III Das Schiff ohne Namen

Die ganze erste Woche nach ihrem Auslaufen hatte Achates mit schwachen und umspringenden Winden zu kämpfen. Kaum eine Stunde verging, ohne daß die Segel neu getrimmt werden mußten, damit sie Ruder im Schiff behielten und beim Kreuzen nicht auf den alten Kurs zurückgedrückt wurden.

Die nervtötende Eintönigkeit wirkte sich auf die Stimmung an Bord aus. Nach dem Zeitdruck und der Aufregung des Aufbruchs führte die plötzliche Untätigkeit des öfteren dazu, daß Aufsässigkeit und Streitsucht mit Auspeitschungen an der Gräting geahndet werden mußten.

Bei einem solchen Strafvollzug hatte Bolitho Keens Miene genau beobachtet. Manche Kommandanten hätten sich davon nicht weiter erschüttern lassen, schließlich gehörte auch das zur Bordroutine; aber Keen war da anders. Bezeichnenderweise kam Bolitho gar nicht auf den Gedanken, daß er Keen auch darin in langen Dienstjahren selbst geprägt hatte.»Das Schlimmste daran ist«, hatte Keen bemerkt,»daß ich die Gefühle der Delinquenten verstehen kann. Manche haben nicht ein einziges Mal den Fuß an Land gesetzt, seit sie aus Westindien zurückgekehrt sind. Und jetzt müssen sie wieder hinaus. Sie sind dankbar dafür, daß ihnen Armut und Arbeitslosigkeit erspart bleiben, aber es empört sie, daß sie nicht besser behandelt werden als Gepreßte.»

Erst zu Beginn der zweiten Woche frischte der Wind aus Nordwest auf und erwe ckte das Schiff endlich wieder zum Leben; immer höher wuchsen die beiden Gischtschwingen unter der verwitterten Galions-figur.

Die Ausguckposten in den Masttopps hatten bisher nur selten Segel an der verschleierten Kimm gesichtet, und auch diese Unbekannten waren stets schnell über Stag gegangen und verschwunden. Heimkehrende Schiffe, die seit Monaten ohne Informationen über die Vorgänge in Europa waren, gingen kein Risiko ein, wenn ihnen ein Kriegsschiff begegnete. Veilleicht war inzwischen ein neuer Krieg ausgebrochen? Immer noch mochten manche Kapitäne nicht wissen, daß längst ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden war.

Die See schien Achates ganz allein zu gehören. Keen nahm die Gelegenheit wahr, seine Leute zu testen und ihnen seine Ansprüche klar zu machen. Segel- und Artilleriedrill lösten einander ab. dazwischen folgten Schießübungen für die Marine-Infanterie, und immer wieder wurden erfahrene Offiziere und Maaten dabei durch frisch angeheuerte Kameraden ersetzt. Keen verschaffte sich wohl Respekt, wurde aber bei Beginn jedes neuen Exerzierens herzhaft verflucht.

Aber Bolitho wußte aus eigener bitterer Erfahrung, daß unter den beengten Verhältnissen an Bord nichts so schnell in Meuterei umschlug wie Langeweile.

Er saß gerade beim Frühstück — Brot und dünne Scheiben fettes Schweinefleisch — , als Keen sich bei ihm melden ließ. Bolitho bat ihn, Platz zu nehmen.»Kaffee, Val?«Keen setzte sich.

«Ich glaube, wir werden heimlich von einem fremden Schiff verfolgt, Sir.»

Bolitho ließ Gabel und Messer sinken. Keen war nicht der Typ, der zu Übertreibung oder Phantasie neigte.»Wie das?»

«Vor zwei Tagen sichtete mein bester Ausguckposten ein Segel, ziemlich weit in Luv. Zunächst maß ich dem nicht viel Bedeutung bei. Es konnte ein Handelsschiff sein, auf demselben Kurs wie wir.»

Er spürte Bolithos Neugier und fügte erläuternd hinzu:»Ich wollte niemanden unnötig beunruhigen. Aber Sie werden sich erinnern, daß wir gestern beigedreht lagen, während wir mit den Steuerbord-Zwölfpfündern ein Übungsschießen auf Treibholz veranstalteten. Währenddessen blieb das fremde Segel die ganze Zeit an der Kimm. In dem Augenblick, als wir wieder Fahrt aufnahmen, folgte es uns, allerdings in weitem Abstand. «Er wartete vergeblich auf Bolithos Kommentar und sagte deshalb abschließend:»Es ist immer noch da.»

Die Tür ging auf, Adam trat mit einer Seekarte unter dem Arm herein.

Bolitho begrüßte ihn lächelnd. Seit dem Tag des Ankerlichtens vor der Beaulieu-Mündung hatten sie nur wenige Worte über seine Adoption gewechselt. Aber sie waren sich irgendwie nähergekommen, auch ohne große Aussprache.

Er erinnerte sich, wie Belinda ihn zu diesem Schritt gedrängt und ermutigt hatte. Sie wußte seit den Tagen ihrer ersten Liebe, was Bo-litho für seinen Neffen empfand, was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Fast hörte er noch ihre Worte:»Wenn unser Kind geboren ist, dann soll Adam sich nicht zurückgesetzt oder benachteiligt fühlen. Tu' es um Adams, aber auch um meinetwillen.»

«Hast du das fremde Schiff gesehen, Adam?«fragte er.»Aye, Sir. Ich bin beim ersten Tageslicht aufgeentert. Es scheint sich um eine Fregatte zu handeln. Ich hatte das große Signalteleskop mit hinaufgenommen, obwohl es sehr dunstig war. Das Rigg läßt auf ein großes

Kriegsschiff fünfter Klasse schließen. Für einen Indienfahrer oder ein anderes westwärts segelndes Handelsschiff ist er zu schnell.»

Keen orakelte:»Wenn er weiter so hoch am Wind bleibt, kann ich nie zu ihm aufkreuzen.»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Aber damit verliert er kostbare Zeit.»

Trotzdem beunruhigte ihn die Nachricht. Falls es sich um ein Kriegsschiff handelte, dann verkörperte es eine Drohung, ganz gleich, wie sein Auftrag lautete. Was mochte seine Absicht sein? Und welches seine Nationalität?

Die Mission der Achates galt als geheim, aber Bolitho kannte die Kriegsmarine und vor allem die Männer, die in ihr dienten. Adams neuer Name hatte Keen zwar überrascht, aber danach hatte sich die Neuigkeit in Sekundenschnelle im ganzen Schiff verbreitet. Eine so wichtige Information wie die über die San-Felipe-Mission konnte sich binnen kurzem in der Werft, in der Stadt, ja sogar bis jenseits des Kanals herumgesprochen haben.

«Halten Sie mich auf dem laufenden. Bei einer für uns günstigen Änderung der Windrichtung rücken wir ihm auf den Pelz. Andernfalls…«Er zuckte die Schultern.»Wir müssen eben abwarten, bis er seine Karten aufdeckt.»

Später machte Bolitho seinen gewohnten Spaziergang auf der Luvseite des Achterdecks und merkte, daß er schon wieder an die Einwohner von San Felipe dachte, während er auf- und abging. Würden sie ihre neue Nationalität hinnehmen? Und dann fiel ihm das fremde Schiff ein, das der Achates folgte wie ein Jäger auf der Pirsch. Wahrscheinlich ein Franzose, der sicherstellen sollte, daß die französischen Interessen gewahrt wurden, notfalls mit Waffengewalt.

Auf und ab marschierte Bolitho, wobei seine Füße wie von selbst Augbolzen und Taljen mieden.

Unter den Wachgängern und Seesoldaten waren ihm manche Gesichter schon vertraut. Engeren Kontakt verhinderte jedoch eine unsichtbare Trennwand, die Bolitho verabscheute. Keen dagegen konnte als Kommandant so oft mit seinen Leuten sprechen, wie es ihm behag-te. Schon manches Mal hatte Bolitho zu seiner Flagge hinaufgestarrt und sie für die Einsamkeit, die sie ihm brachte, verwünscht.

Er blieb beim Kompaß stehen und warf einen Blick darauf, obwohl er wußte, daß seit Tagen derselbe Kurs anlag. Er merkte, daß die Rudergänger seinem Blick auswichen, und daß Segelmeister[5] Knocker sich plötzlich ganz in den Bericht eines Kadetten vertiefte.

Hallowes, der Vierte Offizier, war Wachführer, und selbst er beugte sich mit betonter Konzentration über die Querreling und beobachtete das Exerzieren mit den Achtzehnpfündern.

Ein Bootsmannsgehilfe schlenderte das Seitendeck in Lee heran; irgend etwas an ihm erregte Bolithos Aufmerksamkeit, so daß er ihn schärfer ins Auge faßte.

Der Mann zögerte, schluckte krampfhaft und kam dann weiter auf ihn zu.

Bolitho sprach ihn an.»Kenne ich Sie nicht?«Und dann blitzte der Name plötzlich in seinem Gedächtnis auf.»Sie heißen Christy, nicht wahr?»

Mit einem breiten Grinsen nickte der Mann.»Aye, Sir, das stimmt. Ich war Großtoppgast auf der alten Lysander. Wir haben zusammen vor Abukir gekämpft, Sir.»

«Ich erinnere mich. Wir hätten Sie damals beinahe verloren, als uns die Großmaststenge weggeschossen wurde. «Bolitho nickte, ganz in seine Erinnerungen vertieft.

«War ein heißer Kampf, Sir«, sagte der Seemann.»Der schlimmste Tag meines Lebens.»

Bolitho entließ ihn lächelnd und nahm seinen Spaziergang wieder auf. Kopfschüttelnd hastete Christy weiter. Nach so langer Zeit erinnerte sich der Admiral noch an ihn, an ihn unter Hunderten von Männern.

Quantock, der Erste Offizier, der mit Bootsmann Rooke und dem Schiffszimmermann Grace seine morgendliche Ronde ging, blieb stehen und winkte Christy heran.

«Hat sich wohl an dich erinnert, der Admiral, wie?»

Grüßend tippte Christy an seine Stirn.»Aye, Sir, er wußte noch meinen Namen!»

«Also, dann steh nicht rum wie ein Mondkalb, sondern geh an deine Arbeit!»

Christy verzog sich nach achtern. Warum war der Erste so schlechter Laune?

Quantock hakte eine Liste ab, wie jeder gute Erste unaufhörlich mit seiner Bestandsaufnahme beschäftigt. Das Schiff war zwar überholt worden, aber trotzdem türmte sich die Arbeit wie ein Berg vor ihm auf: Segel mußten erneuert oder geflickt werden, Boote mußten repariert, Pumpen und Flaschenzüge gewartet werden.

Quantock ärgerte sich über sich selbst. Christy war ein guter Seemann und ein Freiwilliger dazu. Weshalb war diese plötzliche Feindseligkeit in ihm aufgeflammt?

Heimlich sah Quantock nach Luv hinüber, wo der Vizeadmiral immer noch auf und ab ging. Und überhaupt, was war denn an dem Mann so besonders?

Der Bootsmann, ein Riese mit gefurchtem und zernarbtem Gesicht, wartete geduldig, daß sein Vorgesetzter mit der Morgenronde weitermachte. Christy gehörte zu seinen Gehilfen, und der unprovozierte Anraunzer des Ersten hatte ihn geärgert. Doch Rooke — oder Big Harry, wie man ihn respektvoll nannte — erriet den Grund für Quantocks schlechte Laune. Er war ein guter Erster Offizier, aber nur, wenn man es vom Standpunkt des Kommandanten sah. Zu den Leuten war er scharf, und in Disziplinfragen ließ er nicht mit sich reden.

Kapitän Glazebrook, der nach langen Wochen im Fieber gestorben war, hatte wegen seiner Krankheit die Übersicht verloren. Quantock war wahrscheinlich nun der Meinung, daß ihm eine Beförderung gebühre, am besten gleich der Befehl über Achates. Rooke, der den Ersten nicht leiden konnte, verabscheute den Gedanken, daß dieser an Bord das Kommando haben könnte, wie eine Gotteslästerung.

Quantocks scharfe Stimme schnitt in seine Überlegungen.»Standard, das ist am wichtigsten, ein hoher Standard. Ich werde nicht zulassen, daß die Schiffsführung durch Laxheit leidet.»

Rooke sah den neuen Kommandanten über Deck herankommen. Einen anderen Offizier hätte er wahrscheinlich gewarnt, aber Quantock verübelte er immer noch seine Unbeherrschtheit.

«Obendrein.»

«Mr. Quantock. «Keen wartete, bis der Erste zu ihm trat, damit sie von den Wachgängern nicht gehört werden konnten.»Ich bewundere Ihre Pflichttreue. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn Sie Ihre Ansichten in Zukunft mir gegenüber äußern würden und nicht vor der ganzen Mannschaft!»

Bolitho hatte von der Poop aus das meiste mitbekommen und den

Rest erraten. Machte es wirklich einen so großen Unterschied, daß sie unter Admiralsflagge segelten? Selbst Keen schien gereizt zu sein; vielleicht bedauerte er schon seine Beförderung, die ihn in eine Sackgasse geführt haben mochte.

Nein, daran lag es nicht, entschied Bolitho. Die Ungewißheit war schuld. Das Vakuum, das der Friede für die Marine bedeutete. Sie hatten sich zu sehr an den Kampf gewöhnt, rechneten ungeduldig damit, und sein Ausbleiben wirkte wie ein Dämpfer.

«An Deck! Segel in Luv voraus!»

Keen blickte nach oben und wandte sich dann mit fragender Miene zu Bolitho um. Ihr Verfolger blieb ihnen also weiter auf den Fersen, lauerte wie ein Attentäter knapp außer Sicht.

Vielleicht, dachte Bolitho, bekamen sie alle noch mehr Pulverrauch zu schmecken, als ihnen lieb war, obwohl die Unterschriften unter dem Friedensvertrag noch nicht lange getrocknet sein konnten. Mit neuer Zielstrebigkeit nahm er seinen Spaziergang wieder auf, als wolle er überschüssige Kraft verbrauchen.

Er machte sich Vorwürfe, daß seine Phantasie mit ihm durchgegangen war. Nicht die Mannschaft, er selbst gierte nach Abwechslung, nach einem Zwischenfall, der ihn davon ablenken konnte, daß erbarmungslos ein Tag nach dem anderen verstrich.

Achates würde immer noch Richtung Boston unterwegs sein, wenn Belindas schwere Stunde nahte. Er kam sich vor wie in einer Falle, so hilflos.

Dann fiel sein Blick auf Adam, der sich weiter vorn auf dem Batteriedeck mit dem jungen Marineleutnant Hawtayne unterhielt.

Ich bin auch nicht besser als Admiral Sheaffe, dachte Bolitho. Neidisch, aber nicht auf den Erfolg, sondern auf die Jugend.

Zum Glück hatte er Belinda, die zehn Jahre jünger war als er. Bloß daß er jetzt, da sie ihn brauchte, hier draußen festhing wie Prometheus an seinem Felsen.

>Warum gerade du?< Er konnte immer noch ihre Stimme in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers hören. Ja, warum gerade er?

Er verhielt den Schritt und ließ seinen Körper mit den Bewegungen des Schiffes schwingen, das souverän durch den Schwell des Atlantiks ritt. Vielleicht war es eine Art Besessenheit bei ihm. Die Gefangenschaft in Frankreich, seine Flucht, die hohen Verluste der letzten

Schlacht gegen Remonds Geschwader waren zu viel gewesen und zu bald nach seiner schweren Verwundung gekommen. Wie zum Hohn wühlte der alte Schmerz wieder in seinem Schenkel. Er versuchte, sich an Belindas Berührung zu erinnern, aber es gelang ihm nicht.

Er rief:»Kapitän Keen, wenn es dunkelt, löschen wir alle Lichter und gehen über Stag. Neuer Kurs Nordwest. Bis zum Morgen will ich dieses fremde Schiff in unserem Lee sehen, damit wir es stellen können.»

Schon öffnete Keen den Mund zum Protest, tippte dann aber gehorsam an den Hut.»Ich lasse jeden Fetzen Tuch setzen, Sir«, versprach er.

Bolitho verschwand im Schatten unter dem Hüttendeck und begab sich nach achtern in sein Quartier.

War sein Entschluß überhastet, vielleicht sogar kindisch? Achates segelte allein, und dennoch hing so viel von ihr ab wie von einem Geschwader oder sogar von einer ganzen Flotte. Seine Leute hatten sich diese Mission nicht ausgesucht. Keen, der verbitterte Erste Offizier Quantock, sogar der Bootsmannsgehilfe Christy, der über sein gutes Gedächtnis so gerührt gewesen war, sie alle konnten Besseres von ihrem Admiral erwarten.

Aber es gab einen entscheidenden Unterschied. In Keens Gedanken nahm das Schiff mit seiner Besatzung die erste Stelle ein, ihr Auftrag die zweite. Aber für Bolitho mußte die Achates ein Werkzeug sein, eine Waffe, um seinen Auftrag notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Zum erstenmal wurde ihm die Tragweite seiner neuen Verantwortlichkeit klar, und diese Erkenntnis festigte ihn.

Allday stapfte in die Kajüte und hängte den alten Säbel an seinen Platz. Er putzte und polierte ihn gern, auch wenn das bei der alten Waffe nicht viel nützte; aber so hatte er wenigstens einen Vorwand, nach Belieben kommen und gehen zu dürfen.

Mit einem Seitenblick auf Bolitho, der mit windzerzaustem Haar auf der Bank unter den Heckfenstern saß, stellte er fest, daß der Vizeadmiral wieder die Ruhe selbst war. Der Sturm schien vorbeigezogen zu sein.

«Ich frage mich, Sir.»

Bolitho fuhr herum, er merkte erst jetzt, daß er nicht mehr allein war.»Was?»

«Na ja, Sir, ich meine, wenn Sie Gouverneur dieser Insel wären, die wir jetzt den Musjös in den Schoß werfen, was würden Sie dann tun?»

Bolitho erhob sich und ging zum Weinkabinett hinüber, wo er zwei Gläser Brandy eingoß.

Eines reichte er dem erstaunten Allday und sagte:»Danke. Das ist genau der Punkt. «Der Brandy brannte auf seinen Lippen.»Was ich tun würde, Allday? Ich würde mich wehren, würde kämpfen. Und genau das wird er wahrscheinlich tun.»

Allday atmete auf. Er verstand zwar nicht ganz, was er mit seiner Frage bewirkt hatte, aber es erleichterte ihn, daß sich Bolithos Stirn glättete.

Bolitho sah ihn voll Zuneigung an.»Dir hätten sie einen Sitz im Parlament geben sollen, Allday.»

Allday stellte sein leeres Glas ab. In dieser Stimmung kannte er seinen Admiral noch nicht.»Dafür bin ich zu ehrlich, Sir.»

Lachend wandte sich Bolitho den Fenstern zu und studierte die Wirbel des Kielwassers, das Achates hinter sich herzog.

Nein, für San Felipe gab es keine einfache Lösung.

Vielleicht hatte Sheaffe deshalb einen Mann gebraucht, der nicht nur taktvoll, sondern vor allem tapfer war. Aber da mußte erst Allday kommen und ihn darauf stoßen.

«Alle Mann auf Stationen, Sir, Schiff klar zum Gefecht.»

Keens Stimme kam aus der Dunkelheit, Bolitho konnte die Gestalt des Kommandanten kaum von den anderen Männern an der Querreling unterscheiden.

Keens ständiges Exerzieren hatte bei der schon von ihrem alten Kommandanten gedrillten Mannschaft gute Früchte getragen, dachte Bolitho. Das Kommando» Alle Mann!«hatte die Leute früh alarmiert; sie hatten noch eine warme Mahlzeit bekommen, ehe sie alle Feuer löschten und das Schiff gefechtsklar machten.

Trotzdem gab es kaum Anzeichen für Nervosität oder Furcht vor drohender Gefahr. Es herrschte doch Friede, weshalb sollten sie sich also ängstigen?

«Das ging leise vonstatten«, lobte Bolitho.

Er schauderte kurz in dem kalten, feuchten Wind, der quer über Deck fauchte. Erst in einer Stunde würde die Sonne aufgehen und mit ihrer Wärme die Planken zum Dampfen und das Pech der Decksnähte zum Schmelzen bringen.»Kurs West zu Nord liegt an, Sir.»

Bolitho nickte. Das war Segelmeister Knockers Stimme gewesen. An Ruder und Kompaß hatte er das Sagen, ein Mann, der nur selten lächelte, hager und hochgewachsen, mit dem asketischen Gesicht eines Mönchs. Aber seine Kursberechnungen und Standortbestimmungen waren so zuverlässig, wie sich Bolitho es nicht besser wünschen konnte.

Einige Stückmannschaften auf dem Batteriedeck flüsterten miteinander und stießen sich an. Ihnen war alles willkommen, was die langweilige Routine unterbrach. Was scherte es sie, wenn ihr Admiral verrückt genug war, wegen irgendeines blöden Fremdlings gefechtsklar zu machen?

Eine andere Stimme meldete:»Es dämmert schon, Sir.»

Bolitho wandte sich um und spähte achteraus, wo sich die Kimm allmählich abzuzeichnen begann. Wie viele Morgendämmerungen hatte er so schon erlebt? fragte er sich. Und wie oft hatte er damit gerechnet, daß es sein letzter Tag war, den er da anbrechen sah?

Wieder eine neue Stimme:»Der Strolch kann uns in der Nacht durch die Lappen gegangen sein.»

Der Marinesergeant stampfte mahnend mit seiner Pike auf und befahl:»Schluß jetzt, Jungs! Ich bitte mir Ruhe aus!»

Schon wurden die gekreuzten Brustriemen der Marinesoldaten an den Finknetzen[6] heller, und als Bolitho zur Großmaststenge aufblickte, sah er ihr Topp in fahles Gold getaucht. Wie die Spitze einer Lanze.

Die Ausguckposten oben in den Krähennestern oder den schwankenden Marsen würden das fremde Schiff als erste sehen. Falls es noch da war.

Während der ganzen Nacht hatte Keen die Achates nach Luv geknüppelt, hatte sich mühsam jede Meile mit dichtgeholten Brassen und mit Rahen erkämpft, die beinahe längsschiffs standen: eine fast lückenlose Wand aus Segeltuch und Spieren.

Achates machte ihrem guten Ruf alle Ehre. Sie reagierte willig und ließ sich von Segeln und Ruder anspornen wie ein Vollblüter.

Bolitho lauschte dem Zischen, mit dem die See in Lee an der Bordwand abfloß, und dem gelegentlichen Quietschen einer Stücklafette, deren Taljen die Last zu spüren bekamen.

Vorn östlichen Horizont floß das Tageslicht heran wie goldene Lava, die das Schiff zu verfolgen schien.

«Da ist sie! In Lee voraus!»

Jetzt redeten alle zugleich, und Bolitho sah Keens Zähne aufleuchten, als dieser grinsend dem Segelmeister zunickte.

Die Position, die sie sich erkämpft hatten, war noch günstiger als erwartet. Sie hatten nun den Windvorteil des Luvschiffs und konnten ihn auch halten, falls es zu einer Verfolgungsjagd kam.

Bolitho starrte zu dem fernen Schemen hipüber, der auf dem dunklen Wasser langsam Gestalt annahm.

Mit einem Klicken schob Keen sein Teleskop zusammen.»Doch größer als ein Schiff der fünften Klasse, Mr. Pas — äh, Mr. Bolitho«, sagte er.

Einige der Umstehenden schmunzelten, und Bolitho freute sich wie schon oft, daß er Adam um sich hatte.

Er hörte seinen Neffen zu Keen sagen:»Ganz Ihrer Meinung, Sir. Wahrscheinlich eher ein kurzer Zweidecker.»

Keen trat zu Bolitho heran.»Ihre Befehle, Sir?»

«Wir warten ab. Noch hat er uns nicht bemerkt. Wenn es soweit ist, fordern Sie ihn auf, sich zu identifizieren.»

Unglaublich, daß die Achates ungesehen so nahe herangekommen sein sollte. Das andere Schiff stand jetzt eine knappe Kabellänge[7] an Backbord voraus, so daß sie schon sein weißes Kielwasser unter dem Heck schäumen sahen. Das Brausen des Windes in Achates' durchgesetztem Rigg, das Brummen ihrer Spieren klangen laut genug, um Tote zu erwecken. Aber Bolitho wußte, wie leicht man sich dabei täuschte.

Plötzlich wurden die Geräusche von See und Wind durch ein schrilles Pfeifen drüben übertönt. Er konnte sich die Szene genau vorstellen: ein verschlafener Ausguckposten, der wahrscheinlich Befehl hatte, beim ersten Licht nach Achates in Lee Ausschau zu halten, und unten die müden Wachgänger, die ihre Ablösung und ein warmes Frühstück im Kopf hatten. Das war alles nur zu begreiflich.

Plötzlich Quantocks scharfe Stimme:»Sie setzt die Bramsegel!»

Keen nickte.»Die geben Fersengeld, Sir. Also hatten sie doch nichts Gutes vor.»

Bolitho spürte einen kalten Schauer über den Rücken laufen, als erlebe er das alles zum erstenmal: Triumph, Erregung oder Wahnsinn, wer wollte das beurteilen?

«Sobald es hell genug ist, setzen Sie Ihr Signal ab. Und bis dahin halten Sie ihn an Backbord voraus.»

Keen nickte; die Erregung wirkte ansteckend, wie immer seit seinen Kadettentagen, vor einer Ewigkeit und in einem anderen Erdteil.

«Lassen Sie die Toppgasten aufentern, Mr. Quantock. Wir brauchen mehr Segelfläche.»

Pfeifen schrillten, während schon die ersten Männer zu beiden Seiten in den Webeleinen emporkletterten; beim Aufentern erfaßte sie die fahle Morgensonne und ließ ihre Körper erglühen.

«Noch einen Strich nach Luv. Bemannt die Brassen dort!»

Gischt schoß über Bugspriet und Vorschiff und sprenkelte das Deck wie ein tropischer Regenguß.

Aber auch das andere Schiff hatte mehr Segel gesetzt und schien zügig Distanz zu gewinnen.

Unter Bolithos Füßen erzitterten die Planken, als Achates den Kamm einer See erklomm und ins nächste Wellental krachte. Er spürte die stärkere Zugkraft des zusätzlichen Tuchs und hörte das riesige Großsegel sich donnernd entfalten, sobald die Gordings oben lose kamen.

Bolitho stieg auf eine Lafette und richtete sein Glas auf das Schiff vor ihnen. Es wurde jetzt schnell heller, deshalb konnte er schon das vergoldete Schnitzwerk an Heckgalerie und Poop des Fremden schimmern sehen und den Glanz der rötlichen Morgensonne auf seinen Heckfenstern, als hätten sie Feuer an Bord.

«Kein Franzose«, stellte Keen fest.

«Vielleicht ein Holländer«, überlegte ein anderer.

Aber sie irrten sich alle. Bolitho hatte schon ganz ähnliche Schiffe gesehen und glaubte die Werft zu kennen, wo sie auf Kiel gelegt worden waren.

Er sagte:»Ein Spanier. Ich habe mit seinesgleichen schon manchen Strauß gefochten.»

Niemand antwortete, und Bolitho mußte sich ein Lächeln verkneifen. Ob er nun recht hatte oder nicht, niemand wiedersprach einem Admiral, und wenn er noch so jung war.

Keen nickte.»Und ich stimme dem Flaggleutnant zu, Sir. Sie ist zu groß für eine Fregatte. So, wie sie aussieht, hat sie mindestens fünfzig Kanonen, schätze ich.»

«Signalisieren Sie, sie soll Segel kürzen.»

Bolitho spürte, wie sich um ihn Gleichgültigkeit verbreitete. Die Jagd war vorbei, ehe sie richtig begonnen hatte.

Die Signalflaggen stiegen auf zu ihrer Rah, wo sie knatternd auswehten. Aber die Signalrah drüben blieb leer, nicht einmal das Bestätigungssignal wurde geheißt.

«Sie fällt jetzt ein bißchen ab, Sir.»

Bolitho richtete sein Glas neu aus und glaubte, neben einer der Pooplaternen drüben Sonnenlicht von einer Teleskoplinse reflektieren zu sehen. Achates' Kurswechsel im Schütze der Nacht mußte sie ziemlich überrascht haben.

Keen befahl:»Folgen Sie der Drehung! Neuer Kurs West zu Süd. «Er warf einen Blick auf Bolithos unbewegte Miene,

«Lassen Sie das Signal stehen«, sagte dieser.

Beide Schiffe fuhren nun in Kiellinie, als schleppe der Fremdling Achates an einer unsichtbaren Trosse ab.

Keen schritt ruhelos auf und ab und versuchte, den nächsten Zug des fremden Kommandanten zu erraten. Wenn er weiter nach Lee abdrehte, blieb die Achates im Vorteil. Wenn er aber auf so kurze Distanz nach Luv aufkreuzen wollte, mußte er kostbare Zeit verlieren, und Achates konnte leicht zu ihm aufschließen.

Der Leutnant der Achterwache ließ sein Glas sinken.»Sie bestätigt immer noch nicht, Sir. Dabei sollten sogar die Dons mittlerweile unseren Signalkode kennen!»

Quantock brüllte:»Notieren Sie diese Männer, Sergeant!«Wütend fuchtelte er mit seinem Sprachrohr zu einem Achtzehnpfünder hinüber, dessen Mannschaft ihre Station verlassen hatte, um nach dem fremden Schiff auszuspähen.»Hol mich der Teufel, was fällt denen ein?»

Keen meinte:»Wenn der Wind so bleibt, lasse ich Leesegel setzen… »

Bolitho wischte sich die tränenden Augen und hob abermals das Glas. Achates hielt mit dem Fremdling mit, obwohl dieser die Royals gesetzt hatte, um ihr zu entkommen. Aber der Wind konnte abflauen oder ganz einschlafen. Wenn Achates sie nicht vor Einbruch der Nacht gestellt hatte, würden sie nie erfahren, was da vor sich ging.

Seltsam, das Ganze. Bolitho konzentrierte sich völlig auf die kleine, lautlose Welt in der Linse seines Fernrohrs. Das fremde Schiff trug einen frischen Farbanstrich, als wäre es wie die Achates eben erst aus dem Dock gekommen. Aber auf dem breiten roten Streifen quer übers Heck fehlte der Schiffsname. Entweder war sie überhastet in See gegangen, oder sie wollte ihre Identität verschleiern.

Er hörte Achates' Ruder knarren, als das Schiff vor ihnen weiter nach Lee abfiel.

Noch einmal spähte er scharf hinüber, denn er glaubte zunächst, seine überanstrengten Augen hätten ihm einen Streich gespielt. Aber nein, zu beiden Seiten des Ruders drüben hob sich der Deckel einer Stückpforte, und noch während er hinsah, begann das Licht auf den langen Rohren der beiden Heck-Kanonen zu spielen.

Quantock explodierte.»Hölle und Teufel, er wird es doch nicht wagen, auf ein englisches Kriegsschiff zu feuern!»

Aber da erzitterte die Luft schon vom Doppelknall der Kanonen, und als der Rauch in dicken Wolken leewärts trieb, spürte Bolitho die Eisenkugeln in Achates' Bug schlagen, daß sie erzitterte wie unter dem Hieb einer Riesenfaust.

Befehlsgebrüll kämpfte gegen den plötzlichen Höllenlärm an, Gesichter wandten sich dem Achterdeck zu, als seien die Männer vor Verblüffung bewegungsunfähig geworden.

«Laden und ausrennen, Kapitän Keen«, befahl Bolitho knapp.

Der andere Kommandant mußte toll geworden sein, einen 64er anzugreifen. Gleich würde Keen abdrehen und ihm eine volle Breitseite in den Rumpf schießen. Das mußte Tote geben — aber mit welchem Sinn und Zweck?

Am Backbordrumpf der Achates flogen die Stückpforten fast gleichzeitig auf, kreischend rollten die Achtzehnpfünder, nur von den schrillen Bootsmannspfeifen übertönt, das schrägliegende Deck hinunter, bis ihre Rohre der See entgegenbleckten. Im Deck darunter würden die Mündungen der schweren Vierundzwanzigpfünder nur wenige Fuß über dem Wasser hängen. Achates lag unter ihrer gewaltigen Segelfläche so stark über, daß es ein Wunder war, wenn die See nicht in die offenen unteren Stückpforten wusch.»Bugkanonen — Feuer!»

Keen hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt — so fest, daß Bolitho die Knöchel weiß hervortreten sah. Was erblickte er in dem Schiff da vorn, eine unerwartete Prise oder den Ruin seiner Laufbahn?

Wieder feuerte der andere, und Bolitho mußte sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, als die Kugel ihr pralles Großsegel durchschlug, das der Wind sofort in tausend flatternde Fetzen riß.

Aber die Stückmeister an den Bugkanonen der Achates mußten geschlafen haben. Jetzt konnten sie nicht einmal mehr Ziel auffassen, überlegte Bolitho.

Entlang des Batteriedecks stand jeder Stückmeister mit erhobener Hand an seiner Kanone.

Gepreßt sagte Keen:»Klar zur Halse, Mr. Knocker! Wir kreuzen sein Heck und beharken ihn dabei. Das sollte ihm was zu schlucken geben!»

Seine Stimme klang wütend. Es wurmte ihn, was da geschah.

«An die Leebrassen! Klar auf dem Achterdeck!«Quantocks metallverstärkte Stimme schien von überall zugleich zu kommen.

Und in diesem Augenblick feuerte ihr Gegner ein drittes Mal. Bo-litho glaubte fast, die verwischte Bahn der Kugel zu sehen, bevor sie das Backbord-Seitendeck zerschmetterte; der andere Schuß, mit Ma-ximalelevation abgefeuert, heulte über die Back heran.

Es war ein letzter, verzweifelter Versuch, den Jäger abzuschütteln. Und er hatte Erfolg.

Zuerst knallte es, einmal und ohrenbetäubend laut, und Sekunden später kam krachend die Vormaststenge herunter. Spieren und wild schlagendes Segeltuch regneten an Deck. Gleich darauf wankte der Vormast und schlug, sein gebrochenes Rigg wie ein Nest zuckender Riesenschlangen hinter sich herziehend, splitternd aufs Leedeck, von wo er mit einem gewaltigen Aufklatschen ins Wasser stürzte.

Bolitho hörte neben sich den halberstickten Entsetzensschrei eines Kadetten, als die Wrackteile einige Seeleute mit über Bord rissen; ihr Aufbrüllen ging im tosenden Inferno unter.

Die nachgeschleppten Spieren und Leinen wirkten wie ein riesiger Seeanker und zogen den Bug herum, immer weiter aus dem Kurs, bis alle Segel, die für die Verfolgungsjagd so sorgsam getrimmt worden waren, in wildem Durcheinander schlugen.

Bootsmann Rooke und seine Leute attackierten unten schon das Chaos, kappten mit Axthieben die Wrackteile, um das Schiff wieder flott zu machen. Die Stückmannschaften hantierten fieberhaft mit Taljen und Handspaken, um ihre Kanonen auszurichten, aber die Achates wurde immer weiter nach Lee gedrückt, so daß die Rohre sich blind auf die leere See richteten, während das Ziel schon in sicherer Entfernung stand.

Bolitho versuchte sich bewußt zu entspannen, aber sein Körper war wie eine überdehnte Bogensehne kurz vor dem Zerreißen.

Von einem Augenblick zum anderen war sein Schiff zum Krüppel geschossen worden. Hätte es sich um ein ernsthaftes Gefecht gehandelt, wäre der Feind jetzt schon über Stag gegangen, um sie vom Bug bis zum Heck mit seinen Breitseiten einzudecken.

Hoch über Deck schrien die Toppgasten einander Anweisungen zu, während sie die Segel aufzugeien versuchten, bevor das Schiff total entmastet werden konnte.

Keen entrang sich ein verzweifelter Ausruf:»Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen! Niemals!«Er starrte Bolitho an, als erwarte er eine Antwort von ihm.»Sie hatten keinen Grund, auf uns zu feuern!»

Bolitho sah allmählich wieder eine gewisse Ordnung an Bord einkehren, die Schiffsbewegungen wurden kontrollierter, und sie reagierte auf das Ruder; aus dem Wirrwarr auf dem Vorschiff ragte der Maststumpf wie ein abgebrochener Zahn.

Er sagte zu Keen:»Einen Grund hatten sie schon. Und ich beabsichtige, ihn herauszufinden. Damit wir beim nächsten Mal nicht überrascht werden.»

Offiziere eilten zu Keen, um sich neue Befehle zu holen. Die dienstälteren Leute an Bord würden ihn jetzt mit dem früheren Kommandanten vergleichen. Egal, was sie dachten, es war jedenfalls kein guter Anfang.

Bolitho sagte:»Beruhigen Sie die Leute und bringen Sie das Schiff wieder auf Kurs.»

Es kostete ihn große Anstrengung, beherrscht zu sprechen. Sie hatten eine Niederlage einstecken müssen und Tote zu beklagen — es sei denn, das ausgesetzte Beiboot konnte noch Überlebende aus den achteraus abtreibenden Trümmern fischen.

Nur aus Instinkt, aus einer schlimmen Vorahnung heraus hatte er Keen befohlen, zu dem Fremdling aufzuschließen.

Jetzt war eine Verfolgung unmöglich geworden, das namenlose Schiff zog unter Vollzeug schnell davon.

Keen tat ihm leid. Er hatte sich und die Mannschaft so geschunden, um den Anforderungen seines Admirals zu genügen, hatte geglaubt, den fremden Kommandanten zu überraschen, aber dann, als die Falle zuschnappte, war der Gegner gewappnet — und Keen war es nicht.

Der Schiffsarzt Tuson, dessen weißes Haar der Wind zauste, gestikulierte zu den verfilzten Rigghaufen hinüber. Darunter mußten noch mehr Leute liegen.

Mit blassem, grimmigem Gesicht nahm Keen die Meldungen seiner Offiziere entgegen.

Heute hatte er eine Lektion bekommen, die er nie mehr vergessen würde, dachte Bolitho.

Er gewahrte Adams besorgten Blick. Vielleicht dachte der Junge an seinen Vater. Hugh hatte damals unter falscher Flagge Bolitho getäuscht und sein Schiff zuschanden geschossen.

Bolitho ging zur Poop und zog den Kopf ein, als er in den Schatten unter Deck trat.

Auch ich habe eine Lektion vergessen, dachte er. Nämlich, daß es immer der letzte Sonnenaufgang sein kann.

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