist, darf um uns nur ein kurzes Weilchen lang Wasser sein. Andernfalls sagen wir unser letztes Wort 'gluckgluck', und mit diesen Tönen nehmen wir Abschied vom Leben.“

„Sag mir nun, Sabbermümmel, auf welche Weise du die Energie gewinnst, um spritzend und schmatzend, wabbelnd und wuchernd hierhin und dorthin zu wandeln?“ — fragte die Prinzessin.“O Prinzessin“ — erwiderte Ferrenz — „dort, wo ich wohne, gibt es außer uns Wenigborstern noch andere, zumeist auf allen vieren wandelnde Bleichlinge. Diese durchlöchern wir an allen Enden, bis sie umkommen. Die Leichen dünsten und sieden und hacken und schneiden wir; sodann füllen wir mit ihrer Leiblichkeit die unsrige an. Und wir kennen dreihundertsechsundsiebzig Arten des Tötens und achtundzwangigtausendfünfhundertsiebenundneunzig Arten der Bearbeitung solcher Verstorbener, auf daß es uns größtmögliches Vergnügen bereite, durch ein Löchlein namens Mund ihre Körper in die unsrigen hineinzustopfen. Und die Kunst des Zubereitens von Toten steht bei uns in noch höherem Ansehen als die Astronautik und nennt sich Gastronautik oder Gastronomie. Mit Astronomie hat sie freilich nichts zu tun.“

„Willst du damit sagen, es gelte bei euch als Belustigung, Friedhof zu spielen und in sich selbst die vierfüßigen Stammverwandten zu bestatten?“ — dies war eine Fangfrage der Prinzessin. Doch Ferrenz, den der Weise belehrt hatte, antwortete so:“O Prinzessin, dies ist keine Belustigung, sondern Notwendigkeit, denn Leben nährt sich von Leben. Wir aber haben aus der Not eine Kunst gemacht.“

„Sag mir nun, Bleichling Sabbermümmel: wie baut ihr eure Nachkommenschaft?“ — fragte die Prinzessin.“Wir bauen sie nicht“, — erwiderte Ferrenz — „sondern wir programmieren sie mittels einer statistischen Methode nach dem Prinzip des Markoff-Prozesses, somit also stochastisch und phantastisch, wenn auch probabilistisch. Dies tun wir jedoch ganz beiläufig und von ungefähr, und wir denken dabei an dieses und jenes, bloß nicht an statistisches, nichtlineares und algorithmisches Programmieren. Gleichwohl vollzieht sich inzwischen die Programmierung, eigenmächtig, selbstregelnd und ganz automatisch, denn so und nicht anders sind wir eingerichtet: jeder Bleichling sucht Nachkommen zu programmieren, weil ihm dies Lust bereitet. Doch beim Programmieren programiert er gar nicht, und manch einer tut sein möglichstes, damit dieses Programmieren nur ja keine Folgen zeitige…“

„Das ist sehr seltsam“ — sprach die Prinzessin, deren Wissen nicht so ins einzelne ging, wie das des weisen Polyphases. „Ja, wie macht ihr das nun eigentlich?“„O Prinzessin“ — erwiderte Ferrenz — „zu diesem Zweck haben wir eigene Apparate, Anwendungen des Rückkopplungsprinzips, allerdings aus Wasser. Eine solche Apparatur ist technisch ein wahres Wunderwerk, denn der größte Trottel kann sich ihrer bedienen. Und doch müßte ich sehr lang reden, um dir ihre Funktionsweise im einzelnen kundzutun, denn dies ist durchaus nicht einfach. Seltsam, in der Tat! Denn diese Methoden haben ja nicht wir ausgedacht. Sie haben sich sozusagen selbst ausgedacht. Doch sie sind nett, und wir haben nichts gegen sie einzuwenden.“

„Fürwahr, du bist ein echter Bleichling!“ — rief Kristalla. „Denn deine Rede scheint sinnvoll und ist doch im Grunde ohne Sinn und völlig unglaubwürdig, wenn auch vermutlich wahr, obschon dies der Logik zuwiderläuft. Denn wie kann jemand ein Friedhof sein, ohne ein Friedhof zu sein? Wie kann jemand Nachkommen programmieren, die er gar nicht programmiert?! Ja, du bist ein Bleichling, o Sabbermümmel, und wenn du danach verlangst, dann verbinde ich mich dir durch das rückgekoppelte Band der Ehe und besteige mit dir den Thron, sofern du die letzte Probe bestehst!“„Und was ist das für eine Probe?“ — fragte Ferrenz.

„Diese Probe…“ — so setzte die Prinzessin an. Doch sank Argwohn in ihr Herz, und sie fragte:“Sag mir zuvor, was deine Brüder bei Nacht tun!“

„Nachts liegen sie herum, die Arme gebogen und die Beine gekrümmt, und die Luft geht bei ihnen ein und aus und macht solchen Lärm, als wetzte jemand eine rostige Säge.“„Nun denn, die Probe! Reich mir die Hand!“ — befahl die Prinzessin.

Da bot ihr Ferrenz die Hand. Die Prinzessis quetschte sie. Ferrenz aber schrie lauthals, denn der Weise hatte ihm solches empfohlen. Die Prinzessin fragte, warum er schreie.“Vor Schmerz!“ — erwiderte Ferrenz. Da glaubte sie ihm, daß er ein echter Bleichling sei. Und sie befahl, daß alles für die Hochzeitszeremonie zugerüstet werde.

Doch just zu jener Zeit kehrte der Falzgraf der Prinzessin zurück, der Kyberkurfürst Kyberhazy. Er hatte zu Schiff das Zwischensternland bereist, um einen Bleichling für Kristalla zu finden und so ihre Gunst zu erkaufen. Bestürzt lief der weise Polyphases zu Ferrenz und sagte:“O Königssohn, der große Kyberkurfürst Kyberhazy ist mit seinem Raumkreuzer angekommen und hat der Prinzessin einen echten Bleichling mitgebracht. Ich habe das soeben mit eigenen Augen gesehen. Wir müssen also schleunigst entfliehen. Denn stündet ihr gemeinsam vor der Prinzessin, so wäre alle Verstellung vergeblich. Seine Klebrigkeit ist nämlich weit klebriger, seine Zottigkeit mehrmals so zottelig und die Teigigkeit gleichfalls nicht zu überbieten. Unser Betrug würde also offenbar, und wir müßten umkommen.“

Ferrenz aber willigte nicht in die Flucht ein. Denn mit großer Liebe hatte er die Prinzessin liebgewonnen.“Eher sterbe ich, als daß ich sie verlieren müßte!“ — sprach er.

Kyberhazy aber hatte die Hochzeitsvorbereitungen ausgekundschaftet und war schleunigst unter das Fenster des Gemachs geschlichen, worin der vorgebliche Bleichling mit dem Händler weilte. Als der Falzgraf das geheime Gespräch der beiden belauscht hatte, lief er voll schwarzer Freude in den Palast, trat vor die Prinzessin und sprach zu ihr: „Du bist betrogen, Prinzessin! Denn der sogenannte Sabbermümmel ist in Wahrheit ein gewöhnlicher Sterblicher und kein Bleichling. Echt ist nur dieser hier!“ Und Kyberhazy wies auf den Mitgebrachten. Dieser aber warf sich in die haarige Brust, ließ die Wasseraugen vorquellen und sprach:

„Der Bleichling — das bin ich!“ Sofort sandt die Prinzessin nach Ferrenz. Als er aber zugleich mit dem anderen vor ihr stand, da ward der Betrug des Weisen zunichte. Denn obzwar mit Schlamm, Staub und Kreide bekleistert, ölig beschmiert und wässerig gluckernd, konnte Ferrenz doch seinen elektritterlichen Wuchs nicht verbergen, die großartige Haltung, die Breite der stählernen Schultern und den dröhnenden Gang. Hingegen war der Bleichling des Kurfürsten Kyberhazy eine wahre Ausgeburt: jeder Schritt war wie das Ineinandergießen von Schmutzkrügen; der Blick glich einem verschlammten Brunnen; und unter dem fauligen Atem erblindeten die umnebelten Spiegel, und Rost erfaßte das Eisen. Und Kristalla begriff in ihrem Herzen, daß sie sich ekelte vor diesem Bleichling, dem beim Sprechen ein Ding wie ein rosiger Wurm kriechend im Maul hin und her lief. Und Kristalla wurde sehend. Doch der Stolz verbot ihr, das Erwachen ihres Herzens offen kundzutun.

Sie sagte also: „Die beiden mögen miteinander kämpfen. Der Sieger gewinnt mich zum Weib.“Da sprach Ferrenz zum weisen Mann: „Wenn ich diese Ausgeburt angreife und in den Schlamm zurückverwandle, der sie hervorgebracht hat, dann kommt der Betrug an den Tag! Der Lehm wird von mir abfallen, und Stahl wird zum Vorschein kommen. Was soll ich tun?“

„O Königssohn“ — erwiderte Polyphases — „greif nicht an, verteidige dich nur.“So gingen beide in den Hof des Palastes, jeder mit einem Schwert. Und wie Sumpfschlamm spritzt, so sprang der Bleichling den Königssohn an und umtänzelte ihn lallend und katzbuckelnd und auch schnaufend und holte aus und schlug ihn mit dem Schwert, so daß es den Lehm durchdrang und am Stahl zersplitterte. Doch der Schwung warf den Bleichling gegen den Königssohn, und der Bleichling knallte, platzte und zerrann, und es gab den Bleichling nicht mehr. Der Ruck aber den eingetrockneten Lehm erschüttert. Er fiel dem Königssohn von den Schultern, und die wahre stählerne Natur enthüllte sich den Augen der Prinzessin. Und Ferrenz erbebte und erwartete sein Verderben. Doch in ihrem Kristallblick las er Bewunderung. Da begriff er, wie sehr sich Kristallas Herz gewandelt hatte.

Und so verbanden sie sich denn durch das eheliche Band, das da dauert in wechselseitiger Rückkoppelung, den einen zu Freude und Glück, den anderen zu Leid und Verderben. Das edle Paar herrschte lang und glücklich und programmierte unzählige Nachkommen. Die Haut des Bleichling aber, den der Kyberkurfürst Kyberhazy gebracht hatte, die wurde ausgestopft und zu ewigem Andenken ins Hofmuseum gestellt. Dort steht sie noch heute, plumpsackig und mit schäbigem Borstenhaar da und auch dort. Und so mancher Besserwisser wagt das Gerücht auszustreuen, sie sei bloß Gaukelei und Vortäuschung, und auf der Welt gebe es gar keine Bleichlinge, Schluck-die-Leich-linge, Klebäugler und Teignasen. Und niemals habe es welche gegeben. Wer weiß? Vielleicht ist das auch bloß erdichtet. Das niedere Volk heckt sich ja genug Märchen und Mythen aus! Doch wenn die Geschichte auch nicht wahr ist, birgt sie immerhin einen lehrreichen Kern. Und da sie Spaß macht, verdient sie erzählt zu werden.

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