IX Knapp davongekommen

Eine Hand schüttelte Bolitho wach, und er regte sich mit einem unterdrückten Stöhnen. Hatte er wirklich geschlafen? Der Schreck darüber weckte ihn endgültig.»Was ist denn, Mann?»

Leutnant Mountsteven starrte ihn neugierig an, als könne er es selbst nicht glauben, daß er diesen steinigen Graben mit seinem Vizeadmiral teilte.

«Es dämmert schon, Sir. Die Leute sind auf den Beinen.»

Bolitho setzte sich und rieb seine brennenden Augen; jetzt fiel ihm auch auf, daß der Wind fast eingeschlafen war.

Er erinnerte sich an die Nacht wie an eine Halluzination. Als er über den Grabenrand auf die glitzernde Wasserfläche spähte, sah er wieder vor sich, wie Achates unter Segeln, die sich wie kupfern schimmernde Brustpanzer wölbten, die Einfahrt erzwungen hatte. Sie war nur ein leichtes Linienschiff, hatte aber im Feuerschein fast doppelt so groß gewirkt und schien den ganzen Hafen zu füllen. Mit wildem Jubel und nassen Augen hatten Bolithos Seeleute ihre gespenstische Erscheinung begrüßt. Nun hörte er, wie die Männer rundum nach ihren Waffen griffen, und dachte wieder an den Korporal der Marineinfanterie, den Hauptmann Dewar mit der Meldung zu ihm geschickt hatte, daß alle an Land waren und ihre Stellungen bezogen hatten.

Er mußte grinsen. Der Korporal wirkte in seiner makellosen roten Uniform so untadelig im Vergleich zu seinem Admiral in schmutzigem Hemd und mit wirrem, staubigem Haar.

Die Festung hüllte sich noch in Dunkelheit, aber der Gipfel des Vulkans trug schon eine graue Mütze.

Mountsteven reichte ihm eine Hüftflasche herüber.»Ich lasse das Schiff beobachten, Sir«, sagte er.»Aber die Marineinfanterie wird es schon zu verhindern wissen, wenn sie eine Kanone so in Stellung bringen wollen, daß es unter Direktbeschuß genommen werden könnte.»

Bolitho hob die Flasche an die Lippen und ließ den starken Brandy brennend über seine Zunge rinnen. Jetzt hing alles von Rivers ab. Wenn ihm genug Zeit blieb, schaffte er seine schwere Artillerie bestimmt auf eine andere Bastion, von wo aus er die Achates mit glühenden Kugeln binnen weniger Minuten zum Wrack schießen konnte.

Irgendwo begrüßte ein Hahn trotzig krähend den Morgen, und Bo-litho blickte sich um.

Der Dritte Offizier kam den Hang herabgestolpert und meldete atemlos:»Sie verlegen die Artillerie im Fort, Sir. Ich habe einen Späher so weit vorgeschickt wie möglich. «Er ließ sich von seinem Kameraden ebenfalls die Flasche reichen und setzte sie an. Mit einer Grimasse schloß er:»Aber die Tore sind noch zu.»

Bolitho nickte, während sein wie eingefrorener Verstand die spärlichen Nachrichten zu verarbeiten suchte. Die erste Aufregung über die Vernichtung der Schwimmsperre und ihren Durchbruch in den Hafen mußte sich inzwischen gelegt haben, Rivers sein Selbstvertrauen allmählich zurückgewinnen.

Bolitho erhob sich steif und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Was für eine verfahrene Situation! In England würde man mit Recht die Notwendigkeit bezweifeln, daß hier Menschenleben geopfert wurden, um den Franzosen einen Vorteil zu verschaffen. Mit einem lautlosen Fluch verdrängte er diesen Gedanken; nur seine Hoffnung auf eine glückliche Zukunft mit Belinda flüsterte ihm solche Skrupel ein. Kein Wunder, daß ihn die jungen Offiziere wie Mount-steven oder Scott mit heimlichem Befremden musterten. Auch er hatte in ihrem Alter niemals an die privaten Sorgen seiner Vorgesetzten gedacht, an ihre Rücksichtnahme auf die eigene Familie, die sie vielleicht zögern ließ, wenn es ans Kämpfen ging.

Aber dann schüttelte er diese Stimmung ab. Ein Leben ohne Belinda schien ihm unerträglich. Aber ein Leben ohne Ehre konnte er ebensowenig ertragen.

Vom Ufer klang ein erschreckter Anruf herauf und dann Alldays gedämpfte, aber wütende Stimme:»Ich bin's doch, du blindes Huhn! Sei leise, oder ich brech' dir das Genick!«Er rutschte in den Graben hinunter und schielte unsicher zu den drei Offizieren herüber.

Bolitho lächelte.»Ihr habt heute nacht ein Wunder vollbracht. Das war gute Arbeit!»

Erst jetzt schien Allday zu begreifen, daß die eine der drei abgerissenen Figuren Bolitho war; weiß schimmerten seine Zähne im Halbdunkel, als er breit zu grinsen begann.

«Danke, Sir.»

Scott sagte:»Mir kam's so vor, als seid ihr auf ein Patrouillenboot gestoßen, Allday.»

Allday betrachtete ihn, schien zu überlegen, ob ein bloßer Leutnant seiner Aufmerksamkeit würdig war, aber dann antwortete er doch.»Stimmt, Sir. «Er fuhr mit der Hand quer über seine Kehle.»War aber kein Problem.»

Das ohrenbetäubende Krachen eines einzelnen Kanonenschusses ließ einige der Umstehenden erschreckt zusammenfahren. Kreischend und krächzend flatterten Vögel scharenweise vom Wasser und aus den Uferbüschen auf. Aller Augen folgten den Rauchschwaden, die vom Festungswall aufstiegen, gefolgt vom dumpfen Einschlag eines Volltreffers.

Bolitho rückte seinen Säbelgurt zurecht und sagte knapp:»Sie nehmen Achates unter Beschuß.»

Wie zur Antwort drang Lärm aus der Stadt: zunächst nur Gewehrfeuer, dann lautes Hufgetrappel auf einer gepflasterten Straße.

Also wollte Rivers' Miliz sie angreifen, ehe sie ihre Stellungen auf der Insel befestigen konnten, und eine schnell herbeigeschaffte Kanone sollte das verankerte Schiff in den Boden bohren.

«Kapitän Keen wird sich beeilen müssen«, stellte Bolitho fest.»Und wir sollten ihm etwas Zeit verschaffen.»

Schon nahm ihre nähere Umgebung und die Gruppe zusammengedrängter Seeleute im Morgengrauen deutlichere Umrisse an. Ruhig fragte Mountsteven:»Was haben Sie vor, Sir?»

«Zu verhandeln. «Und die erstaunte Reaktion des anderen scharf unterbindend, setzte er hinzu:»Ich brauche zwei Freiwillige — sofort.»

Wieder feuerte die Kanone, und Bolitho zwang sich, nicht zusammenzuzucken. Diesmal war kein Einschlag zu hören, aber bald mußte der Richtschütze sein Ziel im zunehmenden Licht gut erkennen können.

Brummig korrigierte Allday:»Nur einen Freiwilligen, Sir. Ich komme mit.»

Bolitho verließ die Deckung und wandte sich dem Weg zu, der in vielen Windungen zur Festung hinaufführte. Plante er wirklich nur einen Bluff? Jedenfalls hatte er Rivers nichts anderes zu bieten.

Mit einem schnaufenden Allday an seiner Seite und Christy, dem Bootsmannsmaatgehilfen, hinter sich, schritt Bolitho auf dem holprigen Weg rasch aus. Christy trug einen Bootshaken mit einem weißen Hemd als Parlamentärsflagge daran und pfiff leise vor sich hin. Beim Abschied hatte er noch darüber gewitzelt, daß das Hemd von einem der beiden Kadetten stammte, die ihrem Landungstrupp angehörten:»Der einzige junge Herr, der für unseren Zweck sauber genug ist.»

Bolitho wunderte sich, daß die Männer immer noch zum Grinsen aufgelegt waren.

«Halt! Keinen Schritt weiter!»

Bolitho blieb still stehen und blickte zu den Festungsmauern auf, die sich drohend über ihnen erhoben. Er glaubte, ein metallisches Klicken zu hören, und konnte sich gut vorstellen, wie ein Scharfschütze ihn ins Visier nahm, weiße Fahne oder nicht. Wieder stieg Verbitterung in ihm auf. Wen würde ihr Tod schon kümmern? Überall waren Hunderte, Tausende von Seeleuten und Soldaten gefallen, für die verschiedensten Zwecke, und wer erinnerte sich noch an sie oder an den Grund ihres Sterbens?

Er formte einen Schalltrichter mit beiden Händen.»Ich will mit Sir Humphrey Rivers sprechen!»

Die Antwort war ein höhnisches Auflachen.»Sie meinen wohl kapitulieren, Sir!»

Bolitho ballte die Fäuste. Also hatte er richtig vermutet, Rivers hielt sich da oben auf. Sonst hätten die unbekannten Gegner mit einer spöttischen Abfuhr reagiert, ihn für seinen Irrtum verhöhnt.

Allday murmelte:»Ich zeig's dem Schweinehund, von wegen kapitulieren!»

Eine andere Stimme rief:»Ach, Sie sind das, Bolitho! Ich dachte schon, wir hätten ein paar Bettler vorm Tor!»

Bolitho merkte, daß er sich entspannen konnte, jetzt, da Rivers ihm wirklich gegenüberstand.

«Bitte, sagen Sie doch — was kann ich für Sie tun, bevor ich Sie und Ihre Rabauken gefangennehme?»

Bolitho fühlte sein Herz gegen die Rippen schlagen, als sei es der einzige Teil seines Körpers, der noch spontan reagieren konnte. War es nicht schon viel heller geworden? Ohne das Sturmgewölk der vergangenen Nacht hätte bereits heller Tag geherrscht.

Irgendwo hinter der Mauer hörte er den Ruf:»Feuerbereit, Sir!»

Aber Rivers wollte die Situation ausgiebig genießen.»Einen Moment noch, Tate. Ich möchte hören, worum unser stolzer Admiral mich bittet.»

Bolitho flüsterte seinen Begleitern zu:»Sie können nicht feuern, so lange Rivers da oben ist. Er steht genau zwischen der Kanone und dem Schiff. «Laut rief er:»Ich fordere Sie auf, das Feuer einzustellen und Ihre Miliz zurückzubeordern. Sie haben keine Chance, uns zu besiegen. Und Ihre Leute müssen sich klar darüber sein, welch hohen Preis sie für den Angriff auf ein englisches Kriegsschiff zahlen werden.»

Dabei stellte er sich vor, wie seine Worte hinter den Festungsmauern von Mund zu Mund gingen. Trotzdem, Rivers' Leute waren überwiegend Einheimische, wahrscheinlich nicht viel besser als Piraten, obwohl die während des Krieges erfundene, zartfühlende Umschreibung >Freibeuter< diese Profession inzwischen fast legalisiert hatte.

Wütend schrie Rivers zurück:»Zur Hölle mit Ihnen, Bolitho! Ich habe Ihnen eine Chance gegeben, aber jetzt werden Sie für Ihre verdammte Arroganz büßen!»

Bolitho blinzelte geblendet, als die ersten Sonnenstrahlen ihm zwischen den Zinnen des Burgfrieds hindurch in die Augen stachen und den Hang über der Festung in goldenes Licht tauchten. Aufgeregte

Rufe erklangen hinter den Mauern, als auch der verankerte Zweidek-ker unten klar sichtbar wurde.

Rivers' Stimme wurde noch um einige Töne schriller:»Da liegt das Ziel, Jungs! Daß mir jede Kugel trifft! Dieser Kommandant ist ein noch größerer Narr als sein Admiral.»

Langsam wandte Bolitho sich um und sah über die Reede hinweg zu den weißen Häusern von Georgetown und den dicht gedrängt ankernden Fahrzeugen hinüber. Und er vergaß das Hohngeschrei aus dem Fort, als er erkannte, was Keen mit seiner kleinen Besatzung im Schutz der Dunkelheit bewerkstelligt hatte: Eine lange Trosse verlief vom Heck der Achates zu einer Festmacherboje und hielt das Schiff regungslos, und zwar so, daß es seine Breitseite voll der Festung zuwandte. Damit hatte Ke en eine Batterie, die nach beiden Seiten feuern konnte, zum einen auf die Stadt und die Reede, zum anderen auf die Festung und die Hafeneinfahrt. Kein Wunder, daß Rivers ihre Pläne nicht durchschaut hatte.

Rivers rief:»Meine Kavallerie rückt schon aus, um Sie fertigzumachen, Bolitho! Ihr schändliches Ende wird alle künftigen Angriffe auf meine Insel abschrecken, das garantiere ich Ihnen!»

Nun konnte Bolitho auch seine Gestalt vor dem hellen Himmel sehen und den Haß fühlen, der von diesem Mann ausging. Träge stieg Rauch über die Mauerkrone und verriet, daß dahinter Kugeln erhitzt wurden, die Achates vernichten sollten. Jetzt wurde die Zeit knapp.

Er rief hinauf:»Ich gehe zu meinen Leuten zurück, Sir Hum-phrey…«An seinem Hals zuckte ein Nerv, als er plötzlich ein entferntes, aber wohlvertrautes Rumpeln hörte. Diesmal wandte er sich nicht um, wagte es auch nicht, Rivers aus den Augen zu lassen, als das dumpfe Poltern wie abgehackt verstummte.

Rivers hatte es ebenfalls gehört.»Wozu soll das gut sein?«rief er.»Keine Ihrer Kanonen kann diesen Mauern auch nur einen Kratzer beibringen. «Aber das klang schon nicht mehr ganz so selbstsicher; vielleicht hatte das Poltern, mit dem Achates' Kanonen ausgefahren wurden, auch bei ihm alte Erinnerungen heraufbeschworen, genau wie bei Bolitho.

«Haben Sie ein Teleskop, Sir Humphrey?»

Nur mit Mühe zwang er sich zur Ruhe, obwohl es ihn mit allen Fasern seines Körpers danach verlangte, gegen dieses vermaledeite Tor anzurennen und es mit bloßen Fäusten zu zertrümmern.

Rivers hatte bereits ein Glas auf das bewegungslose Schiff gerichtet. Daß Achates so ruhig dalag, verstärkte die Drohung noch. Alle Segel waren ordentlich aufgelacht, über dem schwarzen, hellbraun abgesetzten Rumpf rührte sich keine Menschenseele.

Bolitho fuhr fort:»Im Krähennest des Großmasts sehen Sie einen Mann, einen Leutnant, um genau zu sein. Auch er hat ein Teleskop, Sir Humphrey, aber es ist auf Ihr Haus, Ihren Besitz gerichtet: unser-Einschlagbeobachter.»

«Sie spielen ja nur um Zeit«, sagte Rivers.

«Und danach kommt die Stadt dran, Sir Humphrey, bis dort kein Stein mehr auf dem anderen ist.»

Als die Explosion kam, wirkte sie ohrenbetäubend laut, denn das Land warf das Echo der Breitseite zurück und ließ es über die Bucht rollen, als hätte die Festungsbatterie schon das Feuer eröffnet.

Bolitho wandte sich um und sah Rauch von der abgewandten Seite der Achates aufsteigen und zum Uferkai treiben, wo sich eben noch die Schaulustigen zusammengedrängt hatten, um Zeugen des ungleichen Gefechts zu werden.

An Bord mußten Keens Offiziere jetzt neue Anweisungen an die Gangspillwachen geben, damit der Rumpf noch besser auf das Ziel ausgerichtet werden konnte.

Bolitho sah auch die aufgerissenen Planken in Achates' Bordwand, wo die erste Kugel getroffen hatte. Doch das war nichts im Vergleich zu dem Schaden, den glühende Kugeln anrichten mußten.

Ein schmaler Wimpel stieg schneidig zur Großrahnock auf und flatterte in der leichten Brise.

Bolitho informierte seinen Gegner:»Die Batterie ist feuerbereit für die nächste Breitseite. Nun hängt es von Ihnen ab.»

Hinter ihm murmelte Christy:»Allmächtiger!»

Und Allday meldete:»Die Kavallerie rückt an, Sir.»

Bolitho sah die Schwadron aus der Stadt galoppieren, auf dem Weg, der zu ihnen heraufführte. Aber sie ritt ungeordnet, wahrscheinlich hatten die Pferde bei den überraschenden Kanonenschüssen gescheut. Die Reiter mochten Söldner, einheimische Pflanzer oder Milizionäre sein, darauf kam es nicht an. Doch wenn sie Bolithos Landungstrupp unten auf der Straße überwältigten, mußte das Glück sich gegen ihn wenden.

Ein kurzes Hornsignal, dann sah Bolitho die geschlossenen Reihen seiner Rotröcke aus dem Gebüsch neben der Straße treten, wo sie sich versteckt gehalten und auf den entscheidenden Augenblick vorbereitet hatten.

Sonnenlicht reflektierte von den aufgepflanzten Bajonetten. Die Pferde der Gegner galoppierten jetzt schneller, ihre Hufe warfen Staubwolken auf, die in breiter Front über die Straße zogen.

Eine erste, unregelmäßige Salve fiel, und Bolitho durchfuhr es kalt, als er drei der winzigen roten Gestalten auf dem Weg zusammenbrechen sah.

Es schien endlos zu dauern, bis sich die erste Reihe der Marinesoldaten neben ihren toten Kameraden auf ein Knie niedergelassen hatte, während die hintere Reihe über ihren Köpfen die Gewehre anlegte. Erneut fielen Schüsse, und diesmal sank ein kleiner Trommelbube in den Staub.

«Jesus«, keuchte Allday,»warum schießen sie nicht endlich?»

Aber da fuhr Dewars Säbel schon blitzend nach unten, und die Salve der Briten krachte wie ein einziger überlauter Schuß.

Pferde und Reiter stürzten wirr durcheinander, und als der Pulverdampf sich hob, standen die roten Reihen unerschütterlich an ihrem Platz. Die überlebenden Reiter hatten ihre Pferde herumgerissen und galoppierten zur Stadt zurück, Tote und Verwundete sich selbst überlassend.

Erregt meldete Christy:»Das Tor geht auf, Sir!»

Es war vorüber. Erst zu zweit und zu dritt, dann in ganzen Gruppen, stolperte die Fortbesatzung ins Sonnenlicht und warf im Laufen ihre Waffen weg.

Als letzter erschien Rivers, schwankend wie ein Betrunkener. Doch als er sich an Bolitho wandte, war seine Stimme fest und klar.»Dafür sollen Sie mir in der Hölle schmoren!«Wilden Blicks starrte er zu dem üppig begrünten Hang oberhalb der Stadt hinüber.»Sie haben auf mein Haus, meine Familie schießen lassen, ohne alle Skrupel.»

Bolitho unterbrach ihn scharf.»Durch Ihre Schuld habe ich heute gute Männer verloren. «Mühsam beherrschte er seinen Zorn.»Und warum mußten sie sterben? Weil Sie Ihren Ehrgeiz und Ihre Habgier nicht zügeln wollten. «Er wandte sich ab, weil er die Kontrolle über sich zu verlieren fürchtete.»Aber regen Sie sich nicht auf, Sir Hum-phrey. Während Sie sich anschickten, ein Schiff Ihres Königs in Brand zu schießen und jeden Mann an Bord zu ermorden, war Kapitän Keen so rücksichtsvoll, seine Kanonen nur mit Pulver zu laden. Rauch hat Sie besiegt, nichts weiter.»

Es hätte ein Augenblick des Triumphes sein sollen, aber Bolitho fühlte sich nur angeekelt.

Er wandte sich an Allday.»Wir kehren an Bord zurück. Dewars Soldaten sind hier Herr der Lage.»

Allday deutete auf den verstörten Rivers.»Und was wird aus ihm?«-»Laßt ihn gut bewachen, zu seiner eigenen Sicherheit.»

Als zwei Seeleute Rivers an den Armen packten und zum Festungstor abführten, fügte Bolitho wie zu sich selbst hinzu:»Für den Sieger ist Rache immer wohlfeil. «Dann schlug er dem vierschrötigen Bootsmann auf die Schulter und schloß:»Aber wir gehören nicht hierher, sondern dort hinaus, auf die See.»

Allday stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Diesmal war es gerade noch gut gegangen; ihn schauderte trotz der warmen Morgensonne. Aber allmählich wurde er zu alt für solche Scherze. Das nächste Mal waren die jungen Spunde an der Reihe.

Nach diesem Fazit besserte sich seine Laune, und er beschleunigte den Schritt.

Die Matrosen des Landungstrupps säumten den Weg und öffneten grinsend eine Gasse für ihren Admiral.

Bolitho erriet ihre Gedanken: Einer von uns. Weil er genauso schmutzig und abgerissen daherkam wie sie, weil er diesen Bluff mit ihnen gemeinsam durchgestanden hatte, obwohl sie um ein Haar verloren hätten.

Und jetzt gab es eine Unmenge zu tun. Dewars Seesoldaten mußten das Fort besetzen, die Einheimischen mußten versammelt und beruhigt werden. Er hatte Depeschen zu verfassen und Erklärungen zu formulieren.

Irgendwo wieherte schrill ein verletztes Pferd, es klang wie der Schrei einer gemarterten Frau. Zum Glück brachte ein Gnadenschuß das Tier zum Verstummen.

Bolitho verhielt den Schritt an der Stelle, wo Dewar die Kavallerie zurückgeschlagen hatte. Der kleine Trommler lag auf dem Rücken, die blauen Augen offen, die Züge in einer schmerzlichen Grimasse erstarrt.

Bolitho nahm sein Taschentuch und bedeckte damit das Gesicht des Toten.»Zu jung für dieses Geschäft«, hörte Allday ihn murmeln.

Einer von uns? Die Worte schienen ihn jetzt zu verhöhnen, als er durch die Reihen der Seeleute schritt, die ihn mit fröhlichem Nicken begrüßten, obwohl sie alle darauf gefaßt gewesen waren, diesen Morgen nicht mehr zu erleben. Nein, er führte, und sie folgten. Das traf eher zu, und so wollte es auch die Flagge, die drüben im Fockmasttopp von Achates wehte.

Vor den Felsen wartete die Barkasse, um ihn an Bord zu bringen. Da straffte er sich und ging hinunter, ohne nach links oder rechts zu blicken.

Bolitho saß am Schreibtisch in seiner Tageskajüte und nahm seufzend ein weiteres Schriftstück entgegen, das Yovell ihm zur Unterschrift vorlegte.

Furcht und Feuer des nächtlichen Angriffs schienen weit hinter ihnen zu liegen, obwohl erst eine knappe Woche vergangen war, seit er Rivers vor seiner Festung die Stirn geboten hatte. Glücklicherweise hatten sie nur wenige Tote zu beklagen, die alle auf dem Bergfriedhof der Insel begraben worden waren.

Ungeduldig erhob sich Bolitho, trat zu den Heckfenstern und blickte auf die bleiern daliegende Reede hinaus. Das hölzerne Süll verbrannte ihm fast die Handflächen, denn die Sonne hatte ihren Höchststand über dem erloschenen Vulkan erreicht.

Er sah das Wachboot langsam und ohne große Begeisterung seine Runden um das Schiff ziehen, und konnte leicht erraten, womit sich die Gedanken der Bootsgasten und der Männer an Bord beschäftigten.

Seit ihr Gouverneur unter Arrest stand, verhielt die Inselbevölkerung sich ruhig und abwartend. Alle Feindseligkeiten waren eingestellt, einige Milizsoldaten sogar neu vereidigt worden, um die Marineinfanteristen auf der Festung zu verstärken. Aber Bolitho traute dem Frieden nicht. Es war eine feindselige Passivität, denn zu angestrengt wandten die Einheimischen den Blick ab, wenn sie einem britischen Arbeitstrupp oder Offizier begegneten.

Die Seeleute reagierten zunächst enttäuscht, dann verärgert. Schließlich waren einige ihrer Kameraden gefallen — wofür, wußten die wenigsten — , und den Sieg hatten sie sich verlockender vorgestellt.

Jetzt zur Mittagszeit mischte sich der Geruch des erhitzten Teers mit dem würzigeren Duft der täglichen Rumration, die in den Messen ausgegeben wurde. Das Hämmern der Schiffszimmerleute verstummte; sie hatten den von der Festungskanone angerichteten Schaden schon fast behoben. Immerhin hatte ein Seemann durch Splitter ein Auge verloren.

Es klopfte, Keen trat ein, den Hut unter dem Arm. Auf Bolitho machte er jetzt einen entspannteren Eindruck, obwohl er ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigen mußte; der Schiffsarzt und der Erste, der Master und der Zahlmeister, sie alle gingen den Kommandanten um die letzte Entscheidung an, und sei es nur, um die Verantwortung von sich abzuwälzen.

«Sie wollten mich sprechen, Sir?»

«Nehmen Sie Platz, Val. «Wohl zum hundertstenmal lockerte Bo-litho seinen Hemdkragen.»Wie geht die Arbeit voran?»

«Ich halte die Leute beschäftigt, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Aber Achates ist seeklar. Besser als neu, würde ich sagen.»

Bolitho nickte, ihm war nicht entgangen, wie stolz Keen neuerdings auf sein Schiff zu sein schien. Vielleicht hatte er endlich den Schatten seines Vorgängers abgeschüttelt. Bolitho hatte auch von Keens Streit mit Quantock kurz vor der Erstürmung des Hafens gehört. Kaum zu glauben, was sie da für ein Wagnis eingegangen waren. Aber die britische Flagge wehte wieder über dem Fort, und dem äußeren Anschein nach hatte die Insel zum Alltag zurückgefunden.

Bald mußte er eine Depesche an den französischen Admiral absenden, dessen Schiffe in Boston warteten. Falls sie dort noch warteten… Dann würde es um den Frieden der Insel geschehen sein und das Elend von neuem beginnen.

Mit einem Blick in Bolithos ernstes Gesicht sagte Keen:»Der Ad-miral auf Antigua würde uns Unterstützung nicht verweigern, Sir.»

Als er Bolithos Wangenmuskeln spielen sah, fügte er hinzu:»Doch daran haben Sie bestimmt schon gedacht.»

«Die Aufgabe hier wurde mir anvertraut, Val. Ich kann nicht über meinen Schatten springen. «Mit einer Handbewegung unterband er Keens Protest.»Ich brauche gute Augen und Ohren draußen auf See, nicht einen Flaggoffizier, der mir Vorschriften macht. Wenn wir Sparrowhawk nicht verloren hätten….»

Sie tauschten einen Blick; daß Duncan nicht mehr lebte, war immer noch unfaßbar.

Nachdenklich sagte Keen:»Wenn wir Anker lichten und uns auf die Suche nach diesem verdammten Schiff machen, können die Dinge hier außer Kontrolle geraten. Das Fort wäre leicht auszuhungern. Ich glaube, wir sollten ein Standgericht zusammentreten lassen und Sir Humphrey an der Großrahnock hängen, wie er es verdient. «Sein Ton war ungewöhnlich haßerfüllt.»Solange er lebt, ist er eine Bedrohung für uns.»

Sie fuhren beide zu den Fenstern herum, als draußen ein Musketenschuß krachte.

«Vom Wachboot. Da muß etwas passiert sein.»

Keen griff nach seinem Hut und sprang auf.»Ich sehe nach, Sir.»

Bolitho nahm ein Teleskop aus seiner Halterung und wartete, bis Achates an ihrer Ankertrosse zurückschwojte. Die Festung glitt in sein Blickfeld, die Mauerkronen von Hitzedunst verhüllt, so daß die Flagge an den Himmel selbst gepinnt schien. Bolithos Blick wanderte weiter zum Vorland und zu dem vorgelagerten Inselchen mit seiner spanischen Missionsstation. Dann sah er hinter der Landzunge ein einzelnes braunes Segel auftauchen und schließlich zum letzten Schlag wenden, der es direkt in den Hafen führen würde.

Achates' Kutter dümpelte abwartend, mit hochgestellten Riemen, auf der leichten Dünung.

Der Neuankömmling war eine kleine Brigantine, wahrscheinlich ein Händler von den Inseln. Auf ihren Skipper wartete eine Überraschung, sobald er erst den Hafen einsehen und Achates' mächtigen Rumpf erkennen konnte.

Mit schweißnassem Gesicht kehrte Keen zurück.

«Unser Wachboot wird die Brigantine zu einer Boje eskortieren. «Als Bolitho sich zu ihm umwandte, fuhr er fort:»Wie es aussieht, ist sie beschossen worden. Ich lasse gleich unseren Arzt hinüberrudern.»

«Beschossen?»

Keen hob die Schultern.»So sieht es aus.»

«Na gut. Aber signalisieren Sie allen anderen Fahrzeugen, sich von ihr freizuhalten. Ich habe ein ungutes Gefühl.»

Wieder richtete Bolitho das Glas auf die Brigantine, die jetzt die killenden Vorsegel wegnahm und geschickt an eine Festmacherboje heranschor.

Langsam und sorgfältig musterte er ihren Rumpf mit dem Glas. Der Farbanstrich trug schwarze Pockennarben von Schrot- oder Schrap-nellbeschuß. Schwereres Kaliber hätte ein so leichtes Fahrzeug sofort versenkt. Bolitho konzentrierte sich auf die beiden Gestalten, die achtern an der Pinne standen: ein großer bulliger Mann in blauem Rock, das graue Haar zerzaust, und daneben.

Bolitho rief:»Verflucht noch mal, Val, es ist Adam! Wenn er unnötig viel riskiert hat, werde ich ihn.»

Sie sahen einander an und lachten.

«Aber ich kann mich da schlecht als sein Richter aufspielen, wie?»

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Beiboot der Brigantine bei Achates längsseits ging.

Bolitho hatte das Teleskop wieder sorgsam an seinen Platz gehängt. Adam sollte ihn nicht für überängstlich und allzu fürsorglich halten. Trotzdem.

Keen sagte:»Ich gehe an Deck, um ihn zu begrüßen, Sir. «Mit einem heimlichen Lächeln schloß er die Tür hinter sich.

Als Adam die Kajüte betrat, verriet sein Gesicht Besorgnis; er schien sich auf eine Strafpredigt gefaßt zu machen.

«Tut mir leid, Sir. «begann er.

Bolitho ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.»Du bist hier, und das ist die Hauptsache.»

Adam blickte sich in der Kajüte um, als fürchte er, Spuren des Kampfes zu sehen.

«Im Wachboot haben sie mir schon von dem Gefecht erzählt, Onkel. Und daß ihr euch mit Gewalt die Einfahrt erzwingen mußtet. «Er senkte den Blick, eine schwarze Strähne fiel ihm in die Stirn.»Auch von Sparrowhawks Verlust habe ich gehört. Das hat mich erschüttert.»

Bolitho führte ihn zu einem Stuhl.»Wir wollen nicht mehr davon reden«, sagte er leise.»Erzähle mir lieber von deinen Problemen.»

Es war schon eine erstaunliche Geschichte, die der junge Leutnant zu berichten hatte. Erst vor wenigen Tagen, nachdem sie einen starken Sturm auf der Höhe der Bahamas abgewettert hatten, waren sie von einer Fregatte gestellt worden. Sie gab sich als spanisches Schiff aus und befahl ihnen, beizudrehen und ein Prisenkommando an Bord zu nehmen. Aber der mißtrauische Skipper der Brigantine blieb auf der Hut. Als das Prisenboot fast schon längsseits war, hatte er blitzschnell gewendet, mehr Segel gesetzt und mit dem günstigen Wind seine Zuflucht in flacherem Wasser gesucht, wohin ihm die Fregatte nicht folgen konnte. Immerhin hatte das spanische Prisenkommando die fliehende Brigantine noch beschossen, mit einem Buggeschütz und zwei Drehbassen. Der Maat war getötet und der Rumpf mit Einschlägen übersät worden.

Bolitho lauschte Adams hervorgesprudeltem Bericht, ohne ihn zu unterbrechen. Man durfte sich doch nie in Sicherheit wähnen, dachte er dabei. Während er sich über das künftige Schicksal von San Felipe den Kopf zermartert hatte, war Adam einem unerklärlichen Angriff ausgesetzt gewesen und um ein Haar getötet worden.

Laut sagte er:»Dieser Skipper muß ein beherzter Mann sein. Fast schon tollkühn. Ich möchte ihn gern kennenlernen.»

Adams Augen leuchteten; er wollte Bolitho unbedingt von Robina erzählen, aber nach der abenteuerlichen Überfahrt von Boston mit all ihren neuen Erlebnissen und Informationen mußte das warten.»Er hat mit mir übergesetzt und ist an Bord.»

Bolitho musterte ihn fragend.»Na ja, dann soll er doch hereinkommen.»

Der Wachtposten öffnete die Tür und trat beiseite, um den Besucher einzulassen. Nur die Augen unter dem hohen schwarzen Lacklederhut des Postens bewegten sich, als er meldete:»Der Kapitän der Vivid, Sir!«Ein lautes Aufstampfen des Gewehrkolbens beschloß den Satz.

Bolitho wollte den Besucher begrüßen, aber es verschlug ihm vor Erstaunen die Sprache. Der geflickte blaue Rock mit den Marineknöpfen auf den Manschetten, der hölzerne Stumpf, der aus dem einen

Hosenbein ragte — all dies konnte ihn nicht darüber hinwegtäuschen, wen er da vor sich hatte.

Bolitho eilte dem Mann entgegen und streckte ihm beide Hände hin.

«Jethro Tyrrell! Mein Gott, es muß zwanzig Jahre her sein. Und nun stehen Sie plötzlich wieder vor mir!»

Tyrrell legte den Kopf schief und musterte Bolitho mit geheuchelter Belustigung.

«Zum Vizeadmiral befördert, hieß es. «Langsam nickte er, das struppige graue Haar tanzte auf seinem Kragen.»Hätte nie gedacht, daß die Seelords doch noch vernünftig werden!»

Noch einmal drückte er Bolithos Hände, dann begann er, durch die große Kajüte zu humpeln, wobei er hier und da etwas berührte; seinen aufmerksamen Augen entging kein Detail.

Während Bolitho ihm zusah, stiegen wieder die Bilder der Erinnerung in ihm auf: die kleine Korvette Sparrow, sein erstes Schiff, auf dem der Südstaatler Jethro Tyrrell Erster Offizier gewesen war.

Es tat weh, den Holzstumpf zu sehen, den er nachschleifte, und seine schäbige Kleidung.

Bei Bolithos Admiralsrock, der nachlässig über einen Stuhl geworfen war, blieb Tyrrell stehen und betastete eine goldene Epaulette.

«Stimmt, es ist zwanzig Jahre her«, sagte er leise.»Aber Sie sind ganz schön vorangekommen, Dick. Bin richtig stolz auf Sie.»

Allein schon sein weicher Virginia-Tonfall rief tausend Dinge in Bolithos Gedächtnis zurück.

Vorsichtig ließ Tyrrell sich auf einen Stuhl nieder und zupfte seinen Rock zurecht.»Am besten gehe ich bald wieder. Wollte nur mal guten Tag sagen. Ich möchte nicht.»

Bolitho rief dazwischen:»He, ich war einmal Ihr vorgesetzter Offizier, und mein Wort gilt immer noch. Deshalb werden Sie hierbleiben und mir erzählen, wie es Ihnen ergangen ist. Nach dem Krieg habe ich vergeblich nach Ihnen geforscht.»

Tyrrell sah zu, wie Ozzard mit Flaschen und Gläsern hantierte.

«Als man mir unseren jungen Freund hier als Passagier schickte, da wußte ich, daß ich Sie wiedersehen würde. «Seine Augen spiegelten das reflektierte Sonnenlicht wider.»Das waren großartige Zeiten, sage ich Ihnen. «Er warf dem jungen Leutnant einen Blick zu, der gebannt lauschte.»So grün er war — sogar noch jünger als ich — , so faustdick hatte er's schon damals hinter den Ohren. Duellierte sich um ein Mädchen, das ihn um jeden Preis tot sehen wollte, und attackierte die Franzosen beinahe mit bloßen Händen. «Tyrrell lächelte breit, aber seine Augen blieben düster und traurig.

Vorsichtig erkundigte sich Bolitho:»Und was treiben Sie jetzt?»

«Dies und das. Ich führe die Vivid, aber sie gehört mir nicht, leider. Treibe mit ihr Handel zwischen den Inseln. - Die Spanier und die Briten sind mir dauernd auf den Fersen, weil sie mich außerdem für einen Schmuggler halten. Was für ein Witz! Man braucht mich ja nur anzusehen — ein Schmuggler wäre besser dran.»

Die Tür ging auf, und Keen trat zögernd ein.

«Dies ist Jethro Tyrrell«, machte Bolitho bekannt,»mein Erster auf der Sparrow.«Bei Keens Verblüffung mußte er lächeln.»Das war in einem ganz anderen Krieg, Val. Aber ein feines kleines Schiff.»

Unbehaglich rutschte Tyrrell auf seinem Stuhl herum, die allgemeine Aufmerksamkeit machte ihn verlegen.

«Wie dem auch sei, ich höre, Sie haben hier unten ziemlichen Ärger. San Felipe soll an die Franzosen zurückgegeben werden, stimmt's?»

Bolitho nickte ernst.»Das hat sich aber schnell herumgesprochen.»

Tyrrell verzog das Gesicht.»Wohl doch nicht schnell genug. Sie sollten sich vor den verdammten Spaniern besser in acht nehmen. Die haben es sich in den Kopf gesetzt, diese Insel zu erobern. «Mit heimlicher Genugtuung sah er in ihre erstaunten Gesichter.»Und das werden sie auch schaffen, wenn Sie nicht verteufelt vorsichtig vorgehen. Sie haben überall ihre Späher. Sogar meine kleine Vivid wollten sie anhalten und durchsuchen, nach Briefen oder Depeschen. «Er warf Adam einen Blick zu.»Beim Satan, wenn sie ihn an Bord gefunden hätten, wären wir alle umgebracht worden, so sicher wie das Amen in der Kirche.»

Bolitho beugte sich vor.»Stimmt das wirklich? Das mit den Spaniern?»

Tyrrells grimmiger Blick ließ ihn nicht los.»Ich brauche Geld, damit ich die Vivid kaufen kann. Viel stellt sie ja nicht dar, aber wenigstens wäre sie ein neuer Anfang. «Dann wandte er sich ab.»Sie ist für mich genauso wichtig wie für Sie das Schiff, das Ihre Fregatte versenkt hat.»

Sein Ton war defensiv, beschämt; aber man merkte ihm an, wie ernst es ihm war.

«Ich werde Ihnen helfen, Jethro«, versprach Bolitho.»Das hätte ich aufjeden Fall getan, wenn ich nur gewußt hätte, wie.»

«Ich hatte auch mal meinen Stolz, Dick. Damals. Jetzt kann ich mir Stolz nicht mehr leisten. Hab meine ganze Familie verloren. Mein Leben ist die See, mehr ist mir nicht geblieben. Ich brauche ein

Schiff.»

Bolitho trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter.»Sie bekommen Ihr Schiff, glauben Sie mir.»

Tyrrell seufzte tief auf.»Dafür bringe ich Sie zu dem verdammten Spanier!»

Bolitho warf Keen einen Blick zu, aber dem schien es vor Erstaunen die Sprache verschlagen zu haben.

Es war zwanzig Jahre her — und trotzdem so frisch, als wäre es erst gestern gewesen.

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